mehr
Landgericht in Detmold, [* 2] als Oberlandesgericht fungiert kraft Staatsvertrags vom das preußische Oberlandesgericht in Celle. [* 3] Es bestehen neun Amtsgerichte. Die Enklave Lipperode-Kappel gehört zum preußischen Amtsgericht Lippstadt. [* 4] Neben einzelnen Partikulargesetzen gilt gemeines Recht. Von besonderer Bedeutung ist die Gütergemeinschaftsordnung von 1786, welche allgemeine Gemeinschaft der Güter unter Ehegatten statuiert. Für Bauerngüter besteht Unteilbarkeit und Anerbenrecht.
Das Land zerfällt in die 13 Ämter: Blomberg, Brake, Detmold, Hohenhausen, Horn, Lage, Lipperode, Örlinghausen, Schieder, Schötmar, Schwalenberg, Sternberg und Barntrup, Varenholz, mit 155 Gemeinden. Hauptstadt ist Detmold. Die Finanzen des Fürstentums sind vortrefflich geordnet. Der Etat der Landkasse für 1887 schließt mit 1,017,449 Mk. Einnahmen und 1,013,527 Mk. Ausgaben ab. Die Landesschuld belief sich Ende 1885 auf 972,907 Mk. Seit 1841 ist Lippe [* 5] dem Deutschen Zollverein beigetreten. 1868 ist die Auseinandersetzung zwischen dem Domanium und dem Staatshaushalt vollzogen.
Das Domanialvermögen umfaßt die Schlösser, Domänen, Forsten, herrschaftlichen Erbpachtgüter, Zinsgefälle etc., das Bad [* 6] Meinberg, die Saline Uflen etc. und bildet ein unteilbares, in seinem wesentlichen Bestand unveräußerliches Fideikommißgut der fürstlichen Familie. Die Verwaltung desselben ist der Kammer übertragen, welche zugleich jetzt die Lehnskammer bildet. Die Verwaltung der Forsten wurde 1855 einer besondern Forstdirektion überwiesen.
Seit 1869 besteht eine über die Verwaltung der Domänen und der Forsten sich erstreckende Direktion der fürstlichen Fideikommißverwaltung. Das Medizinalwesen, namentlich das Hebammenwesen, ist sehr gut geordnet und verwaltet. Das Konsistorium ist die Verwaltungsbehörde für geistliche und Schulsachen. Die Geistlichkeit zerfällt in drei Klassen und steht unter einem Generalsuperintendenten und drei Superintendenten; es gibt 45 reformierte und 4 lutherische Pfarrstellen, 13 jüdische Gemeinden.
Die Synodalverfassung der Landeskirche beruht auf Gesetzen vom und auch die Lutheraner sind der Synode beigetreten. Die kirchlichen Verhältnisse der Katholiken sind seit 1854 durch eine besondere Verordnung geregelt und die Diözesanrechte dem Bistum Paderborn [* 7] übertragen. Regierender Fürst ist seit Günther Friedrich Woldemar (geb. Außer der regierenden Linie gibt es die gräflichen Nebenlinien Lippe-Biesterfeld und Lippe-Weißenfeld und die erbherrliche, in ihrem eignen Fürstentum souveräne Schaumburg-Lippesche Linie (s. unten, Geschichte). Lippe stellt zum deutschen Reichsheer das Füsilierbataillon des 6. westfälischen Infanterieregiments Nr. 55, welches mit dem Regimentsstab zu Detmold in Garnison steht. Das ursprüngliche Geschlechtswappen ist eine fünfblätterige rote Rose in silbernem Felde, das jetzige Wappen [* 8] ein neunfelderiger Schild. [* 9] Landesfarbe ist Gelb-Rot. Orden: [* 10] das Lippesche Ehrenkreuz in drei Klassen (seit 1869), welches vom Fürsten zur und vom Fürsten zu Schaumburg-Lippe gemeinsam verliehen wird;
außerdem das silberne Ehrenzeichen und die Verdienstmedaille.
[Geschichte.]
Das jetzige Fürstentum Lippe, das seinen Namen vom Fluß Lippe erhalten hat, wurde in der ältesten geschichtlichen Zeit von den Cheruskern bewohnt. Diese gingen später in dem Sachsenvolk unter und gehörten da zum Stamm der Engern. Als solche wurden sie von Karl d. Gr. unterworfen. Das Geschlecht der Grafen von Lippe läßt sich bis auf Hoold I. (um 948) verfolgen. Kaiser Heinrich II. verlieh 1014 die ausgedehnte Grafschaft dieses Geschlechts dem Bischof von Paderborn.
Doch behauptete sich ein Zweig des Geschlechts im Besitz der Vogtei von Geseke und der Grafschaft im Havergau, Limgau, Thiatmelli (Detmold) und Aagau. Bernhard I. (1113-1144) nahm von seinem reichen Allod an der Lippe (dem Amt Lipperode) den Namen »edler Herr zur Lippe« an. Sein Enkel Bernhard II. (s. d.), eine der großartigsten Erscheinungen dieses Geschlechts und seiner Zeit, überließ noch bei Lebzeiten die Regierung seinem Sohn Hermann II. (gest. 1229). Die jüngern Söhne des Hauses wurden häufig Bischöfe, vornehmlich in Münster [* 11] und Paderborn. Da sich Hermanns II. Urenkel Simon I. (1275-1344) mit Adelheid von Schwalenberg vermählte, fiel bei dem Aussterben der Grafen von Schwalenberg um 1362 der älteste Teil dieser Grafschaft, bestehend aus den Ämtern Schwalenberg und Oldenburg [* 12] und dem Kloster Falkenhagen, an das Haus Lippe, doch mit der Beschränkung, daß das Hochstift Paderborn gleichen Anteil an diesen Gebieten haben solle. So finden wir denn fortan die Ämter in gemeinschaftlicher Verwaltung.
Simon III. (1361-1410) führte 1368 das Erstgeburtsrecht ein. Bernhard VII. (1430-1511), mit dem Zunamen Bellicosus, errichtete mit dem Herzog Adolf von Kleve und Mark 1444 einen Vertrag, wonach er diesem die bis dahin verpfändet gewesene Stadt Lippstadt zur Hälfte abtrat. Zugleich wurde zwischen beiden Häusern ein Bündnis errichtet, welches Bernhard VII. in die sogen. Soester Fehde mit dem Erzbischof Dietrich von Köln [* 13] verwickelte. Letzterer rief 1447 ein böhmisches Heer zu Hilfe, welches die lippeschen Lande gänzlich verwüstete, die Städte Lippstadt und Soest [* 14] jedoch vergebens belagerte.
Unter Simon V. (1511-36), der sich seit 1528 Graf nannte, fand die Reformation Eingang. Sein Enkel Simon VI. (1563-13), der zur reformierten Kirche übertrat, ist der Stammvater der beiden Linien der jetzigen Fürsten von Lippe. Sein ältester Sohn, Simon VII., stiftete die Linie Detmold, der zweite, Otto, die Linie Brake, welche 1709 erlosch; der jüngste, Philipp, erhielt Lipperode und Alverdissen und nach dem Aussterben der Schauenburger Grafen (1640) Bückeburg, [* 15] wovon diese Linie dann den Namen Bückeburg oder Schaumburg führte (s. Schaumburg-Lippe).
Simons VII. jüngster Sohn, Jobst Hermann, stiftete die Nebenlinie Lippe-Biesterfeld, von welcher sich wieder Lippe-Weißenfeld abzweigte. Doch erwarb das Haus Lippe-Detmold die Besitzungen beider 1763 durch Kauf. Während des Dreißigjährigen und nicht minder während des Münsterschen Kriegs (1675) hatte Lippe besonders durch Einquartierung viel zu leiden. Dennoch suchten Graf Friedrich Adolf (1697-1718) und sein Sohn Simon Heinrich Adolf (1718-1734), der 1720 in den Reichsfürstenstand erhoben wurde, an Luxus es dem französischen Hof [* 16] gleichzuthun, wobei das gräfliche Domanialvermögen meist verschleudert wurde.
Des letztern Enkel Friedrich Wilhelm Leopold (1782-1802) erhielt 1789 eine Bestätigung seiner reichsfürstlichen Würde. Nach seinem Tod regierte bis 1820 seine Witwe Pauline (von Anhalt-Bernburg) für ihren minderjährigen Sohn Paul Alexander Leopold zwar in patriarchalischer Weise, aber dem Land zum Segen, so daß jene Zeit trotz der französischen Invasion einen Glanzpunkt in der lippeschen Geschichte bildet. Pauline sah sich 1807 genötigt, dem Rheinbund beizutreten, wodurch das Fürstentum souverän wurde, und schloß sich nach Auflösung desselben dem Deutschen Bund ¶
mehr
an. 1819 gab sie dem Land eine Repräsentativerfassung, in welcher alle Klassen der Unterthanen zur Wahl der 21 Landtagsabgeordneten konkurrieren sollten. Diese Verfassung fand jedoch bei der Ritterschaft und bei Schaumburg-Lippe, welches seine agnatischen Rechte bei dieser Frage für interessiert erklärte, heftigen Widerspruch; sie sträubten sich gegen Vertretung des Bauernstandes. Nachdem Paul Alexander Leopold die Regierung selbst übernommen, wurde nach langen Verhandlungen 1836 eine neue Verfassungsurkunde vereinbart und 6. Juli publiziert. 7 Abgeordnete der Ritterschaft bildeten die erste Kurie, 14 von den Städten und dem platten Lande die zweite.
Der Landtag erhielt nur das Recht der Steuerbewilligung und Aufsicht über die Landeskasse. Bei der Gesetzgebung wurde dem Landtag die entscheidende Stimme vorenthalten; dennoch sind unter seiner Mitwirkung segensreiche Gesetze zu stande gekommen, wie 1843 die Städte- und Landgemeindeordnung und ein Kriminalgesetzbuch. Der definitive Anschluß an den Zollverein erfolgte 1842. Die Bewegung von 1848 ließ auch Lippe nicht unberührt, doch erfolgte die Neugestaltung des Staatswesens meist in friedlicher Weise. Ein neues demokratisches Wahlgesetz und ein Gesetz über Vereinigung der beiden Kurien zu einem Landtag wurden unterm vollzogen. Hinsichtlich der Reichsverfassung sprach sich Lippe für die Übertragung der Kaiserkrone an Preußen [* 18] aus. Nach dem Tode des Fürsten folgte dessen Sohn Paul Friedrich Emil Leopold.
Der in Deutschland [* 19] herrschenden reaktionären Strömung nachgebend, führte er ohne Zustimmung des Landtags die Verfassung von 1836 wieder ein (März 1853). Als der oldenburgische Staatsrat Hannibal Fischer 1853 das Ministerium übernahm, wurden im Verordnungsweg eine Menge der 1849-51 vereinbarten Gesetze aufgehoben. Dasselbe System behielt der Minister v. Oheimb (seit 1854) bei. Zwar kamen seit 1856 die Stände wenigstens regelmäßig jedes Jahr zusammen, allein von einer Einigung mit der Regierung und gedeihlichem Zusammenwirken dieser letztern und der Stände war keine Rede. Am entschiedensten richtete sich der Unwille der liberalen Partei gegen ein Gesetz vom Jahr 1867, welches die Staatsdomänen für ein Familienfideikommiß des jeweiligen Landesherrn erklärte.
Beim Ausbruch des deutschen Kriegs im Sommer 1866 stand Lippe von vornherein zu Preußen. Das lippesche Bataillon war mit der Mainarmee vereinigt und kämpfte bei Kissingen [* 20] tapfer an der Seite der Preußen. Nach dem Abschluß der am in Kraft [* 21] getretenen Militärkonvention mit Preußen ward Oheimb entlassen. Am übernahm der bisherige (preußische) Landesdirektor des Fürstentums Waldeck, [* 22] v. Flottwell, das Ministerium und versuchte, da das Land auf seiner Weigerung, nach dem Wahlgesetz von 1836 zu wählen, beharrte, einen Landtag auf Grund des Gesetzes von 1849 zu berufen.
Als auch dieser Versuch scheiterte, griff er wieder auf das Gesetz von 1836 zurück; doch auch dies war vergeblich. Mißmutig legte er sein Amt nieder. Als Fürst Leopold 8. Dez. d. J. kinderlos starb, folgte ihm sein Bruder Günther Friedrich Woldemar. Dieser war aufrichtig bestrebt, dem verfassungslosen Land endlich zu einer Konstitution zu verhelfen. 1876 fand nach einer provisorischen Wahlordnung die Neuwahl eines Landtags statt, welcher 17. Mai fast einstimmig das Wahlgesetz genehmigte, worauf dasselbe 3. Juni publiziert wurde.
Damit war der Konflikt vorläufig beendet. Die liberale Mehrheit des Landtags hielt aber die Wünsche des Landes noch nicht für erfüllt und verlangte eine neue, freiere Verfassung. Noch wichtigere Ereignisse aber stehen dem Land für den Fall des Todes des Fürsten Woldemar bevor, da mit ihm die fürstliche Linie des Hauses Lippe erlischt und die Erbfolgefrage zweifelhaft ist.
Vgl. Falkmann, Beiträge zur Geschichte des Fürstentums Lippe (Lemgo 1847-69, 3 Hefte);
Derselbe, Lippesche Regesten (Detmold 1861-63, Bd. 1 u. 2);
Derselbe, Graf Simon zur und seine Zeit (das. 1882-87);
Piderit, Die lippeschen Edelherren im Mittelalter (das. 1876);
Weerth und Anemüller, Bibliotheca lippiaca (das. 1886).