Das Lied in musikalischer Bedeutung ist die
Verbindung eines lyrischen Gedichts mit
Musik, wobei an
Stelle
des gesprochenen
Worts das gesungene tritt, indem die der
Sprache
[* 2] eignen musikalischen
Elemente des
Rhythmus und
Tonfalls zu wirklicher
Musik, zur rhythmisch geordneten
Melodie gesteigert werden. Das musikalische ist entweder Strophenlied, bei welchem sämtliche
oder eine Anzahl
Strophen des Gedichts nach derselben
Melodie gesungen werden, oder durchkomponiert, wobei
jede
Strophe in andrer, dem
Inhalt derselben entsprechender
Weise komponiert wird.
Die Geschichte des musikalischen Liedes weist bisher drei Blüteperioden auf, die erste zur Zeit der
Minnesänger und
Troubadoure,
von welcher nur wenig übriggeblieben ist, die zweite im 15.-16. Jahrh., der wir eine fast
überreiche Litteratur verdanken, und die dritte im 19. Jahrh. Die Lieder
des 16. Jahrh. sind durchweg in mehrstimmigen, meist 2-4stimmigen
Sätzen auf uns gekommen; die vielfach etwas lasciven
Dichtungen
bergen doch einen reichen
Schatz von echter
Lyrik, und die
Musik ist das für unsre Zeit Gefälligste und Ansprechendste, was
jene Zeit aufzuweisen hat.
DerSatz ist im Anschluß an die kurzweiligen, volksmäßigen
Strophen des
Textes deutlich gegliedert, und
die modernen
Tonarten sind bereits ziemlich scharf ausgeprägt. Besonders gilt das von den hierher gehörigen deutschen
Kompositionen,
die meist als
»Frische teutsche Liedlein«,
»Newe gute Liedlein«, »Gassenhäwerlin«, »Reutterliedlein«
etc. bezeichnet sind.
Originale Liederbücher des 16. Jahrh. weist beinahe jede größere
Bibliothek auf; einige Neuherausgaben
veranstaltete die
Gesellschaft für Musikforschung. Nachdem sich seit 1600 der begleitete Sologesang in neuer
Weise entwickelte
(s.
Oratorium und
Oper), dauerte es doch geraume Zeit, ehe derselbe auch die schlichte Form des Liedes
mit neuem
Leben erfüllte. Zwar trat an die
Stelle des mehrstimmigen Liedes bald das einstimmig mit Instrumentalbegleitung
gesetzte
(Ode genannt); doch unterschied sich dasselbe zunächst nicht wesentlich von den bereits im 16. Jahrh.
nicht seltenen Bearbeitungen mehrstimmiger
Sätze für eine
Stimme mit
Laute oderKlavier. Das
Absterben der
echten
Lyrik in der
Poesie mußte verhängnisvoll auch für die Liedkomposition werden. Erst als das
GenieGoethes eine neue
Epoche der lyrischen
Dichtung heraufbeschwor, indem er die Form des
Volksliedes bewußt nachbildete und damit den
Komponisten
(Zelter,
Reichardt) die rechten Wege wies, brach ein neuer
Morgen an. Doch bedurfte es der speziell für
das Lied begabten
Naturen eines
Schubert und
Schumann, um den
Gehalt der Goetheschen
Lyrik ganz zu erschließen und endlich den
herrlichen Liederfrühling zu zeitigen, der in den Liedern eines
Jensen,
Franz,
Brahms etc. noch heute fortblüht.
Vgl.
Schneider,
Das musikalische Lied in geschichtlicherEntwickelung (Leipz. 1863-65, 3 Bde.);
Reißmann, Geschichte des deutschen Liedes (2. Aufl., Berl. 1874);
Kade, Die deutsche weltliche Liedweise in ihrem
Verhältnis zu dem mehrstimmigen Tonsatz
(Mainz
[* 3] 1874). -
Lied ohne
Worte ist die seit
Mendelssohn sehr gebräuchliche Benennung für kürzere melodiöse Instrumentalstücke aller Art
(früher Spielarie genannt).
eineGattung des
Schauspiels mit
Gesang, die sich von der
Operette dadurch unterscheidet,
daß alle darin vorkommenden Gesangstücke entweder aus allgemein bekannten Liedern oder
Melodien mit neuen
Texten bestehen,
oder daß sich der
Komponist doch wenigstens darauf beschränkt, nur leichtfaßliche
Melodien in Liederform anzubringen. Der
erste, welcher in
Deutschland
[* 4] diese Art dramatischer
Komposition versuchte, war
Reichardt mit dem Liederspiel:
»Liebe
und
Treue« (1808). Außer diesem sind zu nennen:
Hummels
»Fanchon«, die Originalarbeiten von Liederspiel
Schneider und
Holteis »Lenore«.
Die
Gattung entspricht dem französischen
Vaudeville (s. d.).
s. v. w.
Männergesangverein mit geselliger
Tendenz. Wenn auch ein 1673 gegründeter Männerverein in
Greiffenberg
(Hinterpommern) und die 1620 gegründete »Singgesellschaft
zum
Antlitz« in St.
Gallen als die
Vorläufer unsrer heutigen Liedertafeln betrachtet werden können und in
England schon im
vorigen
JahrhundertKlubs (Catchclub, Gleeclub,
Madrigal-Society) existierten, welche ähnliche
Tendenzen verfolgten, so ist
doch der eigentliche Männergesang, wie er jetzt gepflegt wird, als ein
Kind des 19. Jahrh. zu betrachten.
Die deutschen Liedertafeln erlangten eine besondere Bedeutung, sofern sie Pflegestätten des deutschen
Patriotismus wurden
in einer Zeit schmählicher Knechtung des Deutschtums. Die
Gründung des ersten
Männergesangvereins erfolgte 1809 in
Berlin
[* 5] durch
Zelter; der
Verein nannte sich nach seinem
Stifter »Zeltersche Liedertafel«, die Anzahl der Mitglieder
blieb aber beschränkt, da nur Dichter,
Sänger oder
Komponisten aufgenommen wurden. Diesem Vorbild entsprechend
waren die Liedertafeln, welche in
Leipzig
[* 6] (1815) und
Frankfurt
[* 7] a. O. entstanden.
Bald feierte jeder deutsche Gau sein jährlich wiederkehrendes Sängerfest. Diese Feste waren anfangs auf die einfachste Weise
eingerichtet: die Sänger kamen und gingen meist an demselben Tag, und die Kirche war der Schauplatz der Produktion. Erst später
kam ein neues Element hinzu, das den Festen eine höhere Bedeutung verlieh, als sie bisher gehabt. Aarau
[* 40] feierte ein eidgenössisches Sängerfest, das einen allgemeinen nationalen Charakter erhielt. Ein zweites derartiges
Fest beging im folgenden Jahr Zürich,
an dem 2000 Sänger aus elf Kantonen teilnahmen, welche einen Sängerwettkampf ausführten, der
von nun an ein neues Moment der Gesangfeste bildete. Auch das Äußere der Feste wurde prunkvoller. Besondere
Sängerhallen wurden erbaut, große Festzüge mit fliegenden Fahnen fanden statt; ein Tag genügte nicht mehr, die Gastfreundschaft
der Bewohner des Festortes bot den Sängern freudig Obdach und Lagerstatt. Eins der ersten deutschen Feste von solchem Zuschnitt
war das fränkische Gesangfest zu Schweinfurt
[* 41] (1843).
Die herbeiziehenden Sängerscharen brachten gedruckte poetische Festgrüße, das gesprochene Wort machte seine lebendige Kraft
geltend; man wollte schon nicht mehr bloß singen, man sprach von deutschem Volksleben, von der Vereinigung deutscher Stämme
durch den Gesang. Mit diesem Zweck trat das erste allgemeine deutsche Sängerfest zu Würzburg
[* 50] (im August
1845) offen hervor. Ein andres großes deutsches Sängerfest fand 1847 zu Lübeck
[* 51] statt. Die Idee der geistigen Vereinigung
der deutschen Stämme durch die Vereinigung ihrer Sänger fand noch weitere Ausdehnung
[* 52] im WestenDeutschlands,
[* 53] wo man darauf dachte,
auch die stammverwandten holländischen und belgischen Nachbarn dem deutschen Geist wieder zu nähern,
wie man denn auch außerhalb Deutschlands, ja selbst jenseit des Ozeans mit Bildung von Männergesangvereinen rüstig vorging.
In London
[* 54] wurde die erste Liedertafel 1845, in Riga
[* 55] 1833, in Konstantinopel
[* 56] 1847 gegründet.
Auch die folgenden Jahre zeigten sich den Liedertafelbestrebungen wenig günstig, und es währte eine geraume Zeit, bis die
Feier eines allgemeinen deutschen Sängerfestes wieder angeregt wurde. Dies geschah auf dem Sängertag,
den derKoburger Sängerkranz 1860 veranstaltete. Man wählte Nürnberg
[* 63] zum Festort und feierte in dieser Stadt im Sommer 1861 ein
Gesangfest, das sich zu einem erhabenen Verbrüderungsfest gestaltete. Am Nachmittag des letzten Festtags
traten die anwesenden Direktoren und Vorstände der Liedertafeln zu einer Beratung zusammen, in welcher
unter anderm der Antrag auf Gründung eines Allgemeinen deutschen Sängerbundes gestellt und angenommen wurde. Man übertrug
die Vorarbeiten zur Gründung eines solchen dem SchwäbischenSängerbund, der sich seiner Aufgabe mit unverkennbarem Geschick
und Organisationstalent entledigte. Am fand in Koburg
[* 64] ein Sängertag statt, an welchem sich 75 Abgeordnete
als Vertreter von 41 Sängerbünden beteiligten. Von diesem Tag an datiert
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