Überwindung mannigfacher Hindernisse, nachdem eine fernere
Summe von 100 Mill.
Fr. beschafft worden, mit der glücklichen
Durchführung des Riesenwerks endeten (vgl.
Suezkanal). Er veröffentlichte darüber:
»Lettres, journal et documents à l'histoire
du canal de
Suez« (1875-79, 4 Bde.). 1879 nahm er die
Anlage des
Panamakanals (s. d.) in die
Hand;
[* 2] 1885 ward
er Mitglied der französischen
Akademie. Neuerdings gab er seine
Memoiren heraus:
»Souvenirs de quarante ans, dédiés
à mes
enfants« (1887; deutsch, Berl. 1887).
Vgl.
Bertrand und
Ferrier, F. de Lesseps, sa vie, son œuvre (Par. 1887).
1) GottholdEphraim, einer der ersten deutschen Dichter und der erste
Kritiker der deutschen Litteratur, geb. zu
Kamenz
[* 3] in der sächsischen
Oberlausitz, wo sein
VaterPrediger und später Hauptpastor war, bezog die
Fürstenschule St.
Afra zu
Meißen,
[* 4] auf der er eine gründliche
Ausbildung in den alten
Sprachen erwarb und bei dem Selbststudium,
welches nach dem gesunden
Prinzip der
Fürstenschulen verstattet war, sich mit Vorliebe zu den Charakterdarstellern und Dramatikern
Theophrast,
Plautus und Terenz wandte.
Von poetischen
Plänen und
Entwürfen (auch von einem beabsichtigten
Lehrgedicht: Ȇber die Vielheit der
Welten«, haben sich
einige
Verse erhalten) gehörte der
Meißener Schülerzeit bereits eine erste Bearbeitung des später in
Leipzig
[* 5] abgeschlossenen
Lustspiels »Der junge
Gelehrte« an. Die frühe Rastlosigkeit und eigentümliche, schon im Jünglingsalter fast männlicheReife
seines
Geistes ward, als er im
Herbst 1746 die
UniversitätLeipzig bezog, für ihn insofern verhängnisvoll, als er sich von der
Mittelmäßigkeit, die namentlich in den theologischen Vorlesungen herrschte, in keiner
Weise angezogen und gefesselt fühlen
konnte, wodurch der Lebensplan,
Theologie zu studieren, von vornherein in bedenkliches
Schwanken geriet. Da
sich Lessing von philologischen, naturwissenschaftlichen und mathematischen
Studien weit mehr angezogen fühlte, setzte er es in der
That bei seinen Eltern durch,
Medizin zu studieren und sich »nebenbei auf Schulsachen zu legen«.
Indes gestalteten sich die
Dinge so, daß Lessing zu einem regelmäßigen Verlauf seiner Universitätsstudien überhaupt nicht gelangte.
Vom Beginn seines
Leipziger Aufenthalts an hatte Lessing in jugendlichem, wenn noch so bescheidenem Lebensgenuß
und im Verlangen nach einer allseitigen Durchbildung nicht nur des
Geistes, sondern auch der Persönlichkeit eine
Richtung
bethätigt, welche für den auf geringe
Mittel und namentlich auf Stipendien Angewiesenen nicht ohne
Gefahr war.
»Ich lernte einsehen«, heißt es in einem spätern
Brief an seine
Mutter, »die
Bücher würden mich wohl
gelehrt, aber nimmermehr zu einem
Menschen machen. Eine bäuerische
Schüchternheit, ein verwilderter und ungebauter
Körper,
eine gänzliche Unwissenheit in
Sitten und
Umgang, verhaßte
Mienen, aus welchen jedermann seine Verachtung zu lesen glaubte,
das waren die guten
Eigenschaften, die mir bei meiner eignen Beurteilung übrigblieben.
Ich empfand eine
Scham, die ich niemals empfunden hatte. Und die
Wirkung derselben war der feste Entschluß, mich hierinne zu bessern, es koste,
was es wolle.
Ich lernte tanzen, fechten, voltigieren.
MeinKörper war ein wenig geschickter geworden, und ich suchteGesellschaft,
um nun auch leben zu lernen.« Es
unterliegt keinem
Zweifel, daß bei diesem letztern
Studium der unerfahrene
Jüngling in mancherlei
Fährlichkeiten und in
Schulden geriet.
Die
Neigung, welche er für das
Drama schon aus
Meißen mitgebracht hatte, ward in
Leipzig, wo Friederike
Neuber und ihre
Gesellschaft
noch spielten, durch die
Anschauung einer lebendigen
Bühne derart gesteigert, daß die erste litterarische
Thätigkeit des jungen Lessing, neben anakreontischen
Versuchen und kleinen
Sinngedichten, sich durchaus auf dramatische
Arbeiten
und
Entwürfe richtete. Dem neubearbeiteten
Lustspiel »Der junge
Gelehrte« erwies die
Neuber »die
Ehre, die sie sonst selten einem
angehenden Komödienschreiber zu erweisen pflegte: sie ließ es aufführen«.
Selbst in seinen dramatischen Jugendversuchen (zu denen noch die
Lustspiele: »Der
Freigeist«, »Der Misogyn«, »Die
Juden«, »Die alte
Jungfer«, »Der
Schatz« zu rechnen sind) bewies Lessing insofern eine gewisse Selbständigkeit, als er zwar noch
nach französischen Vorbildern schuf, aber diese Vorbilder hauptsächlich bei
Marivaux und
Destouches fand
und sich damit der
Forderung der Naturwahrheit und dem direkten Anschluß an die
Natur schon um einen
Schritt näherte.
Ehe er
geistig über diese Entwickelungsperiode hinauskam, hatte Lessing äußerlich viel zu durchleben.
Nachdem im Frühjahr 1748 die
Katastrophe der Neuberschen Schauspielergesellschaft eingetreten war, wurde dem jungen
Autor
und
Studenten, der sich für einzelne Mitglieder der
Truppe verbürgt hatte, der
Boden in
Leipzig zu heiß
unter den
Füßen. Er entwich vor seinen
Gläubigern nach
Wittenberg,
[* 6] wo er krank ankam. Kaum daß er die Erlaubnis seiner Eltern
erhalten, auf dieser zweiten sächsischen
Universität seine
Studien fortzusetzen, so bedrängten ihn auch hier seine
Gläubiger derart, daß
er den gewagten, aber männlichen Entschluß faßte, vorderhand seine Universitätsstudien abzubrechen,
vom
Ertrag seiner Stipendien seinen
Gläubigern gerecht zu werden, für sich selbst aber in
Berlin
[* 7] eine litterarische
Existenz
zu suchen. Eine solche hatte sein Landsmann und
Freund, der
»Freigeist« Christlob
Mylius, in dessen
Zeitschriften: »Ermunterungen
zum
Vergnügen des
Gemüts« und »Der Naturforscher« Lessing seine frühsten
Gedichte veröffentlichte, bei der Redaktion der Rüdigerschen (später Vossischen)
Zeitung gefunden.
Im
Dezember 1748 kam Lessing in dürftigem
Aufzug
[* 8] und völlig mittellos in
Berlin an; das Nötigste erwarb er zunächst durch litterarische
Besprechungen für die eben gedachte
Zeitung, für die er vom April 1751 an ein Beiblatt: »Das Neueste
aus dem
Reiche des
Witzes«, redigierte, und durch Übersetzungen. Von größerer Bedeutung waren die »Beiträge
zur Historie und
Aufnahme desTheaters« (Stuttg. 1750),
die er mit
Mylius gemeinsam begann; seine lyrischen
Versuche sammelte
er als »Kleinigkeiten« (das. 1751). Im
Dezember 1751 entschloß Lessing sich,
Berlin zu verlassen, die
UniversitätWittenberg abermals zu beziehen, um den Magistergrad zu erwerben. »In
Leipzig hatte er einen Dichterkreis und ein
Theater
[* 9] gefunden,
und hier war er einer der besten
Lyriker und der erste
Dramatiker des Jahrzehnts geworden, in
Berlin hatte er in prosaischer
Schriftstellerei seinenFreundMylius und die übrigen deutschen und französischen
Litteraten überflügelt;
nun kam
er an einen Hauptsitz gründlicher und gottseliger
Gelehrsamkeit, und hier besiegte er in einem
Fach, das recht eigentlich
das innerste Heiligtum bücherwürmerischer
Gelehrsamkeit ist, einen Mann, welcher sich in demselben den größten
Namen gemacht
hatte«
(Danzel). Er begann einen Nachtrag zu
Jöchers vielberufenem
¶
mehr
Gelehrtenlexikon, der zugleich eine scharfe Kritik des Werkes war und für Lessings ausgebreitete Belesenheit und kritischen
Scharfsinn rühmlich Zeugnis abgelegt haben würde, hätte er es nicht vorgezogen, den schon begonnenen Druck dieser Arbeit wieder
einzustellen. Vollendet wurden dagegen eine Reihe von Aufsätzen, die Lessing »Rettungen« überschrieb, »Beiträge
zur Reformationsgeschichte« (über Hieronymus Cardanus, Cochläus, SimonLemnius u. a.), in denen sich Lessings
scharfe, allem Autoritätsglauben abgeneigte Kritik mit seinem warmen Gerechtigkeitsgefühl zu einer Meisterleistung verband.
Noch vor Ablauf
[* 11] des Jahrs 1752 kehrte Lessing, nachdem er zum Magister promoviert worden, nach Berlin zurück und widmete sich nach
wie vor der freien litterarischen Thätigkeit, welche in Wahrheit erst durch ihn zu Ehre und Ansehen gelangte.
Er schrieb wiederum Kritiken für die »Vossische Zeitung«, begründete eine neue »TheatralischeBibliothek« (Berl. 1754-58),
schrieb mit MosesMendelssohn die Schrift »Pope ein Metaphysiker!« (Danzig
[* 12] 1755), gab die Schriften seines FreundesMylius heraus,
welcher früh auf einer wissenschaftlichen Reise in London
[* 13] gestorben war, und lebte daneben in einem kleinen
Kreis
[* 14] befreundeter, geistig strebsamer und angeregter Männer, unter denen sich Sulzer, Ramler, Fr. Nicolai und MosesMendelssohn
befanden. Sein ausgebreitetes Wissen, sein genialer Einblick in den Kern aller poetischen und litterarischen Aufgaben und sein
unerschrockener Freimut begannen gefürchtet zu werden, seitdem er, frech herausgefordert, mit seinem
»Vademecum für HerrnSamuel Gotthold Lange, Pastor in Laublingen« (Berl. 1754) an dem seichten und flüchtigen Horaz-Übersetzer
und in ihm an der ganzen behaglichen und platten Mittelmäßigkeit in der damaligen schönen Litteratur ein Exempel statuiert
hatte.
Während dieses zweiten Aufenthalts in Berlin wandte sich Lessing mit Vorliebe dem Studium der englischen Litteratur,
namentlich der bürgerlichen Dichtung der Lillo, Richardson u. a., zu, sprach es aus, daß ebendiese Dichtung dem deutschen Geist
unendlich verwandter sei als die französische, und stellte offenbar die Romane und Dramen der Engländer als mustergültig
hin, weil er jenen unmittelbaren Lebensgehalt in ihnen wahrnahm, welcher der deutschen Poesie noch fehlte,
und dessen sie bedurfte.
Das erste größere dramatische Werk Lessings: »MißSara Sampson« (Berl. 1755),
lehnte sich daher an die Situationen und Lebensverhältnisse
der englischen Familienromane und bürgerlichen Trauerspiele derart an, daß Lessings Zeitgenossen »Sara Sampson« schlechthin
ein englisches Trauerspiel nannten;
zugleich aber erwies es in der Handlungsführung und Charakteristik
eine Freiheit und Meisterschaft, die in der steifen, leb- und hilflosen, ängstlich nach Regeln arbeitenden deutschen Litteratur
seither unerhört war.
Ebenweil er fühlen mußte, daß er mit dieser poetischen Leistung auf einen Höhepunkt gelangt sei,
wünschte Lessing sich der seitherigen Art seiner Existenz, wo der Tag für den Tag zu sorgen hatte und er neben
eignen Arbeiten Übersetzungen liefern mußte (er übertrug einige Bände von Rollins »Geschichte« aus dem Französischen, Huartes
»Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften« aus dem Spanischen etc.), zu entziehen.
Er vertauschte im Oktober 1755 Berlin wieder mit Leipzig, wohin ihn die Kochsche Schauspielertruppe gezogen
zu haben scheint, und konnte bald darauf seinen Berliner
[* 15] Freunden von einer Aussicht melden, über die er große Genugthuung
empfand: er sollte als Reisebegleiter eines jungen LeipzigerPatriziers, Winkler, Ostern 1756 eine auf
drei Jahre berechnete
Bildungsreise nach den Niederlanden, England, Frankreich, Italien
[* 16] antreten. Er schreibt darüber: »Ich werde
nicht als Hofmeister unter der Last eines mir auf die Seele gebundenen Knaben, nicht nach den Vorschriften einer eigensinnigen
Familie, sondern als der bloße Gesellschafter eines Menschen reisen, welchem es weder an Vermögen noch an Willen fehlt, mir
die Reise so nützlich und angenehm zu machen, als ich sie mir nur selbst werde machen wollen«.
Er bereitete sich ernsthaft auf die Reise vor, welche in der That 10. Mai angetreten wurde und Lessing durch das nördliche Deutschland
[* 17] nach den Niederlanden führte, wo von Amsterdam
[* 18] aus die vorzüglichsten Städte besucht wurden.
Der Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs aber und die Besetzung Leipzigs durch preußische Truppen trieben
Winkler nach Leipzig zurück, wohin ihm Lessing notgedrungen folgen mußte. Da es hier rasch zu einem Zerwürfnis zwischen und seinem
seitherigen Genossen kam, das in einen erst nach Jahren (1764) zu Lessings gunsten erledigten Prozeß auslief, so sah sich
der Schriftsteller, welcher auf drei Jahre der Sammlung und Muße gehofft hatte, wieder auf seine Feder angewiesen und mußte
mehr als je zuvor zu Übersetzungen, Korrekturen und andern Notbehelfen greifen.
Zunächst hielt ihn der Verkehr mit dem preußischen MajorEw. v. Kleist (dem Dichter) in Leipzig zurück; als aber dieser
im Mai 1758 zur preußischen Feldarmee ging, zog es auch Lessing wieder nach Berlin. Mit den dortigen FreundenNicolai und Mendelssohn
hatte Lessing eifrig (vorwiegend über die Theorie des Trauerspiels) korrespondiert, und auf alle Fälle fand er in Berlin mehr Beziehungen,
als er zur Zeit in Leipzig besaß. Von 1758 bis 1760 lebte Lessing in der preußischen Hauptstadt unter den
Eindrücken der Thaten und Wechselfälle des Siebenjährigen Kriegs. Mit seinen Freunden vereinigte er sich zur Herausgabe eines
neuen kritischen Organs für Besprechung der Litteratur: der »Briefe die neueste Litteratur betreffend« (Berl. 1759 ff.),
für die er jene Beiträge schrieb, durch welche die Zeitschrift beinahe allein ihre bleibende Bedeutung
erlangte. Er veröffentlichte nebenbei drei Bücher seiner »Fabeln« nebst Abhandlungen (Berl. 1759) und das kleine patriotisch-kräftige,
in einer knappen, scharfen Prosa abgefaßte Trauerspiel »Philotas« (das. 1759),
schrieb sein erst später erschienenes »Leben
des Sophokles«, gab »LogausSinngedichte« (Leipz. 1759) heraus und übertrug »Das
Theater des HerrnDiderot« (Berl. 1760, 2 Bde.),
die verwandten Bestrebungen des französischen Kritikers und Dichters richtig würdigend. Die Unsicherheit seiner Lage, der
erneut wiederkehrende Wunsch, sich größern Arbeiten in aller Muße und ohne Rücksicht auf ihre frühere oder spätere Vollendung
widmen zu können, veranlaßten eine Stellung als Sekretär
[* 19] des GeneralsTauenzien, des Gouverneurs von Schlesien,
[* 20] anzunehmen und im Herbst 1760 nach Breslau
[* 21] zu gehen.
Wenn auch die Freunde gewaltig den Kopf schüttelten, daß sich Lessing in eine Flut von ganz unlitterarischen, militärischen und
bürgerlichen Geschäften hineingestürzt habe, und er selbst in einigen Briefen über die Last ermüdender,
unbedeutender Beschäftigungen, erlogener Vergnügen und Zerstreuungen klagte, so ward ihm doch der mehrjährige Aufenthalt
in Breslau fruchtreich: er konnte sich eine Zeitlang seinen Lieblingsneigungen überlassen, lebendiger Wirklichkeit, die
ihn umgab, die poetische Seite abgewinnen und fand Gelegenheit, nicht nur seine Familie reichlich zu unterstützen (was er
übrigens auch in seinen dürftigsten Lagen über seine Kräfte hinaus
¶