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Industrie gewachsen, und als neuer Zweig hat sich ihm das Geschäft in Kammzug u. Kämmlingen angeschlossen. Eine große Entwickelung zeigt ferner der Papierhandel (neuerdings wurde eine eigne Papierprüfungsanstalt errichtet), ebenso der Handel in Rohtabak (Verzollung 1886: 15,486. Doppelztr). Für den Umfang des Kolonialwarenhandels gibt die Thatsache einen Anhalt, [* 2] daß im J. 1886 in Leipzig [* 3] 64,429 Doppelztr. Kaffee, 18,946 Doppelztr. Reis u. 34,322 Doppelztr. Südfrüchte verzollt worden sind. In dem Vertrieb der Erzeugnisse der deutschen Industrie sowohl in Deutschland [* 4] selbst als nach dem Ausland hat der Handel ein sich immer mehr erweiterndes Arbeitsfeld gewonnen; die erste Stelle unter den Ausfuhrgebieten nehmen aber noch immer die Vereinigten Staaten [* 5] von Nordamerika [* 6] ein; 1886 betrug der Wert der Ausfuhr dahin aus dem Konsulatsbezirk Leipzig über 4 Mill. Doll.
Die Industrie, beim Anschluß Sachsens an den Zollverein noch von geringer Bedeutung, hat in Leipzig selbst und in den Vorstadtdörfern, unter denen namentlich Plagwitz, Lindenau und Reudnitz ihr das rasche Wachstum verdanken, in den Jahren 1867-1873, dann wieder seit 1878 einen sehr ansehnlichen Aufschwung genommen. Die Zahl der Eisengießereien ist auf 21 gestiegen, der Wert der jährlich erzeugten Gußwaren beläuft sich auf 2 Mill. Mk.; die Mehrzahl ist aber mit Maschinenfabriken verbunden, welche den Guß weiter verarbeiten.
Hervorragende Spezialitäten von Leipzig sind Buchbinderei- (unter andern Drahtheft-) Maschinen, Werkzeugmaschinen, Destillationsapparate, [* 7] landwirtschaftliche Geräte, Drahtseilbahnen; ferner feuerfeste Schränke. In der Pianofortefabrikation genießen einige Firmen Weltruf. Daneben ist in der Herstellung sogen. Musikwerke (Orchestrions, Aristons etc.) ein neuer Industriezweig emporgeblüht, der seinen Hauptsitz in Gohlis hat. Von großer Bedeutung ist auch die Fabrikation ätherischer Öle [* 8] und Essenzen und die Spritfabrikation.
Die Bierbrauereien von und Umgegend erzeugen jährlich etwa 570,000 hl Bier; auch die Fabrikation künstlicher Mineralwässer ist von Bedeutung. Neben einigen altberühmten Tabaksfabriken bestehen seit Jahrzehnten eine Anzahl von Zigarrenfabriken. In der Textilindustrie ist zunächst die 1836 errichtete Kammgarnspinnerei mit 52,000 Spindeln zu nennen; neben ihr besteht noch eine jüngere. Die Wollkämmerei, die Wollgarnfärberei und die noch junge Baumwollspinnerei sind Etablissements ersten Ranges.
Ferner sind bemerkenswert: die zahlreichen Rüschenfabriken, 3 mechanische Spitzenfabriken (die ersten in Deutschland), Fabriken künstlicher Blumen, Gummiwaren etc. Zu hervorragender Bedeutung hat sich die Rauchwarenzurichterei und -Färberei entfaltet;
ebenso die Fabrikation von Chromolithographien und Luxuspapieren.
Als Spezialität ist noch die Papierwäschefabrikation zu nennen. Die Wachstuchfabrikation, seit langer Zeit in Leipzig heimisch, leidet unter der Konkurrenz des Ledertuchs, des Linoleums etc.
Das Bankwesen zeigt eine entsprechende Entwickelung. Neben der Leipziger Bank (seit 1838) wurde 1856 die Allgemeine Deutsche [* 9] Kreditanstalt begründet, deren Umsatz jetzt nahe an 2,5 Milliarden heranreicht. Noch etwas größer ist der Umsatz der Reichsbankhauptstelle, vor deren Errichtung schon eine Zweigniederlassung der Preußischen Bank bestand. Außerdem sind zu nennen: der Kassenverein (1867), die Filiale der Sächsischen Bank zu Dresden, [* 10] die Leipziger Kreditbank;
ferner die Kommunalbank für das Königreich Sachsen, [* 11] der Erbländische Ritterschaftliche Kreditverein etc.
Im Versicherungswesen hat Leipzig sich mit zuerst hervorgethan; 1819 wurde die Feuerversicherungsanstalt, 1830 die Lebensversicherungsgesellschaft begründet; neben letzterer ist noch die Renten-, Kapital- und Lebensversicherungsbank Teutonia zu nennen. Außerdem bestehen eine Menge kleinere Anstalten und Zweigniederlassungen auswärtiger Versicherungsinstitute. An der Spitze des Handels und der Industrie steht die Handelskammer, welche in der von ihr erbauten Neuen Börse ein würdiges Heim gesunden hat; dieselbe besitzt eine bedeutende Fachbibliothek.
Die Bedeutung des Leipziger Buchhandels durch Zahl und Betrieb der Buchhandlungen und Buchdruckereien und durch die Organisation des gesamten deutschen Buchhandels, welcher seinen gemeinsamen Mittelpunkt in Leipzig findet, ist allgemein bekannt. ist Sitz des Börsenvereins deutscher Buchhändler, des Deutschen Buchdruckervereins (1869) und des Zentralvereins für das gesamte Buchgewerbe (1884). Ende 1886 bestanden in Leipzig 509 buchhändlerische Firmen (1833: 92, 1860: 184, 1866: 207), von denen 244 reine Verlagshandlungen, 39 Musikalienhandlungen u. 14 Antiquariatshandlungen waren.
Dem Verein der Buchhändler zu Leipzig, gegründet gehörten davon 367 Mitglieder (378 Firmen) an. Die großartige Geschäftsthätigkeit des Leipziger Buchhandels kennzeichnet auch die durch genannten Verein eröffnete Bestellanstalt für Buchhändlerpapiere, welche Geschäftspapiere aller Art, als Zettel, durch welche Bücher verlangt werden, Geschäftsanzeigen u. dgl. (1886: 24 Mill.), unter den Leipziger Buchhändlern und durch Kommissionäre unter den Buchhändlern von ganz Deutschland vermittelt.
Die Kommissionäre (Ende 1886: 142) besorgten die Geschäfte von 6136 Kommittenten. Der Umsatz des Buchhandels in Leipzig entzieht sich der neuen Verkehrserleichterungen halber (billige Zahlungsvermittelung durch die Post, Girokonten der Reichsbank etc.) jeder zuverlässigen Schätzung. Die Zahl der in Leipzig verlegten Werke betrug 1873: 1805, 1885: 2664 und 20 Landkarten. [* 12] In engem Zusammenhang mit diesem großartigen Buchhandel steht der überaus lebhafte Betrieb der Buchdruckerei, die Anfang 1887 von 89 Firmen ausgeübt ward; viele der größern Buchhandlungen haben ihre eignen Offizinen, zum Teil verbunden mit Buchbinderei, Schriftgießerei etc. Notendruckereien sind 7, Steindruckereien 65, xylographische Anstalten 91 vorhanden. 1888 wird das neue deutsche Buchhändlerhaus eröffnet werden, in welchem auch das 1885 begründete deutsche Buchgewerbemuseum Platz findet.
Vgl. Lorck, Die Druckkunst und der Buchhandel in Leipzig (Leipz. 1879);
O. v. Hase, [* 13] Die Entwickelung des Buchgewerbes in Leipzig (das. 1887).
[Bildungsanstalten.]
Unter den Unterrichtsanstalten Leipzigs nimmt die Universität die erste Stelle ein. Sie entstand infolge der 1409 zu Prag [* 14] zwischen Deutschen und Böhmen [* 15] ausgebrochenen Streitigkeiten, wodurch 2000 deutsche Studenten unter Anführung der Professoren Otto von Münsterberg [* 16] und Hofmann aus Schweidnitz [* 17] nach Leipzig auswanderten. Als Stiftungstag ist der angenommen. Der erste Rektor war Otto von Münsterberg (gest. 1416). Anfänglich bestanden nur zwei Fakultäten, die theologische und die philosophische, die in zwei Kollegienhäusern untergebracht waren; dann kam 1415 die medizinische und 1504 die juristische hinzu. Kurfürst Moritz überließ der Universität 1545 die Gebäude des Paulinerklosters und einen großen Wald nebst andern Besitzungen, so daß sie jetzt acht Dörfer und in der Stadt einen sehr bedeutenden ¶
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Gebäudekomplex besitzt. Das jährliche Einkommen beziffert sich auf mehr als 600,000 Mk., außerdem erhält sie vom Staat noch eine Subvention von 1,320,000 Mk. Anfänglich schied sie sich in die sächsische, fränkische, meißnische und polnische Nation, welche Einrichtung erst 1830 schwand. Mit der Universität stehen 48 verschiedene Seminare und wissenschaftliche Institute und Sammlungen in Verbindung. Besonders die naturwissenschaftlichen und medizinischen Institute sind reich ausgestattet.
Die Universitätsbibliothek hat mehr als 300,000 Bände, 600 abendländische und 1600 orientalische Handschriften, das Münzkabinett fast 100,000 Nummern. Die Zahl der Studierenden im Wintersemester 1887/88 belief sich auf 3361 (vor 1870 durchschnittlich 1000-1200). Nächstdem sind zu nennen: 2 städtische Gymnasien (Nikolai- und Thomasschule), ein Staatsgymnasium, ein städtisches Realgymnasium, eine Realschule, eine königliche Baugewerkenschule, eine höhere Schule für Mädchen, eine Gewerbeschule, 7 Bürgerschulen, 8 Bezirksschulen, eine Freischule, 2 Fortbildungsschulen für Knaben, eine für Mädchen, eine katholische Schule und eine israelitische Religionsschule.
Als Privatschulen bestehen 3 Erziehungs- und Lehrinstitute für Knaben und 7 für Töchter höherer Stände, eine Sonntagsschule der Loge Balduin zur Linde, eine Sonntags-Gewerbeschule, eine Übungsschule für angehende Lehrer, mehrere kaufmännische Fortbildungsschulen, eine Handelslehranstalt für Kommis, eine Lehranstalt für erwachsene Töchter zur Ausbildung für den kaufmännischen und gewerblichen Geschäftsbetrieb, eine höhere Fach- und weibliche Gewerbeschule, ein Seminar für Handfertigkeitsunterricht u. a. Ferner die von der Kramerinnung 1831 gegründete, auch im Ausland sehr geschätzte Öffentliche Handelslehranstalt, eine 1853 vom Verein der Buchhändler begründete Unterrichtsanstalt für Buchhandlungs-Lehrlinge.
Der Förderung der Künste sind folgende Anstalten gewidmet: die Akademie der bildenden Künste und Kunstgewerbeschule, das städtische Museum, del Vecchios permanente Kunstausstellung (am Markt), das Kunstgewerbemuseum, der Verein für kirchliche Kunst, der Verein der Kunstfreunde, der Leipziger Künstlerverein, der Leipziger Kunstverein. Im Bereich der Musik stehen das Konservatorium der Musik (s. oben) und das altberühmte Institut der Gewandhauskonzerte (s. d.) in erster Linie.
Andre Musikinstitute sind: die Singakademie, der Konzertverein Euterpe, der weitbekannte Riedelsche Verein für Kirchenmusik, der Bach-Verein, der Verein Ossian etc. Außer den beiden städtischen Theatern besitzt Leipzig noch das in der Südvorstadt gelegene Carolatheater. Von den zahlreichen hierher gehörenden wissenschaftlichen und andern Vereinen erwähnen wir: die königliche Gesellschaft der Wissenschaften (gegründet 1846), die Jablonowskische Gesellschaft der Wissenschaften (seit 1768), die Deutsche Morgenländische Gesellschaft, den Verein für Erdkunde, [* 19] den Verein für Handelsgeographie, die Deutsche Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponisten, den Verein für Geschichte Leipzigs, den Landwirtschaftlichen Kreisverein, die Naturforschende Gesellschaft, das Museum für Völkerkunde, den Kaufmännischen Verein, die Gemeinnützige Gesellschaft, den Verein für Volkswohl, den Arbeiterbildungsverein, den Schiller-Verein, die Polytechnische Gesellschaft, die Gartenbaugesellschaft, den Gustav-Adolf-Verein, den Evangelischen Missionsverein, den Baugewerkenverein etc. Außer den beiden genannten großen Bibliotheken gibt es sechs Volksbibliotheken und die pädagogische Zentralbibliothek (Comenius-Stiftung).
[Wohlthätigkeitsanstalten etc.]
Die wichtigsten Anstalten und Vereine zu gemeinnützigen und wohlthätigen Zwecken sind: das neue städtische Krankenhaus [* 20] (früher Jakobshospital, zugleich Klinik für die Universität), das Johannishospital für alte Leute, das Armenhaus, die Versorgungsanstalt St. Georg (am Rosenthal), die Heilanstalt für Augenkranke, das Taubstummeninstitut, 3 Stiftungen für Blinde, das Waisenhaus, das Leihhaus und die Sparkasse, die seit 1881 neuorganisierte Armenanstalt, das Daheim für Arbeiterinnen, die Gesellschaft der Armenfreunde, die Pestalozzi-Stiftung, 2 städtische Speiseanstalten, die neue Speiseanstalt in der Südvorstadt, der Kredit- und Sparbankverein, der Verein für Familien- und Volkserziehung, das Asyl für Obdachlose, die Herberge zur Heimat, 6 Kleinkinderbewahranstalten, viele Kindergärten, der Krankenhilfsverein, der Sächsische Landes-Militärhilfsverein (zugleich Landesverein der Kaiser Wilhelms-Stiftung für Sachsen), die Erziehungs- und Pfleganstalt für schwach- und blödsinnige Kinder, der Verein zur Fürsorge für entlassene Sträflinge, der Volksbibliothekverein, das orthopädische Institut, der Schreber-Verein für Förderung der Erziehung und des Unterrichts mit 3 Schrebergärten u. v. a. Freimaurerlogen hat Leipzig 3: Minerva zu den drei Palmen, [* 21] Balduin zur Linde und Apollo. Apotheken sind 15 vorhanden.
[Verwaltung, Behörden.]
Die städtische Verwaltung liegt in den Händen des Stadtrats, der einschließlich des Oberbürgermeisters, des Bürgermeisters und des Polizeidirektors aus 12 besoldeten und 15 unbesoldeten Mitgliedern besteht, und des Stadtverordnetenkollegiums, welches 60 Mitglieder zählt. Die finanziellen Verhältnisse der Stadt sind günstige. Im J. 1885 betrugen die Aktiven 48,914,543 Mk., die Passiven 31,232,575 Mk., so daß ein Vermögensbestand von 17,681,968 Mk. vorhanden war.
Die zur Stadt gehörigen Rittergüter sowie die in ihrem Besitz befindlichen Waldungen, Wiesen und Felder haben allein einen Wert von gegen 9 Mill. Mk. Als kaiserlich deutsche Reichsbehörden hat Leipzig das Reichsgericht, den Disziplinarhof, die Disziplinarkammer, die Oberpostdirektion, das Telegraphenamt (mit Fernsprecheinrichtung) und eine Hauptstelle der Reichsbank. Die hauptsächlichsten andern Behörden sind: die Kreishauptmannschaft, Amtshauptmannschaft, ein Landgericht und Amtsgericht, 2 sächsische Eisenbahndirektionen, 2 Ephorien, ein Polizeiamt, das Hauptzollamt, Hauptsteueramt, Landbauamt, die Landeslotteriedirektion. ist Garnison der drei Infanterieregimenter Nr. 106, 107 und 134 und Sitz der Kommandos der 24. Infanteriedivision, der 47. und 48. Infanterie- und 24. Kavalleriebrigade. Das Wappen [* 22] der Stadt (s. Abbildung, S. 662) ist ein der Länge nach geteilter Schild; [* 23] links befindet sich auf goldenem Grund ein schwarzer aufgerichteter Löwe; rechts sind vier Balken abwechselnd in Blau und Gold. [* 24]
[Umgebung etc.]
Die öffentlichen großen, schönen Privatgärten, die vormals eine Zierde Leipzigs und beliebte Erholungs- und Vergnügungsorte der gebildeten Einwohnerschaft waren, hat die Spekulation vernichtet und in Straßen umgewandelt. Seit 1867 werden vom Rennverein auf der südlich vom Scheibenholz gelegenen Rennbahn öffentliche Wettrennen veranstaltet. Die besuchtesten Vergnügungsorte in Leipzigs Umgebung sind, außer dem schon genannten Rosenthal, das Neue Schützenhaus, Gohlis mit dem Schillerhaus, Möckern, Eutritzsch, Konnewitz, Schleußig und Zschocher, wohin reizende Waldwege führen, ebenso Leutzsch, Böhlitz-Ehrenberg u. Lützschena ¶