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jenen des Leibes) hängt davon ab, ob auch die Bewegungen zweier oder mehrerer »Automaten« in Harmonie gebracht werden können. Letzteres könnte entweder (wie bei dem Okkasionalismus des Geulings) dadurch bewirkt werden, daß Gott (wie der »ungeschickte« Uhrmacher die Zeiger seiner Uhren) [* 2] die Zustände des einen gelegentlich nach jenen des andern regulierte, wodurch er zum »deus ex machina« herabgewürdigt würde, oder dadurch, daß Gott (wie der »geschickte« Uhrmacher seine Uhrwerke) die Natur jeder einzelnen Monas von Ewigkeit an so in Übereinstimmung mit der Natur aller übrigen gedacht und angelegt hätte, daß ihre innern Zustände mit jenen aller übrigen für alle Ewigkeit hinaus immer im Einklang bleiben müßten, was seiner als des zugleich intelligentesten und mächtigsten Wesens vollkommen würdig wäre. Es ist anzunehmen, daß Gott, wenn er überhaupt existiert, diese Harmonie aller Monaden und ihrer innern Zustände untereinander nicht nur von Anfang an erkannt, sondern gewollt und hergestellt, d. h. daß er eine prästabilierte Harmonie zwischen denselben geschaffen habe.
Daß Gott aber existiert, folgt nach Leibniz direkt aus seinem Begriff als dem eines Wesens, das alle Eigenschaften (also auch die Realität) im höchsten Grad in sich vereinigt, in welchem sie nebeneinander möglich sind. Letzterer Zusatz ist notwendig, weil es Eigenschaften gibt (z. B. Heiligkeit und Allmacht), welche beide zugleich im höchsten Grad nicht möglich sind. So ist es mit Gottes Heiligkeit unverträglich, das Böse zu thun, während dies aus seiner Allmacht, für sich betrachtet, als möglich folgen müßte.
Aus dieser Selbsteinschränkung der göttlichen Eigenschaften folgt, daß Gott zwar alle möglichen Welten denken, aber nur die beste unter denselben wollen und demgemäß schaffen kann. Die Existenz der bestehenden Welt als der besten (Optimismus) folgt daher unmittelbar aus Gottes eigner Existenz; er ist die Urmonas, zu welcher sich alle übrigen Monaden als »Effulgurationen« verhalten. Durch die Behauptung, daß jede andre mögliche Welt notwendig unvollkommener wäre als die wirklich vorhandene, wird das Vorhandensein mannigfacher Übel und Unvollkommenheiten (z. B. der Sünde und des Bösen) in dieser keineswegs, sondern nur die (irrige) Annahme geleugnet, daß eine Welt ohne dieselben überhaupt möglich wäre.
Die Realisierung der besten Welt erfolgt dem göttlichen Weltplan gemäß (teleologisch) nach Zweck-, aber zugleich (mechanisch) durch wirkende Ursachen; jene, das Reich der Gnade, nach welchem der Weltlauf willkürlich (von Gottes »Gnade« abhängig), diese, das Reich der Natur, nach welchem derselbe notwendig (von seinem Willen unabhängig) erscheint, sind beide wesentlich eins. Zwischen Freiheit und Notwendigkeit (Moral- und Naturgesetz) herrscht dieselbe prästabilierte Harmonie wie zwischen den einzelnen Monaden, kraft welcher jede von diesen ein »Spiegel [* 3] des Universums« ist.
Die Natur führt zur Gnade, und diese vervollkommt die Natur, indem sie sich ihrer bedient; Gott als »Monarch« und Gott als »Architekt« der Welt stehen miteinander von Ewigkeit her in vollkommenster Übereinstimmung. Harmonismus und Universalismus machen den Grundzug der Philosophie wie der ganzen Persönlichkeit von aus. Auch die Entwürfe eines logischen Universalkalküls zur Begründung einer Universalwissenschaft, einer Universalsprache und Universalschrift, die ihn sein ganzes Leben hindurch beschäftigten, gehören dazu. Die eigentliche Tiefe seiner Gedanken ist von seinem unmittelbaren Nachfolger, dem nüchternen Systematiker Wolf, verkannt und erst von Spätern, wie Lessing, Schelling, Hegel, Herbart, Lotze u. a., richtig gewürdigt worden.
[Litteratur.]
Biographisches über Leibniz haben geschrieben: Fontenelle (1716), Bailly (1769), v. Eccard (hrsg. von Murr, 1779), Jaucourt (1757), Kästner (1769), am gründlichsten Guhrauer (»G. W. Freiherr v. eine Biographie«, Bresl. 1842, 2 Bde.; mit Nachträgen 1846),
E. Pfleiderer ( Leibniz als Patriot, Staatsmann und Bildungsträger«, Leipz. 1870),
Kirchner (»G. W. Leibniz, sein Leben und Denken«, Köthen [* 4] 1877) und Merz (a. d. Engl., Heidelb. 1885).
Über seine Philosophie vgl. Ludw. Feuerbach, Darstellung, Entwickelung und Kritik der Leibnizschen Philosophie (Ansb. 1837);
folgende Schriften von R. Zimmermann: »Leibniz' Monadologie« (Wien [* 5] 1847),
und Herbart« (gekrönte Preisschrift, das. 1849),
»Das Rechtsprinzip bei Leibniz« (das. 1852),
»Über Leibniz' Konzeptualismus« (das. 1854),
und Lessing« (das. 1855);