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Wachszins und Honigzins zu liefern. Dazu kamen aber noch zahlreiche persönliche Dienstleistungen (Fron- und Herrendienste), so daß das Los der Leibeignen in der That ein sehr hartes war. Erst zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts gewann die fortschreitende Humanität so viel Einfluß auf die Gesetzgebung, daß die Aufhebung der Leibeigenschaft, welche zugleich im Interesse des Volkswohlstandes, der Entwickelung der Steuer- und Wehrkraft des Landes und der Zunahme der Bevölkerung [* 2] als dringend geboten erschien, in Deutschland [* 3] allenthalben durchgeführt ward.
Zwar hatten sich schon zu Anfang des 18. Jahrh. einzelne Versuche zur Aufhebung der Leibeigenschaft gezeigt, z. B. in der preußischen Dorfordnung von 1702 für die königlichen Domänen; aber erst Joseph II. von Österreich [* 4] war es, welcher die Leibeigenschaft vollständig aufhob und zwar 1781 für Böhmen [* 5] und Mähren, 1782 für die deutschen Erblande. Auch das preußische Landrecht von 1794 bezeichnete die Leibeigenschaft als unzulässig; aber erst durch Gesetz vom erfolgte die gänzliche Aufhebung derselben für die preußische Monarchie, ebenso in Württemberg [* 6] durch Gesetz vom und für Bayern [* 7] durch die Verfassungsurkunde vom so daß auch die übrigen Staaten, in welchen das Institut der Leibeigenschaft bestand, nicht mehr zurückbleiben konnten. Die letzten Reste wurden 1832 in der sächsischen Oberlausitz getilgt.
Auf weit größere Schwierigkeiten stieß dagegen die Abschaffung der Leibeigenschaft in Rußland, woselbst die Leibeigenschaft mit dem Volksleben viel inniger verwachsen war als in Deutschland. Denn in Rußland gab es gar keinen freien Bauernstand, ebensowenig, abgesehen von dem Kaufmannsstand, einen eigentlichen Bürgerstand. Für die Bildung eines solchen ist der slawische Volkscharakter überhaupt wenig günstig, während dieser Stand gerade auf dem germanischen Volksboden am besten gedeiht.
Bedenkt man nun, daß die Zahl der russischen Leibeignen vor der Emanzipation nahezu ein Drittel der Gesamtbevölkerung betrug, daß z. B. in den Gouvernements Smolensk und Tula auf 100 Einwohner 69 Leibeigne kamen, so wird man es begreiflich finden, daß die Emanzipation Kaiser Alexanders eine kolossale Umwälzung hervorrufen mußte. Was die Entstehung der Leibeigenschaft in Rußland anbetrifft, so ist diese auch hier jedenfalls auf kriegerische Unterwerfung zurückzuführen.
Wenn aber die Leibeigenschaft in Rußland einen gewissen patriarchalischen Charakter trug, so ist derselbe zumeist aus dem frühern Nomadenleben des russischen Volksstammes erklärlich. Zudem war diese Unfreiheit der ackerbauenden Klasse keine eigentliche persönliche es war vielmehr die Gesamtheit der ländlichen Gemeinde, welche von dem Gutsherrn Ländereien erhielt und diesem zu Frondiensten und Abgaben verpflichtet war. Die russischen Bauern hatten nämlich ehemals die Gewohnheit, in bestimmten Fristen von einem Gut nach dem andern überzuwandern.
Diese sogen. Freizügigkeit wurde jedoch unter Boris Godunow am Juriewstag 1592 aufgehoben, indem die Bauern seit dieser Zeit an den Boden geheftet wurden, welchen sie zu dem gedachten Zeitpunkt bebaut hatten. Unter Peter d. Gr. wurde sodann die persönliche Leibeigenschaft aller Bauern zum Gesetz erhoben, dem Grundadel ein freies Verfügungsrecht über seine Bauern eingeräumt, aber auch umgekehrt die Verpflichtung zum Unterhalt und zur Ernährung der Leibeignen im Fall eignen Unvermögens auferlegt.
Der ursprüngliche patriarchalische Charakter blieb der Leibeigenschaft; das Verhältnis des Leibeignen zu seinem Herrn (bárin), welchen er »Väterchen« anredete, war kein knechtisches, bis sich dies mit der neurussischen, modernisierenden Richtung allmählich änderte. Der russische Adel, welcher nach moderner Sitte strebte und von Ausländern erzogen wurde, lebte größtenteils in Petersburg [* 8] oder im Ausland und wurde so seinen Bauern entfremdet. Die Güter desselben wurden durch dritte Personen, meist durch Deutsche, [* 9] verwaltet, welche sich den Leibeignen gegenüber manche Willkürlichkeiten erlaubten.
Dazu kam, daß mit der größern Entwickelung der Industrie zahlreiche Leibeigne, natürlich nur mit Zustimmung ihres Gutsherrn, sich gewerblicher Beschäftigung hingaben. Es ward nämlich den Leibeignen gegen eine jährliche Abgabe (obrók) gestattet, sich den Lebensunterhalt außerhalb des Gutes zu verdienen, und da die »Seelenbesitzer« auf diese Weise ihr »Menschenkapital« besser ausnutzen konnten, war namentlich die Vermietung von Leibeignen an Fabrikunternehmer an der Tagesordnung. Es kam aber auch vor, daß reiche Kapitalisten, Bankiers, wissenschaftlich gebildete Männer, sogar Künstler leibeigen waren.
Der Leibeigne, der nur noch bei der Gemeinde »angeschrieben«, nicht mehr mit ihr verwachsen war, stand alsdann in einem rein persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Herrn, dessen Willkür er preisgegeben war, wenn auch Kaiser Nikolaus für jeden Kreis [* 10] einen Adelsmarschall bestellt hatte, welcher die Leibeignen schützen sollte. Die Beseitigung dieser mit dem modernen Staats- und Völkerleben unvereinbaren Zustände wurde schon von Alexander I. in Aussicht genommen; aber nur in den Ostseeprovinzen, woselbst die Leibeigenschaft überhaupt mildere Formen angenommen hatte, gelang deren Abschaffung (1817). Kaiser Nikolaus erließ dann verschiedene Ukase, durch welche die materielle Lage der Leibeignen dadurch, daß ihnen das Recht zum selbständigen Vermögenserwerb eingeräumt ward, verbessert werden sollte.
Das große Emanzipationswerk selbst wurde aber erst unter Alexander II. vollbracht. Zunächst ward nämlich dem Adel durch Ukas vom der kaiserliche Wunsch kundgegeben, er möge darüber beraten, »wie die Lage der Bauern gegenüber den Eigentümern der adligen Güter durch genaue Bestimmung ihrer wechselseitigen Verpflichtungen und Beziehungen zu verbessern und zu sichern sei«. Freilich folgte der altrussische Adel diesem Ruf nur langsam und zögernd; doch schon 1858 trat ein »großes Leibeigenschaftskomitee« von zwölf Mitgliedern unter dem Vorsitz des Kaisers selbst zusammen, welchem dann in den einzelnen Gouvernements besondere Komitees unterstellt wurden, welche die Emanzipation der Leibeignen vorzubereiten hatten.
Nachdem dann die Krone selbst mit der Emanzipation der Kronbauern vorausgegangen war, wurde das Emanzipationsgesetz vom erlassen, welches die Aufhebung der Leibeigenschaft für den ganzen Umfang des russischen Reichs auf den feststellte. Dieses weise Gesetz erteilte den russischen Leibeignen die persönliche Freiheit, behielt aber die bisherigen Gemeindeverhältnisse, namentlich den Gemeindebesitz, bei, um die Bauern allmählich erst an die Freiheit zu gewöhnen.
Den Gemeinden wurde den Gutsherren gegenüber die Verpflichtung auferlegt, ihre Mark von diesen entweder eigentümlich zu erwerben, oder in Erbpacht zu nehmen, indem die Gemeinde als solche für die dem Herrn dagegen zu entrichtenden Leistungen an Geld oder Arbeit einzustehen hatte (sogen. Gemeinbürgschaft). Übrigens stand der Staat dabei den Gemeinden durch die Gewährung von Vorschüssen helfend zur Seite. Diese »Loskaufsoperation« ist inzwischen wesentlich gefördert, aber noch nicht allenthalben und vollständig zum Abschluß gediehen. Auch ¶
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die Umwandlung des Gemeindebesitzes in Einzelbesitz ist angebahnt. War nämlich die Beibehaltung des Gemeindebesitzes für das Stadium des Übergangs dringend geboten, so ist derselbe gleichwohl mit einer gesunden Entwickelung eines freien Bauernstandes unvereinbar. Freilich hatten sich gegen die Einführung des Einzelbesitzes an Stelle des Gemeindebesitzes zahlreiche Stimmen erhoben, namentlich die der sogen. Slawophilen und der russischen Sozialdemokraten, und diese Kontroverse hat geradezu eine besondere Litteratur hervorgerufen. Es hat jedoch die vermittelnde Ansicht derer, welche eine allmähliche Beseitigung des Gemeindebesitzes durch Übergangsbestimmungen befürworteten, sich mehr und mehr Geltung verschafft, indem sie auch zur praktischen Verwirklichung gelangte.
Vgl. Kindlinger, Die Geschichte der Hörigkeit, insbesondere der sogen. Leibeigenschaft (Berl. 1819);
J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer (3. Ausg., Götting. 1881);
Sugenheim, Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft in Europa [* 12] bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts (Petersb. 1861);
Eckardt, Rußlands ländliche Zustände (Leipz. 1870);
Keußler, Geschichte des bäuerlichen Gemeindebesitzes in Rußland (Riga [* 13] 1876);
Engelmann, Die Leibeigenschaft in Rußland (Leipz. 1884).