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der zweiten die (Äsopische) Fabel, der dritten das belehrende Gedicht (Vergils »Georgica«, Horaz' »Brief über die Dichtkunst« u. a.) an. Das Lehrgedicht entspricht einer Stufe der Entwickelung der Völker, wo die Wissenschaft ihre selbständige Form noch nicht gefunden hat (die Sutras des Kapila bei den Indern, die philosophischen Lehrgedichte des Xenophanes, Parmenides, Empedokles u. a., die »Theogonie« des Hesiod bei den Griechen, die Fabeln des Bidpai und des Äsop, das Gedicht »Werke und Tage« des Hesiod).
Die Beibehaltung desselben neben der Wissenschaft kündigt den Verfall der Poesie oder wenigstens deren Mangel bei den »Poeten« an, den auch die prunkvollste Rhetorik nicht zu verhüllen vermag. Dies zeigen in der Geschichte der römischen Poesie des Lukrez übrigens höchst geistvolle poetische Darstellung des Epikureischen Systems in dem Gedicht »De rerum natura«, die »Georgica« des Vergil, die fast allen spätern didaktischen Dichtern zum Muster gedient haben, Ovids »Ars amandi« und des Horaz »Ars poetica«.
Unter den neuern Völkern ward das Lehrgedicht besonders bei den Franzosen gepflegt von Racine, Boileau, Dorat, Lacombe, Delille. Die namhaftesten englischen hierher gehörigen Dichter sind: Davies, Dyer, Akenside, Dryden, Pope, Young, Erasmus Darwin. Auch in Deutschland [* 2] fand die didaktische Poesie schon früh eine günstige Aufnahme, da sie dem ernsten, kontemplativen Charakter der Nation besonders zusagte. Bereits zu Ende des 12. Jahrh. und namentlich im 13. kommen mehrere Gedichte mit bestimmter didaktischer Tendenz, wenngleich keine eigentlichen Lehrgedichte im engern Sinn, vor, unter welchen sich besonders Freidanks »Bescheidenheit« vorteilhaft auszeichnet.
Auch die Zeit der Meistersänger war dieser Gattung günstig, noch mehr aber das 15. Jahrh., in welchem Sebastian Brant und Thomas Murner die didaktische Satire mit Talent und Erfolg behandelten. Noch mehr beschäftigte man sich mit der didaktischen Poesie im folgenden Jahrhundert, wo auch das eigentliche Lehrgedicht, obwohl nur in unbedeutenden Versuchen, unter welchen die des Bartholomäus Ringwald als die gelungensten zu betrachten sind, zuerst auf deutschem Boden aufsproßte.
In den Zeiten der schlesischen Schule bildeten es Opitz, Brockes u. a. nach antiken und französischen Mustern, späterhin Haller, Dusch, Gleim, Zachariä, Bodmer, Cronegk, Giseke, Lichtwer u. a. aus. Die bedeutendste Richtung erhielt die didaktische Poesie jedoch durch Lessing, Wieland, Tiedge, dessen »Urania« lange Zeit beim Publikum in hoher Gunst gestanden hat, Neubeck, dessen »Gesundbrunnen« A. W. Schlegel empfahl, und Schelling, welcher im L. die vollendete Ineinsbildung von Poesie und Philosophie und in seiner Naturphilosophie das wahre »Naturepos« sah. Seit der romantischen Schule nahm das Interesse an dem eigentlichen Lehrgedicht wieder ab, und erst in neuester Zeit gelang es Leopold Schefer mit seinem »Laienbrevier«, Fr. v. Sallet mit seinem »Laienevangelium« und besonders Rückert mit seiner »Weisheit des Brahmanen«, die allgemeine Aufmerksamkeit wieder zu fesseln.