mutwillig geschürt werden dürfte. Aber das moderne Rechtsgefühl fordert, daß die Lehrfreiheit als das eigentlich
Gesunde angesehen und eine Beschränkung nur zugelassen werde, wo die Selbsterhaltung sie dem
Staat gebietet. Zu dieser Auffassung
drängte die auf protestantischer, namentlich reformierter, Seite immer allgemeiner anerkannte
Parität mehrerer Bekenntnisse
in einem und demselben
Staat, welche seit
Friedrich d. Gr., der
Gründung der nordamerikanischen
Union und
der französischen
Revolution in die
Anerkennung allgemeiner
Glaubensfreiheit (s. d.) überging, und das mächtige Anwachsen
einer vom kirchlichen und selbst vom christlichen und religiösen
Bekenntnis überhaupt mehr oder weniger unabhängigen weltlichen
Wissenschaft.
Mit vielen andern empfand
Kant den
Druck der Wöllnerschen Zwangsmaßregeln unter
FriedrichWilhelm II. Bekannt ist ferner der
Fichte-Forbergsche Atheismusstreit, welcher den erstern, freilich nicht ohne
Schuld seines herausfordernden
Auftretens, von
Jena
[* 7] nach
Berlin
[* 8] vertrieb. Verhängnisvoll waren in unserm
Jahrhundert auch für die Lehrfreiheit die
Karlsbader Beschlüsse
(1819), denen in
Frankreich das Verbot der geschichtlichen
VorträgeGuizots und der philosophischen
Cousins unter
Karl X. zur
Seite ging. Das Jahr 1848 sprengte die
Fesseln, die noch kurz zuvor in
Leipzig gegen
Biedermanns staatsrechtliche,
in
Berlin gegen
Prutz' litterargeschichtliche, in
Tübingen
[* 9] gegen
Vischers philosophische
Vorträge straffer angezogen waren.
Einzelne Nachklänge, wie die
Entfernung des Theologen M.
Baumgarten von seinem
Rostocker Lehrstuhl, folgten noch nach 1850. -
Schwieriger stellt sich die
Frage nach der Lehrfreiheit innerhalb einer einzelnen, auf ein bestimmtes
Bekenntnis
begründeten kirchlichen
Gemeinschaft.
Von den
Geistlichen der Staatskirche muß und darf der
Staat gewissenhafte Wahrung der staatlichen
Interessen
verlangen (vgl. die preußischen und deutschen
Kirchengesetze der letzten Jahre). Daneben muß er der kirchlichen
Forderung
Rechnung tragen, daß die Grundlagen des Bekenntnisses nicht angetastet werden dürfen, zugleich aber darüber wachen, daß
nicht eine
Partei innerhalb der
Kirche die Macht des
Staats zur
Durchführung ihrer herrschsüchtigen
Pläne
und zur Unterdrückung einer
an sich gleichberechtigten
Minorität mißbrauche. In diesem
Sinn hielten sich die
Staaten des
DeutschenReichs, der
Schweiz u. a. verpflichtet, die sogen. altkatholischen
Geistlichen und
Lehrer, welche sich den vatikanischen Beschlüssen
nicht unterworfen haben, im
Genuß ihrer staatlich verbürgten
Rechte zu schützen.
Ein schwieriges
Kapitel des öffentlichen
Rechts wird das von der immer bleiben, und völliges Einvernehmen über ihre richtige
Handhabung ist unter streitenden
Parteien kaum denkbar. Im ganzen ist aber in
Deutschland und namentlich auch in
Preußen unter
den Kultusministern
Falk und v.
Goßler an die
Stelle des früher verbreiteten Mißtrauens die Überzeugung
getreten, daß
man es an leitender
Stelle mit der Aufrechterhaltung einer vernünftigen Lehrfreiheit ernst meint.
(Donum docendi) galt früher als eine besondere
Anlage (Gnadengabe, Charisma, vgl. 1.
Korinth.
[* 14] 12, 7 ff.), von
deren Vorhandensein der Erfolg des
Unterrichts und der
Erziehung abhängig gedacht wurde.
Wenn auch die
neuere
Pädagogik das
Lehren
[* 15] als eine
Kunst betrachtet, die nach wissenschaftlichen
Regeln studiert und erlernt werden kann,
so bleibt doch das in der ältern
Ansicht unbestreitbar, daß mannigfaltige körperliche und seelische Voraussetzungen das
Lehrgeschäft wesentlich mit bedingen.
die
Ordnung, in welcher der einem bestimmten Gebiet angehörige Unterrichtsstoff an den
Schüler herangebracht wird. Es ist von hoher Bedeutung, den richtigen Stufengang für jeden
Unterricht zu ermitteln, und der
Lehrer muß zu diesem
Zweck neben der
Natur des Gegenstandes auch die
Fassungskraft und die Eigentümlichkeit des Zöglings oder
der Zöglinge berücksichtigen. Er wird finden, daß der praktische auf den es im
Unterricht ankommt,
keineswegs immer mit der theoretisch folgerichtigen (synthetischen oder systematischen)
Ordnung zusammenfällt. Vgl.
Methode.
Auch Lehrbücher, z. B.
Grammatiken, die statt der systematischen
Ordnung eine auf das
Bedürfnis des
Unterrichts berechnete
Abstufung zu
Grunde legen, werden gern mit dem
Titel Lehrgang oder
»Praktischer Lehrgang« bezeichnet.
(didaktische Poesie), angeblich eine besondere
Gattung der
Poesie, deren
Berechtigung als solche mit
Recht
bestritten wird. Der wahre
Zweck der
Poesie kann nur diese selbst sein; soll das
Wesen eines Gedichts und seine eigentliche
Absicht in Belehrung liegen, so wird das Werk zu einem Erzeugnis der bloßen
Reflexion,
[* 16] das von derPoesie
nur die äußern
Formen leiht. Das ist zu unterscheiden von dem lehrreichen Gedicht, welches didaktisch heißt, aber lyrisch
ist, weil es aus
Stimmung, nicht aus
Reflexion entspringt und daher zwar lehrt, aber ohne es zu wollen. Das Lehrgedicht gehört daher
nicht zur schönen, sondern, sofern es das Wahre sinnlich darstellt, zur symbolischen, sofern es das
Gute versinnlicht, zur moralischen, sofern es ein lediglich Nützliches in schöne Form einkleidet, zur verschönernden
Kunst. Der ersten Art gehört der
Natur- und Geschichtsmythus,
¶
Die Beibehaltung desselben neben der Wissenschaft kündigt den Verfall der Poesie oder wenigstens deren Mangel bei den »Poeten«
an, den auch die prunkvollste Rhetorik nicht zu verhüllen vermag. Dies zeigen in der Geschichte der römischen
Poesie des Lukrez übrigens höchst geistvolle poetische Darstellung des Epikureischen Systems in dem Gedicht »De rerum natura«,
die »Georgica« des Vergil, die fast allen spätern didaktischen Dichtern zum Muster gedient haben, Ovids »Ars amandi« und des
Horaz »Ars poetica«.
Unter den neuern Völkern ward das Lehrgedicht besonders bei den Franzosen gepflegt von Racine, Boileau, Dorat, Lacombe,
Delille. Die namhaftesten englischen hierher gehörigen Dichter sind:Davies, Dyer, Akenside, Dryden, Pope, Young, ErasmusDarwin.
Auch in Deutschland fand die didaktische Poesie schon früh eine günstige Aufnahme, da sie dem ernsten, kontemplativen Charakter
der Nation besonders zusagte. Bereits zu Ende des 12. Jahrh. und namentlich im 13. kommen
mehrere Gedichte mit bestimmter didaktischer Tendenz, wenngleich keine eigentlichen Lehrgedichte im engern Sinn, vor, unter
welchen sich besonders Freidanks »Bescheidenheit« vorteilhaft auszeichnet.
Auch die Zeit der Meistersänger war dieser Gattung günstig, noch mehr aber das 15. Jahrh., in welchem
SebastianBrantundThomasMurner die didaktische Satire mit Talent und Erfolg behandelten. Noch mehr beschäftigte man sich mit
der didaktischen Poesie im folgenden Jahrhundert, wo auch das eigentliche Lehrgedicht, obwohl nur in unbedeutenden Versuchen, unter welchen
die des Bartholomäus Ringwald als die gelungensten zu betrachten sind, zuerst auf deutschem Boden aufsproßte.