charakterisiert werden, weiß der Verfasser von Friedrich I. schon nicht mehr, daß derselbe die Königswürde erworben hat.
Die nachfolgenden Könige werden ganz verkehrt und den geschichtlichen Thatsachen widersprechend geschildert. Das elfte Stemma,
mit dem das Hohenzollernhaus enden sollte, war Friedrich Wilhelm III., und nur durch die gezwungene Auslegung, daß Friedrich
II. und Friedrich Wilhelm IV., weil ohne direkte Nachkommen, keine Stemmata seien, dehnen die ultramontanen Erklärer die Frist
bis auf Wilhelm I. aus, nach welchem der Hirt, d. h. der Papst, die Herde, Deutschland den (katholischen habsburgischen) König
wiedererhalten werde.
Die Weissagung ist augenscheinlich von einem Märker um 1690 verfaßt. Die älteste Widerlegung schrieb 1746 der
Pfarrer Weiß in Lehnin. Auf Veranlassung Friedrich Wilhelms III. beschäftigte sich Wilken zuerst mit der Frage nach dem Verfasser
und erklärte 1827 den 1693 verstorbenen Kammergerichtsrat Martin Friedrich Seidel dafür, Giesebrecht den Rittmeister v. Ölven,
Gieseler den Abt von Huysburg, Nikolaus v. Zitzewitz. Schon Valentin Schmidt wies auf Ludwig Andreas Fromm hin,
und Hilgenfeld (»Die Lehninsche Weissagung«, Leipz. 1875) begründete eingehend die Behauptung, daß Fromm der Urheber der Fälschung
sei.
Dieser war Propst an der Petrikirche zu Berlin, und selbst ein eifriger orthodoxer Lutheraner, trat er gegen die Maßregeln
des Großen Kurfürsten wider die lutherischen Geistlichen schroff auf und entzog sich einer Disziplinaruntersuchung 1666 durch
die Flucht nach Wittenberg. Da er hier nicht den gewünschten Empfang fand, begab er sich nach Prag, trat hier 1668 zur katholischen
Kirche über und wurde Domherr in Leitmeritz, wo er 1685 starb. Aus religiösem Fanatismus, und um sich an
dem hohenzollerischen Fürstenhaus zu rächen, schrieb der Konvertit das Gedicht und verbreitete es unter der Hand in geheimnisvoller
Weise unter einflußreichen Personen. Andre (Bailleu in der »Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde«, Bd.
15, S. 368) behaupten, daß ein in der Stadt Brandenburg oder deren Umgebung wohnender katholischer Märker, der
über die Ansiedelung von Schweizer Kolonisten bei Lehnin erzürnt war, 1691 das Vaticinium verfaßt habe.
Vgl. Sabell, Litteratur
der sogen. Lehninschen Weissagung (Heilbr. 1879).
im subjektiven Sinn das einer Person an einer fremden Sache zustehende erbliche Nutzungsrecht, welches ursprünglich
vom Eigentümer gegen das Versprechen der Treue verliehen wurde;
im objektiven Sinn der Inbegriff der über
die Lehnsverhältnisse geltenden Rechtsgrundsätze. Vgl. Lehnswesen.
(Feudal-, Benefizialwesen). Man versteht unter Lehen (Lehnrecht, lat. Feudum, Feodum, Beneficium) das ausgedehnteste
erbliche Nutzungsrecht an einer fremden Sache, welches sich auf eine Verleihung seitens des Eigentümers
gründet, die zugleich zwischen diesem und dem Berechtigten das Verhältnis wechselseitiger Treue hervorruft; auch diese Sache
selbst, zumeist ein Grundstück oder ein Komplex von Grundstücken, wird Lehen (Lehnsgut) genannt.
Der betreffende Eigentümer ist der Lehnsherr (Lehnsgeber, dominus feudi, senior), der Berechtigte der Vasall
(vassus, vasallus) oder Lehnsmann. Sprachlich hängt der Ausdruck »Lehen« mit »leihen« zusammen, bedeutet also s. v. w.
geliehenes Gut, während
das Wort »Feudum« nach einigen vom lat. fides (Treue),
richtiger aber wohl vom altdeutschen feo (d. h.
Vieh, dann überhaupt »Gut«) abzuleiten ist. Den Gegensatz zum Lehen bildet das freie Eigentum, Allodium (s. d.).
Die dem Vasallen zustehende Berechtigung nähert sich thatsächlich dem Eigentum so sehr, daß man dieselbe geradezu als nutzbares
Eigentum (dominium utile) und das Recht des eigentlichen Eigentümers als Obereigentum (dominium directum) zu bezeichnen pflegt.
Die Rechtsgrundsätze über das Lehnswesen bilden das Lehnrecht im objektiven Sinn.
[Geschichte des Lehnswesens.]
Das Lehnswesen entwickelte sich zuerst in der fränkischen Monarchie und bildete jahrhundertelang die
Grundlage der mittelalterlichen Heerverfassung und des germanischen Staats. Die Karolinger pflegten nämlich an freie Leute
Güter zu verleihen, wogegen sich diese zur Leistung von Kriegsdiensten verpflichteten, indem sie als Fideles (Getreue) in das
königliche Gefolge eintraten, und dies Verfahren wurde bald von weltlichen und geistlichen Großen nachgeahmt.
Nach und nach bildete sich dann der Grundsatz der Erblichkeit der Lehen und der Zulässigkeit des Weitervergebens in Afterlehen
aus, welch letztere 1037 von Konrad II. ebenfalls für erblich erklärt wurden. So kam es, daß im 12. Jahrh. bereits
alle Herzogtümer und Grafschaften als Lehen vergeben waren. Innerhalb dieser einzelnen Territorien aber
bestand wiederum ein vielgliederiges und ebendasselbe war in den geistlichen Territorien der Fall. Mit dem Sinken der kaiserlichen
Macht entwickelte sich dann aus dem Lehnswesen die Landeshoheit der Reichsfürsten, so daß die schließliche Auflösung des Deutschen
Reichs zumeist durch das mittelalterliche Lehnswesen herbeigeführt worden ist.
Übrigens blieb das Lehnswesen keineswegs auf das Gebiet des öffentlichen Rechts beschränkt; dasselbe überwucherte vielmehr in
Deutschland auch die Privatrechtsverhältnisse, indem die verschiedenartigsten Gegenstände »ins
Lehen gereicht« und die verschiedenartigsten Berechtigungen als lehnrechtliche konstituiert wurden. Mit der politischen Bedeutung
des Lehnswesens sank jedoch auch diese privatrechtliche, und heutzutage hat dasselbe seine Lebensfähigkeit
vollständig verloren.
Schon durch die Revolution von 1649 und dann durch eine ausdrückliche Verordnung Karls II. von 1660 wurde in England der Lehnsverband
beseitigt, ebenso in Frankreich durch die Beschlüsse der Nationalversammlung vom 4. und In Deutschland wurden mit
der Auflösung des Deutschen Reichs 1806 die vorhandenen Reichslehen teilweise allodifiziert, indem deren Inhaber souveräne
Fürsten wurden. Bei andern Reichslehen dagegen trat an die Stelle von Kaiser und Reich derjenige Landesherr als Lehnsherr, in
dessen Gebiet das Lehnsgut gelegen war, indem die Lehnsträger mediatisiert wurden.
Zudem entsagten in der Rheinbundsakte, Art. 34 (sogen. Verzichtsartikel),
die verbündeten Fürsten gegenseitig allen Lehnrechten, welche dem einen rücksichtlich des Gebiets des andern zustehen möchten.
Innerhalb der einzelnen Territorien aber wurde in der Folge der Lehnsverband vielfach für ablösbar erklärt und so die Möglichkeit
der Umwandlung des Lehens in volles Eigentum gegeben, so zuerst 1836 in Hannover; auch wurde die Errichtung
neuer Lehen gesetzlich untersagt, z. B. in Preußen durch das Gesetz von 1852, wie denn auch die deutschen Grundrechte von 1848 bestimmt
hatten: »Aller Lehnsverband ist aufzuheben«. So kommt es denn, daß dermalen
nur noch wenige Überreste des einst so bedeutungsvollen Lehnswesens in die
mehr
Gegenwart hineinragen, deren Tage ebenfalls gezählt sind (s. Ablösung).
Quellen des deutschen Lehnrechts sind außer den Verordnungen der fränkischen und deutschen Könige (constitutiones feudales)
die mittelalterlichen Rechtsbücher, wie der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel, das Görlitzer Lehnrecht und der Richtsteig
Lehnrechts, welcher vom lehnrechtlichen Gerichtsverfahren handelt. Außerdem aber fand mit dem römischen
Recht auch eine langobardische Lehnrechtssammlung in Deutschland Eingang, die sogen. Libri feudorum, ursprünglich eine Privatarbeit
des Mailänder Konsuls Obertus ab Orto, welche, mit Schöffensprüchen und kaiserlichen Verordnungen vermehrt, dem Corpus juris
civilis (s. d.) als Anhang beigefügt, von den italienischen Rechtslehrern glossiert
wurde und in dieser Gestalt in Deutschland Gesetzesautorität erhielt. Dazu kamen dann zahlreiche Partikulargesetze
in den einzelnen deutschen Territorien, wie z. B. das kursächsische Lehnsmandat von 1764,
das altenburgische Lehnsedikt von 1795, das badische Edikt vom das bayrische Lehnsedikt von 1808 und die Ablösungsgesetze
der Neuzeit.
[Wesentliche Grundsätze des Lehnrechts.]
Zu jedem wahren Lehen gehören als notwendige Voraussetzungen
(essentialia feudi) ein lehnbarer Gegenstand, ein fähiger Lehnsherr, ein fähiger Vasall und das zwischen beiden bestehende
Verhältnis der Lehnstreue. Außerdem werden als natürliche oder regelmäßige Eigenschaften des Lehens (naturalia feudi),
welche im Zweifel bei jedem Lehen vorhanden sind, bezeichnet: die Investitur, d. h. die feierliche Verleihung des Lehens, die
Erblichkeit und die besondere Erbfolge in Ansehung der Lehen mit Bevorzugung des Mannesstamms, endlich die Leistung von Diensten
und zwar ursprünglich und eigentlich von Kriegsdiensten.
Der Mangel einer solchen Eigenschaft macht ein Lehen zu einem unregelmäßigen oder uneigentlichen (feudum irregulare, improprium).
Ursprünglich galten nur Liegenschaften für lehnbar, namentlich die sogen. Rittergüter (Ritterlehen,
adlige Lehen, feuda nobilia, im Gegensatz zu unadligen Lehen, feuda ignobilia) oder eine Burg oder ein sonstiges Gebäude (feudum
castri, keminatae, aedificii). Aber auch an unkörperlichen Sachen wurden Lehen errichtet, indem die verschiedenartigsten Rechte
nach Lehnrecht verliehen wurden, so z. B. gewisse Hoheitsrechte über ein bestimmtes Territorium (feuda regalia),
die sogen. Fürstenlehen oder Fahnenlehen, so genannt, weil bei der Beleihung eine Fahne als Symbol diente.
Dahin gehören ferner die Beleihungen mit gewissen Ämtern (Ämterlehen, Ambachtslehen, feudum officii), namentlich Hofämtern,
und das einst dem Haus Thurn und Taxis verliehene Postlehen sowie die lehnsweise erteilte Gerichtsbarkeit (feudum jurisdictionis).
Dazu kommen dann zahlreiche Lehen an Kirchensachen und kirchlichen Rechten, Kirchenlehen (Stiftslehen, feuda
ecclesiastica), Beleihungen mit den mit einem Altar verbundenen Stiftungen (feudum altaragii).
Außerdem wurden zahlreiche Realberechtigungen, Renten, Gülten und Zehnten (feudum decimarum), verliehen; auch sogen. Geldlehen
kamen vor, bei welchen der Vasall die Zinsen eines gewissen Kapitals bezog. Keine Lehen, sondern Allodialgüter
waren dagegen die sogen. Sonnenlehen, bei welchen die Sonne oder die Gottheit gewissermaßen als Lehnsherrin fingiert wurde.
Zur persönlichen Lehnsfähigkeit des Lehnsherrn (aktive Lehnsfähigkeit) wird erfordert: Dispositionsbefugnis in Ansehung
des Gegenstandes, der verliehen werden soll, und
Wehrfähigkeit. Da der Vasall nämlich ursprünglich stets zu Kriegsdiensten
verpflichtet war, so konnten nur solche Personen, die den Heerschild hatten, also Ritterbürtige, die sich
eben solche Dienste versprechen lassen konnten, Lehnsherren sein, bis dann in spätern Zeiten an die Stelle der Kriegsleistungen
vielfach bestimmte Abgaben, namentlich die sogen. Ritterpferdsgelder, traten (sogen.
Zins- und Beutellehen). Da nun aber in einem geordneten Staatswesen nur dem Staatsoberhaupt die Militärhoheit
zusteht, so konnte eigentlich nach modernem Staatsrecht auch nur der Souverän selbst als fähiger Lehnsherr erscheinen, wie
dies in einzelnen Staaten, z. B. in Bayern und Mecklenburg, ausdrücklich durch Gesetz verordnet worden ist; daher die Einteilung
in Staatslehen und Privatlehen, bei welch letztern eben ein Unterthan Lehnsherr war.
Zur passiven Lehnsfähigkeit des Vasallen wurde Unbescholtenheit und Waffenfähigkeit erfordert, weshalb namentlich Frauen
lehnsunfähig waren und nur ausnahmsweise sogen. Weiberlehen (»Kunkellehen«, im Gegensatz zu »Helmlehen«) vorkamen. Aus demselben
Grund erschienen Bauern als lehnsunfähig und ebendarum die zahlreichen bäuerlichen Leihen (sogen. Feudaster) als uneigentliche
Lehen (s. Kolonat). Die Begründung eines Lehens geschieht der Regel nach durch Investitur (constitutio feudi,
infeudatio).
Diese ist aber nichts andres als die deutschrechtliche Auflassung (s. d.). Es sind dabei zwei wesentliche Handlungen zu unterscheiden:
die Belehnung (actus traditionis) und die Huldigung (actus inaugurationis);
erstere erfolgte früher regelmäßig unter Anwendung
gewisser Symbole, z. B. einer Fahne, eines Schwertes;
letztere bestand in der eidlichen Versicherung, dem
Lehnsherrn treu, hold und gewärtig sein zu wollen (Lehnseid, homagium, vassallagium);
nur ausnahmsweise genügte der bloße
Handschlag des Vasallen (sogen. Handlehen).
Das über die Investitur von der zuständigen Behörde (Lehnsgericht, Lehnshof, Lehnskurie)
aufzunehmende Protokoll heißt Lehnsprotokoll. Der Vasall kann die Ausstellung eines Lehnsbriefs verlangen,
d. h. einer Urkunde, worin die Investitur samt ihren Bedingungen bezeugt wird. Die Urkunde, durch welche dem Vasallen die stattgehabte
Beleihung vorläufig bescheinigt wird, heißt Lehns- oder Rekognitionsschein und diejenige, durch welche der Vasall dem Lehnsherrn
die Beleihung und die Lehnspflicht bescheinigt, Lehnsrevers (Gegenbrief).
Ein Lehnsinventar, d. h. eine Beschreibung des Lehnsguts mit seinen Pertinenzen, unterschrieben von dem
Lehnsherrn, resp. von dem Vasallen (Lehnsdinumerament), kann jeder von beiden von dem andern verlangen. Lehnskontrakt (contractus
feudalis) heißt der Vertrag, durch welchen eine Beleihung vereinbart und vorbereitet wird. Im Mittelalter kam auch häufig
die sogen. Lehnsauftragung (oblatio feudi) vor, darin bestehend, daß jemand, um
sich unter den Schutz eines mächtigern Lehnsherrn zu begeben, diesem sein Allod zum Eigentum übertrug, um es dann von jenem
als Lehen zurückzuempfangen.
Besondere Arten der Investitur sind die Koinvestitur und die Eventualbelehnung. Erstere (investitura simultanea) ist diejenige
Investitur, welche gleichzeitig an dem nämlichen Gegenstand mehreren Personen erteilt wird. Hier werden
die mehreren Beliehenen nach ideellen Teilen an dem Lehnsgut berechtigt, ohne daß zwischen ihnen etwa ein wechselseitiges
Erbrecht in Ansehung des letztern begründet würde (Mitbelehnung, coinvestitura juris
mehr
communis oder juris langobardici). Verschieden davon ist die Coinvestitura juris germanici, die sogen.
Gesamtbelehnung oder Belehnung zur gesamten Hand, so genannt, weil hierbei die Mitbelehnten das bei der Investitur gebrauchte
Symbol gemeinschaftlich anzufassen pflegten. Hier erhält nämlich nur einer der Mitbelehnten (»Gesamthänder«)
den Besitz des Lehnsobjekts, während für die übrigen nur eventuelle Successionsrechte begründet werden.
Letztere kommen jedoch in Wegfall, wenn die Gesamthänder eine Auseinandersetzung bezüglich des Lehnsobjekts, eine sogen.
Grund- oder Thatteilung, vornehmen.
Teilen sich dieselben dagegen bloß in die Nutznießung (sogen. Mutschierung des Lehens), so bleibt jenes eventuelle Successionsrecht
in Kraft. Die Eventualbelehnung ist eine Investitur für die Eventualität des Heimfalls eines Lehens, d. h.
eine an einer bereits verliehenen Sache für den Fall vorgenommene Investitur, daß die Rechte des dermaligen Vasallen und seiner
Nachkommenschaft erlöschen sollten. Die Eventualbelehnung charakterisiert sich also als eine wirkliche, wenn auch unter einer
Suspensivbedingung, vorgenommene Investitur, und ebendarum vererben sich auch die Rechte aus derselben
nach Lehnrecht. Verschieden davon ist die sogen. Lehnsexspektanz (Lehnsanwartschaft, exspectativa
feudalis), welche darin besteht, daß jemand einem andern für den Fall, daß ihm ein gewisses Lehen heimfallen werde, die
Belehnung damit verspricht. Es ist dies nur ein Vorvertrag zu einem eventuell abzuschließenden Lehnskontrakt, aus welchem
dem »Lehnsanwärter« ein Forderungsrecht auf Erfüllung
dieses Versprechens zusteht.
Die Summe der Rechte des Lehnsherrn ist die Lehnsherrlichkeit. Nicht zu verwechseln damit ist die Lehnshoheit, d. h.
das dem Staat zustehende Hoheits- und Aufsichtsrecht über alle. Lehen innerhalb des Staatsgebiets. Die Lehnsherrlichkeit umfaßt
die persönlichen Rechte des Lehnsherrn dem Vasallen gegenüber, und insofern entspricht ihr die Lehnspflicht
des letztern, dann aber auch die dinglichen Rechte des erster an dem Lehnsobjekt. Der Person des Vasallen gegenüber hat der
Lehnsherr das Recht auf Lehnstreue, deren Bruch Felonie (s. d.) genannt wird, auf Ehrerbietung (Lehnsreverenz) und Lehnsgehorsam,
d. h. auf Leistung von Kriegs- und Hofdiensten.
Mit der Zeit sind diese Kriegsleistungen in Geldleistungen verwandelt (»adäriert«) worden.
Der Lehnsherr kann ferner von dem Vasallen bei Verlust des Lehens die Lehnserneuerung (renovatio investiturae) sondern und
zwar sowohl bei Veränderungen in der Person des Lehnsherrn (Veränderungen in der herrschenden Hand, Herrenfall, Hauptfall,
Thronfall) als auch bei Veränderungen in der Person des Vasallen (Veränderung in der dienenden Hand, Lehnsfall,
Vasallenfall, Nebenfall).
Letzterer muß alsdann binnen Jahr und Tag (1 Jahr 6 Wochen 3 Tage) ein schriftliches Gesuch (Lehnsmutung) einreichen und um
Erneuerung der Investitur bitten; doch kann diese Frist auf Nachsuchen durch Verfügung des Lehnsherrn (Lehnsindult) verlängert
werden. Partikularrechtlich ist der Vasall dabei, abgesehen von den Gebühren für die Wiederbelebung (Schreibschilling,
Lehnstaxe), zuweilen auch zur Zahlung einer besondern Abgabe (Laudemium, Lehnsgeld, Lehnsware, Handlohn) verpflichtet. Endlich
kann der Lehnsherr bei einer Felonie des Vasallen das Lehen durch die sogen. Privationsklage einziehen, Verschlechterungen des
Gutes nötigen Falls durch gerichtliche Maßregeln verhüten und dritten unberechtigten
Besitzern
gegenüber das Eigentumsrecht jederzeit geltend machen.
Der Vasall hat dem Lehnsherrn gegenüber ebenfalls den Anspruch auf Treue (Lehnsprotektion), und ein Bruch derselben zieht für
den Lehnsherrn den Verlust seines Obereigentums nach sich. Am Lehnsobjekt hat der Vasall das nutzbare Eigentum. Veräußerungen
des Lehnsguts sind jedoch nur mit Zustimmung des Lehnsherrn gültig, der bei Veräußerungen ohne seine
Zustimmung das Lehen im Wege gerichtlicher Klage (actio revocatoria feudi) einziehen kann. Außerdem ist aber noch zu einer
Veräußerung des Lehens die Zustimmung sämtlicher »Agnaten« erforderlich, d. h. der lehnsfolgefähigen Seitenverwandten des
Vasallen, welche mit ihm zusammen von dem ersten Empfänger des Lehens (primus acquirens) abstammen.
Nicht als Lehnsveräußerung wird es aufgefaßt, wenn der Vasall das Lehen einem andern zum Afterlehen gibt (subinfeudatio);
denn der Lehnsherr tritt zu dem Aftervasallen in keine Beziehung. Ebensowenig aber, wieder Vasall das Lehen unter Lebenden veräußern
darf, kann derselbe letztwillig darüber verfügen. Diese vasallitischen Rechte und Pflichten können durch
Stellvertreter (Lehnssubstituten, Lehnsbevollmächtigte) ausgeübt werden. Haben diese Vertreter ein Recht auf derartige Stellvertretung,
so wird das Verhältnis als provassallagium und der Vertreter als Lehnsträger (provasallus) bezeichnet.
Solche Lehnsträger kamen namentlich dann vor, wenn juristische Personen, wie z. B. Gemeinden, oder wenn Frauen beliehen worden
waren, oder wenn für minderjährige Vasallen außer dem Allodialvormund ein besonderer Lehnsvormund bestellt
wurde, welcher die aus der persönlichen Seite des Lehnsverhältnisses hervorgehenden Rechte und Verbindlichkeiten des minderjährigen
Vasallen wahrzunehmen hatte. Der Eintritt eines neuen Vasallen in ein bereits bestehendes Lehen heißt Lehnsfolge (Lehnssuccession).
Solange ein Lehen sich in der Hand des ersten Empfängers befindet, wird es Neulehen (feudum novum) genannt,
während das in dem Besitz eines Deszendenten befindliche Lehen als Alt- oder Stammlehen (feudum antiquum, paternum) bezeichnet
wird. Das Lehnsfolgerecht kommt nur den leiblichen, ehelichen Nachkommen des ersten Belehnten, also nicht den Adoptivkindern
oder unehelichen, auch nicht den in morganatischer Ehe erzeugten Kindern zu. Bedingt ist das Lehnsfolgerecht
zudem durch die Lehnsfolgethätigkeit, daher Weiber nicht in ein Lehen succedieren können, es sei denn, daß dasselbe als
Weiberlehen (Kunkellehen, feudum femininum) errichtet worden sei.
Anlangend die Lehnsfolgeordnung, so werden zunächst die unmittelbaren Nachkommen des verstorbenen Vasallen, die Deszendenten,
also die Söhne und Enkel des letztere, zur Erbfolge gerufen. Die Söhne vorverstorbener Söhne treten an
die Stelle ihrer Väter (sogen. Repräsentationsrecht), indem sie nach Stämmen succedieren. Sind keine Deszendenten vorhanden,
so kommen die agnatischen Seitenverwandten des Erblassers an die Reihe, aber immer nur diejenigen, welche mit dem Erblasser
zusammen von dem ersten Empfänger des Lehens abstammen. Nach der herrschenden Lehre entscheidet dabei
zunächst die Nähe der Linie oder der Parentel. Unter dieser sind alle diejenigen verstanden, welche durch den nächsten gemeinsamen
Stammvater verbunden sind. Innerhalb der Linie aber entscheidet dann die Gradesnähe (sogen. Lineal- und Gradualerbfolge),
jedoch mit der römisch-rechtlichen Modifikation, daß die Söhne von
mehr
vollbürtigen vorverstorbenen Brüdern des letzten Vasallen mit ihren Oheimen, den noch lebenden Brüdern des Erblassers, zusammen
vermöge des Repräsentationsrechts zur Erbschaft gerufen werden. Werden bei dem Tod eines Vasallen verschiedene Personen zur Lehns-
und zur Allodialerbfolge berufen, so muß eine sogen. Lehnssonderung, d. h.
eine Ausscheidung des Lehnsguts von dem Allodialvermögen, vorgenommen werden. Schulden des Vasallen ergreifen
das Lehen nur dann, wenn sie Lehnsschulden sind.
Als solche gelten die Ansprüche der an und für sich zur Lehnsfolge berufenen, aber wegen Gebrechlichkeit davon ausgeschlossenen
Personen auf die Verabreichung von Alimenten. Partikularrechtlich gehören auch die Verpflichtung zur Alimentation und Ausstattung
von Töchtern früherer Vasallen, die Pflicht zur Auszahlung des Leibgedinges oder Wittums an die Witwe des
verstorbenen Vasallen und die Verbindlichkeit zur Zahlung der Begräbniskosten und der Kosten der letzten Krankheit desselben
zu den Lehnsschulden.
Auch die durch eine sogen. Lehnsverbesserung, d. h. durch einen
von dritten, hierzu nicht verpflichteten Personen in das Lehen gemachten Aufwand, begründete Schuld gilt
als Lehnsschuld. Auch pflegt man hier gewöhnlich noch die sogen. konsentierten Lehnsschulden
mit aufzuführen, d. h. diejenigen, welche mit Zustimmung sämtlicher Lehnsinteressenten auf
das Lehnsgut gelegt werden. Die Abfindung eines an sich Lehnsfolgeberechtigten und die Verpachtung zur Zahlung einer Abfindungssumme
begründen ebenfalls eine Lehnsschuld, welche allerdings nur diejenigen belastet, die durch jene Abfindung
gewonnen haben (sogen. respektive Lehnsschuld). Die Abfindungssumme selbst ist aber an und für
sich durchaus allodialer Natur; doch wird nicht selten verabredet, daß dieselbe als sogen. Lehnsstamm (constitutum
feudale) auf dem Guthaften und in Ansehung der erbrechtlichen Verhältnisse nach Lehnrecht behandelt werden soll.
Eine Beendigung des Lehnsverhältnisses wird durch den Untergang der Sache, durch gültige Veräußerung derselben zum Allod
und durch Ersitzung des Eigentums an dieser Sache durch einen Dritten herbeigeführt. Außerdem wird der Lehnsnexus zwischen
zwei Personen durch den Heimfall (Inkorporation, Inkameration, Konsolidation) des Lehens aufgehoben, d. h. dadurch, daß das nutzbare
Eigentum des Vasallen wieder mit dem Obereigentum des Lehnsherrn vereinigt wird, dieser also wieder volles
Eigentumsrecht erhält.
Die Veranlassung dazu kann eine Felonie des Vasallen oder eine sogen. Quasi-Felonie, d. h. ein schweres Verbrechen desselben,
sein. Auch wird eine solche Konsolidation durch das Absterben aller Deszendenten des ersten Vasallen und der etwanigen
Mitbelehnten, durch die Auflösung einer beliehenen juristischen Person, durch Ersitzung des nutzbaren Eigentums durch den Lehnsherrn,
durch Verzicht (Refutation) des Vasallen auf das Lehen und durch Veräußerung des Lehens seitens des Vasallen an den Lehnsherrn
bewirkt.
Geht dagegen das Obereigentum des Lehnsherrn auf den Vasallen über, so daß dieser nunmehr das volle Eigentum
erwirbt, so spricht man von einer Appropriation des Lehens, welch letztere bei einer Felonie des Lehnsherrn und infolge einer
Ersitzung des Eigentums durch den Vasallen, hauptsächlich aber durch Allodifikation, d. h. durch Übertragung des vollen Eigentums
auf den Vasallen, eintritt.
Vgl. außer den Lehrbüchern des deutschen Privatrechts Böhmer, Principia juris
feudalis (1765; 8. Aufl. von
Bauer, Götting. 1819);
Weber, Handbuch des in Deutschland üblichen Lehnrechts nach den Grundsätzen
G. Lehnswesen Böhmers (Leipz. 1807-18, 4 Bde.);
Pätz, Lehrbuch des Lehnrechts (2. Aufl., Götting. 1819);
Mayr, Handbuch des gemeinen und bayrischen Lehnrechts (Landsh. 1831);
Zachariä, Handbuch des sächsischen Lehnrechts (1796; 2. Ausg. von Weiße und v. Langenn, Leipz. 1823);
Roth, Mecklenburgisches Lehnrecht (Rostock 1858);
Kremer, Das longobardisch-österreichische Lehnrecht (Wien 1838, 2 Bde.).