(Bremerlehe), Flecken und Kreishauptort im preuß. Regierungsbezirk Stade, an der Geeste und unmittelbar nördlich
von Bremerhaven, mit diesem und dem südlich angrenzenden Geestemünde durch eine Pferdeeisenbahn verbunden, hat eine evang.
Kirche, ein Amtsgericht, Dampfmühlen und Dampfsägerei, Ziegeleien, Kunstgärtnereien, eine Eisfabrik, Bierbrauerei, 3 Wasserleitungen
(auch für Bremerhaven), Festungswerke an der Wesermündung und (1885) mit Garnison (3. Matrosen-Artillerieabteilung)
11,011 meist evang. Einwohner.
(Lehnrecht, Feudum), das ausgedehnteste dingliche und vererbliche Nutzungsrecht an einer fremden Sache, welches
ursprünglich von deren Eigentümer gegen das Versprechen der Treue verliehen worden ist;
auch Bezeichnung für den Gegenstand,
namentlich für ein Grundstück, welches auf diese Weise verliehen wurde. S. Lehnswesen.
Stadt im meining.
Kreis Saalfeld, im Thüringer Wald und an der Eisenbahn Ludwigstadt-Lehesten, hat die größten Schieferbrüche
Deutschlands (2400 Arbeiter und 900,000 Mk. jährlicher Ertrag), Fabrikation von Schiefertafeln, Handel mit Dach- und Tafelschiefer
und (1885) 2078 evang. Einwohner.
Der Ort (Lesteni) wird schon im 9. Jahrh. erwähnt.
Otto, Schauspieler, geb. 3. Febr. 1825 zu Breslau, ging, obwohl zum Studium der Medizin bestimmt, im 21. Jahr zur
Bühne, die er als Franz Moor in Posen 1845 zum erstenmal betrat. Nach Engagements in Hamburg, Graz und Würzburg berief Dingelstedt
den Künstler 1855 nach München, wo er während eines einjährigen Aufenthalts bedeutsame Fortschritte
in der Ausbildung seines Talents machte, das übrigens schon zwei Jahre früher im St. Jamestheater zu London die volle Anerkennung
erfahren hatte.
Von München nach Danzig berufen, blieb er hier ebenso wie in Kassel und Frankfurt a. M. ein Jahr, bis ihn 1860 Dingelstedt für
das von ihm geleitete Hoftheater in Weimar engagierte, zu dessen Mitgliedern er bis 1871 gehörte. Seit jener Zeit gab er
nur noch Gastspiele, die ihn einigemal auch nach Berlin führten. Er starb 23. Nov. 1885 in Weimar. Vorwiegend Helden- und Charakterspieler,
mit trefflichen äußern Mitteln, verband eine frische Ursprünglichkeit und poetische Vertiefung des
Spiels, das auch in dämonischen Momenten seine Wirkung nicht versagte.
Vgl. v. Bamberg, O. ein Erinnerungsblatt (Halle 1886).
(spr. li-hai), Nebenfluß des Delaware im nordamerikan. Staat Pennsylvanien, durchfließt ein reiches Kohlenbecken
und mündet bei Easton.
Ein 1820 eröffneter Kanal begleitet den Fluß 114 km weit bis Mauch Chunk.
(spr. léhintsch), Dorf in der irischen Grafschaft Clare, an der Liscannorbai, ist Sitz des katholischen Bischofs
von Kilmacduagh und Kilfenora und hat 279 Einw.
Verwitterungsprodukt verschiedener Gesteine, besteht aus einem innigen Gemenge von 30 bis 50 Proz. Thon mit Eisenoxyd,
Quarzsand, Glimmerblättchen, etwas Kalk etc. und besitzt je nach seinem Eisengehalt eine hellere oder
dunklere, gelbe bis gelbbraune Farbe; er fühlt sich weniger fettig an als Thon, bindet das Wasser nicht so stark wie dieser
und schwindet beim Trocknen in geringerm Grade. Diese Eigenschaften variieren nach der quantitativen Zusammensetzung des Lehms,
der durch Aufnahme von Quarzkörnern in Sand oder Sandmergel, durch Aufnahme von Kalk in Mergel übergeht.
Der Lehm wird beim Brennen rot oder bläulichrot, in starker Hitze schmilzt er
zu einer schwärzlichen oder blaugrauen Schlacke.
Da ein oberflächiges Zersetzungsprodukt der oft direkt darunter oder doch nicht entfernt anstehenden Gesteine ist und höchstens
von der Ackerkrume bedeckt wird, so bereitet seine Gewinnung keine Schwierigkeiten; er findet vielfältige Anwendung in der
Baukunst, gebrannt zu Dach- und Mauerziegeln, roh zu Lehmsteinen, Lehmputz, Strohlehmschindeln, zum Ausstreichen der Fachwände,
zum Vermauern der Steine bei Brandmauern, Schornsteinen, Öfen etc. Vom Lehm zu unterscheiden ist der Löß (s. d.), welcher
allerdings, aber nur durch oberflächige, das Calciumcarbonat auslaugende Prozesse in lehmartige Gesteine übergehen kann.
bei botan. Namen Abkürzung für Johann Georg Christian Lehmann, geb. 1792 zu Haselau in Holstein, starb als Direktor
des botanischen Gartens zu Hamburg 1860. Primulaceen, Asperifoliaceen, Nikotianeen, Potentilleen, australische Pflanzen.
1) Johann Georg, Topograph, geb. 11. Mai 1765 in der Johannismühle bei Baruth, ward Soldat
und Kompanieschreiber zu Dresden, besuchte die dortige Kriegsschule und erregte Aufmerksamkeit durch topographische Arbeiten. 1793 als
Sergeant verabschiedet, unternahm er die Vermessung eines Teils des Dessauer Gebiets sowie der Herrschaft Lichtewalde, wurde
Straßenbauaufseher des Wittenberger Kreises und 1798 Offizier und Lehrer an der Ritterakademie zu Dresden. 1806 in
den sächsischen Quartiermeisterstab berufen, wohnte er der Schlacht bei Jena bei, nahm 1807 als Hauptmann an der Belagerung
von Danzig und an der Blockade von Graudenz teil, starb als Major und Direktor der Militärplankammer in Dresden 6. Sept. 1811. Lehmann verbesserte
Konstruktion und Gebrauch des Meßtisches und stellte eine neue, bald sehr verbreitete Methode für das Situationszeichnen auf,
deren Grundzüge in der 1799 erschienenen Schrift »Darstellung einer neuen Theorie zur Bezeichnung der schiefen Flächen« enthalten
sind, eine ausführliche Darstellung aber in seinem nach Lehmanns Tod von Fischer herausgegebenen Hauptwerk: »Die Lehre
vom Situationszeichnen« (Dresd. 1812-16, 2 Bde.; 5. Aufl.
1843), fanden (s. Landkarten, S. 459).
2) Jakob Heinrich Wilhelm, astronom. Rechner, geb. 3. Jan. 1800 zu Potsdam, studierte Theologie, ward 1823 Inspektor am Joachimsthalschen
Gymnasium in Berlin, 1824 Konrektor am Gymnasium in Greifswald, fungierte 1832-43 als Prediger in Derwitz und Krielow
im Regierungsbezirk Potsdam, wandte sich dann aber der Astronomie zu und wurde bis 1847 von Jacobi und 1847-48 von Encke mit
astronomischen Rechnungen beschäftigt. Seitdem lebte er als Privatmann in Potsdam und Spandau, an welch letzterm Ort er 1863 starb.
Arbeiten von ihm finden sich in den »Astronomischen Nachrichten« sowie den mathematischen Zeitschriften
von Grunert und Crelle;
selbständig erschienen: »Anfangsgründe der höhern Mechanik, nach der antiken, rein geometrischen
Methode bearbeitet« (Berl. 1831);
»Über den Halleyschen Kometen« (Potsd. 1835);
»Über die sehr großen und totalen Sonnenverfinsterungen«
(Berl. 1842).
3) Joseph, Publizist, geb. 28. Dez. 1801 zu Glogau, besuchte die Friedrich Wilhelms-Schule zu Breslau, trat in
den 20er Jahren in das Veitsche Bankgeschäft in Berlin ein, wo er sich nebenbei in schriftstellerischen Versuchen übte, und
wurde 1827 bei Gründung der »Preußischen Staatszeitung« (des jetzigen »Staatsanzeigers«)
auf A. v. Humboldts
mehr
Empfehlung als Hilfsarbeiter bei der Redaktion derselben beschäftigt. Außer den ihm amtlich auferlegten politischen
Artikeln bearbeitete Lehmann für das neue Blatt bald auch ein reichhaltiges, vorzugsweise der ausländischen Litteratur gewidmetes
Feuilleton, aus dem das »Magazin für die Litteratur des Auslandes« hervorging, das Lehmann seit Januar 1832 als selbständige Beilage
der »Staatszeitung«, später aber als eigne Wochenschrift
herausgab. In der Folge lebte er in seiner Vaterstadt als Direktor der Niederschlesischen Eisenbahn, bis er 1865 nach Berlin
zurückkehrte, um von neuem die Redaktion seines »Magazins« zu übernehmen.
Er starb daselbst 19. Febr. 1873.
4) Peter Martin Orla, dän. Staatsmann, geb. 19. Mai 1810 zu
Kopenhagen aus einer holsteinischen Familie, widmete sich in Kopenhagen, Kiel und Berlin dem Studium der Rechte, kehrte 1833 in
seine Vaterstadt zurück und beteiligte sich schon als Rechtskandidat an den politischen Bewegungen seines Vaterlandes, namentlich
als eifriger Mitarbeiter am »Faedreland«, dessen Redaktion er später übernahm. 1839 stand
er an der Spitze der Deputation, welche von Christian VIII.
Verleihung verfassungsmäßiger Freiheiten verlangte. Von der Regierung nicht zur Advokatur zugelassen, ward er in den Gemeinderat
und 1840 in die Ständeversammlung gewählt. Doch standen bei Lehmann die das innere Staatsleben betreffenden Bestrebungen nur
auf zweiter Stufe, auf erster dagegen die nationale Tendenz, und zwar verfocht er in letzterer Beziehung
hauptsächlich den Gedanken, Holstein und Lauenburg sich selbst zu überlassen und dafür Schleswig völlig an Dänemark anzuschließen
und mit diesem durch eine gemeinsame Verfassung zu verbinden.
In dem seit dem bekannten »Offenen Briefe« von 1846 entbrannten Streit zwischen den dänischen und deutschen
Provinzialständen stand Lehmann an der Spitze der eiderdänischen oder nationalliberalen Partei, welche bald darauf in Dänemark
zur Herrschaft kam. Die Kopenhagener Bewegung im März 1848 brachte Lehmann als Minister ohne Portefeuille in das sogen. Kasinoministerium.
Er erhielt hierauf die Mission, das Berliner und Londoner Kabinett für die eiderdänischen Pläne zu gewinnen,
erreichte aber diesen Zweck nur in London teilweise.
Bei dem Umschwung der dänischen Politik im November 1848 erhielt er seine Entlassung und ward zum Amtmann von Veile in Jütland
ernannt, im April 1849 in Kolding von den Schleswig-Holsteinern gefangen genommen und mehrere Monate auf Schloß Gottorp festgehalten;
freigelassen, ward er in den konstituierenden Reichstag gewählt, wo er der Hauptverfasser der Gesetze
war, durch welche Dänemark zu einem konstitutionellen Staat mit völlig demokratischem Grundgesetz gemacht ward. 1855 war Lehmann Mitglied
des außerordentlichen Staatsgerichtshofs, vor welchem die im Dezember 1854 abgetretenen Minister belangt wurden, und 1856 ward
er Mitglied des Reichsrats. Am 14. Sept. 1861 mit dem Portefeuille des Innern betraut, nahm er 24. Dez. 1863 mit
dem gesamten Ministerium Hall seine Entlassung und starb 13. Sept. 1870, nachdem er seine Politik, deren Ziel Ausrottung des Deutschtums
in Schleswig war, hatte scheitern sehen.
5) Heinrich, franz. Maler, geb. 14. April 1814 zu Kiel, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater, dann von
Ingres in Paris. Er trat im Salon zuerst 1835 mit Tobias und der Engel auf. 1837 wurde er von Ludwig Philipp beauftragt, den Tod
Roberts des Starken für die Galerie von Versailles zu malen. Gegen Ende des Jahrs siedelte er
nach München
über, von wo er 1838 nach Italien ging. Später kehrte er nach Paris zurück. Unter den Staffeleibildern des Künstlers, der
sich in Frankreich hatte naturalisieren lassen, sind zu nennen: der Fischer, nach Goethe (1837, Museum von Carcassonne);
die Töchter
der Quelle, Mariuccia (beide 1812);
Prometheus (1851, im Luxembourg);
Ankunft der Sara bei den Eltern des
Tobias (1866).
Diese Bilder zeichnen sich durch Feinheit und Kraft der Modellierung und Anmut der Form aus. Seine Formenkenntnis
kam ihm namentlich auch in seinen zahlreichen Porträten zu gute. Vortrefflich verstand sich auf dekorative Malerei in Fest-
und Prachträumen. Ende der 50er Jahre malte er im Thronsaal im Luxembourg, dann im Palais de Justice zu
Paris. Unter seinen monumentalen Kirchenmalereien sind die in der Kapelle des Heiligen Geistes zu St.-Merry die bedeutendsten;
von den Altarbildern sind die Geißelung Christi (von 1842, in St.-Nicolas zu Boulogne) und Mariä Himmelfahrt (1850, St.-Louis
en l'Ile) zu nennen. Seine Schöpfungen haben meist einen akademischen Charakter, dem es an Wahrheit und
Wärme fehlt. Er starb 31. März 1882 in Paris.
6) Rudolf, Maler, Bruder des vorigen, geb. 19. Aug. 1819 zu Ottensen, Schüler seines Bruders, bereiste Deutschland, hielt sich längere
Zeit in England auf und ließ sich sodann in Rom nieder. Er schildert das italienische Volksleben in Bildern
größern Umfanges, von denen besonders: Sixtus V. segnet die Pontinischen Sümpfe (1847, Museum von Lille), Wallfahrerin aus
den Abruzzen in der Campagna, Ziegenhirtin der Abruzzen, Haydée und Graziella, sein populärstes Bild, früher Morgen in den
Pontinischen Sümpfen, Ave Maria hervorzuheben sind. Er hat auch zahlreiche Porträte gemalt. Seit 1866 lebt
er in London.
7) Theodor Heinrich Wilhelm, Begründer der deutsch-nationalen Partei in Schleswig-Holstein, Vetter von Lehmann 4), geb. 22. Nov. 1824 zu
Rendsburg, studierte die Rechte in Tübingen, Heidelberg und Kiel, machte 1848-50 den Krieg gegen Dänemark mit
und ward 1851 Advokat in Kiel. Als Abgeordneter der holsteinischen Provinzialstände (1859) stritt er für die Zusammengehörigkeit
der Herzogtümer, wirkte mit bei der Stiftung des Nationalvereins zu Frankfurt a. M. (September 1859) und trat in den Ausschuß. 1861 wurde
er wegen einer Resolution, welche eine von ihm berufene Versammlung in Kiel über die schleswig-holsteinische
und deutsche Frage annahm, von der dänischen Regierung in Untersuchung gezogen, aber 1862 freigesprochen. Er starb 29. Juli d. J.
in Kiel.
8) Julius, Agrikulturchemiker, geb. 4. Juli 1825 zu Dresden, studierte 1848 in Jena, 1849 bis 1851 in Gießen Naturwissenschaften,
arbeitete im Laboratorium Liebigs, in dessen Auftrag er für die 3. Auflage der »Chemischen Briefe« mehrere
Untersuchungen ausführte, und war dann in den Laboratorien zu Freiberg und in Paris thätig. 1854 wurde er Oberlehrer der
Naturwissenschaften an dem Vitzthumschen Gymnasium und der Blochmannschen Erziehungsanstalt zu Dresden, welche er 1856 verließ,
um eine ihm übertragene Untersuchung »über die Getreidearten
und das Brot« auszuführen. 1857 wurde er Direktor der landwirtschaftlichen Versuchsstation in Weidlitz, später zu Pommritz
(in der sächsischen Oberlausitz), ging 1867 an die landwirtschaftliche Akademie zu Proskau und 1869 als Vorstand der landwirtschaftlichen
Zentralversuchsstation nach München. Hier wurde ihm 1872 gleichzeitig die Einrichtung der