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Unter den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Lebensversicherungsanstalten seien nur einige hervorgehoben. Fast allgemein wird die Annahme einer angemeldeten Versicherung auch von dem Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung abhängig gemacht. Ausgeschlossen von den Versicherungen pflegen die Eventualitäten des Todes zu sein, welcher durch Verwirkung des Lebens auf Richterspruch, durch Selbstmord, wenigstens zurechnungsfähigen, Duell, Kriegs- und Seedienst etc. eintritt. In einzelnen Fällen, z. B. bei rechtskräftiger Verurteilung der Versicherten zu langer Freiheitsstrafe, bei Verfall des Versicherten in Trunksucht, bei der Entdeckung falscher Deklarationsangaben u. a., pflegt den Anstalten der Rücktritt vom Vertrag eingeräumt zu sein, in andern Fällen, wie bei der Teilnahme an einem Feldzug oder an gefährlichen Reisen, kann meistens der Versicherte wählen, ob er die Versicherung aufgeben oder dieselbe zeitweise aufheben (suspendieren) oder sie unter Ausbedingung besonderer Zusatz- (Extra-) Prämien auch auf diese Gefahren ausdehnen lassen will (Kriegsversicherung). In fast allen diesen Fällen, außer denjenigen der wahrheitswidrigen Deklaration, pflegt den Versicherten bei der Vertragsaufhebung eine sogen. Abgangsentschädigung, die volle ratierliche Prämienreserve oder ein gewisser Prozentsatz derselben, rückvergütet zu werden. Dasselbe findet statt, wenn der Versicherte, solange die Police in Kraft [* 2] ist, freiwillig die Versicherung der Anstalt zurückverkaufen, die Versicherung fallen lassen will, während die Nichtzahlung der Prämie oft diesen Anspruch aufhebt. Sehr oft wird diese Abgangsentschädigung erst dann gewährt, wenn die Versicherung einige Jahre gedauert hat.
Die ist nicht, wie oft behauptet wird, eine moderne Einrichtung, sondern sie besteht in der Form der Sterbekassen (s. d.), welche sich in nichts Wesentlichem von den großen Lebensversicherungsgesellschaften unterscheiden, seit uralten Zeiten in germanischen Ländern und ist neuerdings auch als unter den alten Römern vorkommend nachgewiesen worden. Modern ist nur die jetzige, auf den oben angegebenen wissenschaftlichen Fortschritten beruhende Lebensversicherungstechnik und die großartigere Verallgemeinerung des Geschäftsbetriebs der Lebensversicherungsgesellschaften.
Beide überkamen wir, wie die neuern Formen des Versicherungswesens überhaupt, aus England, wo 1705 die erste moderne Lebensversicherungsanstalt, die Amicable oder Perpetual Assurance in London, [* 3] gegründet wurde und das Lebensversicherungswesen einen gewaltigen Aufschwung genommen hat. In Deutschland [* 4] sind die ältesten Anstalten die Lebensversicherungsbank für Deutschland in Gotha [* 5] (1827 von Arnoldi [s. d.] auf Gegenseitigkeit gegründet) und die Deutsche [* 6] Lebensversicherungs- (Aktien-) Gesellschaft zu Lübeck [* 7] (1828 gegründet). Über die Entwickelung und den jetzigen Stand der großen deutschen Lebensversicherungsanstalten geben unsre, den periodischen Veröffentlichungen der »Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik« entnommenen Tabellen (S. 593) Auskunft.
Außer den dort aufgezählten deutschen Lebensversicherungsanstalten und einer sehr großen Anzahl Sterbekassen wirken in Deutschland noch einige ausländische, namentlich englische, wie die North British and Mercantile, die Londoner Union, Gresham u. a, auch einige nordamerikanische, wie die New Yorker Germania [* 8] und die Equitable aus New York. Fast in allen Kulturstaaten ist jetzt die Lebensversicherung verbreitet, in den meisten zwar in geringerm Umfang als in Deutschland, in England aber und in den Vereinigten Staaten [* 9] Nordamerikas in weit größerm Maß.
Entwickelung der Lebensversicherung bei den deutschen Anstalten von 1829 bis 1886.
Jahr | Zahl der Anstalten | Neuer Bruttozugang im Lauf des Jahrs | Bestand am Ende des Jahrs | Reinzuwachs im Lauf des Jahrs | |||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Personen, resp. Policen | Versicherungssumme in Millionen Mk. | Personen, resp. Policen | Versicherungssumme in Millionen Mk. | Personen, resp. Policen | Versicherungssumme in Millionen Mk. | ||
1829 | 2 | 1462 | 8.1 | 1448 | 8.1 | 1448 | 8.1 |
1835 | 4 | 1612 | 7.3 | 9274 | 43.7 | 1217 | 5.1 |
1840 | 6 | 2794 | 10.1 | 19852 | 83.3 | 1874 | 6.5 |
1845 | 7 | 2762 | 10.1 | 28463 | 115.4 | 1533 | 5.1 |
1850 | 10 | 4101 | 13.6 | 36955 | 142.8 | 2221 | 6.2 |
1855 | 17 | 8144 | 28.0 | 54333 | 198.7 | 6565 | 19.3 |
1860 | 19 | 13222 | 40.7 | 95406 | 316.8 | 8333 | 26.3 |
1865 | 22 | 51477 | 126.1 | 210227 | 624.6 | 37122 | 87.4 |
1870 | 28 | 44526 | 118.3 | 362250 | 1010.2 | 10231 | 35.1 |
1875 | 37 | 68523 | 243.6 | 523842 | 1629.7 | 33450 | 142.5 |
1880 | 36 | 56312 | 224.4 | 608648 | 2132.7 | 21859 | 105.4 |
1881 | 35 | 57745 | 232.2 | 627127 | 2238.8 | 18479 | 106.1 |
1882 | 34 | 60424 | 250.0 | 646697 | 2361.1 | 19570 | 122.3 |
1883 | 34 | 61752 | 258.0 | 671086 | 2496.1 | 24389 | 135.0 |
1884 | 34 | 64800 | 280.5 | 699657 | 2658.3 | 28571 | 162.3 |
1885 | 34 | 62813 | 279.5 | 727534 | 2816.1 | 27877 | 157.8 |
1886 | 34 | 63184 | 280.9 | 755532 | 2973.5 | 28211 | 157.3 |
Auf 100,000 Einwohner kamen in den erstgenannten 11 Jahren an Policen, bez. Personen je: 7, 29, 60, 86, 104, 149, 252, 530, 887, 1226, 1345 und im J. 1885: 1553. Sind auch die Ausländer, welche bei deutschen Anstalten versichert sind, in diesen Zahlen mit enthalten, wogegen die Inländer, welche ihr Leben bei ausländischen Gesellschaften versichert haben, nicht mit ausgewiesen werden, so gibt doch vorstehende Zahlenreihe ein annähernd richtiges Bild von der Beteiligung der Bevölkerung [* 10] Deutschlands [* 11] an der Lebensversicherung.
[Litteratur.]
Littrow, Über Lebensversicherungen und andre Versorgungsanstalten (Wien [* 12] 1832);
Baily, Theorien der Lebensrenten (deutsch von Schnuse, Weim. 1838);
Jahn, Ausführliche Berechnung der Prämien und Reservefonds bei Lebensversicherungsanstalten (Zittau [* 13] 1852);
Wiegand, Schule des Lebensversicherungsagenten (6. Aufl., Halle [* 14] 1876, 4 Bde.);
Derselbe, Vorteile und Garantien der Lebensversicherung (11. Aufl., das. 1869);
Derselbe, Die mathematischen Grundlagen der Lebensversicherungsinstitute (das. 1854);
Derselbe, Lebensversicherungskatechismus (5. Aufl., das. 1863);
Staudinger, Die Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrag (Erlang. 1858);
Fischer, Grundzüge des auf menschliche Sterblichkeit gegründeten Versicherungswesens (Oppenheim 1860);
A. Wild, Leibrenten-, Lebensversicherungsanstalten etc. (Münch. 1862);
Lazarus, Über Mortalitätsverhältnisse (Hamb. 1867);
Kinkelin, Die Elemente der Lebensversicherungsrechnung (2. Aufl., Basel [* 15] 1875);
Geyer, Die Lebensversicherung in Deutschland und ihre gesetzliche Regelung (Leipz. 1878);
Elster, [* 16] Die Lebensversicherung in Deutschland (Jena [* 17] 1880);
Buff, Fragen der Lebensversicherung (Gieß. 1881);
Morgenbesser, Die mathematischen Grundlagen des gesamten Versicherungswesens (Berl. 1882);
Jónás, Studien und Vorschläge auf dem Gebiet des Lebensversicherungsgeschäfts (das. 1883);
Wittstein, Das mathematische Gesetz der Sterblichkeit (2. Aufl., Hannov. 1883);
Derselbe, Das mathematische Risiko der Versicherungsgesellschaften (das. 1885);
Rüdiger, Die Rechtslehre vom ¶
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Lebensversicherungsvertrag (Berl. 1885);
Kögler, Über Lebensversicherung (Prag [* 19] 1885);
Karup, Handbuch der Lebensversicherung (2. Ausg., Leipz. 1885), wo insbesondere auch Angaben über die Litteratur der Lebensversicherung. Eine Statistik der deutschen Lebensversicherungsanstalten erscheint jährlich in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik« und der »Berliner [* 20] Börsenzeitung«, der österreichischen in der »Statistischen Monatsschrift« (Wien).
Vgl. Versicherungswesen.