Dasein bildenden Verhältnisse, welche beinahe für jede einzelne Art andre sind, aber in gewissen
Grenzen
[* 2] konstant bleiben,
den
Organismus sozusagen zu einer
Feder von bestimmter
Stärke
[* 3] gestalten, deren
Spannkraft nur eine gewisse Zeit über die wahrscheinliche
Lebensdauer hinaus vorhält; die letztere würde sonach zu den sogen. Anpassungserscheinungen
zu rechnen sein. Wahrscheinlich darf man annehmen, daß ebenso, wie jedem
Organismus eine bestimmte mittlere
Körpergröße zukommt, die durch eine
Grenze der Zellenvermehrung gesetzt wird, sich auch eine
Grenze der
Regeneration der
Zellen für jede Art eingeführt hat, mit deren
Annäherung das
Altern und langsame
Absterben beginnt. Da nun offenbar jeder
Organismus in seinem
LebenBeschädigungen ausgesetzt ist, die nicht vollständig ausgebessert werden können,
so muß schon aus diesem
Grunde die Beschränkung der Lebensdauer als eine Zweckmäßigkeitseinrichtung bezeichnet werden, und ohne
sie wäre eine
Entwickelung zu höhern
Formen kaum denkbar gewesen.
Die genauere Betrachtung dieser Verhältnisse hat einige auffällige
Thatsachen ans
Licht
[* 4] gebracht, z. B.
die unbegrenzte Lebensdauer der niedersten
Wesen, deren
Körper nur aus einer einzigen oder aus mehreren völlig gleichartigen
Zellen
besteht. Sowohl bei den erstern, die sich durch eine immerfort wiederholte
Teilung vermehren, als bei den letztern, wo aus
jeder einzelnen
Zelle
[* 5] des aufgelösten
Verbandes ein neuer Zellenkomplex hervorgeht, kann von einem natürlichen
Absterben aus
Altersschwäche keine
Rede sein, sie unterliegen nur der gewaltsamen Vernichtung. - Bei den
Pflanzen schließt
sich die Lebensdauer, ähnlich wie bei vielen
Insekten,
[* 6] teilweise an den regelmäßigen
Cyklus der günstigen Entwickelungsperioden
im Jahreslauf.
Demgemäß sind die meisten
Pflanzen ein- oder zweijährig, je nachdem sie ein oder zwei Jahre bis zur
Entwickelung der
Samen
[* 7] gebrauchen. Bei den mehrjährigen oder ausdauernden Kräutern, Sträuchern und
Bäumen handelt es sich
um ein jährliches Neuergrünen der mit Reservestoffen erfüllten
Wurzelstöcke oder
Äste, resp. um einen allmählichen
Ersatz
der
Blätter bei immergrünen
Pflanzen, und alle solche ausdauernde
Gewächse (die man aber kaum mehr als
einfache Individuen ansehen darf) können unter Umständen ein sehr hohes
Alter erreichen, wie man denn häufig von tausendjährigen
Eichen,
Rosenstöcken etc., ja selbst von mehrtausendjährigen
Farnen,
Drachen- und
Affenbrotbäumen etc. spricht.
(Vitalität), im ärztlichen
Sinn derjenige Zustand eines neugebornen
Kindes, in welchem dasselbe nach
seinemAlter und nach der
Bildung seiner
Organe befähigt ist, fortzuleben, d. h. die durchschnittliche
Lebensdauer des
Menschen zu erreichen. Eine fünfmonatliche
Frucht, sie mag noch so wohlgebildet sein, ist nicht lebensfähig,
da sie das richtige
Alter zum Fortleben nicht erreicht hat, und
eine
Frucht von zehn
Monaten kann nicht fortleben, wenn eins
oder mehrere der zum
Leben wichtigsten
Organe in der
Weise verbildet sind, daß deren notwendige Verrichtungen nicht von statten
gehen können.
Ein kurzes
Leben von
Minuten oder
Stunden kommt also hierbei nicht in Betracht. Es ist von der größten Wichtigkeit, den
Begriff
der Lebensfähigkeit in solcher
Weise zu beschränken, obgleich die
Gesetze regelmäßig behufs der
Entscheidung über
Erbfähigkeit,
Legitimität etc. nur
Leben im allgemeinen verlangen. Auch in strafrechtlicher Beziehung wurde früher zwischen
Leben und Lebensfähigkeit insofern unterschieden, als der
Kindesmord schwerer bestraft wurde, wenn das
Kind lebensfähig gewesen war, als
im umgekehrten
Fall. Das deutsche
Reichsstrafgesetzbuch macht jedoch einen solchen Unterschied nicht.
Auch in Beziehung auf die
Frage, ob gewisse angeborne
Mißbildungen, welche durch die
Kunst möglicherweise beseitigt werden
können, den
Begriff der Lebensfähigkeit ausschließen oder nicht, gibt es verschiedene
Ansichten. Aber mit
Recht entscheidet sich
Casper
dahin, daß solche
Mißbildungen, wie z. B. der angeborne häutige Verschluß des
Mastdarms oder der
Harnröhre,
welche ohne Kunsthilfe zum
Tod führen, auch den
Begriff der Lebensfähigkeit ausschließen müssen, indem er ausführt, wie die
Annahme der
Lebensfähigkeit einer auf diese
Weise mißgebildeten
Frucht die Folgerung einer verschiedenen Lebensfähigkeit der
Kinder der
Armen und
Reichen, der Stadt-
und Landbewohner zulassen würde. In allen neuernGesetzgebungen ist das
Alter von 210
Tagen oder die 30. Schwangerschaftswoche,
sieben Kalendermonate, als der
Termin der beginnenden Lebensfähigkeit angenommen, der auch naturgemäßer erscheint als der von
Hippokrates
aufgestellte von 180
Tagen oder sechs Kalendermonaten, welcher noch von dem rheinischen
Gesetzbuch festgehalten wird.
Angeborne
Bildungsfehler, welche im stande sind, das Fortleben unmöglich zu machen, sind im ganzen selten
und dann in der
Regel so sehr in die
Sinne fallend, daß über ihre Bedeutsamkeit in der
Regel kein
Zweifel obwalten kann. Weniger
leicht und oft erst nach einigen
Tagen machen sich innere
Mißbildungen (s. d.) bemerkbar, wie z. B.
Verschließung der
Speiseröhre, Verschluß des
Afters und der
Harnröhre, Zwerchfellbruch, bei dem die
Eingeweide
[* 11] des
Unterleibs in die Brusthöhle gedrungen sind, u. dgl.
nach
Flourens eine kleine, wenige
Millimeter umfassende graue
Partie des verlängerten
Marks an der
Spitze des
Calamus scriptorius (dem hintern Ende der Rautengrube und der vierten Hirnhöhle), weil deren
Verletzungen
rasch den
Tod durch plötzlichen Stillstand der Atembewegungen und des
Herzens herbeiführen, während das gesamte große
Gehirn
[* 12] nebst den
Ganglien an seiner
Basis bei
Tieren abgetragen werden kann, ohne daß
Atmung und
Herzthätigkeit
unmittelbar alteriert oder gar aufgehoben werden.
Während
Flourens glaubte, daß in der fraglichen
Stelle das
Zentrum des
Lebens des
Nervensystems und somit des tierischen
Lebens
überhaupt liege, haben spätere
Forscher gefunden, daß diese
Stelle identisch ist mit dem Atemzentrum (s.
Atmung, S. 16),
und daß infolge ihrer Zerstörung bei den höhern
Tieren Erstickungstod durch Sistierung der
Lungenatmung
herbeigeführt wird.
Frösche
[* 13] und andre
Tiere, bei denen die
Haut- oder
Darmatmung genügt, den Gaswechsel des
Organismus zu regeln,
leben
¶
mehr
noch viele Monate nach der Zerstörung des Lebensknotens.