das ganze Jahr hindurch beschäftigt wird und es schwer ist, den wirklichen Reinertrag genau zu berechnen. Eine weitere Aufgabe
ist die Sorge für eine gute Lieferung der Naturalemolumente. Diese Forderung könnten die landwirtschaftlichen Vereine verwirklichen,
wenn sie eine spezielle Kontrolle in ihrem Kreis ausüben und, wo schlechte Lieferungen trotz erhaltener
Warnung erfolgen, die Namen der Arbeitgeber öffentlich bekannt machen würden. Ferner ist eine bessere Verwertung des Geldeinkommens
zu erstreben. Konsumvereine freilich sind bei Dienstleuten nicht wohl anwendbar, doch könnten die Gutsherren oft den Einkauf
von Waren für ihre Arbeiter im großen besorgen und die Waren zum Einkaufspreis abgeben. Für Einlieger
dagegen und grundbesitzende landwirtschaftliche Arbeiter sind, wo sie in größerer Zahl in Dörfern bei einander wohnen,
Konsumvereine wohl anwendbar und von gleichem Nutzen wie für industrielle Arbeiter.
Eine Hauptsorge endlich muß dahin gerichtet sein, den Arbeitern die Möglichkeit zu eröffnen, selbständige Landwirte auf
einem kleinen Gut als Eigentümer oder Pachter zu werden. Bessere Arbeiter würden, um ein solches erstrebenswertes
Ziel zu erreichen, fleißig, sparsam und wirtschaftlich sein. Das Streben nach solchem Besitz und die Erlangung desselben würden
indes nicht bloß ihr Einkommen erhöhen, sondern auch auf die Besserung des ganzen Familien- und sozialen Lebens einen günstigen
Einfluß üben.
Die Durchführung ist auf verschiedene Weise möglich: a) Durch große Gutsbesitzer selbst, welche einen
Teil ihres Gutes gegen allmähliche Amortisation des kreditierten Kaufpreises verkaufen und das nötige Kapital entweder selbst
leihen, oder den Käufern durch Vermittelung von landwirtschaftlichen Kreditanstalten beschaffen. Eine solche Maßregel würde
in ihrem eignen Interesse liegen, da sie sich dadurch einen tüchtigen Stamm seßhafter Arbeiter schaffen
und erhalten könnten. b) Durch eigne Gesellschaften nach Art der englischen Landbaugesellschaften, welche die für Ankauf
und Einrichtung nötige Summe als ein unkündbares, amortisierbares Darlehen geben oder selbst Land kaufen, kleine Güter anlegen
und diese mit Kreditierung des Kaufpreises und unter gleichen Bedingungen verkaufen. Auch c) der Staat
kann an der Lösung dieser Aufgabe durch Parzellierung von einzelnen Domänen mitwirken.
Schließlich mögen noch erwähnt werden Hilfs- und Unterstützungskassen (Kranken-, Unfallversicherungs-, Alters-, Witwen-
und Waisen-, Begräbnis-, Lebensversicherungskassen), für deren Gründung, soweit nicht bereits durch Gesetz (vgl. Krankenkassen
und Unfallversicherung) oder anderweitig Fürsorge getroffen worden ist, die Kommunalgewalt, eventuell
die landwirtschaftlichen Vereine thätig sein sollten; dann besondere Feuerversicherungskassen für das Mobiliar und die Vorräte,
sofern die bestehenden Gesellschaften Versicherungen dieser Art nicht übernehmen, weiter kleine gegenseitige Viehversicherungsanstalten
und endlich zur Förderung des Sparsinnes Gutssparkassen, womöglich mit Gewährung von Prämien für Spareinlagen.
Die Durchführung aller dieser Aufgaben würde zum großen Teil den einzelnen Gutsherren und den landwirtschaftlichen
Vereinen, die hierin ein großes, segensreiches Feld für ihre Thätigkeit haben, zufallen, ohne daß jedoch die Mitwirkung
der gesetzgebenden Gewalt und der öffentlichen Verwaltung entbehrt werden kann. In Süddeutschland ist nach der obigen Darlegung
die Reformfrage von viel geringerer Bedeutung. Sofern Übelstände
sich finden, sind die vorerwähnten
Maßregeln meist auch hier anwendbar. In einem größern Umfang werden hier Konsumvereine und unter der Beteiligung auch andrer
Gesellschaftsklassen landwirtschaftliche Bildungsvereine, Bibliotheken etc. sich von Nutzen erweisen.
Vgl. v. d. Goltz, Die ländliche Arbeiterfrage (2. Aufl., Danz. 1874);
Derselbe, Die Lage der ländlichen
Arbeiter im Deutschen Reich (mit Richter und v. Langsdorff, Berl. 1875);
H. Settegast, Die Landwirtschaft und ihr Betrieb (3. Aufl.,
Bresl. 1885);
Schönberg, Zur landwirtschaftlichen Arbeiterfrage (»Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft« 1875, S. 449 ff.);
Laspeyres, Zur wirtschaftlichen Lage der ländlichen Arbeiter (das. 1876, S. 183 ff.);
G. Schmoller, Die
landwirtschaftliche Arbeiterfrage (das. 1866, S. 171 ff.).
Genossenschaften, besondere wirtschaftliche Genossenschaften für landwirtschaftliche Zwecke. Kleine
und mittlere Landwirte können durch die Beteiligung an ihnen den Reinertrag ihrer Wirtschaft erhöhen, mittlere Landwirte
können sich zugleich, sofern ihre Konkurrenzfähigkeit durch den intensiven Großbetrieb gefährdet wird,
vor dem Ruin schützen. Der landwirtschaftliche Betrieb mit der Mannigfaltigkeit seiner Produkte und der Verschiedenheit des
Produktionsprozesses gestattet viele Arten von Genossenschaften, und das ist für die Entwickelung der landwirtschaftlichen
Genossenschaften ein großer Vorteil; weil für die verschiedensten Einzelzwecke sich landwirtschaftliche Genossenschaften bilden
lassen, ist die einzelne landwirtschaftliche Genossenschaft oft in ihrer Organisation und Geschäftsführung
sehr einfach, deshalb auch leicht durchführbar. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften scheiden sich am zweckmäßigsten
in Genossenschaften für die Zwecke der Produktion, des Absatzes und der Konsumtion.
Zu den landwirtschaftlichen Genossenschaften für die Zwecke der Produktion gehören:
1) Die genossenschaftlichen Kreditvereine (s. Landwirtschaftlicher Kredit).
2) Genossenschaften zur gemeinsamen Benutzung von Produktionsmitteln, welche der einzelne kleine oder mittlere Landwirt
für sich allein nicht anschaffen oder benutzen kann, weil die Kleinheit seiner Wirtschaft keine ausreichende Benutzung derselben
und folglich keine genügende Rentabilität des betreffenden Anlagekapitals ermöglicht. Das Wesen dieser Genossenschaften besteht
darin, daß die Genossenschaft die Produktionsmittel anschafft, resp. herstellt und dieselben an die Genossen
vermietet. Die wichtigsten dieser Genossenschaften sind die Maschinengenossenschaften (für Dampfdreschmaschinen, Mähmaschinen,
Säemaschinen, Drillmaschinen etc.) und die Zuchtviehgenossenschaften (insbesondere für
gute Zuchtstiere und Zuchteber); aber auch zur Errichtung von größern Backöfen, größern guten Scheunen und Ställen sind
Genossenschaften möglich.
3) Genossenschaften zum Ankauf von Produktionsmitteln und Verkauf an die Mitglieder zum Einkaufspreis
mit kleinem Aufschlag zur Deckung der Verwaltungskosten (sogen. landwirtschaftliche Konsumvereine). Der Vorteil derselben besteht
darin, daß die Mitglieder bessere Waren zu geringerm Preis erhalten. Solche Genossenschaften sind insbesondere nützlich für
den Ankauf von künstlichen Dungmitteln (Düngerkonsumvereine), von Saatfrüchten, Futtermitteln
mehr
(Viehsalz, Ölkuchen, Futtermehl, Kleie etc.), allenfalls auch für den Ankauf von Viehstücken, Werkzeugen, Geräten etc.
4) Die Versicherungsgenossenschaften (für Hagelversicherung, Viehversicherung, s. die betreffenden Artikel).
5) Die Meliorationsgenossenschaften (s. Bodenmelioration).
6) Die Produktivgenossenschaften. Gegenstand derselben ist die Herstellung und der Absatz von Produkten auf gemeinsame Rechnung
und Gefahr. Als solche Genossenschaften sind zu unterscheiden die partielle und die vollständige Produktivgenossenschaft.
Die erstere beschränkt sich auf ein besonderes landwirtschaftliches Produkt, welches der einzelne kleine oder mittlere Landwirt
in seiner Wirtschaft entweder gar nicht, oder nicht so billig, oder nicht so gut herstellen kann, als das in einer richtig
geleiteten größern Genossenschaft möglich ist.
Die wichtigsten sind: Molkereigenossenschaften (für Butter und Käse), Mastviehgenossenschaften, Genossenschaften für den Betrieb
landwirtschaftlicher Nebengewerbe (Brennereien, Rübenzuckerfabriken, Öl-, Stärkefabriken etc.);
anwendbar ist die partielle
Produktivgenossenschaft auch für den Anbau und Verkauf einzelner Handelspflanzen (Hopfen, Tabak, Wein etc.).
Die vollständige
Produktivgenossenschaft ist der Betrieb einer großen landwirtschaftlichen Unternehmung auf gemeinsame
Rechnung und Gefahr einer größern Zahl von Landwirten, die in dieser auch die nötigen Arbeitsleistungen verrichten. Bisher
selbständige Landwirte werden sich zu dieser Genossenschaft schwerlich entschließen, da sie dadurch unter Aufgebung ihrer
seitherigen Selbständigkeit und ihres Besitzes thatsächlich in die Stellung von Lohnarbeitern, deren Thätigkeit der Direktor
der Genossenschaft bestimmt, kommen würden.
Sie werden sich dazu um so weniger entschließen, als sie sich die Einkommensvorteile aus derselben ohne jenes Opfer auch
durch Gründung der andern landwirtschaftlichen Genossenschaften und Beteiligung an denselben verschaffen können. Erwägt
man dazu die großen Schwierigkeiten, welche dem erfolgreichen Betrieb jeder solchen Produktivgenossenschaft entgegenstehen,
so ist dieser Art von landwirtschaftlichen Genossenschaften die geringste volkswirtschaftliche Bedeutung
beizumessen. - landwirtschaftliche Genossenschaften für die Zwecke des Absatzes verringern die Absatzkosten landwirtschaftlicher Produkte und erhöhen dadurch
den Reinertrag kleiner und mittlerer Wirtschaften. Solche Genossenschaften können gebildet werden für den regelmäßigen Transport
landwirtschaftlicher Produkte (namentlich Milch und Butter) nach der Stadt, für den Absatz solcher auf dem
städtischen Wochenmarkt, aber auch für den Verkauf von Mastvieh. landwirtschaftliche Genossenschaften für die Zwecke der Konsumtion sind Konsumvereine der
ländlichen Bevölkerung für die gemeinsame Anschaffung guter Konsumwaren zu niedrigerm Preis (vgl. Genossenschaften).
Für die Gründung landwirtschaftlicher Genossenschaften thätig zu sein, ist eine wichtige Aufgabe der
landwirtschaftlichen Vereine. Diese wird am besten und sichersten erfüllt, wenn die Vereine nach dem Vorbild der rheinischen
zu diesem Zweck besondere Kommissionen einsetzen, deren Aufgabe es ist, in dem Vereinsbezirk sich die Gründung landwirtschaftlicher
Genossenschaften angelegen sein zu lassen.
Vgl. v. d. Goltz in Schönbergs »Handbuch der politischen Ökonomie«, Bd.
2; Birnbaum, Das Genossenschaftsprinzip in Anwendung und Anwendbarkeit in der Landwirtschaft (Leipz. 1870);
G. Schönberg, Die
Landwirtschaft der Gegenwart und das Genossenschaftsprinzip (Berl. 1869).