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Handarbeit vielfach verdrängt. 1846 zeigte Osborn den ersten Dampfpflug, [* 2] 1858 Fowler dessen glücklich durchgeführte Anwendung; schon muß der Dampf [* 3] in England flüssigen Dünger und Mist auf die Felder führen, und Hunderte von Dampfpflügen sind über den ganzen Erdkreis verbreitet. Schon beginnt man in der Landwirtschaft sich die Elektrizität [* 4] als bewegende Kraft [* 5] dienstbar zu machen, mit ihrer Hilfe zu pflügen, Lasten zu heben etc. Andre Vervollkommnungen haben die Futterbereitungsmaschinen erfahren, und selbst der Weinbau hat sich durch Anwendung der hydraulischen Presse [* 6] gehoben.
Auch die kleinern Betriebszweige, Hühnerzucht etc., sind rentabler geworden und bilden nicht mehr nur die Liebhaberei der Hausfrauen; der Eierhandel hat sich großartig entwickelt, besonders nach England (über 500 Mill. Stück Einfuhr pro Jahr). Frankreich exzelliert in allem, was sich auf Geflügelzucht bezieht. Gegenüber solchen Umwandlungen und Verbesserungen konnte eine Steigerung der Preise der Ländereien und, Hand [* 7] in Hand mit der Entwertung des Geldes und dem zunehmenden Bedarf, auch eine Preiserhöhung der zum Betrieb notwendigen Beschaffungen (Leder, Eisen, [* 8] Holz [* 9] etc.) nicht ausbleiben, welche jedoch in erhöhterm Grad als die Steigerung der Preise der landwirtschaftlichen Produkte eintrat.
Während diese gegen die Zeiten Thaers um das Ein- bis Dreifache höher bezahlt werden müssen, können jene nur um das Zwei- bis Vierfache der damaligen Preise beschafft werden und hat sich vor allem der Arbeitslohn um das Drei- bis Fünffache erhöht. Der Landwirt der Gegenwart hat mit unendlich größern Schwierigkeiten als seine Vorgänger zu kämpfen und muß die Kunst verstehen, auf gleicher Fläche unendlich mehr zu produzieren. Die sozialen Bewegungen der Gegenwart machen sich auch auf dem Land geltend; sie führen hier mehr als anderswo zur Verallgemeinerung der Maschinen, aber auch zur Einsicht, daß dem Arbeiter bessere Lebensbedingungen als bisher geboten werden müssen, wenn er der Lockung nach der Stadt widerstehen und sich willig finden lassen soll.
Höhere Produktion bedingt kunstvollern Betrieb, dieser in letzter Linie die verständige Anwendung von bedeutendem Kapital. Während zu Thaers Zeiten ein Pachter mit 40 Mk. Kapital pro Morgen ausreichen konnte, bedarf sein Nachfolger jetzt oft mehr als das Doppelte. Diese Verhältnisse bedingen den gesamten Umschwung unsrer landwirtschaftlichen Entwickelung; mit mehr Kapital, mehr Geschicklichkeit, mehr Fleiß arbeiten müssen heißt: mehr und mehr von dem Prinzip der Bewirtschaftung großer Güter zu dem kleinerer übergehen und zwingt bei ausgedehntem Besitz zur Association des Eigentümers mit seinen Pachtern. Ohne Zweifel kann jede Verbesserung nur vom Großbetrieb ausgehen, aber auch der Kleinbetrieb in unsrer Zeit um so eher sich erhalten, als die Arbeiterverhältnisse jenem immer eine gewisse Beschränkung auferlegen; dieser aber wird sich noch erfreulicher entwickeln, je mehr ein gedeihlicher Unterricht auch den geringst begüterten Bauer über sein Gewerbe aufklären hilft.
Litteratur.
Von den ältern Lehrbüchern haben sich besonders die Werke von A. Thaer (»Grundsätze der rationellen Landwirtschaft«, Berl. 1809; neue Bearbeitung von Krafft u. a., das. 1880, 4 Bde.),
Schwerz (»Praktischer Ackerbau«, Stuttg. 1823; neu bearbeitet von Funk, Berl. 1882),
v. Pabst (»Lehrbuch der Landwirtschaft«, Darmst. 1832; 7. Aufl. von Hamm, [* 10] Berl. 1885),
Koppe (»Unterricht im Ackerbau und in der Viehzucht«, [* 11] das. 1813; 11. Aufl. von Wolff, 1885) durch Neubearbeitungen erhalten.
Von neuern Werken kommen in Betracht: Boussingault, Die Landwirtschaft in ihren Beziehungen zur Chemie, Physik und Meteorologie (a. d. Franz. von Graeger, 2. Aufl., Halle [* 12] 1851-56, 4 Bde);
Birnbaum, Lehrbuch der Landwirtschaft (Frankf. 1858-62, 3 Bde.);
Settegast. Die und ihr Betrieb (3. Aufl., Bresl. 1885);
Krafft, Lehrbuch der Landwirtschaft (4. Aufl., Berl. 1885);
v. Wagner, Landwirtschaftslehre (Preßb. 1874, Bd. 1: Pflanzenproduktionslehre);
Thaer, System der Landwirtschaft (Berl. 1877);
Haberlandt, Der allgemeine landwirtschaftliche Pflanzenbau (Wien [* 13] 1878);
Schneider, Lehrbuch der Landwirtschaft für Ackerbauschulen (2. Aufl., das. 1886).
Für den kleinern Landwirt schrieb Graf zur Lippe: [* 14] »Landwirtschaftliche Briefe« (Leipz. 1861),
»Landwirtschaftliches Lesebuch« (Dresd. 1871),
»Landwirtschaftliche Vorträge und Abhandlungen« (das. 1875) und »Für die Praxis« (Leipz. 1879). Sehr umfassend ist die Litteratur über die einzelnen Zweige des landwirtschaftlichen Betriebs; vgl. Otto-Birnbaum u. a., Lehrbuch der rationellen Praxis der landwirtschaftlichen Gewerbe (Braunschw. 1875-84, 14 Bde.); Birnbaum, Kurzes Lehrbuch der landwirtschaftlichen Gewerbe (das. 1886 ff., 3 Bde.).
Unter den beschreibenden Werken sind die gediegensten: Thaer, Kenntnis der englischen Landwirtschaft (Hannov. 1801-1806, 3 Bde.);
Körner, Die Landwirtschaft in Großbritannien [* 15] (Berl. 1877);
Heuzé, La France agricole (Par. 1875, mit 46 Karten, offiziell);
Cantoni, L'agricoltura in Italia (Mail. 1885);
Lorenz und Wessely, Die Bodenkultur Österreichs (Wien 1873);
Newald, Die Land- und Forstwirtschaft Österreichs (25 Karten, das. 1878);
v. Schwerz: Anleitung zur Kenntnis der belgischen Landwirtschaft (Halle 1807-11, 3 Bde.), Ackerbau der Pfälzer (Berl. 1816) und Beschreibung der Landwirtschaft in Westfalen [* 16] und Rheinpreußen (Stuttg. 1837);
Poggendorff, Die Landwirtschaft in Belgien [* 17] (Leipz. 1860);
Lengerke, Darstellung der Landwirtschaft in Mecklenburg [* 18] (Königsb. 1831, 2 Bde.);
Derselbe, Beiträge zur Kenntnis der Landwirtschaft in den königlich preußischen Staaten (Berl. 1846-53, 5 Bde.);
Dittmann, Schleswig-holsteinische Landwirtschaft (3. Aufl., Altona [* 19] 1858);
v. Langsdorff, Die Landwirtschaft im Königreich Sachsen [* 20] (Dresd. 1876-81, 2 Bde.);
Bürstenbinder, Die Landwirtschaft des Herzogtums Braunschweig [* 21] (Braunschw. 1882);
»Erhebungen über die Landwirtschaft im Großherzogtum Baden« [* 22] (Karlsr. 1884);
Weidenhammer, Die Landwirtschaft im Großherzogtum Hessen [* 23] (Darmst. 1882);
Sewell und Pell, Bericht über den Agrikulturzustand der Vereinigten Staaten [* 24] und Kanadas (deutsch, Berl. 1881);
Semler, Die tropische Agrikultur (Wismar [* 25] 1886-87, 2 Bde.);
v. Hammerstein, Der tropische Landbau.
Anleitung zur Plantagenwirtschaft etc. (Berl. 1886). - Die Geschichte der Landwirtschaft behandeln: Anton, Geschichte der teutschen Landwirtschaft von den ältesten Zeiten bis zu Ende des 15. Jahrhunderts (Görlitz [* 26] 1799-1802, 3 Tle.);
Langethal, Geschichte der teutschen Landwirtschaft (Jena [* 27] 1847-56, 2 Tle.; Fortsetzung in Raumers »Historischem Taschenbuch« 1863);
Fraas, Geschichte der Landwirtschaft (Prag [* 28] 1852);
Derselbe, Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft (Münch. 1866);
Hanssen, Geschichte der Feldsysteme in Deutschland [* 29] (»Zeitschrift für Staatswissenschaft« 1865);
Löbe, Abriß der Geschichte der deutschen Landwirtschaft (Berl. 1872);
Michelsen, Geschichte der deutschen Landwirtschaft (2. Aufl., das. 1884). - Encyklopädische Werke sind: v. Kirchbach-Birnbaum, Handbuch für Landwirte (9. Aufl., Berl. 1880, 2 Bde.);
Thiel-Birnbaums »Landwirtschaftliches Konversations-Lexikon« (Straßb. u. Leipz. 1876-81, 7 Bde. und Supplement; Auszug 1881, 2 Bde.);
Kraffts »Illustriertes Landwirtschafts-Lexikon« (2. Aufl., Berl. 1887) ¶