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in oftmaliger Anwendung, ist aus derselben fast gänzlich verdrängt worden. Kartenabdrücke jeder Art können auch durch das anastatische Verfahren (s. d.) reproduziert werden, doch wird man nur noch selten zu demselben greifen, seitdem man mit Hilfe der Photographie in technischer Beziehung weit günstigere Resultate zu erlangen vermag; denn durch Photolithographie und Heliographie können Originalzeichnungen unmittelbar auf Stein oder Kupfer [* 2] übertragen, auch je nach Wunsch verkleinert oder vergrößert werden.
Der Zeit nach reichen Holzschnitt und Kupferstich bis in das letzte Viertel des 15. Jahrh. zurück;
die typographische Herstellung von [* 3] ist öfters schon versucht (1478, 1777, 1839, 1862) und wieder verlassen worden;
die Lithographie datiert vom Anfang unsers Jahrhunderts, der Stahlstich von 1820;
die andern Erzeugungsarten sind Entdeckungen der jüngsten Dezennien.
Vgl. Volkmer, Die Technik der Reproduktion von Militärkarten etc. des k. k. militär-geographischen Instituts (Wien [* 4] 1885).
Geschichtliches.
Die Geschichte der Kartographie hält mit der Entwickelung der Geographie als Wissenschaft gleichen Schritt. Man kann vier Perioden unterscheiden: eine der alten Zeit bis ca. 1000 n. Chr., eine des Mittelalters bis zur Entdeckung von Amerika [* 5] (1492), eine Periode des Fortschritts, welche etwa mit 1770 abschließt, und eine der neuen und neuesten Zeit. Aus dem Altertum haben wir nur Sagen, Vermutungen und dürftige Nachrichten über Karten primitivster Art, von denen sich keine Spur erhalten hat (vgl. Erdkunde, [* 6] S. 755 ff.). Aus den ersten Jahrhunderten unsrer Zeitrechnung stammen die Handzeichnungen von Karten in den ältesten Manuskripten der Kosmographie des Ptolemäos, einer Erdbeschreibung, die eigentlich ein Verzeichnis astronomischer Positionen ist, nach Breite [* 7] und Länge auf so unsichere Berechnungen basiert, daß die Fehler der zu großen Länge beim Ostende [* 8] des Mittelländischen Meers 20°, an der Gangesmündung schon 46° betragen; ferner die Tabula Peutingeriana, eine von W. nach O. unnatürlich verzerrte Straßenkarte des römischen Reichs mit Angabe der Militärstationen und Meilenentfernungen.
Der zweiten Periode gehören die verschiedenen Handzeichnungen an, meist von Mönchen herrührend, Versuche sogen. Weltkarten (mappae mundi), auf denen den Irrtümern des Ptolemäos, der noch lange als unfehlbare Quelle [* 9] galt, durch Mißverstehen der Identität der neuen Entdeckungen eines Marco Polo u. a., die man den alten einfach anreihte, neue hinzugefügt wurden, so daß Asien [* 10] so weit gegen O. rückte, daß Kathai (China) [* 11] nur noch 130° westlich von Spanien [* 12] lag. Zu diesen Weltkarten zählen die Haldinghams (im Dom zu Hereford, 14. Jahrh.), die des Marino Sanuto (1320), die Florentiner [* 13] Seekarte (1351), die sogen. Katalanische Karte (1375) eines mallorcanischen Schiffers, die Karte des Andrea Bianco (1436), die Weltkarte im Palast Pitti zu Florenz [* 14] (1447), jene des Fra Mauro in der Markusbibliothek zu Venedig [* 15] (1453). Der Globus des Nürnberger Gelehrten Behaim von 1492 kann als Schlußstein dieser Periode angesehen werden; er trägt noch alle Spuren des unvollkommenen Wissens und der Irrtümer seiner Zeit.
Im dritten Zeitabschnitt machen sich die Fortschritte der Kartographie schon sehr bemerkbar. Es erscheint eine ansehnliche Anzahl von Küstenkarten (portolani), welche in Venedig, Genua, [* 16] Lissabon, [* 17] Mallorca u. a. O. fast fabrikmäßig gefertigt werden, wohl noch mit teilweise falsch orientierten Umrissen, infolge der Unkenntnis der Mißweisung der Magnetnadel, und mit bedeutenden Fehlern bezüglich der geographischen Länge, die nur nach der Schnelligkeit des Segelns geschätzt wurde.
Aus ihnen werden die Weltkarten zusammengesetzt, und es wird die Kunst des Grabstichels zu ihrer Vervielfältigung aufgeboten. Jede größere Bibliothek besitzt eine Anzahl von Portolani aus jener Zeit. Seltener sind die Weltkarten, sowohl die Handzeichnungen als die Abdrücke der gestochenen. In diese Suite gehören die Carta marina von Portugal (1504), die Weltkarten von Descelliers (1553, im Privatbesitz in Wien), Gaultier (1512), Apian (1524), Ribero (1529), Cabot (1544) u. a., die Globen von Schoner (1520), Mercator (1541) und dessen schon mit wachsenden Breiten konstruierte Weltkarte (1569). Allgemach vollzieht sich die Emanzipation von Ptolemäos, die Adoption bestimmter Projektionen, die Auswechselung fabelhafter und hypothetischer Ausfüllung mit den Ergebnissen neuer Entdeckungen im Bereich des asiatischen und amerikanischen Kontinents. So wird es möglich, daß vor und nach 1600 an die Stelle der Portolani ganze Atlanten treten, z. B. der von Mercator (gest. 1595), den dessen Söhne vollendeten, von Ortelius (»Theatrum orbis terrarum«, 1570), Hondius (gest. 1611), Jansson (1636, 6 Bde. mit 451 Karten), Blaeuw (gest. 1638) und seinen Söhnen (372 Karten) etc. Damals waren also die Niederländer die Tonangeber im Gebiet der Landkarten. In Deutschland [* 18] sind zu nennen: Homann (gest. 1724) in Nürnberg [* 19] (etwa 200 Karten), Seutter in Augsburg [* 20] (Atlas, [* 21] Wien 1736, 50 Blatt), [* 22] in Frankreich Tavernier u. a. Der Landkartenstich war, wie der Buchdruck, ein Gewerbe geworden.
Mit Jacques und César Cassini, welche 1750 bis 1793 die große Triangulation [* 23] von Frankreich und die darauf begründete große topographische Karte vollendeten, beginnt endlich die Zeit der genauen topographischen Aufnahmen und der kritischen Bearbeitung der Karten. In ersterer Beziehung steht nun Frankreich an der Spitze; doch genügten die großartigen Leistungen der beiden Cassini nicht, es ward eine neue große topographische Karte geplant, deren letzte Blätter (267) vor wenigen Jahren erschienen sind.
Dem Beispiel Frankreichs folgten nach und nach alle europäischen Staaten, und es fehlt nicht mehr sehr viel, um Europa, [* 24] mit Ausnahme der Türkei [* 25] und größerer Teile von Spanien sowie der nördlichsten Teile von Skandinavien und Rußland, mit allem Aufwand gereifter Geodäsie trigonometrisch aufgenommen und topographisch mappiert anzunehmen. Unter den asiatischen Ländern erfreut sich Ostindien, [* 26] unter den amerikanischen die Union des allmählichen Zustandekommens guter Spezialkarten.
Für genaue Aufnahme der Küstenstriche aller Ozeane wirken in erster Linie die britische Admiralität, in zweiter die nordamerikanische und französische Marine. Tausende von Seekarten und von topographischen Sektionen beweisen die überall erwachte Thätigkeit der Marinen, der Generalstäbe und Ingenieur-Geographenkorps. Selbstverständlich ist dieser Umschwung nicht ohne Einfluß auf die Privatindustrie geblieben, und es kann auf die Leistungen der geographischen Institute zu Gotha [* 27] und Leipzig, [* 28] auf die Produktion vieler Verleger von London, [* 29] Paris, [* 30] Berlin [* 31] (Reimer), Petersburg [* 32] etc., auf die zahlreichen Illustrationen zu den Mitteilungen der verschiedenen geographischen Gesellschaften hingewiesen werden, um die Überzeugung zu erlangen, daß die Kartographie beschleunigt in allen Richtungen fortschreitet. Nicht nur der Gelehrte, der Forscher, der Militär, auch der ¶
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Geschäftsmann und selbst die lange vernachlässigte Schule finden Befriedigung für ihre mannigfaltigen Bedürfnisse, obgleich noch lange nicht alle Kombinationen erschöpft sind, um den überreichen Stoff dem Fachmann und dem Lernenden mundgerecht zu gestalten.
[Litteratur.]
Ausführlicher verbreiten sich über Landkartenprojektion die Werke von J. ^[Josef Johann] Littrow (»Chorographie«, Wien 1833), A. Germain (Par. 1866, 2 Bde.), Gretschel (Weim. 1873),
Maes und Hannot (2. Aufl., Par. 1874),
Tissot (das. 1881; deutsch bearbeitet von Hammer, [* 34] Stuttg. 1887),
Zöppritz (Leipz. 1884),
Herz (das. 1885) und in populärer Bearbeitung Steinhauser (»Grundzüge der mathematischen Geographie etc.«, 3. Aufl., Wien 1887);
fortlaufende Berichte über die Fortschritte der Kartenprojektionslehre gibt seit 1882 Günther im »Geographischen Jahrbuch« (Gotha);
über Terrainzeichnung [* 35] die Schriften von Lehmann (5. Aufl., Dresd. 1843), Vogel (Berl. 1828), Bach (Stuttg. 1853),
F. Chauvin (Berl. 1854),
Streffleur (Wien 1876);
Kartenentwurfslehre im allgemeinen das bereits angeführte Werk von Zöppritz u. a.; über Niveaukarten Aufsätze von Streffleur und Steinhauser (»Mitteilungen der Wiener Geographischen Gesellschaft« 1855 u. 1857).
Über die Karten des Altertums und Mittelalters findet man Nachrichten im Vortrag von M. d'Avezac (in den »Bülletins« der Pariser Geographischen Gesellschaft 1862),
in Lelewels »Geographie du moyen-âge« (Brüssel [* 36] 1852-57, 4 Bde.),
Santarem (»Essai sur l'histoire de la cosmographie et de la cartographie pendant le moyen-âge«. Par. 1849-52, 3 Bde.). Verzeichnisse der neuern Karten enthalten fortlaufend die »Zeitschrift der Gesellschaft der Erdkunde zu Berlin« (1853 ff.),
»Petermanns Mitteilungen« (Gotha 1855 ff.),
die Zeitschriften der zahlreichen andern größern geographischen Gesellschaften des In- und Auslandes und die »Registrande des großen preußischen Generalstabs« (Berl. 1858-83); für ältere deutsche Erscheinungen dienen Engelmanns »Bibliotheca geographica« (Leipz. 1858),
die bis 1850 zurückreicht, H. Berghaus' »Kritischer Wegweiser« (Berl. 1829-35); für gedruckte Erscheinungen aller Zeiten und Länder der »Catalogue of the printed maps, plans and charts of the British Museum« (Lond. 1886).