er fortwährend mit der
Linken und unterzeichnete 1830 die berühmte
Adresse der 221. Er starb Sein Leichenbegängnis,
an welchem gegen 200,000
Menschen teilnahmen, wurde von der demokratischen
Opposition zu einer großartigen
Demonstration gegen
die Julimonarchie benutzt und gab den
Anlaß zu blutigen
Unruhen 5. und 6. Juni. Von Lamarques
Schriften sind
zu erwähnen: »Nécessité d'une armée permanente, etc.«
(Par. 1820);
»De l'esprit militaire en
France« (das. 1826) und seine
»Souvenirs, mémoires et lettres« (Brüss. 1835, 3 Bde.).
(spr. -tin),AlphonseMarieLouis Prat de, berühmter franz. Dichter, wurde zu
Mâcon als der Sohn
eines armen
Edelmanns geboren.
Schon in seiner
Jugend führte er eine Art Wanderleben, indem er seine erste
Erziehung im
Schloß
Milly
(Burgund), seine weitere in der
Jesuitenschule zu
Belley (an der savoyischen
Grenze) erhielt. In letztgenannter Anstalt
empfing er die
Keime der romantisch-sentimentalen Religionsschwärmerei, die eine Beigabe seiner dichterischen Eigentümlichkeit
bildet. Nach einem längern Aufenthalt in
Italien
[* 2] trat er in die neuerrichtete königliche
Garde, ein
Dienst, dem die
Hundert Tage
(1814) ein Ende machten. Hierauf folgten
Reisen und
Zerstreuungen, deren
Eindrücke er in den
»Méditations poétiques« (1820;
deutsch von G.
Schwab, Stuttg. 1826) verarbeitete.
Das
Buch schlug einen ganz neuen, der herrschenden materialistischen Zeitrichtung völlig entgegengesetzten
Ton an und machte ein Aufsehen wie seit
Chateaubriands
»Génie du christianisme« kein dichterisches
Produkt. Hier war melodischer
Fluß und Weichheit der
Empfindung, hier eine prächtige
Rhetorik, wenn auch mehr
Glanz als Tiefe; hier noch, im
Gegensatz zu
seinen spätern
Schöpfungen, reines, unverfälschtesGefühl und der wahre
Ausdruck der
Stimmungen und
Leidenschaften,
die seine
Jugend beherrschten.
Insofern war der Erfolg ein verdienter. Zu letzterm gehörte auch die Ernennung des Dichters zum Gesandtschaftsattaché in
Florenz
[* 3] (wo er eine junge reiche Engländerin heiratete), später zum
Sekretär
[* 4] der Gesandtschaft in
Neapel,
[* 5] endlich zum
Geschäftsträger
in
Toscana. 1823 erschienen seine
»Nouvelles méditations« mit den bemerkenswerten Gedichten: »La mort
de Socrate« und »Dernier chant de
Child-Harold«;
eine beleidigende Äußerung über
Italien, welche letzteres enthielt, zog
ihm einen
Zweikampf mit Oberst
Pepe zu, in welchem er schwer verwundet wurde.
Nach der Veröffentlichung des
»Chant du sacre«
(1825) und der
»Harmonies poétiques et religieuses« (1830, 2 Bde.),
in denen die
Phrase und religiöse
Begeisterung vorherrschen, wurde er in die
Akademie gewählt (1829). Seit der
Julirevolution
näherte sich Lamartine der
Politik, und nachdem er 1832 eine
Reise nach dem
Orient unternommen hatte, auf der er mehr als fürstlichen
Luxus entfaltete, wurde er 1834 zum
Deputierten erwählt und veröffentlichte gleich darauf seine
Reisebeschreibung
»Voyage en
Orient« (4 Bde.),
deren wissenschaftlicher Wert gleich
Null ist.
Wohl die beste und wohlthuendste seiner sämtlichen
Dichtungen ist »Jocelyn« (1836, 2 Bde.;
deutsch von J.
^[Julie]
Bernhard, Hamb. 1880),
ein reizendes, angeblich aus dem
Tagebuch eines Dorfpfarrers entnommenes
Idyll. An Wert tief unter diesem Gedicht steht »La chute d'un ange«
(1838, 2 Bde.),
worin neben einer ziemlich vernachlässigten Form geschmacklose Phantastik sich breit macht, und der
Versuch,
den er in den »Recueillements poétiques« (1839) macht, die
Muse in den
Dienst der
Politik zu zwingen, kann auch nur als
wenig gelungen bezeichnet werden. Leider aber ging ihm für
die
Politik das Allernotwendigste, der
Sinn für das
Praktische
und
Reale, ab; im übrigen bot er in seiner politischen
Farbe ein wunderliches Gemisch, welches im
Saint-Simonismus ebenso gut
und ebenso stark wie in religiöser
Orthodoxie schillerte.
Als »démocrate conservateur«, wie er sich selbst bezeichnete,
wollte er die konstitutionelle
Monarchie befestigen und diese mit allen
Freiheiten und Fortschritten der Neuzeit ausstatten.
Seine 1847 in 8
Bänden erschienene
»Histoire des Girondins« (neueste Ausg. 1884, 4 Bde.;
deutsch, Leipz. 1847-48, 8 Bde.) bildet
insofern die großartige
Illustration zu diesem
Glaubensbekenntnis, als diese
Helden der
Revolution mit dem
Glorienschein der
Poesie umgeben werden, freilich der geschichtlichen
Wahrheit zum Trotz.
Der Verfasser hat es sich hier, wie in sämtlichen folgenden Werken, mit der Aufgabe des Historikers sehr leicht gemacht.
Ging ihm eigentliches
Talent für dieses
Fach ab, so hätte um so gebieterischer die
Forderung des Fleißes
und der
Gewissenhaftigkeit an ihn herantreten sollen. Ein von
LudwigPhilipp ihm angebotenes Ministerportefeuille schlug er
aus, weil sein politischer Scharfblick doch so weit reichte, ihn die fernere Unmöglichkeit dieses
Regiments voraussehen zu
lassen.
Den Glanzpunkt seines
Lebens bildete die
Februarrevolution von 1848; seine
Rolle während derselben hat er in seinen
»Trois mois au pouvoir« (1848) geschildert. Er nahm hervorragenden
Anteil an der heftigen
Opposition gegen
Guizot und an der
Bankettbewegung und ward 24. Febr. zum Mitglied der provisorischen
Regierung und darauf zum
Minister des
Auswärtigen der neuen
Republik ernannt. Der
Ruhm, der eigentliche Schöpfer dieser
Republik und eine Zeitlang der populärste
Mann
Frankreichs gewesen zu sein, darf ihm nicht vorenthalten werden. Er hat in seiner
Stellung als
Minister des
Auswärtigen
durch seine
Popularität und seine Redegabe wahre
Wunder, besonders nach der negativen Seite hin, gegen chauvinistische Kriegsgelüste,
Ausschreitungen der Kommunisten etc., bewirkt und ist mit seiner
Person und seinem
Leben für seine
Stellung
und seine
Pflicht eingestanden.
Berühmt, und mit
Recht, ist sein
Manifest vom 6. März geworden; der
Tag der
Eröffnung der neuen
Konstituante(4. Mai), in die er in
zehn
Departements gewählt war, gestaltete sich für ihn zu einem ruhmreichen Triumphtag. Jedoch lehnte er das von der Versammlung
ihm angebotene
Präsidium der neuen
Regierung ab, und sein Einfluß schwand in demselben
Maß, wie er gestiegen war; nach dem
Staatsstreich vom trat er, kaum beachtet, völlig von der Staatskarriere zurück. Seine schon 1849 erschienene
»Histoire de la révolution de 1848« (2 Bde.) kann
nicht als unparteiische
Darstellung jener denkwürdigen
Episode gelten, weil immer mehr
an sich selbst als
an die
Objektivität der Ereignisse denkt. Er machte noch einige
Versuche, seine politische Bedeutung wiederzugewinnen; aber
die periodische
Schrift »Le
[* 6] Conseiller du peuple«, worin er zuerst in
Paris,
[* 7] auch später auf seinem
Schloß Monceaux mildem
Volk zu sprechen versuchte, fristete ihr Dasein nur bis zum Ende des folgenden
Jahrs, und kein besseres
Schicksal hatte die nun folgende
Zeitschrift »Le Civilisateur« (eine
Galerie berühmter
Männer und
Frauen). Seine
Memoiren (u. d. T.:
»Rafaël, pages de la vingtième année«, 1849) und ihre Fortsetzung
(»Nouvelles confidences«, 1851), eine offene Darlegung
aller seiner Jugendverirrungen im
Ton und
Stil großer
Männer, welche für den
Menschen Lamartine die vom Staatsmann
Lamartine verlornen
Sympathien wiedergewinnen wollten,
¶
mehr
verfehlten teils durch ihre süßliche Sentimentalität, teils durch ihre widerwärtige Ausmalung abstoßender Dinge ihren
Zweck; am besten gelungen ist die Episode »Graziella«, die er später besonders herausgab. Die »Histoire de la Restauration«
(1852, 8 Bde.) ist schon ein finanzielles Unternehmen. Lamartine war
jetzt gezwungen, das, was Verschwendung und unglückliche Spekulation vergeudet hatten, durch den Ertrag
seiner Feder möglichst wieder einzuholen. Allein trotz der erstaunlichsten Fruchtbarkeit in fabrikmäßiger Produktion (1850
erschien das dramatische Gedicht »Toussaint Louverture«, aufgeführt in der Porte St.-Martin; 1851: »Geneviève, mémoires d'une
servante«; 1852: »Graziella«; 1853: »Les
visions«, eine Art Geschichte der menschlichen Seele, und »Nouveau voyage en Orient«, 2 Bde.; 1854: »Histoire
des Constituantes«, 4 Bde., und »Histoire de la Turquie«, 6 Bde.; 1855-56: »Histoire de la Russie«, 2 Bde.; 1856 endlich der
von krasser Unwissenheit und Ungründlichkeit strotzende »Cours familier de littérature«) vermochte er den Aufwand, welchen
er trotz seiner bedrängten Lage einzuschränken nicht die moralische Kraft
[* 9] hatte, nicht entfernt zu decken.
Die zu seinen gunsten veranstalteten Anrufungen der öffentlichen Wohlthätigkeit in Subskriptionen, Lotterien etc. hatten nicht
den gehofften Erfolg; charakteristisch ist, daß er sich nicht scheute, dabei persönlich für sich einzutreten. Nun schrieb
der Unermüdliche noch eine Reihe von Werken (»ChristopheColomb«, 1863; »Jeanne d'Arc«, 1863; »Cromwell«,
1864; »Jacquard«, 1864; »Mad. de Sévigné«, 1864; »Shakespeare et son œuvre«, 1864; »Vie de César«, 1865; »Civilisateurs et
conquérants«, 1865; »J. J. Rousseau, son faux contrat social et le vrai contrat social«, 1866; »Vie du Tasse«, 1866; »Antoniella«,
1867, u. a. m.), aber keins im Dienste
[* 10] der Musen,
[* 11] sondern alle als JüngerMerkurs.
Erst 1867 schien sich sein Geschick zu wenden, indem ihm durch Gesetz die lebenslängliche Rente eines Kapitals von 500,000 Frank
zugebilligt wurde; aber Aufregungen und Krankheit hatten sein Lebensmark aufgezehrt, und er starb schon Im Juli 1886 wurde
ihm unter großen Feierlichkeiten in Passy eine Statue errichtet. Lamartine hatte, nachdem seit 1840 mehrere Ausgaben
seiner Werke gedruckt worden waren, nach dem Mißerfolg einer Subskription es selbst unternommen, seine »Œuvres complètes«
herauszugeben (1860-1866, 41 Bde.),
nachdem er schon früher seine »Œuvres choisies et épurées« (1849-50, 14 Bde.)
veröffentlicht hatte. Nach seinem Tod erschienen noch: »Le manuscrit de ma mère« (1870);