orientalische. Seit der Wiener Weltausstellung von 1873, auf welcher der Orient in
seinem ganzen Umfang zum erstenmal eine ausgiebige Vertretung seiner Industrien gefunden hatte, sind die orientalischen Lackarbeiten, insbesondere
die
japanischen und chinesischen, in Europa zu lukrativen Handelsartikeln geworden, welche schnell Eingang in unsre moderne
Kultur gefunden haben. In allen größern Städten befinden sich Niederlagen ostasiatischer Lackwaren, welche
teils dem Luxus als Wandschränkchen, Schmuck-, Taschentuch-, Handschuh- und Fächerkasten, teils dem Hausgebrauch als Tablette,
Brotkörbe, Flaschen- und Gläseruntersätze dienen und die bei ihrer erstaunlichen Billigkeit, welche sich durch die geringen
in China und Japan gezahlten Arbeitslöhne erklärt, reichen Absatz finden.
Selbstverständlich werden diese auf den Massenexport gearbeiteten Gegenstände mit geringerer Sorgfalt
ausgeführt als die größern Prachtstücke, die entweder für den heimischen Gebrauch oder für Ausstellungen angefertigt werden.
Alte japanische Lackarbeiten, d. h. solche, die mindestens in das vorige Jahrhundert zurückreichen, werden mit hohen Preisen bezahlt.
Ein etwa 10 cm hohes Büchschen mit Goldlack wird mit 90-100 Mk. verkauft. Über das Alter der orientalischen
Lackindustrie läßt sich ebensowenig etwas Sicheres feststellen wie über das Alter der übrigen Industriezweige Ostasiens.
Man ist gewöhnlich geneigt, dasselbe als ein sehr hohes anzunehmen, und in der That darf man aus dem konservativen Charakter
der ostasiatischen Völkerschaften schließen, daß ihre Industrien bis tief in das Altertum, zum Teil noch
bis über den Beginn der christlichen Zeitrechnung hinausreichen. Japanische Lackwaren gelangten im 16. und am Anfang des 17. Jahrh.
durch Portugiesen und Spanier über Macao und Manila nach Europa, von 1640 ab aber nur durch Holländer, welche auch die ersten
Versuche machten, sie nachzuahmen. Eine ganze Sammlung japanischer Lackarbeiten besaß im
vorigen Jahrhundert die Königin Marie Antoinette von Frankreich (im Louvre). In unserm Jahrhundert haben die Lackarbeiten durch die Erschließung
Japans für den Fremdenverkehr und insbesondere durch die Weltausstellungen in Europa eine Popularität erlangt, welche wohl
auf der Pariser Weltausstellung von 1878 ihren Höhepunkt erreicht hat, wo japanische Lackarbeiten mit hohen
Preisen bezahlt wurden.
Die Technik der japanischen und chinesischen ist jetzt genau bekannt. Zuerst wird das Holz, welches lackiert werden soll, mit
einem eisernen Schaber auf das sorgfältigste glatt geputzt und dann poliert. Etwanige Risse werden mit Werg, Pflanzenpapier
oder Kitt ausgefüllt. Man geht dabei so sorgsam zu Werke, daß auch nicht die leiseste Erhabenheit zurückbleibt,
da dieselbe mit jeder aufgetragenen Lackschicht wachsen würde. Nach der Glättung überzieht man die Fläche mit Hanfleinwand
oder Bastpapier und dann mit einer Grundmasse, die aus Wasser, Kleister, Rohlack und Ziegelmehl oder Ocker besteht.
Dieser Grund muß einen Tag trocknen und zeigt dann eine körnige Oberfläche, welche mit einem Stein von
neuem poliert und dann mit einem ähnlichen feinern Gemisch überdeckt wird. Nach dem Trocknen findet abermals das Abschleifen
der noch vorhandenen Unebenheiten statt, dann folgen noch mehrere Anstriche, zuletzt mit schwarzem Lack, und endlich sorgfältige
Abschleifung mit Magnolienholzkohle und Wasser. Die Grundierung ist nun beendet, und die Schlußarbeiten mit glänzenden Lackanstrichen
und mancherlei sonstigen Verzierungen beginnen. Der Lack wird durch Einschnitte in die Rinde des Firnissumach (Rhus vernix oder
vernicifera, chinesisch: Tsi, japanisch: Urusinoki) gewonnen. Es ist eine grauweiße, dickflüssige Emulsion, die an der Luft
bald in tiefes Braun oder Schwarz übergeht. Zur Reinigung preßt man den
mehr
gesammelten Lack durch Tücher, entfernt an der Sonne oder durch künstliche Wärme sein Wasser und setzt ihm verschiedene Farben
zu. Durch Beimengung von Kampfer wird er dünnflüssig. Die erste Lackschicht wird mit einem feinen Pinsel sehr dünn aufgetragen
und muß langsam trocknen, damit sie nicht Risse bekommt. Um dies zu erreichen, wird der Arbeitsraum mit
Wasser besprengt, wodurch zugleich die Atmosphäre von Staub befreit wird. Es wird erzählt, daß Arbeiten, auf welche man eine
ganz besondere Sorgfalt verwenden will, sogar in feuchten Gruben und auf Kähnen gemacht werden.
Nachdem die erste Lackschicht trocken geworden, wird dieselbe mit Wasser angefeuchtet und dann mit Holzkohle,
Schachtelhalm, auch wohl mit Thonerde poliert. Das Auftragen der Lackschicht wird nun unter denselben Prozeduren so oft wiederholt,
wie es der Wert der Arbeit bedingt. Die geringste Zahl der Lackschichten beträgt 3, die höchste 18. Doch sollen bei Arbeiten
von hohem Wert, namentlich bei Prunkstücken für den Kaiser, noch mehr als 18 Schichten aufgetragen werden.
Das Trocknen der Lackschichten wird in Gestellen mit zahlreichen Fächern bewirkt. Man fängt damit an, daß man die Holzplatte
in das unterste Fach legt und dieselbe dann langsam von unten nach oben wandern läßt, wodurch der rasche Temperaturwechsel
vermieden wird. Hat der Lackierer seine Arbeit vollendet, so beginnt die des Künstlers, welcher entweder
nach Vorlagen arbeitet und dieselben dann durchpaust, oder aus freier Hand mit dem senkrecht gehaltenen Pinsel oder Stift die
Farben aufträgt, oder die Linien der Zeichnung eingraviert. In diesen Malereien auf dem Lackgrund, die vorzugsweise in Gold,
neuerdings aber auch in Gelb, Grün, Rot und Blau ausgeführt werden, entfalten die japanischen Künstler
eine reiche Phantasie.
Sie beschränken sich zwar vorzugsweise auf die Darstellung von Vögeln und Pflanzen in naiv aufgefaßten Landschaften, bekunden
darin aber ein äußerst sorgsames Naturstudium und ein fein ausgebildetes Gefühl für Harmonie der Farbenverbindungen. Die
strengen Stilprinzipien der europäischen Künstler sind ihnen fremd; sie sind in den Details Naturalisten,
ohne sich jedoch zu einer der Wirklichkeit entsprechenden Wiedergabe der gesamten Natur emporschwingen zu können.
Speziell bei der Darstellung des Menschen stehen sie unter der Herrschaft eines Kanons, den sie von den Chinesen überkommen haben,
welche auf die frühern Perioden der japanischen Malerei von entscheidendem Einfluß gewesen sind. Sonst
ist die Phantasie ihre einzige Lehrmeisterin, welche sie zu ihren regellosen Schöpfungen inspiriert. Die Kunsttechnik vererbt
sich in Japan wie in China durch mündliche Überlieferung vom Vater auf den Sohn. Eine eigentliche Kunstschule existiert in Japan
erst seit 1875. Doch ist diese nur dazu bestimmt, die Japaner mit den europäischen Künsten bekannt zu
machen.
Das Auftragen der Figuren, Pflanzen und landschaftlichen Teile auf die Lackfläche geschieht folgendermaßen: Die Zeichnung
wird zunächst mit Zinnober oder Lack angelegt, und die Umrisse derselben werden dann mit einem Stahlstift scharf umzogen. Mit
demselben werden auch alle Details und innern Linien in den Lack eingeritzt. Die Vergoldung erfolgt dadurch, daß die noch feuchte
Grundierung mit pulverisiertem Gold eingestäubt wird. Nach dem Trocknen wird das überflüssige Gold mit einer weichen Bürste
weggekehrt und das Ganze dann noch einmal mit einem dünnen, völlig durchsichtigen Lack überzogen.
Bei den neuern Arbeiten ist ein mehr oder minder starkes Relief der Vögel, Pflanzen, Berge etc. sehr
beliebt. Dasselbe wird mittels
eines Kittes erzielt, welcher fest auf seiner Unterlage haftet, und aus welchem die Formen durch Gravierung entstehen. Dann
folgt Anstrich mit Transparentlack, Verzierung durch Gold- oder Silberpulver und zuletzt die Politur. Die
Farbe des Goldes wird dadurch nüanciert, daß man es mit grünlichem Lack überzieht, oder daß man es mit Silber legiert, wodurch
es ebenfalls grünlich-blaß erscheint.
Nicht zufrieden mit dem malerischen Kontrast zwischen dem grünlichen oder gelben matten Gold und dem schwarzen, kaffeebraunen
oder bernsteinfarbigen Lack, führten die Japaner später auch die Perlmutterschale, deren grünlich oder
rötlich schillernder Glanz mit Gold u. Lack zu einer vollendeten Harmonie verbunden wird, in ihr dekoratives System ein. Vögel,
Insekten, Pflanzen, namentlich Blumenkelche, werden aus Perlmutter geschnitten und in den Lack eingelegt.
Bei der billigern Exportware, bei welcher der Arbeiter auf eine studierte Farbenkombination nicht allzulange
Zeit verwenden kann, wird die Perlmutterschale gelb, rot, grün, blau und violett, je nach dem Bedürfnis, gefärbt. Die japanischen
Lackarbeiten riefen 1878 neben den Bronzen und Porzellanen in Paris eine solche Bewunderung hervor, daß sich daraus eine förmliche Modekrankheit,
der »japonisme«, entwickelte, welche ihren Einfluß
auf die französische Industrie, selbst auf die Zimmerausstattung, übte.
Neben den gemalten kommen auch geschnittene Lackarbeiten vor, bei welchen die Ornamente in den Lack, der bis zu sechs Schichten übereinander
aufgetragen wird, eingeschnitten werden. Endlich gibt es auch in Japan schwarze, braune, rote, grüne und grün-rot-gelb marmorierte
Lackarbeiten, welch letztere vermutlich nur Nachahmungen der indischen oder persischen Lackarbeiten sind. Die nach Europa importierten
Gegenstände, wie Tablette, Teller, Dosen, Kästchen, große und kleine Schränke, bestehen durchweg aus Holz. In China und Japan
wird der Lack, namentlich bei leichten Arbeiten, auf Geflechte von Bambusrohr, auf Papier (Tapeten), auf Elfenbein, Schildpatt und
Thonwaren aufgetragen.
Bei Vasen von Porzellan wird nach Art der Emailarbeiten zunächst ein Zellennetz von Metall aufgesetzt, in dessen Vertiefungen
der Lack eingetragen wird. Im Land wird der Lack auch zur Sicherung des Holzes gegen Nässe und Wurmfraß in der Architektur gebraucht.
So werden die Säulen, Pfeiler, Querbalken und die Rahmen der aus Papier bestehenden Wände mit einem dichten
Lacküberzug versehen, der auch wohl mit Gold dekoriert wird. Bei den Tragbäumen der außer Gebrauch gekommenen Sänften war
eine reiche Dekoration des Lackanstrichs etwas Gewöhnliches.
»Die Chinesen lackieren alles, selbst die Stämme der Bäume«, sagt Semper, welcher auch den für Lackarbeiten charakteristischen
ornamentalen Stil folgendermaßen definiert: »Holz und Papiermaché (aus welchem Stoff namentlich die Chinesen zahlreiche Galanteriewaren
mit Lackornamenten und Perlmuttereinlagen fabrizieren) sowie alle dem ähnlichen lackierten Stoffe haben gemein, daß bei
ihnen alle zu scharfen Ecken zu vermeiden sind wegen der Sprödigkeit des Lacks, der an den Ecken am leichtesten abspringt.
Jeder Lackstil verlangt daher abgerundete, nicht zu scharfkantige Formen und hält zugleich das Grunderfordernis des Flachen
fest.« Hier wird »ein besonderer windschiefer Stil, der sich in glatten, aber geschweiften und gekrümmten Umrissen und Oberflächen
gefällt, gleichsam notwendig«.
Die indischen und persischen Lackarbeiten unterscheiden sich von den ostasiatischen vor allem dadurch,
daß das Material ein Harz ist, das Ornament zunächst
mehr
vollständig aufgetragen und dann erst durch einen Lacküberzug geschützt wird. Dieser Lack (Gummilack) muß sehr hell und
durchsichtig sein. Die Ornamentik schließt sich sowohl in Indien als in Persien an streng vegetabilische Elemente an. Nur in
Persien werden in diese stilisierten Pflanzenmuster Medaillons mit ebenfalls stilisierten oder doch typisch behandelten,
nicht der Natur nachgebildeten menschlichen Figuren eingefügt. Bisweilen wird das Pflanzenornament noch durch Vögel belebt.
Die Färbung ist im Gegensatz zu China und Japan eine außerordentlich reiche. Sie ist augenscheinlich durch die Shawlfabrikation
in Kaschmir beeinflußt. Wenigstens sind die Muster sowohl als das Farbensystem eng verwandt. Grün, Rot, Gelb und
Blau sind die Lieblingsfarben, besonders das erste, welches mit Gold zu einer entzückenden Farbenverbindung gebracht wird.
Für den Grund wird dann auch ein tiefes Blau verwendet. Im fernern Gegensatz zu Japanern und Chinesen, deren Dekorationssystem
ein durchaus regelloses und willkürliches, ja absichtlich jeder Regel trotzendes ist, so daß bisweilen eine
Pflanze, ein Vogel, ein Insekt in die Ecke oder an den Rand einer Fläche gesetzt wird und der übrige Teil der Fläche leer bleibt,
überziehen die Inder und Perser die ganzen Flächen, z. B. Deckel, Vorder-, Rücken- und Nebenflächen eines Kästchens, mit
einem dichten ornamentalen Gewebe, welches systematisch durch Borten eingefaßt ist, in denen sich das
einmal verwendete Motiv rhythmisch wiederholt.
Dieses ornamentale System ist dem der Renaissance, welches aus Pflanzen systematisch entwickelt ist, durchaus verwandt und steht
deshalb dem europäischen Geschmack ungleich näher als die regellose Willkür der Ostasiaten. Bisweilen werden in Indien die
Muster auch aus mehreren aufgetragenen Lackschichten herausradiert. Die Stoffe dieser Lackarbeiten sind starkes Papier,
Papiermaché und leichtes Holz. Es sind meist Schalen, Büchsen, Flaschen, Fächerbehälter, Teller und Buchdeckel. In Indien selbst,
wo die besten Lackarbeiten in Kaschmir gemacht werden, lackiert man auch Stühle, Tische und Bettgestelle. Es gibt auch lackierte Spielkarten,
die mit Figuren bemalt sind. Die indischen und persischen Lackwaren halten an Güte des Materials mit den
japanischen den Vergleich aus.
Vgl. Semper, Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, Bd. 1 (2. Aufl., Stuttg.
1876);
Bucher, Geschichte der technischen Künste, Bd. 1 (das. 1878);
Rein, Japan, Bd. 2, S. 400 ff.
(Leipz. 1886);
Gonse, L'art japonais (Par. 1883).