mehr
Papierabdruck, während man allerdings schon in den ältesten Zeiten in Kupfer [* 2] Linien eingegraben hatte. Am nächsten lag diese Kunst den Goldschmieden, die ja mit dem Stichel in Metall (s. Metallschnitt) stachen, und so dürfte wohl ein solcher der Erfinder der Kupferstecherkunst gewesen sein. Die erste bekannte Jahreszahl, 1446, findet sich auf dem Blatt [* 3] eines deutschen Meisters, der Geißelung, zu einer Folge von sieben Blättern aus der Passion gehörig. Dieses Blatt setzt jedoch bereits eine längere Praxis im Druckverfahren voraus.
Sodann kommt die Madonna des Meisters P. von 1451. Eine sehr reife Technik besitzt schon der Meister »E. S.« von 1466, der im südwestlichen Deutschland [* 4] lebte und für den Lehrer M. Schongauers (geboren nach 1445, gest. 1488 in Kolmar), [* 5] des größten Kupferstechers im 15. Jahrh., gehalten wird. Gegen diese sichern Daten können die italienischen Ansprüche nicht aufkommen; Vasaris Mitteilung von der Erfindung durch den florentinischen Goldschmied Maso Finiguerra, der durch den Abdruck einer Pax in Niello (s. d.) auf den Kupferstich gekommen sein soll, ist schon deshalb unbegründet, weil nicht nachgewiesen ist, daß Finiguerra Abdrücke gemacht hat, und weil die ältesten italienischen Kupferstiche (um 1480) viel unbeholfener als die frühern deutschen sind.
Schongauers Vorgang war von äußerster Wichtigkeit; seine feine, saubere Technik vererbte sich auf A. Dürer (1471-1528), den großen Stecher von Nürnberg. [* 6] Derselbe versuchte sich auch auf ein paar Blättern in der Kaltenadelarbeit und in der Radiermanier, die sich seitdem mehr und mehr verbreitet hat. Seine deutschen Nachahmer Barthel und Sebald Beham, H. Aldegrever, A. Altdorfer (durch seine radierten Landschaften namentlich interessant, während er sonst in Reinheit des Stiches den andern nachsteht), J. ^[Jakob] Binck, G. Pencz u. a. nennt man wegen ihrer zierlichen Stichweise und des kleinen Formats ihrer Blätter die »Kleinmeister«.
Sie stehen in der Zeichnung schon unter dem Einfluß der italienischen Renaissancekünstler. Eine besondere Spezialität des 16. Jahrh. sind die Ornamentstecher, die Vorbilder für das Kunstgewerbe lieferten. Von Spätern sind hervorzuheben Virgil Solis, Hirschvogel, J. ^[Jost] Amman. Diese standen schon nicht mehr auf der alten Höhe, und nach ihnen, im letzten Drittel des 16. Jahrh., begann der Verfall der Kupferstecherkunst; die italienischen und niederländischen Stecher waren den deutschen vorausgekommen und übten entscheidenden Einfluß. Zu nennen sind: der fabrikmäßig arbeitende Matth. Merian (1593-1650), die Familie Kilian in Augsburg, [* 7] W. Hollar (1607-77), der größte deutsche Stecher des 17. Jahrh., der an 4000 Stiche in eigentümlicher malerischer Manier und aus allen Gebieten künstlerischer Darstellung lieferte. Im Radieren begann die Rembrandtsche Manier ihren Einfluß zu gewinnen, später die französische Technik.
Das 18. Jahrh. sah keinen Aufschwung: Jakob Frey (1682 bis 1771) ist mehr zu den Italienern zu rechnen;
der fruchtbare Radierer Dietrich nahm sich vornehmlich die Holländer zum Vorbild, der glänzende, aber etwas kalte G. Fr. Schmidt (1712-75) Rembrandt und die Franzosen.
Ihm eiferte nach Georg Wille (1715-1808); dessen Schüler ist Gotth. v. Müller; auch J. ^[Jacob] Schmutzer und A. v. Bartsch in Wien [* 8] sind zu nennen. Der geistvollste deutsche Kupferstecher des 18. Jahrh. ist Chodowiecki, der nur nach eignen Kompositionen stach. Ein neuer Aufschwung der Kupferstecherkunst beginnt mit dem 19. Jahrh., an dessen Schwelle Fr. Müller (1783-1816), der Schöpfer des heute noch klassischen Stiches nach der Sixtinischen Madonna steht. In Berlin [* 9] gründete Buchhorn eine Schule, aus der Mandel, der selbst wieder eine Schule gründete, Eichens, Lüderitz, Habelmann, Trossin u. a. hervorgegangen sind.
Außerdem sind zu nennen: Ruscheweyh, Thäter, Steinla, Caspar, Keller, Jacoby, Raab, [* 10] J. ^[Johann] Burger, Barthelmeß, J. ^[Jakob] Felsing, Eilers, R. Stang, Steifensand, Kohlschein, Sonnenleiter. Die Gründung der Verbindung für vervielfältigende Kunst in Wien hat auf den Stich einen fördernden Einfluß ausgeübt. Italien [* 11] überkam den Stich wahrscheinlich aus Deutschland. Der erste bekannte Stecher ist Baccio Baldini aus Florenz, [* 12] um 1470 bis 1480 thätig; andre sind Pollajuolo und A. Mantegna (1431-1506), welch letzterer die italienische Kupferstecherkunst zu höherer Entwickelung gebracht hat.
Minder bedeutend sind Fogolino, Robetta, Campagnola, A. da Brescia etc., originell Jacopo de' Barbari. Nach Fr. Francias, des Malers und Goldschmieds, Stichen bildete sich Marcantonio Raimondi (1488 bis etwa 1530), auf welchen jedoch Dürer den größten Einfluß übte. Er stach zumeist nach Raffaels Vorlagen und ist durch seine edle Behandlung und die Gediegenheit der Zeichnung ein Muster für die Folgezeit geworden. Erst durch ihn erhielt der Stich auch in Italien die technische Vollendung, die er in Deutschland längst besaß.
Nach Marcanton bildeten sich zahlreiche Künstler: Agostino Veneziano, Marco da Ravenna, der Meister mit dem Würfel u. a., auch deutsche, französische und niederländische Künstler. Giorgio Ghisi aus Mantua [* 13] (1520-82) ist als der bedeutendste Meister der Folgezeit zu erwähnen. Um 1567 begann in Italien die einflußreiche Thätigkeit des Niederländers C. Cort; auf dessen Schultern stehen alle folgenden Italiener, unter denen Agost. Carracci (1558-1601) durch die Energie seiner Behandlung und die Reinheit seiner Zeichnung hervorragt.
Viel Nachfolge fand des Niederländers C. Bloemaert (1603 bis 1684) glatte Manier. P. S. Bartoli (1635-1700) und die Gebrüder Aquila lieferten zahlreiche Blätter. Im 17. Jahrh. nahm die Radierkunst, die schon Marcanton und Parmeggiano gepflegt hatten, das Hauptinteresse in Anspruch; Ann. Carracci, G. Reni, Ribera, S. Rosa, Castiglione haben sich in derselben ausgezeichnet; doch wurde die Behandlung bald zu flüchtig. Nach der Mitte des 18. Jahrh. hob sich der italienische Stich wieder, man bildete die Meister des Cinquecento mit Vorliebe nach. G. Volpato (1738 bis 1803) ist der Vorbote des neuen Aufschwungs; sein Schüler ist der berühmte R. Morghen (1758-1833), welcher sich durch malerische Weichheit, die freilich oft in Flauheit übergeht, auszeichnete.
Schärfer, fester ist Giuseppe Longhi (1766-1831), welcher bestimmenden Einfluß ausübte. Seine Schüler sind. Anderloni, Garavaglia u. v. a. Nach P. Toschi (1788-1854), welcher namentlich Correggio meisterhaft stach, sank die italienische Kupferstecherkunst. Zu nennen sind noch P. Mercurj und Calamatta. In den Niederlanden finden wir bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. gute Meister; Lucas van Leiden (1494 bis 1533) bildete sich nach Dürer. C. Cort ging nach Italien; die Sadeler, Goltzius (1558-1616) u. a. bilden schon den Übergang zu der kraftvollen, malerischen, von Rubens gegründeten Schule, in welcher P. Pontius, B. und Schelte van Bolswert, L. Vorsterman hervorragen, und zu den Holländern: P. Soutman, J. ^[Jonas] Suyderhoef, C. Visscher. Neben diesem Linienstich aber entwickelte sich nun auch die Radierkunst: in Belgien [* 14] sind A. van Dyck, L. van Uden, Schut und Thulden hervorzuheben;
für Holland wurde Rembrandt (1607-69) entscheidend, unter dessen ¶
mehr
Einwirkung namentlich A. van Ostade steht; ferner sind Waterloo, [* 16] Potter, Jacob Ruisdael, Berchem zu erwähnen. Durch G. Edelinck (1640-1707) hängt die Brabanter Schule mit der französischen zusammen. Später boten die Niederländer nichts Bemerkenswertes dar; in neuerer Zeit ist J. W. ^[Johann Wilhelm] Kaiser zu nennen. Frankreich trat erst mit J. ^[Jacques] Callot (1592 bis 1635) in den Vordergrund. Edelinck (1640-1707) gehört halb der französischen Schule an, und seine Werke, die sich durch Vollendung des Stiches auszeichnen, wurden das Vorbild der Franzosen.
Durch G. Audran, Poilly, Drevet, Masson, Dorigny, welche schon ins 18. Jahrh. reichen, erstieg der französische Farbenstich die höchste Höhe, um sodann zur Rokokozeit in geistreiche Spielerei auszuarten. Nachdem die Revolution einen Rückschlag herbeigeführt, schwang sich der französische Stich durch Boucher-Desnoyers, A. Martinet, Richomme, Henriquel-Dupont, Gaillard, Flameng, Jacquemart u. a. wieder empor. Insbesondere wurde die Radierung (s. d.) zu einer Höhe gebracht, welche erst durch französischen Einfluß von andern Ländern erreicht wurde. In England ward die Kupferstecherkunst besonders durch W. Hollar im 17. Jahrh. gefördert; zu gleicher Zeit drang auch die Schwarzkunst ein, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. alles beherrschte (Faber, Earlom, Green u. a.). Doch leisteten R. Strange (1723-92), der besonders nach Tizian stach, und W. Sharp im Linienstich sehr Gutes.
Neuerdings ist die Radierung in den Vordergrund getreten. Der Italiener F. Bartolozzi (1730-1813) brachte die oberflächliche Punktiermanier in Aufnahme. Die Erfindung des Stahlstichs in England war der Kunst nur schädlich, da eine massenhafte Fabrikthätigkeit begann und auch der moderne englische Kupferstich einen kalten, geleckten Anstrich bekam. Auch in Spanien [* 17] blieb die auf einer niedrigen Stufe stehen. Dagegen lieferten A. Cano, Velazquez, Murillo, Goya u. a. sehr geschätzte Radierungen.
[Litteratur.]
Vgl. Bosse, Beschreibung der Kunst, in Kupfer zu stechen, zu radieren und zu ätzen (neu bearbeitet etc. von Göttler, Nürnb. 1795 f., 3 Tle. mit Kupfern);
Bartsch, Peintre-graveur (Wien 1802 bis 1821, 20 Bde.; neue Ausg., Leipz. 1866), und die sich anschließenden Werke von R. Weigel, Passavant, R. Dumesnil, Baudicour, Andresen, Ph. van der Kellen, Hippert und Linnig; Perrot, Manuel de gravure (Par. 1830);
Thon, Lehrbuch der Kupferstecherkunst (Ilmen. 1831);
Léon de Laborde, Histoire de la gravure en manière noire etc. (Par. 1839);
Fielding, Art of engraving (Lond. 1841);
Ch. Leblanc, Manuel de l'amateur d'estampes (Par. 1850-57, 9 Hefte);
Naumann und Weigel, Archiv für die zeichnenden Künste (Leipz. 1855-71);
Andresen, Handbuch für Kupferstichsammler (das. 1870-74);
Wessely, Anleitung zur Kenntnis und zum Sammeln der Werke des Kunstdrucks (2. Aufl., das. 1886, woselbst auch die Litteratur angegeben ist);
Hymans, Histoire de la gravure dans l'école de Rubens (Brüssel [* 18] 1879);
H. Delaborde, La gravure (Par. 1882);
Derselbe, La gravure en Italie avant Marc-Antoine (das. 1883);
de Lostalot, Les procédés modernes de la gravure (das. 1882);
Duplessis, Les merveilles de la gravure (4. Aufl., das. 1882);
Derselbe, Histoire de la gravure (das. 1880);
Apell, Handbuch für Kupferstichsammler; Lexikon der Kupferstecher des 19. Jahrhunderts (Leipz. 1880);
Dutuit, Manuel de l'amateur d'estampes (Par. 1881 ff., 8 Bde.);
W. Schmidt, Die Inkunabeln des Kupferstichs im königlichen Kabinett zu München [* 19] (Münch. 1887);
Bonnardot, Essai sur l'art de restaurer les estampes etc. (2. Aufl., Par. 1858);
Schall, [* 20] Ausführliche Anleitung zur Restauration vergilbter, fleckiger und beschädigter Kupferstiche (Leipz. 1863).