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der Häufigkeit ihrer Darstellung (für die alte Kunst an Stelle der letztern die Kunstmythologie); die Heraldik zur Bestimmung der Wappen [* 2] und Embleme etc.
Geschichtliche Entwickelung der Kunstwissenschaft.
Was speziell die deutsche Kunstwissenschaft betrifft, so läßt sich die Entwickelung derselben in drei Perioden gliedern. An der Spitze der ersten Periode steht Winckelmanns »Geschichte der Kunst des Altertums«, welcher die gleichzeitigen archäologischen Untersuchungen Lessings wegen ihrer kritischen Methode an die Seite zu setzen sind. Goethe und neben ihm J. H. Meyer, Kunstwissenschaft A. Böttiger und Karl Fernow machten sich durch ihre Gelegenheits- und periodischen Schriften um die Verbreitung des Kunstverständnisses verdient; indessen behandelten sie die kunstgeschichtlichen Stoffe noch vom Standpunkt eines schöngeistigen Dilettantismus.
Murr trug in seinem »Journal für Kunstgeschichte« nur Material zusammen, welches sich auf die deutsche Kunst, besonders diejenige Nürnbergs, bezog. Den ersten Versuch einer umfassenden Darstellung machte Fiorillo mit seiner »Geschichte der zeichnenden Künste« (1798), welche aber überwiegend aus litterarischen Quellen geschöpft war. Auch die Arbeiten Hirts tragen noch einen durchaus dilettantischen Charakter, ebenso wie das von Hans Rudolf Füßli begonnene und von seinem Sohn 1821 vollendete »Allgemeine Künstlerlexikon«, welches bald durch das Naglersche Werk (»Neues allgemeines Künstlerlexikon«, 1835-1852) verdrängt wurde.
Inzwischen war in dem von Schorn seit 1817 geleiteten Stuttgarter »Kunstblatt« (anfangs Beilage zum Cottaschen »Morgenblatt«) ein eignes Organ für die Kunstwissenschaft entstanden, und in diesem veröffentlichte Baron Kunstwissenschaft F. v. Rumohr seit 1818 seine Studien über Kunstwerke in Italien, [* 3] welche als Buch unter dem Titel: »Italienische Forschungen« (1826-31) erschienen. Mit diesem Werk, welches zum erstenmal die Kunstdenkmäler selbst zum Gegenstand kritischer Betrachtung macht, hebt die zweite Periode der deutschen an. Dadurch erhielt der ästhetisierende Dilettantismus sowohl als die litterarische Kompilation, welche bis dahin die kunstgeschichtliche Litteratur beherrscht hatten, einen empfindlichen Stoß.
Der nächste, welcher den Fußstapfen Rumohrs folgte und die Autopsie der Kunstdenkmäler zum Ausgangspunkt seiner schriftstellerischen Thätigkeit nahm, war G. F. Waagen (s. d.). Mit seinem Buch »Über Johann und Hubert van Eyck« (1822) beginnt die lange Reihe seiner Schriften, welche in periegetische und in historische zerfallen. Durch zahlreiche Reisen erwarb er sich eine umfassende, von keinem Zeitgenossen erreichte Denkmälerkenntnis, auf welcher er eine Reihe von Künstlerbiographien, Essays und vor allem sein zweibändiges »Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen« aufbaute. In gleicher Weise empirisch verfuhren Franz Kugler und Karl Schnaase, welche man mit Waagen als die Nestoren der modernen Kunstwissenschaft bezeichnet.
Während Schnaase 1834 in seinen »Niederländischen Briefen« ein noch heute gültiges Muster kritischer Analyse und philosophisch-historischer Kunstbetrachtung mit steter Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Verhältnisse aufstellte, veröffentlichte Kugler seine Reisestudien in Zeitschriften. Seit 1850 erhielt Berlin, [* 4] nachdem das Stuttgarter »Kunstblatt« eingegangen war, in dem von Fr. Eggers ins Leben gerufenen »Deutschen Kunstblatt« (1850-58) ein Organ, in welchem sich die Koryphäen wie die Jünger der Kunstwissenschaft vereinigten.
Kugler begann die Reihe seiner grundlegenden Werke 1830 mit den »Denkmälern der bildenden Kunst des Mittelalters in den preußischen Staaten«, denen mehrere Schriften vorzugsweise architektonischen Inhalts folgten, bis 1837 die erste umfassende Darstellung der Entwickelungsgeschichte [* 5] der modernen Malerei in dem »Handbuch der Geschichte der Malerei von Konstantin d. Gr. bis auf die neuere Zeit« erschien, welches 30 Jahre lang als der sicherste Führer in diesem Zweig der Kunstgeschichte galt. Es folgte dann das ebenfalls epochemachende, die gesamte Kunst in seinen Bereich ziehende »Handbuch der Kunstgeschichte« (1841-42),
welches noch heute in der neuen Bearbeitung von Lübke brauchbar ist. Um dieselbe Zeit (1843) begann Schnaase sein monumentales Werk, die »Geschichte der bildenden Künste« (1864 vollendet, 2. Aufl. 1865-77), welche alle Zweige der Kunst von den ältesten Zeiten bis auf das 16. Jahrh. umfaßt und ihre Entwickelung mit echt historischem Sinn auf breiter kulturgeschichtlicher Basis schildert. Kugler ließ auf seine Spezialgeschichte der Malerei noch eine solche der Baukunst [* 6] folgen, von welcher er jedoch nur drei Bände vollendete, welche bis zum Ausgang des Mittelalters reichen.
Die italienische Renaissance behandelte der Historiker Jakob Burckhardt, welcher 1855 mit seinem »Cicerone« eine mustergültige und den zuverlässigsten Wegweiser abgebende Kunsttopographie Italiens [* 7] in historischer Anordnung geschaffen hatte, in mehr systematischer Weise, die Geschichte der deutschen und französischen Renaissance Wilhelm Lübke, welcher 1853 mit einer Darstellung der »Mittelalterlichen Kunst Westfalens« in den Kreis [* 8] der Kunsthistoriker getreten war.
Von umfassenden, auf alle Zweige der Kunst gerichteten Spezialstudien ausgehend, strebte er vor allem danach, die Resultate seiner Forschungen in allgemein verständlicher Form dem gebildeten Publikum zugänglich zu machen. Seine »Geschichte der Architektur« (1855),
»Grundriß der Kunstgeschichte« (1860),
»Geschichte der Plastik« (1863),
»Abriß der Geschichte der Baustile« (1866),
»Vorschule zum Studium der kirchlichen Kunst des Mittelalters« (1866),
»Geschichte der italienischen Malerei« (1878) haben, in zahlreichen Auflagen verbreitet, den Sinn für die Schöpfungen der bildenden Künste in weiten Kreisen erweckt.
Während der 50er Jahre war Berlin der Hauptsitz der Kunstwissenschaft. Daneben kam noch München [* 9] in Betracht, wo der Maler und Schriftsteller Ernst Förster, welcher seit 1842 auch an der Redaktion des »Kunstblattes« beteiligt war, durch zahlreiche für das große Publikum berechnete Schriften für die Ausbreitung kunstgeschichtlicher Kenntnisse wirkte. Nachdem so durch Kugler, Schnaase und Lübke das Gebäude aufgezimmert war, konnten die nachstrebenden Jünger der an den innern Ausbau desselben gehen. Nach dem Eingehen des »Deutschen Kunstblattes« wurde 1862 in Wien [* 10] durch Kunstwissenschaft v. Lützow, der sich vorher durch eine Publikation der »Münchener Antiken« und eine Arbeit über »Meisterwerke der Kirchenbaukunst« bekannt gemacht hatte, ein neues periodisches Organ in den »Rezensionen und Mitteilungen über bildende Kunst« gegründet.
In diesem fanden sich zuerst diejenigen Männer zusammen, welche die dritte Periode der Kunstwissenschaft, die überwiegend kritische und spezialistische, begonnen haben, neben dem Herausgeber der ausgezeichnete Bilderkenner O. Mündler, Julius Meyer, der Verfasser der »Geschichte der französischen Malerei« (1867),
der Biographie des Correggio (1871) und der Herausgeber des »Allgemeinen Künstlerlexikons« auf Grund des Naglerschen, Anton Springer, Alfred Woltmann, ¶
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R. v. Eitelberger, J. ^[Jakob] Falke, M. Carriere, welcher die Kunst im Gegensatz zu den jüngern als Gegenstand des philosophischen Erkennens behandelte (Hauptwerk: »Die Kunst im Zusammenhang mit der Kulturentwickelung«),
A. v. Zahn, R. Bergau, der Spezialforscher auf dem Gebiet der deutschen Kunst des Mittelalters und der Renaissance, Bruno Meyer, R. Marggraff, H. Hettner, H. Grimm, M. Thausing u. a. Die vorwiegend kritische Haltung dieses Organs ist für die neue Periode der Kunstwissenschaft charakteristisch. Durch die epochemachenden Untersuchungen von Crowe und Cavalcaselle auf dem Gebiet der niederländischen und italienischen Malerei wurde dieselbe nur noch mehr bestärkt, auf dem betretenen Weg weiterzuschreiten.
Alfred Woltmann eröffnete mit seiner Monographie »Holbein [* 12] und seine Zeit« 1866 die Reihe der Spezialwerke, aus welchen sich bis jetzt schon eine äußerst umfangreiche Litteratur gebildet hat. Aus den »Rezensionen etc.« entwickelte sich 1866 wiederum unter der Leitung Kunstwissenschaft v. Lützows die »Zeitschrift für bildende Kunst«, seit 1884 mit der Beilage »Kunstgewerbeblatt«, welche in Deutschland [* 13] zuerst die Radierung als reproduzierende Kunst zu Ehren brachte, während die vorwiegend kritische Richtung der »Rezensionen« 1868-73 in den von A. v. Zahn herausgegebenen »Jahrbüchern für Kunstwissenschaft« fortgesetzt wurde, an deren Stelle seit 1875 das »Repertorium für Kunstwissenschaft«, anfangs unter der Leitung von Schestag, dann A. Woltmanns und H. Janitscheks, nach dem Tod Woltmanns von letzterm allein geleitet, getreten ist.
Wien blieb bis in die Mitte der 70er Jahre der Hauptort für die kunstwissenschaftlichen Studien. Hier entstand M. Thausings Biographie Dürers, hier wurden unter R. v. Eitelbergers Leitung die »Quellenschriften für Kunstgeschichte«, an welchen Thausing, Ilg, A. v. Wurzbach u. a. mitwirkten, herausgegeben, und in den »Mitteilungen der k. k. Zentralkommission zur Erhaltung und Erforschung der Kunstdenkmäler« hatte man ein Spezialorgan für den österreichischen Kaiserstaat.
Auf seinen »Holbein« ließ Woltmann eine »Baugeschichte Berlins«, »Geschichte der deutschen Kunst im Elsaß« und eine »Geschichte der Malerei« folgen, welche nach seinem Tod von Kunstwissenschaft Woermann vollendet wurde. In Leipzig [* 14] waren vorzugsweise Anton Springer (»Handbuch der Kunstgeschichte«, »Geschichte der bildenden Künste im 19. Jahrhundert«, »Raffael und Michelangelo«) und eine Zeitlang Max Jordan (mit Übersetzungen der Werke Crowes und Cavalcaselles) thätig. In München haben Fr. Reber durch eine Anzahl von umfassenden Darstellungen (»Ruinen Roms«, »Geschichte der Baukunst im Altertum«, »Kunstgeschichte des Altertums«, »Geschichte der neuern Kunst«, »Kunstgeschichte des Mittelalters«) und W. Schmidt durch zahlreiche Abhandlungen die Kunstwissenschaft neu begründet, während die archäologische Wissenschaft, die früher in Fr. Thiersch ihren Hauptvertreter sah, in H. Brunn (»Geschichte der griechischen Künstler«) eine Säule gefunden hat.
Auf dem Gebiet der künstlerischen Tageskritik ist Fr. Pecht thätig, der auch an der Spitze der 1885 gegründeten Zeitschrift »Die Kunst für Alle« steht. Die Archäologie hatte in den 30er, 40er, 50er und 60er Jahren in Berlin durch Tölken, Panofka, E. Gerhard, dann durch Curtius und Friederichs ihre Hauptpflege genossen. Als dann in der Mitte der 70er Jahre durch die Reorganisation der Berliner [* 15] Museen, durch die ansehnlichen Erweiterungen derselben und durch die Besetzung der Direktorenstellen mit Gelehrten die Kunst in Berlin einen großen Aufschwung nahm, wurde Berlin auch wieder der vornehmste Sitz der Archäologie und Kunstwissenschaft. Die letztere hatte eine Zeitlang, nur durch Eggers (»Leben Rauchs«),
Guhl (»Künstlerbriefe«),
H. Grimm (»Leben Michelangelos«, »Leben Raffaels«) und einige jüngere gehalten, ein bescheidenes Dasein gefristet, bis auch sie durch Berufung von auswärtigen Gelehrten, wie Julius Meyer, W. Bode (»Frans Hals und seine Schule«, »Italienische Porträtskulpturen des Berliner Museums«, »A. Brouwer«, »Studien zur Geschichte der holländischen Malerei«),
Fr. Lippmann (Spezialist auf dem Gebiet des Kupferstichs und Holzschnitts, welches seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts durch A. Bartsch, Passavant, Heller, Sotzmann, Naumann, Anderssen, Nagler, Wessely u. v. a., stark kultiviert worden ist), A. Conze (Archäolog) u. a., zu neuer Blüte [* 16] gebracht wurde. R. Dohme versammelte in seinem großen Werke »Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit« fast alle Fachgenossen um sich. Außerdem fanden die Museumsbeamten seit 1879 ein Zentralorgan in dem »Jahrbuch der königlich preußischen Kunstsammlungen«.
Ferner sind in Berlin thätig: L. Pietsch auf dem Gebiet der Kritik über moderne Kunst, A. Rosenberg (»Geschichte der modernen Kunst«, »Die Berliner Malerschule«, »Rubensbriefe«, »Sebald und Barthel Beham«, »Die Münchener Malerschule«) und J. ^[Julius] Lessing, letzterer vorwiegend auf dem Gebiet der kunstgewerblichen Litteratur, welche, als Zweig der Kunstwissenschaft, vorzugsweise durch Bucher (»Geschichte der technischen Künste«),
Ilg in Wien, Stockbauer in Nürnberg [* 17] und Brinckmann in Hamburg [* 18] bereichert worden ist. Von Wien ist auch die Publikation der Wiener Belvederegalerie durch Kunstwissenschaft v. Lützow ausgegangen, welche für andre Publikationen ähnlicher Art mustergültig geworden ist. In Wien erscheinen auch noch drei Zeitschriften: »Die graphischen Künste«, das Organ der »Gesellschaft für vervielfältigende Kunst« (Herausgeber O. Berggruen),
das »Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses« und die »Allgemeine Kunstchronik«. Die Kostümkunde, welche ebenfalls als Zweig der Kunstwissenschaft betrachtet wird, wurde durch H. Weiß (»Kostümkunde«, 1860-72) begründet und hat später in A. v. Heyden (»Blätter für Kostümkunde«) und J. ^[Jakob] Falke (»Kostümgeschichte der Kulturvölker«) verständnisvolle Bearbeiter gefunden.
An der Spitze der Geschichte der italienischen Kunstwissenschaft steht das umfangreiche Biographienwerk des Malers Giorgio Vasari: »Le [* 19] vite dei piú eccellenti pittori, scultori ed architetti«, welches häufig aufgelegt, übersetzt und kommentiert wurde (beste Ausgaben von Lemonnier und Milanesi). Von da ab entwickelte sich eine sehr reiche Kunstlitteratur, welche sich teils mit biographischen Zusammenstellungen, teils mit lokalgeschichtlichen, später urkundlichen Forschungen beschäftigte.
Aus dem 16. Jahrh. sind noch der sogen. Anonymus des Morelli, Fr. Sansovino, Condivi, aus dem 17. Baglione, Passeri, Bellori, Graf Malvasia, aus dem 18. Baldinucci zu nennen. Im 19. Jahrh. haben sich besonders der Däne Gaye, Ticozzi, Pungileoni, Bottari, Gualandi, Gotti, Milanesi, Bertolozzi, Cavalcaselle und der deutsch schreibende Morelli (Lermolieff) um die italienische Kunstwissenschaft verdient gemacht. Für die Geschichte der niederländischen und deutschen Künstler sind die Sammelwerke von Karel van Mander, Joachim von Sandrart, Houbraken, Descamps die ersten Quellen gewesen, bis die urkundlichen Forschungen von Rombouts und van Lerius, van der Willigen, Vosmaer, Rooses, van den Branden, Génard, Bredius u. a. ¶