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stellt sich nun der eigentümliche Fall heraus, daß die Kunst, je höher sie ihrem idealen Inhalt nach steht, desto weniger Material
braucht und desto weniger Schwierigkeiten der Technik darbietet. In dem Gebiet der bildenden Künste ist es der Architekt, welcher
am meisten technisches Material braucht und am meisten praktisches Wissen nötig hat, der Bildhauer schon
weniger, der Maler am wenigsten. In der Poesie erfordert die Lyrik im Rhythmus (Metrum), Reim etc. die meiste Technik, die Epik schon
weniger, weil sie sich auf wenige gebräuchliche und sich gleichbleibende Maße beschränkt; in Dramen kann der Dichter sogar
ganz von der rhythmischen Form abstrahieren, und wenn er sie braucht, ist sie die allereinfachste und
freieste.
Dies erklärt sich daraus, daß, je höher eine Kunst steht, desto weniger Gewicht und Bedeutung das Material hat. Allein alle
geistigen Requisiten steigern sich dafür im umgekehrten Verhältnis. Für den Plastiker, der die menschliche Gestalt in ihrer
unendlichen Mannigfaltigkeit als Objekt vor sich hat, sind schon ganz andre Anschauungen nötig als für
den Architekten, der nur die leblose Natur symbolisch verarbeitet; für den Maler, der nicht bloß die menschliche Gestalt,
sondern die Weltgeschichte und das Menschenleben in seinen Leidenschaften und Empfindungen zur Darstellung zu bringen hat, öffnet
sich ein viel reicheres und ideentieferes Feld der Anschauungen als für den Bildhauer. Am höchsten steht
der dramatische Dichter in dieser Beziehung, weil er nicht nur eine einzelne That oder Empfindung aus dem Menschendasein herauszugreifen
und in einem charakteristischen Moment zu gestalten, sondern das Menschenleben selbst in seinen mannigfachen Konflikten nach
seiner zeitlichen, innern und äußern Genesis zu entwickeln verstehen muß.
Die Kunst bildet also einmal einen Gegensatz zur Natur, und zwar steht in diesem Gegensatz dem Natürlichen nicht nur das Künstlerische,
sondern auch das Künstliche gegenüber. Im letztern Sinn sagt man z. B.: »das ist keine Kunst«, d. h.:
das ist ganz einfach, leicht begreiflich, natürlich, wogegen das Künstlerische dadurch einen Gegensatz
gegen das Natürliche bildet, daß es einerseits auf eine Idee tendiert, anderseits dem freien Gestaltungstrieb menschlichen
Talents entsprungen ist. Dann steht die Kunst auch im Gegensatz zur Wissenschaft, denn diese hat zwar auch die Idee zum Inhalt und
Zweck, aber in der Form des Gedankens, nicht in der schönen Gestaltung und sinnlichen Anschauung. Drittens
bildet die Kunst den Gegensatz zum Handwerk oder Gewerbe (vgl. Kunstgewerbe).
Kunstschulen höherer Art, auf denen alles, was zum technischen und praktischen
Unterricht des bildenden Künstlers notwendig ist, gelehrt und vermittelst der jeder Kunstschule unentbehrlichen technischen
Hilfsmittel (Vorzeichnungen, Gipsabgüsse etc.) geübt wird. Die Kunstschulen neuerer Art entstanden, nachdem die Werkstätten
und Meisterateliers, welche besonders im 16. Jahrh. blühten, allmählich eingegangen waren.
Am frühsten finden sich solche Kunstschulen, als Tradition der alten Malerschulen, in Italien und zwar als
Congregationes, d. h. freie Vereinigungen von Künstlern zum Zweck gegenseitiger Förderung und Ausbildung.
Zwar gab es in Italien schon im 13. Jahrh. eine Malervereinigung zu einem solchen Zweck, wie die Kunstakademien gegenwärtig sich ihn setzen,
nämlich die in Venedig 1290 statutenmäßig begründete Zunft des heil. Lukas; doch führte sie ebensowenig
wie die um 1339 zu Florenz gestiftete und 1386 ebenfalls statutenmäßig begründete Malergesellschaft des heil.
Lukas den Namen einer Akademie. Diesen Namen erhielt sie erst 1571 unter Cosimo I. Die Begründung der Akademie zu Mailand, als deren
Stifter Leonardo da Vinci genannt wird, fand um das Jahr 1494 unter dem Herzog Lodovico Sforza statt.
Die Accademia di San Luca zu Rom stammt aus der Zeit Gregors XIII., welcher der alten Universität der schönen Künste diesen
Titel gab. Federigo Zucchero schrieb eine Geschichte derselben (1604), worauf drei Jahre später neue Statuten entworfen
wurden, die von Gregor XV. (1621) und Urban VIII. (1627) reformiert wurden. Napoleon I. wies ihr bestimmte Einkünfte an. Die
Kunstakademien zu Bologna, Parma, Padua, Mantua, Turin, Ravenna, Verona, Neapel, Genua, Carrara, Pisa u. a. sind neuern Ursprungs und haben nie
die Bedeutung erlangen können, die solchen Anstalten in Hauptstädten größerer Reiche zufällt, wo
wichtige Werke aller Art die Kräfte anregen und den Genius wecken.
Eine andre Bedeutung als die einer Lehranstalt für angehende Künstler hat die 1648 gestiftete Akademie zu Paris. Sie ist lediglich
(analog den Akademien der Wissenschaften) eine Vereinigung von bedeutenden Künstlern, die zu »Akademikern« ernannt werden.
Neben derselben besteht daher noch unter dem Titel einer École des beaux-arts eine Kunstschule im Sinn der
deutschen Akademien. Die Pariser Akademie bestand zuerst aus Malern, Colbert dehnte sie auch auf Architekten aus.
Ein Zweig der Pariser Akademie ist die französische Akademie zu Rom in der Villa Medici, in welcher sich die
mit dem römischen Preis ausgezeichneten Künstler, auch Musiker, vier Jahre lang zum Studium unter Aufsicht eines Direktors aufhalten
dürfen. In Deutschland wurde die erste Kunstakademie von Sandrart 1662 zu Nürnberg gestiftet. Sie gelangte durch die Künstlerfamilie
Preißler zu neuem Ruf, erhielt sich aber aus Mangel an Mitteln nur mühsam und wurde deshalb 1818 in eine
Provinzialkunstschule umgewandelt. Die Akademie zu Berlin wurde 1694 gestiftet und 1786, 1875 und 1882 neu organisiert,
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die zu Dresden 1705 als Malerschule gestiftet und 1764 auf Bildhauer, Architekten und Kupferstecher erweitert. Die Kunstakademie
zu Kassel wurde 1774 von Landgraf Friedrich II. gestiftet und 1879 neu organisiert. Die Kunstakademie zu Leipzig wurde 1764 gegründet
und 1871 mit Ausdehnung auf das Kunstgewerbe reorganisiert. Die Kunstakademie in Königsberg wurde 1845 gegründet.
Neben diesen Kunstakademien existieren in Deutschland Kunstschulen, die zum Teil auch die Ziele von Kunstgewerbeschulen (s. d.) verfolgen.
Solche Kunstschulen gibt es in Berlin, Breslau, Danzig, Frankfurt a. M., Karlsruhe, Stuttgart und Weimar. Die Akademie zu Wien wurde 1692 von
Kaiser Leopold I. begründet; 1872 erhob sie Kaiser Franz Joseph unter Reorganisation der Statuten zu einer
»Hochschule der Kunst«. Den bedeutendsten Einfluß erlangten die Kunstakademien zu München und zu Düsseldorf, von denen die erste 1770 gestiftet
und 1808 vom König Maximilian I. neu begründet, die andre 1767 gestiftet und 1822 von Friedrich Wilhelm III. erneuert wurde.
Die Akademie der Malerei zu Madrid entstand 1752, außer ihr befinden sich noch zu Barcelona, Sevilla, Valencia
Kunstakademien; London erhielt eine solche erst 1768, Edinburg bereits 1754. Die Niederlande haben zu Brüssel, Antwerpen, Amsterdam und Brügge
höhere Kunstanstalten; Stockholm hat eine Akademie der schönen Künste seit 1730, Kopenhagen seit 1738. Die zu Petersburg entstand 1757 und
ward 1764 erweitert. Wenn man von der Bedeutung der Kunstakademie als einer aus Meistern (Akademikern) bestehenden Verbindung,
wie die zu Paris, London etc., absieht und nur die hauptsächlich in Deutschland übliche Stellung derselben als höherer Kunstlehranstalt
in Betracht zieht, so ist zu bemerken, daß die Organisation derselben (Lehrplan), bei sonstigen lokalen
Verschiedenheiten, drei Abteilungen enthält, welche wieder in verschiedene Klassen zerfallen, nämlich:
1) die Elementarabteilung, worin hauptsächlich Zeichenunterricht nach Vorlegeblättern gegeben wird;
2) die Vorbereitungsklasse (Gipszeichnen, Zeichnen nach der Natur, Aktzeichnen, Komposition und Gewandung, Anatomie, Perspektive,
Ästhetik und Kunstgeschichte);
3) praktische Klasse (Malen, Bildhauen, Kupferstechen). Bei manchen Akademien (Düsseldorf, Wien, Berlin) ist
damit noch eine Klasse für Architektur und (Berlin) für Musik verbunden. In Düsseldorf und Berlin stehen mit den Kunstakademien Meisterklassen
und -Ateliers in Verbindung. Die meisten deutschen, insbesondere preußischen, Kunstakademien veranstalten periodische Kunstausstellungen
(s. d.), ganz unabhängig von ihrer Stellung als Lehranstalten, und erteilen Prämien und Medaillen für
die besten Werke derselben.
Die oberste Behörde derselben bildet der Senat, bestehend aus Präsident oder Direktor und Senatsmitgliedern, meist Professoren
der Akademie; außerdem zählen dazu noch Mitglieder (ordentliche und außerordentliche), von denen die erstern eine Art
Kollegium außerhalb des Senats bilden. Kunstakademien für Musik haben den Spezialtitel Konservatorien (s. d.).
Vgl. R. Springer, Kunsthandbuch für Deutschland, Österreich und die Schweiz (4. Aufl., Stuttg. 1886);
Woermann, Die alten und
die neuen Kunstakademien (Düsseld. 1878);
Derselbe, Zur Geschichte der Düsseldorfer Kunstakademie (das. 1880);
v. Lützow, Geschichte
der k. k. Akademie der bildenden Künste (Wien 1877);
Nieper, Die königliche Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Leipzig
(Leipz. 1881).