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lockte jährlich zahlreiche Kranke, namentlich Lungenschwindsüchtige, in die Steppen. Diese fanden vielfach Heilung oder Erleichterung, zum Teil wohl mit durch das Klima [* 2] und die Lebensweise in den Steppen; aber auch außerhalb derselben, z. B. in Moskau, [* 3] wurden mit sorgfältig bereitetem, gutem Kumys günstige Resultate erzielt. Die Kumyskur beginnt mit dem Genuß von 2-3 Glas [* 4] und fordert im weitern Verlauf, daß der Patient täglich vier Flaschen und mehr Kumys zu sich nehme, sich also so gut wie vollständig mit Kumys allein ernähre.
Bei diesem starken Konsum von Kumys tritt auch ein Gefühl der Sättigung ein, und das Bedürfnis nach fester Nahrung schwindet. Dabei wird die Harnsekretion erheblich gesteigert, und das spezifische Gewicht des Harns nimmt ebenfalls zu; anfangs zeigt sich ein leichter Grad von Trunkenheit, dann Abgespanntheit, Müdigkeit und Neigung zum Schlaf, welch letztere während der ganzen Kurzeit fortzubestehen pflegt. Ganz konstant tritt bei 4-6 Wochen langem Gebrauch des Kumys eine oft überraschende Zunahme des Ernährungszustands ein.
Derselbe ist um so ersichtlicher, je mehr das betreffende Individuum heruntergekommen war, und tritt auch in diesem Fall umso rapider ein. Die Gesichtsfarbe bekommt ein rosiges Kolorit, der Gesichtsausdruck wird belebter, in kurzer Zeit zeigt sich eine starke Fettablagerung, und das Körpergewicht nimmt erheblich zu. Dieser Effekt kann nur durch die eigentümliche Mischung der Kumysbestandteile hervorgebracht werden. Seinen großen Ruf verdankt der Kumys seiner Wirksamkeit gegen die Schwindsucht; er ist zwar ohne erheblichen direkten Einfluß auf die lokalen Vorgänge im Lungenparenchym, aber er wirkt als vortreffliches Ernährungsmittel auf den Zustand des ganzen Körpers, und mit der Verbesserung desselben bemerkt man eine Abnahme des Fiebers, eine Beschränkung der Kurzatmigkeit wie auch eine Verminderung des Hustens und Auswurfs.
Der Zeitpunkt für die Kumyskur ist gekommen, wenn das Fieber niedrig und stark remittierend ist, resp. ganz fehlt, wenn zu der Abmagerung Blässe der Schleimhäute und der Haut [* 5] sich gesellt, und wenn die Arterienspannung gering ist. In ähnlicher Weise wie bei der Lungenschwindsucht soll sich der Kumys auch bei andern kachektischen und anämischen Zuständen als vortreffliches Ernährungsmittel bewähren, so bei der gewöhnlichen Chlorose, bei Anämie nach Blutverlusten, nach profusen Eiterungen, anhaltenden Durchfällen, Bronchoblennorrhöe etc. Stahlberg, welcher zuerst in Moskau eine Kumystrinkanstalt etablierte, hat auch in Deutschland [* 6] und Österreich [* 7] das neue Heilmittel einzuführen versucht; außerdem wurde an mehreren Orten Kumys aus Eselinnen-, Ziegen- und Kuhmilch dargestellt, und dies Surrogat soll gleichfalls gute Dienste [* 8] geleistet haben.
Ein ähnliches Getränk, Kefir (Kapir), bereiten die tatarischen Bergbewohner des nördlichen Abhanges des Kaukasus aus Kuhmilch, sie benutzen es als nahrhaftes und erfrischendes Getränk und auch als Heilmittel bei Blutarmut und Schwindsucht. Als Ferment dienen Klümpchen oder Körner, in Farbe und Aussehen dem Blumenkohl nicht unähnlich, welche Hefepilze (Saccharomyces cerevisiae Meyen) und Bakterien (Dispora caucasica Kern) enthalten. Das Ferment behält seine Wirksamkeit ein Jahr.
Zur Bereitung des Kefir übergießt man das Ferment mit dem sechsfachen Volumen Milch und läßt es bei mittlerer Temperatur unter häufigem Schütteln 16-24 Stunden stehen. Das fertige Getränk wird abgegossen und das Ferment mit neuer Milch angestellt. Nach jeder dritten Gärung wäscht man das Ferment mit reinem Wasser. Man kann nun den Kefir mit dem doppelten Volumen abgerahmter Milch mischen, auf starkwandige Flaschen füllen und unter häufigem Schütteln bei mittlerer Temperatur stehen lassen. In 1-3 Tagen erhält man auf diese Weise den Flaschenkefir, der milder und angenehmer schmeckt als das gewöhnliche Produkt und stark schäumt.
Kefir ist viel konsistenter als Kumys, weil er mehr als dreimal reicher an Eiweißstoffen ist, er enthält um die Hälfte weniger Alkohol und etwas weniger Milchsäure und riecht und schmeckt angenehmer. Er wirkt sehr günstig auf die Ernährung und ist mit Erfolg namentlich bei Lungenkrankheiten benutzt worden.
Vgl. Stahlberg, Der Kumys, seine physiologischen und therapeutischen Wirkungen (Petersb. 1869);
Derselbe, Gesammelte Vorträge über den Kumys (Leipz. 1873);
Lersch, Die Kur mit Milch, Molken, Kumys (Bonn [* 9] 1869);
Biel, Untersuchungen über den Kumys (Wien [* 10] 1874);
Stange, Über Kumyskuren (in Ziemssens »Handbuch der Therapie«, Bd. 1, Leipz. 1883);
Dmitrijeff, Der Kefir (Hannov. 1884);
Podwyssotzki, Kefir (deutsch, Petersb. 1884).