Die
Kosten der Herstellung der Krankenhäuser ergeben, daß kein
System als absolut teuerstes oder billigstes bezeichnet werden kann. Sie
betragen, abgesehen vom Grunderwerb,
ca. 4-5000 Mk. pro
Bett
[* 2] (davon
ca. 1000 Mk. für Inventar). Ohne Grunderwerb und Inventar
kostete das
Bett in
München
[* 3] 3426,
Göttingen
[* 4] 3534,
Oldenburg
[* 5] 5154,
Berlin
[* 6] (Friedrichshain) 7500 Mk. Im Thomashospital
in
London
[* 7] entfallen auf das
Bett 20,000 Mk. (davon die Hälfte Bodenkosten), im
Hospital Lariboisière zu
Paris
[* 8] 9580 Mk. Bei
den provisorischen Barackenlazaretten stellt sich das
Bett mit Inventar auf 1000 Mk.
Im
KönigreichPreußen
[* 9]
gab es 1885: 1593 Heilanstalten mit 80,401
Betten, auf 10,000Einw. kommen 28
Betten.
Von den Anstalten entfallen 18,1 Proz., von den
Betten 26,4 Proz., von den Verpflegten 33,1
Proz. auf die Staatsanstalten (inkl. Universitätskliniken, Gefängnisse,
Armee,
Marine).
Ferner entfielen auf die
Anstalten, welche den
Zweck haben, ihren Mitgliedern in Krankheitsfällen die nötige
Hilfe zu gewähren. Insbesondere versteht man darunter die auf Gegenseitigkeit beruhenden
Kassen, deren
Kosten ganz oder wenigstens
vorwiegend durch Beiträge der Mitglieder gedeckt werden. Solche Anstalten sind insbesondere für diejenigen von großer
Wichtigkeit, welche
im Fall der Erkrankung erwerbsunfähig und unterstützungsbedürftig sind, somit vorzüglich für die
arbeitenden
Klassen.
Sie können sowohl Berufskassen sein, welchen nur Mitglieder eines bestimmten Berufszweigs zugehören,
als auch allgemeine
Kassen, welche jedermann zugänglich sind.
Kassen der letztern Art gibt es schon seit dem
17. Jahrh. in
großer Zahl in
England; zu denselben gehören auch die Anstalten der deutschen
Gemeindekrankenversicherung.
Noch älter aber
sind die Berufskassen, wie z. B. diejenigen der ehemaligen
Innungen, Gesellenverbände etc. Dieselben
waren früher schon deswegen am Platz, weil die Beiträge nicht nach den auf statistische
Beobachtungen gestützten Wahrscheinlichkeitsrechnungen
bemessen waren und die Berufsgenossen leichter eine
Kontrolle über die Erkrankungen und deren Dauer ausüben konnten.
Auch in der Neuzeit gehören in
Deutschland
[* 16] den meisten Krankenkassen nur Berufsgenossen an, doch machten die heutige
Beweglichkeit der
Arbeiter sowie der
Wunsch, daß die Krankenkassen allen zu gute kommen, es nötig, neben den Berufskassen auch allgemeine
zu gründen und dafür zu sorgen, daß wandernde
Arbeiter überall
Aufnahme und
Hilfe finden. Die Krankenkassen tragen vollständig den
Charakter von Versicherungsanstalten, wenn sie lediglich aus Beiträgen ihrer erwerbsfähigen Mitglieder
unterhalten werden, und wenn die
Höhe der Beiträge nach der
Wahrscheinlichkeit der Erkrankung und deren Dauer, ebenso aber
auch die gewährte Unterstützung nach den
Grundsätzen des Versicherungswesens bemessen wird; sie büßen aber diesen
Charakter
ganz oder zum Teil ein, wenn die Beiträge ohne Rücksicht auf
Alter und Gesundheitszustand bemessen,
die Unterstützungen aber lediglich nach Maßgabe der Hilfsbedürftigkeit gewährt werden, und wenn die
Kasse aus anderweiten
Mitteln unterstützt oder erhalten wird.
Erst in neuerer Zeit kam man dazu, die seitherigen Ergebnisse der Krankenkassen für
Aufstellung von Morbiditätstabellen statistisch
zu verwerten, d. h. von Tafeln, welche
Wahrscheinlichkeit und Dauer der Erkrankung für verschiedene
Alter
und Beschäftigungszweige angeben, so Neison und Finlaison in
England,
Hubbard in
Frankreich, Heym in
Deutschland u. a. Nach
der Tafel von Heym kommen beispielsweise auf eine
Person im
Alter von 20
Jahren durchschnittlich im Jahr 7,73, im
Alter von 30
Jahren 7,95, im
Alter von 40
Jahren 9,15 und im
Alter von 50
Jahren 12,31 Krankheitstage.
Die Unterstützungsbedürftigkeit wächst mit dem
Alter. Demnach müßten auch die Beiträge mit steigendem
Alter erhöht werden.
Andernfalls sind sie so zu bemessen, daß die frühern
Zahlungen ausreichen, um einen
Reservefonds zu bilden, welcher ausreicht,
um das später eintretende
Defizit zu decken. Die Beiträge werden am besten in kleinen
Raten, etwa wöchentlich,
erhoben. Die Unterstützungen können teils in freier Verpflegung in einem
Krankenhaus oder in der eignen
Wohnung, teils in
Gewährung eines Krankengeldes (letzteres besonders zur
Erhaltung derFamilie) bestehen.
Krankenkassen (gesetzl
* 19 Seite 10.154.
Für die Dauer derselben ist gewöhnlich ein nicht zu überschreitendes
Maß von 3 bis 12
Monaten festgesetzt.
Ferner suchen die Krankenkassen, sofern dies gesetzlich gestattet ist, sich durch eine
Karenzzeit (s. d.) gegen Überlastung zu schützen,
indem neueintretende Mitglieder erst nach Verfluß einer bestimmten Zahl von
Wochen unterstützungsberechtigt werden und je
nach
Ablauf
[* 17] einer Erkrankung für eine gewisse Zeit keine Unterstützung gewährt wird, ein
Verfahren,
welches anscheinend hart, aber nicht unbillig ist, wenn die Beiträge entsprechend niedrig und ohne Rücksicht auf
Alter und
Gesundheitszustand bemessen sind.
Sollen die Krankenkassen dauernd leistungsfähig bleiben, so dürfen sie in ihrer
Ausdehnung
[* 18] nicht zu
sehr beschränkt bleiben. Je größer die Zahl der Mitglieder, um so mehr können Beitragsleistung und
Unterstützung miteinander in
Einklang stehen. Allerdings wächst mit der örtlichen
¶
mehr
Ausdehnung auch die Gefahr der Simulation und die Schwierigkeit der Kontrolle. Aus diesem Grund ist eine vollständige Zentralisation
zu vermeiden, dagegen können mit Erfolg verschiedene Krankenkassen Verbände zu ähnlichem Zweck bilden, den die Versicherungsgesellschaften
durch die Rückversicherung erstreben. Oft gewähren Hilfsgesellschaften außer der Beihilfe bei Erkrankung ihrer Mitglieder
auch noch anderweite Unterstützungen, wie Pension für Witwen, Waisen, Invaliden etc. Dadurch laufen sie
aber leicht Gefahr, leistungsunfähig zu werden.
Das Anrecht auf Pension bedingt dauernde Zugehörigkeit zur Kasse und ununterbrochene Zahlung der Beiträge; bei Krankenkassen ist dies
weniger nötig, während eine Unfallversicherung jeweilig auf Zeit abgeschlossen werden kann. Dazu kommt der
Mangel an Seßhaftigkeit und der Umstand, daß es zur Zeit an genügenden Unterlagen zur richtigen Bemessung von Beiträgen
und Leistungen fehlt. Etwas andres ist es, wenn diese anderweiten Zwecke nur in begrenztem Umfang erstrebt werden, wie bei
den Begräbniskassen. Dieselben gewähren eine bestimmte Beihilfe an Hinterbliebene, insbesondere zur Deckung der
Beerdigungskosten, und können ohne Bedenken mit Krankenkassen zu Kranken- und Begräbniskassen verbunden werden.
Das Krankenkassenwesen wurde in neuerer Zeit in Deutschland Gegenstand gesetzlicher Regelung und zwar besonders in der Richtung,
daß der Versicherungszwang, wie er bei den Knappschaften schon früher vorkam (in Preußen 1854 und durch das Berggesetz von 1865 geregelt),
allgemeiner anerkannt und weiter ausgedehnt wurde. Das preußische allgemeine Landrecht legte der Gemeinde die Verpflichtung
auf, für erkrankte Gesellen Sorge zu tragen, wenn hierfür bestimmte Kassen dazu unvermögend waren.
Die Gewerbeordnung von 1845 erteilte den Gemeinden das Recht, durch OrtsstatutKassenzwang, bez. Zwangskassen einzuführen. Diese
Befugnis wurde 1845 und 1854 erweitert (Ausdehnung auf selbständige Gewerbtreibende und auf Lehrlinge
etc.) Daneben bildeten sich später viele Fabrikkassen, Kassen von liberalen und sozialistischen Gewerkvereinen etc. In Süddeutschland
wurde das Hilfskassenwesen im Zusammenhang mit dem Niederlassungs- u. Armenwesen geordnet. So wurden in Bayern
[* 20] 1869 die Gemeinden
zur Sorge für erkrankte Arbeiter verpflichtet, ihnen aber auch das Recht zur zwangsweisen Beitragserhebung
erteilt.
Die Gewerbeordnung von 1869 enthob in Preußen die selbständigen Gewerbtreibenden der Verpflichtung, einer durch Ortsstatut
gegründeten Kasse beizutreten. Im übrigen blieben die betreffenden Landesgesetze in Kraft,
[* 21] doch sollten die Mitglieder freier
Kassen vom Beitrag zu einer Zwangskasse entbunden bleiben. Durch das Hilfskassengesetz vom wurden
endlich allgemeine Normativbestimmungen für Kranken- und Begräbniskassen erlassen, durch deren Erfüllung die Rechte »eingeschriebener
Hilfskassen« (Korporationsrecht, Beschränkung der Haftbarkeit für Schulden auf das Vermögen) erworben wurden.
Die Hilfskassen sollen ausschließlich Krankenkassen sein, können jedoch ein Begräbnisgeld bis zum Zehnfachen der
wöchentlichen Unterstützung gewähren. (Minimalleistung: ⅓-½ des durchschnittlichen gewöhnlichen
Tagelohns für mindestens 13 Wochen, sofern der Erkrankte nicht schon früher wieder arbeitsfähig wurde; Maximalleistung:
das Fünffache der erstern. Karenzzeit zulässig bis zu 13 Wochen, wofür den Mitgliedern ein Anspruch für die gleiche Zeit
nach dem Austritt verbleibt.) Die Organisation derKassen beruht auf genossenschaftlicher Selbstverwaltung; Arbeitgeber,
welche
Zuschüsse leisten, haben das Recht zur Beteiligung.
Das Gesetz vom erteilte Gemeinden und größern Kommunalverbänden das Recht, durch StatutZwangskassen zu errichten,
ohne daß jedoch Mitglieder eingeschriebener Hilfskassen beizutreten brauchten. So gab es denn in Deutschland freie Kassen neben
Zwangskassen und Kassenzwang. Dem Arbeiter, insbesondere wenn er nach einem andern Ort übersiedelte, war
keine Sicherheit geboten, daß ihm in Erkrankungsfällen auch das Mindestmaß der Unterstützung zu teil wurde. Weitere gesetzliche
Bestimmungen über Krankenkassen brachte die Gewerbeordnungsnovelle vom für Innungsmitglieder, ohne daß
durch dieselben jedoch wesentliche Erfolge erzielt wurden.
Letztere wollte man nicht gerade von den Wohlthaten des Gesetzes ausschließen, doch wollte man auch nicht den eigenartigen
Verhältnissen auf dem Land einen schablonenmäßigen Zwang anthun. Durch das Gesetz vom wurde
das Krankenversicherungsgesetz, insoweit es auf Grund eines Ortsstatuts oder der Landesgesetzgebung auf land- und forstwirtschaftliche
Arbeiter Anwendung findet, durch einige den Verhältnissen der Land- und Forstwirtschaft angepaßte Bestimmungen ergänzt,
insbesondere auch bestimmt, daß bei Unfällen von land- und forstwirtschaftlichen Arbeitern die Gemeinde
für die Kosten des Heilverfahrens aufzukommen hat, soweit nicht der Verletzte anderweiten Anspruch auf die gleiche Fürsorge
hat. Das Krankenversicherungsgesetz von 1883 unterscheidet sieben verschiedene Arten der Kassenorganisation, nämlich:
1) freie Kassen und zwar einmal die auf Grund landesrechtlichen Vorschriften errichteten, dann die eingeschriebenen Hilfskassen,
für welche ein neues Gesetz erlassen wurde;
Die ersten sechs Organisationen stellen »organisierte Kassen« dar, während die letzte eine Mittelstellung zwischen diesen
und einer Wohlthätigkeitsanstalt einnimmt. Knappschafts-, Innungs- und freie Kassen wurden durch das Gesetz
im wesentlichen nicht berührt. Die Betriebskassen, welche für die Aufnahme der bei einem Unternehmer Beschäftigten
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