Maßstab 1:25,000.
Die Zahlen im Wasser bezeichnen die Meerestiefen in Metern.
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Reliefplatten die Kreuzfahrer abrissen; zwischen beiden die berühmte Schlangensäule, welche einst den Untersatz zu jenem goldenen Dreifuß bildete, welchen die Griechen nach dem Sieg von Platää in Delphi weihten.
[Moscheen und Kirchen.]
Unter den zahlreichen Moscheen behauptet die Sophienmoschee (die ehemalige Sophienkirche, Hagia Sofia, s. Tafel »Baukunst VII«, [* ] Fig. 9-12) den ersten Rang. Sie wurde von Konstantin 325 der heiligen Weisheit (woraus man später eine Persönlichkeit machte) geweiht, dann durch Feuer zerstört und unter Justinian I. von Anthemius von Tralles, Isidor von Milet und Ignatius größer und prächtiger wieder hergestellt. Die kostbarsten Marmor-, Porphyr- und Granitarten wurden aus allen Teilen des römischen Reichs herbeigeschafft, z. B. acht Porphyrsäulen aus dem Tempel von Baalbek und acht grüne Brecciensäulen aus dem Dianentempel zu Ephesos.
Aber schon nach elf Jahren zerstörte ein Erdbeben die östliche Hälfte der Kuppel und beschädigte das Innere. Der Dom wurde zwar wiederhergestellt, aber ohne die vorige Pracht. Später wurde die Sophienkirche von den Lateinern geplündert. Infolge der Eroberung der Stadt durch Mohammed II. fiel sie in die Hände der Türken und ward nun in eine Moschee verwandelt. Mohammed ließ ein Minaret und die beiden Strebepfeiler an der Südostseite errichten; Selim II. fügte ein zweites Minaret hinzu, Murad III. die beiden andern.
Ein von Murad III. aufgepflanzter riesiger bronzener Halbmond prangt auf der Hauptkuppel des Riesenbaues. Letztere ist sehr flach gewölbt und von noch acht niedrigern Kuppeln, zwei größern und sechs kleinern, die allmählich zur Hauptkuppel ansteigen, umgeben. Der Blick in das Innere zeigt eine Menge von kolossalen Säulen, zwischen denen die mit weißem Marmor und Porphyr bekleideten Wände sichtbar sind. Im untern Raum der Kirche befindet sich in einer weiten Nische der mit vergoldeten Inschriften versehene Behälter des Korans. In einer Nische rechts ist eine Tribüne für die Geistlichen, links die mit einem vergoldeten Gitter geschlossene Loge des Sultans.
Große grüne Schilde mit den Namen des Propheten und der vier ersten Kalifen sind an den Wänden aufgehängt. In den Nächten des Ramasan wird die Kuppel mit Tausenden von Lampen prachtvoll erleuchtet. Den Grundriß der Kirche bildet ein fast gleichschenkeliges Kreuz (76 m lang, 71 m breit), in dessen Mitte sich die Hauptkuppel erhebt. Die Höhe der Hauptkuppel über dem Fußboden beträgt im Innern 67 m, der Durchmesser 25 m. Ihr Licht empfängt sie durch 44 Fenster. Die Mosaiken auf Goldgrund sind jetzt übertüncht, soweit sie die durch den Islam verpönten menschlichen Figuren zeigen.
Die Kleine Hagia Sofia, die frühere Kirche des heil. Sergius und heil. Bachus, ein von einer Kuppel überdecktes Oktogon, wurde von der Kaiserin Theodora, der Gemahlin Justinians I., erbaut. Außerdem gibt es noch an 20 Moscheen, welche früher christliche Kirchen waren und von Mohammed II. in Moscheen verwandelt wurden. Unter den zehn von Sultanen erbauten und nach ihnen benannten ist die schönste die Moschee Solimans, die Suleimanije (1550-66 vom Architekten Sinan mit dem Material der Euphemiakirche von Chalcedon erbaut).
Sie ist ein Meisterstück türkischer Baukunst, ohne jedoch den fremden Ursprung zu verleugnen; das ganze Kuppelsystem ist dem der Hagia Sofia nachgebildet. An den großen Mitteldom schließen sich im O. und W. je eine Halbkuppel von geringerer Höhe an. Zu beiden Seiten rechts und links wölben sich fünf kleinere Kuppeln von verschiedener Größe. Die Kuppel ist 5 m höher als die der Sophienkirche, aber von gleichem Durchmesser. An der Westseite liegt ein quadratischer Vorhof mit einem Portikus von 24 Porphyr- und Granitsäulen und mit einer Fontäne in der Mitte.
Auf der Ostseite grenzt ein gartenähnlicher Friedhof an die Moschee, in welchem sich die Grabmäler (Türbe) des Sultans Suleiman und seiner Gattin Churrem (Roxelane), zwei nicht minder ausgezeichnete Prachtstücke türkischer Baukunst, befinden. Von den übrigen Moscheen sind bemerkenswert: die Achmed-Moschee (Ahmedije) auf dem Atmeidan (1610 von Achmed I. erbaut), mit sechs Minarets;
die Bajesid-Moschee (von 1505);
die Moschee Mohammeds des Eroberers (Mohammedije, 1469 auf dem Fundament der alten Apostelkirche erbaut);
die Moschee Selims I.;
die Jeni-Dschami (Neue Moschee) oder Moschee der Sultan-Walide;
die Schahsade- und die Laleli-Moschee, die Nuri-Osmanije, die Moschee Kachrije, ehedem christliche Klosterkirche mit wertvollen (neuerdings aufgedeckten) Darstellungen in Mosaik und Stuck;
die Seirek-Dschami (ehedem die Pantokratorkirche) u. a. Die griechisch-katholische Hauptkirche und der Sitz des ökumenischen Patriarchats befinden sich in der nördlichen Gegend der Stadt, am Hafen, wo das Fanar (s. d.) genannte Quartier der Griechen liegt.
Außerdem gibt es noch 40 griechische Kirchen, Klöster und Kapellen.
[Paläste und öffentliche Gebäude.]
Unter den Residenzschlössern der Sultane und den öffentlichen Gebäuden der Stadt steht in erster Linie das alte Serail oder Serai (»Palast«),
ein ganzes Stadtviertel, das die südöstlichste Spitze von Konstantinopel einnimmt. Hier lagen das alte Byzanz und die Akropolis; später befanden sich an dieser Stelle der Palast der Kaiserin Placidia, weiter gegen O. die Bäder des Arcadius, die Kirche des heil. Demetrios und die der Mutter Gottes Hodegetria; der große Palast der griechischen Kaiser lag etwas weiter südlich und nahm nur einen Teil der Gärten des Serails ein. Die Gebäude des heutigen Serails wurden von Mohammed II. errichtet und dienten als Wohnung der Sultane.
Nachdem der Sultan Abd ul Medschid seine Residenz nach Dolma-Baghtsche verlegt hatte, war das Serail der Wohnsitz der frühern Sultaninnen, die bisher im sogen. Eski-Serai (s. unten) residiert hatten, bis zum großen Brand von 1865. Der größte Teil des Palastes ist verbrannt; doch sind die Säle, welche ein historisches Interesse bieten, verschont geblieben. Das Serail ist von allen Seiten mit einer krenelierten und von viereckigen Türmen flankierten Mauer umgeben, die nach der Seeseite hin zugleich die Stadtmauer bildet, längs deren sich ein steiniges Ufer hinzieht.
Den ungeheuern von dieser Mauer umschlossenen Raum nehmen große, hauptsächlich mit Cypressen bestandene Gärten ein, in denen sich ganz unregelmäßig Gebäude und Kioske von einfacher, aber geschmackvoller Bauart erheben. Die Hauptgebäude befinden sich auf dem Gipfel des Hügels; neben denen, welche der Brand verschont hat, stehen noch die Ruinen derjenigen, welche er zerstörte. Insbesondere unterscheidet man von draußen einen ziemlich hohen viereckigen Turm und eine größere Anzahl von kleinen Kuppeln. Durch das Hauptthor, Babi-Humaiun, in dessen Nähe der reizende Brunnen Achmeds III. sich befindet, gelangt man in den ersten Hof, den der Janitscharen, wo sich die Münze (Zarbhane) und die ehemalige, von Konstantin d. Gr. erbaute, dann nach einem Brand von Leo dem Isaurier restaurierte Kirche der heil. Irene (seither als
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Waffenmuseum benutzt) sowie seit kurzem auch das Antiquitätenmuseum (im Tschinili-Kiosk) und die Kunstschule befinden. Ein zweites Thor (Orta-Kapussi) führt zu einem andern, von Säulen umgebenen Hof, an dessen hinterer Fronte der Sultan früher bei großen Festen Empfang hielt. Ein drittes Thor, Babi-Seadet (»Pforte der Glückseligkeit«) genannt, führt zu dem innersten Hof und dem Diwansaal, wo die Versammlungen des Reichsrats stattfanden, und wo die Gesandten Audienz erhielten.
Hier befindet sich auch der kaiserliche Schatz. Die Ereignisse, welche dem Regierungsantritt Mahmuds II. (s. d.) vorangingen, bestimmten ihn, das Serail zu verlassen. Er bezog den 1679 erbauten Palast von Beschiktasch in der Vorstadt gleichen Namens. In unmittelbarer Nähe desselben liegt der Palast von Dolma-Baghtsche, welchen Sultan Abd ul Medschid (s. d.) erbaut und zu seiner definitiven Residenz gemacht hatte. Der Palast zeigt in seinem Äußern eine Vermischung aller Stile und einen überladenen Reichtum an Ornamenten.
Das Innere ist nach modernem Geschmack dekoriert und enthält außer schönen Wohnräumen einen prachtvollen Thronsaal von außergewöhnlicher Höhe. Noch prächtiger ist der von Sultan Abd ul Asis 1863-67 erbaute, zwischen den Dörfern Beschiktasch und Ortaköj am Ufer des Bosporus gelegene Palast von Tschiraghan. Der jetzige Sultan, Abd ul Hamid II., residiert in dem über Beschiktasch auf der Höhe gelegenen Palast von Jildis; vor dem Thor desselben erhebt sich eine schöne, im J. 1886 erbaute Moschee (Hamidije genannt) von eleganten architektonischen Formen.
Von den öffentlichen Gebäuden in Konstantinopel ist zunächst hervorzuheben: die Hohe Pforte (Babi-Ali, auch Pascha Kapussi, d. h. Pforte des Paschas, genannt), in welcher die Bureaus des Großwesirats, der Ministerien des Äußern und des Innern und diejenigen des Staatsrats sich befinden. Dieselbe liegt neben den Mauern des Serail nach der Stadt hin und macht, vom Goldenen Horn aus gesehen, einen imposanten Eindruck. Das Hauptthor ist mit Marmorpfeilern geschmückt und trägt an der Spitze eine türkische Inschrift.
Bei der Hagia Sofia liegt das große von Sultan Abd ul Medschid 1847 erbaute, Dar ul Funun (»Haus der Wissenschaften«) genannte Gebäude (so benannt, weil der Erbauer es zu einer Universität bestimmt hatte), in welchem jetzt verschiedene Ministerien untergebracht sind. Ferner ist das Seraskierat (Kriegsministerium) zu erwähnen, das im Innern der Stadt auf dem Platz des Eski-Serai oder des Alten Serails steht, das nach der Eroberung von Konstantinopel anfangs vom Sultan Mohammed II. bewohnt wurde, dann, wie schon erwähnt, den frühern Sultaninnen zur Wohnung diente.
Das Gebäude nimmt einen weiten Raum ein, in welchen man durch zwei Thore gelangt. Seitwärts von dem einen Hauptthor (nach dem Platz Bajesid) sind zwei Pavillons angebracht, in welchen der Sultan bisweilen bei Paraden und Festlichkeiten Platz nimmt. Die Gebäude selbst sind neu und im modernen Baustil gehalten. Gegen die Mitte des weiten Hofs hin ragt ein hoher Turm, dessen Spitze, der höchste Punkt Konstantinopels, eine großartige Rundschau gewährt. Das sogen. Schloß der sieben Türme (Heptapyrgion, türk. Jedi-Kule), worin ehemals bei ausgebrochenem Krieg die Gesandten der feindlichen Mächte eingesperrt wurden, liegt am äußersten Südwestende der Stadt, unweit des Meers. Es ist ein ziemlich regelmäßiges Fünfeck, von starken Mauern gebildet, in dessen Winkeln runde Türme standen; seine jetzige Gestalt erhielt es erst durch Mohammed II. In früherer Zeit diente es zur Aufbewahrung des Staatsschatzes, dann als Staatsgefängnis.
[Bazare, antike Überreste.]
Konstantinopel hat eine beträchtliche Anzahl von offenen Märkten und gedeckten Bazaren (Besestan), die mit allem, was der Orient Kostbares hat, angefüllt sind. Ziemlich in der Mitte der Stadt liegt der Große Bazar, der aus vielen gewölbten Hallen besteht. Der interessanteste Teil desselben ist der Bazar der Waffenhändler, wo Waffen aller Art, alte und neue, zum Gebrauch oder als Schaustücke aufgehängt sind. Die Läden mit Waren derselben Art befinden sich immer nebeneinander.
Der Verkauf von Negerkindern und Tscherkessenmädchen findet nur noch im geheimen statt. Außer den eigentlichen Märkten gibt es auch Chane oder Karawanseraien, eine Art Hotels für Wechsler und Großhändler, welche hier ihre Geschäfte betreiben. Es sind meist viereckige, einen Hof einschließende Gebäude, innerhalb mit vielen Zellen und Säulengängen versehen, gewöhnlich fromme Stiftungen, welche zu Moscheen, Spitälern, Schulen u. dgl. gehören, denen ihr Ertrag zu gute kommt.
Außer den schon gelegentlich erwähnten Denkmälern alter Kunst haben sich wenige Überreste aus dem Altertum erhalten. Die sogen. Verbrannte Säule (türk. Dschemberli-Tasch), so genannt, weil sie von den Feuersbrünsten viel gelitten hat, in der neu hergerichteten Hauptstraße, hieß früher die purpurne Säule und besteht aus neun Cylindern von rotem Porphyr. Ursprünglich 55 m hoch und die eherne Statue des Kaisers Konstantin, der als Apollo-Helios dargestellt war, tragend, wurde sie unter Alexios Komnenos vom Blitz getroffen und zweier Cylinder sowie der Statue beraubt, aber durch den Kaiser Emanuel Komnenos (1180) wiederhergestellt.
Die Säule des Kaisers Marcian (Kys-Tasch genannt), ziemlich im Mittelpunkt der Stadt, ist 15 m hoch; ihr Kapitäl und Fußgestell sind aber sehr beschädigt. Die schönste Säule von allen, nämlich die, welche Arcadius seinem Vater Theodosius zu Ehren 401 errichten ließ, und welche nach Art der Trajanssäule in Rom mit Basreliefs bedeckt war, mußte 1695 abgetragen werden; man sieht nur noch die Basis, einen kolossalen Marmorblock (jetzt Awret-Tasch genannt). Von den herrlichen Palästen der griechischen Kaiser, z. B. dem Bukoleon, in der Nähe des Atmeidan, sind kaum noch Spuren vorhanden; nur von einem, dem Hebdomonpalast (jetzt Tekir- oder Tekfur-Serai, »Palast des Prinzen«),
am nördlichen Ende der Stadt, sind noch ausgedehnte Ruinen übrig. Ferner gehören hierher die Überreste des Palastes Blachernä und der berühmten Blachernenkirche der heiligen Jungfrau, mit einem heiligen Quell (Hagiasma), sowie die korinthische Säule, welche zum Andenken eines Siegs über die Goten unter Claudius II. errichtet ward und in einem Garten des Serails steht. Die meisten der antiken und mittelalterlichen Statuen und Basreliefs sind jedoch von den Türken verstümmelt worden; auch richteten die venezianischen u. französischen Kreuzfahrer, welche 1204 Konstantinopel eroberten, unter ihnen große Verwüstungen an. Noch sind die alten Zisternen und Wasserleitungen zu erwähnen, von denen eine noch heute benutzte, die sogen. Wasserleitung des Valens (türk. Bosdoghan Kemeri), bis zu Hadrians Zeiten hinaufreicht, andre von den spätern griechischen Kaisern herrühren. Am bekanntesten sind außerdem die Zisterne Basilika (Jere-Batan Serai), die der Tausendundeinen Säule (Binbir-Direk) und die Wasserleitung
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Justinians, die beim Thor Egri-Kapu in die Stadt kommt und sich hier in zwei Arme teilt, welche am Schloß der sieben Türme u. an der Hagia Sofia enden.
[Vorstädte.]
An dem südlichen Anfang des Bosporus liegt gegenüber dem Serail die Vorstadt Top-Hane (»Arsenal«, eigentlich »Kanonenfabrik«),
so nach den dort befindlichen Geschütz- und Kugelgießereien genannt. Hart an Top-Hane stößt westlich die große Vorstadt Galata, an der rechten oder nördlichen Seite des Hafens, dem Serail gegenüber, fast eine Stunde im Umfang haltend, im Altertum Begräbnisplatz, im Mittelalter von den Genuesen, gegenwärtig vornehmlich von Griechen bewohnt. Galatas Hauptzierde ist ein 141 Stufen hoher Feuerturm (Galata kulessi), von welchem man die ausgebreitete Aussicht über Konstantinopel und die ganze Umgebung hat.
Galata wimmelt von Handelsleuten, Karrenführern, Lastträgern, Seeleuten etc. und hat steinerne, gewölbte und mit eisernen Thüren versehene Warenmagazine. Nördlich von Galata dehnt sich in höherer Lage die Vorstadt Pera (»jenseits«) aus, der eigentliche Sammelplatz der Europäer und das Hauptquartier der Gesandten und Diplomaten. Hauptverkehrsader in derselben ist die sogen. »große Perastraße« (grande rue de Pera). Hier hat man auch auf europäischem Fuß eingerichtete Gasthöfe, Theater, Vergnügungslokale, Konditoreien, Kasinos, elegante Kaufläden, Buchhandlungen, europäische Postämter, Schulen, Brauereien, Spitäler, Kirchen etc. Überhaupt bietet Pera das Ansehen einer italienischen Stadt mit engen Straßen.
Sie enthält auf der Höhe zum Teil prachtvolle Paläste (unter denen die Hotels der russischen, der französischen, der englischen und der deutschen Botschaft, das Galata Serai, das Munizipalitätshotel, die Artilleriekaserne zu nennen sind) mit der Aussicht auf die Stadt und das Meer. Im J. 1870 wurde Pera zur Hälfte durch Feuersbrunst zerstört; seitdem dürfen die Häuser nur noch in Stein erbaut werden. Weiter aufwärts am Nordufer des Goldenen Horns liegt die Vorstadt Kassim Pascha, in welcher sich das nach Anleitung abendländischer Offiziere trefflich eingerichtete Schiffsarsenal (Ters-Hane) befindet, ein mit einer Mauer umgebener weitläufiger Bezirk, zu welchem auch das Admiralitätsgebäude, der Kriegshafen und das Bagno gehören. An diese Vorstadt stößt östlich die Vorstadt St. Dimitri, in das obere, meist von Griechen bewohnte Tatavla und das untere Jenischehr zerfallend, letzteres mit sehr gemischter und schmutziger Bevölkerung.
Oberhalb der Vorstädte St. Dimitri und Kassim Pascha liegt das ausgebreitete Judenquartier Hasköj. Es folgen die Quartiere Piri Pascha, Chalidschi Oglu und Südlüdsche und nördlich davon, da wo das Goldene Horn sich flußartig verengt, das »Thal der süßen Wasser« (türk. Kiahat-Hane), welches mit seinen frischen Wiesen und Bäumen Freitags ein beliebter Erholungsort der türkischen Frauen ist. Hier liegt auch ein Sommerpalast der Sultane mit Park. Im NW. des Stambuler Dreiecks, am Nordende des Goldenen Horns, liegt die Vorstadt Ejub, welche ihren Namen von dem Fahnenträger des Propheten führt, der hier 668, während der ersten Belagerung Konstantinopels durch Mohammedaner, getötet sein soll.
Die Türken bauten hier später über seinem angeblichen Grab eine Moschee, in welcher der Sultan bei seinem Regierungsantritt mit dem Säbel Osmans umgürtet wird, eine Zeremonie, welche die Stelle der Krönung vertritt. Auf der asiatischen Küste liegt gegenüber von Galata und Pera Skutari oder Asküdar (s. Skutari 2); vor der Stadt liegt auf einem 25 Schritt langen und 22 Schritt breiten Felsen der sogen. Leanderturm, von den Türken Kys-Kullessi (»Mädchenturm«) genannt, der aber nicht mit der Sage von Hero und Leander in Verbindung gebracht werden darf. Er hieß im Altertum Damalis, und auf ihm sollte Io gerastet haben; 1143 wurde er neu erbaut behufs Absperrung des Bosporus mit einer eisernen Kette.
Seine jetzige Gestalt erhielt er durch Mahmud II. und Achmed III. An Skutari schließt sich südlich die vorzugsweise von Griechen, Levantinern und Europäern bewohnte volkreiche Stadt Kadiköj (das alte Chalcedon, berühmt durch das daselbst im J. 451 n. Chr. abgehaltene allgemeine Konzil). Südlich davon liegen im Marmarameer die sieben sogen. Prinzeninseln (s. d.), von denen namentlich die vier größern mit Dörfern, Gärten, Landhäusern und Klöstern bedeckt sind. Auch am Bosporus (s. d.) reiht sich Ort an Ort, und darüber erheben sich zwischen Wäldchen, Gärten und Weinbergen Landhäuser und Kioske, während von den Gipfeln Burgen und Ruinen der byzantinischen Vorzeit herabblicken.
Bevölkerungsverhältnisse.
Konstantinopel zählt samt den Vorstädten und den Orten längs des Bosporus nach der neuesten offiziellen Zählung (1885) 71,085 Wohnhäuser, wovon aber die meisten klein und schlecht gebaut und nur von je einer Familie bewohnt sind, da das Familienleben der Osmanen nicht gestattet, Fremden einen Teil des Hauses einzuräumen, außerdem 483 Hans (Kaufhäuser), 24,205 Kaufläden und Magazine, 2441 Moscheen, 112 Kirchen orientalischer Riten, 36 Synagogen, 733 Schulen, 260 mohammedan. Klöster, 169 Bäder und 11,227 Gärten und Grundstücke.
Die Zahl der Bewohner des gesamten Stadtbezirks beträgt nach derselben Zählung 873,565 (wobei jedoch die Bevölkerung der Prinzeninseln und der bei Konstantinopel gelegenen Dörfer an der Küste des Marmarameers, wie z. B. San Stefano, Makriköj, Erenköj, Maltepe, Kartal, Pendik, nicht mitgerechnet ist), wovon auf Stambul 389,545, auf Pera, Galata, Top-Hane und die Vororte am Goldenen Horn 237,293, auf das europäische Ufer des Bosporus 99,102, auf Skutari, Kadiköj und das asiatische Ufer des Bosporus 147,625 kommen.
Von der Gesamtzahl sind 55 Proz. Türken, die übrigen Griechen, Armenier, Juden, eingeborne Franken und Fremde. Die Griechen haben gewisse Quartiere Stambuls, wie den Fanar, Psamatia, Kumkapu, und die Vorstädte Pera und Galata inne, wiewohl sie auch in allen übrigen Teilen der Hauptstadt und insbesondere in den Dörfern am Bosporus zerstreut wohnen. Sie sind Bankiers, Kaufleute, Ärzte, Architekten, Schiffer; auch findet man sie in allen Zünften und mechanischen Gewerben vertreten.
Die glänzende Aristokratie, welche ehemals im Fanar ihren Sitz hatte, siedelte nach dem griechischen Aufstand meist nach Griechenland über, teils wurde sie überallhin in die Provinzen des Reichs zerstreut. Die orthodoxe griechische Kirche hat in Konstantinopel ihr Oberhaupt, welches den Titel: »Archiepiskopos von Konstantinopel und ökumenischer Patriarch« mit dem Beiwort »der Allerheiligste« führt und an der Spitze der aus zwölf Bischöfen zusammengesetzten heiligen Synode steht. Die Armenier bewohnen in Stambul die Quartiere von Jedi Kule, Kumkapu u. a., sind aber auch in Pera, Galata und andern Quartieren der Stadt angesiedelt. Vielfach arbeiten sie als Lastträger. Sie sind zum Teil reicher als die Griechen, führen die Aufsicht über die Bazare, und die Großen des Reichs wählen aus ihnen ihre Geschäftsführer und Lieferanten. Die in Konstantinopel
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wohnenden Juden stammen von den spanischen ab, welche unter der Regierung Ferdinands und Isabellas aus Spanien vertrieben wurden. Sie haben die spanische Sprache beibehalten und bewohnen vorwiegend die Quartiere Balat, Hasköj und Galata sowie die Bosporusdörfer Kusgundschuk und Ortaköj. Ihr Oberhaupt ist der Großrabbiner (Chacham baschi), der von den Notabeln erwählt wird und die gleiche Rangstellung hat wie die Patriarchen der christlichen Gemeinden; ihm zur Seite steht ein aus 6 Mitgliedern (3 Rabbiner und 3 Laien) bestehender Gemeinderat und ein geistliches Gericht (bêt-dîn) von 3 Mitgliedern.
Die Europäer (Franken) bewohnen Pera. Es besteht hier eine römisch-katholische Gemeinde mit etwa 10 Kirchen nebst einigen Kapellen und 6 Klöstern, unter einem Erzbischof und Patriarchen, sowie eine englische und eine protestantische Gemeinde mit mehreren Kirchen. Das Leben in Konstantinopel ist sehr einförmig; Vergnügungen und Zerstreuungen, welche andre europäische Hauptstädte bieten, sucht man, von Pera und Galata abgesehen, vergeblich. Die vorzüglichsten Versammlungsorte der Türken sind die Kaffeehäuser; Schenken werden von Christen und Juden unterhalten.
Eine bedeutende Rolle spielen die Bäder, deren es fast für jeden Stand besondere gibt. Gesellige Vergnügungen kennt der Morgenländer nicht, doch lauscht er mit großer Vorliebe den Erzählern von Märchen und Geschichten und ergötzt sich an den plumpen Späßen der Marionetten. Spazierengehen ist nicht gebräuchlich, und Promenaden findet man in den Umgebungen Konstantinopels nur wenige. Dagegen sind Spazierfahrten in Booten auf dem Bosporus und nach den Prinzeninseln sehr beliebt. Mit großem Geräusch aber werden die beiden Hauptfeste der Türken, das Beiram am Ende des Fastenmonats Ramasan und das Kurban-Beiram, gefeiert.
Wohlthätigkeits- und Bildungsanstalten.
Unter den Wohlthätigkeitsanstalten sind die Imarets oder Armenküchen die merkwürdigsten, in denen Tausende von Armen, ferner die Studenten und Moscheendiener täglich unentgeltlich gespeist werden. Außerdem gibt es Hospitäler zur Aufnahme kranker und obdachloser Armen. Die kaiserliche Garde hat zwei Hospitäler; für die Seeleute besteht eins im Arsenal. Auch ein Asyl für Geisteskranke ist vorhanden. Von europäischen Wohlthätigkeitsanstalten sind zu nennen: ein deutsches (1877 neu gebaut), ein englisches, ein französisches, ein italienisches und ein österreichisches Hospital, in welche arme kranke Landsleute unentgeltlich aufgenommen werden.
Von Bildungsanstalten zählt Konstantinopel 177 Medressen, d. h. mohammedanische Lehranstalten, in welchen die jungen Leute unentgeltlichen Unterricht in den für ihren künftigen Stand nötigen Wissenschaften erhalten, namentlich auch die Ulemas (Gesetzgelehrten) gebildet werden; sie sind meist mit den Moscheen verbunden. Sehr viel verdankt das Studienwesen der Organisation, welche Mohammed II. einführte. Staatsanstalten sind: eine Kriegsschule in der Vorstadt Pankaldi, eine Marineschule auf der naheliegenden Insel Chalki, eine Zivilschule, das kaiserliche Lyceum von Galata Serai, eine Zivilmedizinschule, eine Forst- und Bergschule, eine Sprachenschule, eine Rechtsschule, eine Ingenieurschule, 9 militärische Vorbereitungsschulen (ruschdïe askerïe), 20 Normalschulen (ruschdïe milkïe) für Knaben und 11 für Mädchen.
Seit 1880 existiert auch ein Antikenmuseum. Die Griechen besitzen einen wissenschaftlichen Verein (Philologikos Syllogos), die griechische große Nationalschule, die griechische theologische Schule und eine Handelsschule auf der Insel Chalki, mehrere Lyceen und höhere Töchterschulen. In den niedern türkischen Schulen wird unentgeltlicher Unterricht in der Religion, im Lesen, Schreiben und Rechnen erteilt (1882 erhielten in Konstantinopel überhaupt 7612 Knaben und 5761 Mädchen Unterricht in Schulen).
In den öffentlichen Bibliotheken, deren man 45 zählt, sind zum Teil überaus prächtige Manuskripte des Korans, Kommentare darüber, astrologische, medizinische und juridische Schriften, Geschichtswerke, Wörterbücher und Gedichte der morgenländischen Litteratur zu finden. Außer den schon seit langem bestehenden rabbinischen und armenischen sowie mehreren europäischen Druckereien besteht auch eine solche für türkische, arabische und persische Werke (Staatsdruckerei), die bis zur Gründung ähnlicher Anstalten in Ägypten und Persien die einzige war, welche den Muselmanen Werke ihrer Litteratur verschaffte.
Sie ward 1727 gegründet, 1746 aufgehoben, 1784 wiederhergestellt und nach Skutari verlegt; jetzt befindet sie sich hinter dem Atmeidan. Außerdem bestehen jetzt noch gegen 20 türkische Druckereien, ferner verschiedene armenische und griechische. Offiziellen Nachweisungen zufolge erscheinen gegenwärtig in Konstantinopel gegen 40 Zeitungen, in türkischer (2 in arabischer, eine in persischer), in griechischer, in armenischer, in bulgarischer, in jüdisch-spanischer und in französischer, bez. englischer Sprache. Als Reichshauptstadt ist Konstantinopel Sitz aller obersten Reichsbehörden sowie des Scheich ul Islam und eines deutschen Berufskonsuls.
Industrie und Handel.
Eine Großindustrie nach europäischen Begriffen gibt es in Konstantinopel nicht. Mit Ausnahme einiger Phantasieartikel, welche von den Reisenden als Andenken gekauft werden, wird nichts zur Ausfuhr geliefert; die Gewerbtreibenden, teils Türken, teils Griechen, Armenier oder Juden, arbeiten einzig für den Lokalbedarf. Dabei werden die Grenzen des handwerksmäßigen Betriebs nur bei einem einzigen Industriezweig überschritten, der Mehlproduktion, welche von einer Anzahl Dampfmühlen (unter englischen und französischen Maschinisten) betrieben wird, von denen zwei jährlich bis zu 20 Mill. kg Mehl liefern.
Außerdem gibt es einige Kupfer- und Eisengießereien, Maschinen-, Möbelfabriken, eine Seidenfabrik (in Hereke), eine Fesfabrik, eine Glasfabrik, eine Eisfabrik, eine Thonwarenfabrik, Brauereien und Brennereien, mehrere Druckereien, Ölfabriken und Sägemühlen, teils in, teils außerhalb der Stadt. Die kaiserlichen Eisen- und Kanonengießereien, Pulverfabriken, Schiffswerkstätten etc. arbeiten ausschließlich für die Armee und Marine. Für den Handel hat Konstantinopel vermöge seiner Lage eine besondere Bedeutung: es ist der Stapelplatz zwischen Orient und Occident, der Hauptbazar der Levante.
Indessen ist es bei der geringen Kontrolle und der mangelhaften Organisation der türkischen Verwaltungsbehörden sehr schwierig, statistische Mitteilungen darüber zu geben; auch fällt der Handel der Hauptstadt vielfach mit demjenigen der Provinzen zusammen. Der Wert des Gesamthandels von Konstantinopel betrug 1884 ca. 236 Mill. Frank, wovon 186 Mill. auf Einfuhr und 50 Mill. auf Ausfuhr kommen. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind: Getreide, Ölsamen, Harze, Gummi-Tragant, Skammonium, Salepwurzel, Tabak, Hanf, Kreuzbeeren, Safran, Bauholz, Buchsbaumholz, Meerschaum, Blutegel, Pökelfleisch, Felle, Leder, Horn, Wolle, gesalzene Schafdärme, Baumwolle, Brussaseide, Krapp, Teppiche, Mohair, Seife, Fette, Rosenessenz und Opium; die wichtigsten Einfuhrartikel:
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Kohle, Eisen und Stahl, Kaffee, Bau- und Brennmaterialien, bearbeitete Felle, Gewebe, Tuche, Papier, Mehl, Wein, Bier, Zucker (überwiegend aus Österreich), Spiritus, Stearinkerzen, Zündwaren, Glas, Porzellan und Steingut, Bücher und Drucksachen, Fesse, Farben, Kurzwaren, Silber- und Goldwaren, Bijouterien, Arzneien, Parfümerien, Möbel, Waffen, Kleider- und Modeartikel.
Der Schiffsverkehr Konstantinopels hat sich im letzten Jahrzehnt in Bezug auf die Tonnenzahl erheblich vermehrt, während die Zahl der ein- und ausgelaufenen Schiffe abgenommen hat, da neuerdings die Segelschiffe durch die weit umfangreichern Dampfer verdrängt sind. Die Zahl der im Finanzjahr 1885 im Hafen von Konstantinopel eingelaufenen Seeschiffe betrug 12,525 mit 7,300,207 Ton. Der Anteil der britischen Flagge war stärker als der der übrigen Staaten insgesamt. Außerdem liefen in der Küstenfahrt und im Lokalverkehr 19,146 Fahrzeuge mit 201,022 Ton. ein.
Eine Börse besteht in Galata, ebenso seit 1882 eine Handelskammer. Außerdem haben die fremden Dampfschiffahrtsgesellschaften hier Agenturen. Die erste Bankanstalt der Türkei trat im Juni 1849 hier ins Leben, sie wurde 1853 mit einem Aktienkapital von 200 Mill. türk. Piaster in die Banque impériale ottomane umgewandelt. Der gesetzliche Zinsfuß beträgt (seit 1887) 9 Proz. im Jahr; doch zahlt in Wirklichkeit die Regierung bis 20 (früher bis 80), der Privatmann bis 25 (früher bis 40) Proz.
Geschichte.
Das alte Byzantion (s. d.), um 658 v. Chr. gegründet, blieb, durch Kriege und von wilden Nomadenhorden heimgesucht, lange unbedeutend, bis Kaiser Konstantin d. Gr. (s. d.) die Stadt wegen der Vorzüge ihrer Lage unter dem Namen Konstantinopolis oder auch Roma nova (Neurom) an Stelle des alten Rom zur Hauptstadt des römischen Reichs erhob; 326 fand die Grundsteinlegung der westlichen Ringmauer statt, 11. Mai 330 die feierliche Einweihung der neuen Stadt: zwei große Plätze im Innern waren mit Säulengängen und Statuen geschmückt, und im Hippodrom stand die Schlangensäule, die aus Delphi hierher verpflanzt ward, wie denn das ganze Reich seiner besten Kunstschätze beraubt wurde, um die neue Residenz zu zieren.
Der kaiserliche Palast war ein großartiger Gebäudekomplex. Die Ansiedelung von Bewohnern wurde befördert, indem die Bürger von Neurom die Vorrechte Altroms erhielten: die Ratsherren hießen Senatoren, das Bürgerrecht gewährte dieselben Vorteile an Spenden und Belustigungen. Bald zählte Konstantinopel 14 Regionen, aber es fehlte der Bevölkerung, einem Völkergemisch, jede nationale Einheit, alle geschichtliche Erinnerung. Auch Mittelpunkt der Bildung sollte Konstantinopel werden.
Die dortige Rechtsschule gelangte bald zu hoher Blüte. Der Bischof von Konstantinopel erlangte den Rang eines Patriarchen und beanspruchte eine Superiorität über die morgenländische Kirche. In Konstantinopel wurden viele Konzile gehalten, von denen die namhaftesten sind: das von 381 gegen die Macedonianer, 553 zur Beilegung des Dreikapitelstreits, 680 gegen die Monotheleten, 692 zur Bestätigung der ältern kirchlichen Observanzen, 754 gegen die Bilderverehrung, 869 gegen den Patriarchen Photius, 879 zu gunsten des Photius.
Seit der Teilung des Reichs 395 war Konstantinopel die Residenz der Kaiser des oströmischen Reichs (s. d.). Unter dem Einfluß eines prunkliebenden, sittenlosen, ränkevollen Hofs entartete die Bevölkerung von Konstantinopel; müßig von Brotspenden lebend und nur der Befriedigung der Sinnenlust in der Rennbahn frönend, spaltete sie sich in zwei Parteien, welche sich nach der Farbe der Wagenlenker die Blauen und Grünen nannten und, obwohl ohne höhere Ziele, einander mit leidenschaftlichem Haß bekämpften.
Unter Justinian I. steigerte sich die Parteiwut zu dem furchtbaren Ausbruch des Nikaaufstandes (s. d.) 532, welcher vom 13. bis 20. Jan. wütete und mit der Niedermetzelung von 30,000 Menschen in der Rennbahn durch Belisar endete. Justinian baute die durch Feuer halb zerstörte Stadt prachtvoll wieder auf und schmückte sie durch zahlreiche reichverzierte Kirchen, vor allen durch die neue Kathedrale, die Sophienkirche. Ihre starken Befestigungen schützten die Stadt vor der Gewalt der Feinde.
Die Avaren drangen mehrmals bis in die Vorstädte von ein; 616 und 626 erschienen die Perser unter Chosroes vor der Stadt. Berühmt sind namentlich die beiden Belagerungen durch die Araber: 668-675, wo die Stadt durch das griechische Feuer gerettet wurde;
717-718, wo sie Leo der Isaurier tapfer verteidigte. 1203 zogen die Kreuzfahrer des vierten Kreuzzugs vor die Stadt, um den durch Alexios entthronten Isaak Angelos wieder einzusetzen.
Längere Zeit verteidigten sich die Bürger unter dem tapfern Theodor Laskaris; als aber Alexios 18. Juli feig entfloh, wurde Isaak aus dem Gefängnis wieder auf den Thron geführt, worauf die Führer des Kreuzzugs in Konstantinopel einzogen und Galata besetzten. Indes die Erbitterung der Byzantiner gegen die Franken, welche sich auch durch eine von ihnen veranlaßte Feuersbrunst, die einen großen Teil der Stadt zerstörte, verhaßt machten, führte im Februar 1204 zu einer Empörung, bei der Isaak und sein Sohn Alexios ihren Tod fanden.
Der neue Kaiser Murzuphlos wurde sofort von den Kreuzfahrern bekriegt, welche Konstantinopel nach hartnäckigem Kampf 12. April erstürmten. Furchtbar wüteten nun die rohen Sieger, mordeten und plünderten, selbst die Kirchen; die herrlichsten Kunstschätze wurden mit rohem Vandalismus zerstört, andre weggeführt, um Venedig und seine Markuskirche damit zu schmücken, und eine ungeheure Beute gemacht. Am 16. Mai wählten die Kreuzfahrer den Grafen Balduin von Flandern zum Kaiser von Konstantinopel. Aber auch das unter so kühnen Hoffnungen gegründete lateinische Kaisertum sank bald infolge innerer Streitigkeiten und der Kriege mit den Bulgaren und Kumanen, die unter Asén 1234 die Stadt belagerten, und durch die Fortschritte des griechischen Kaisertums von Nicäa, das der aus Konstantinopel entflohene Theodor Laskaris gestiftet hatte, zu einem Schattenreich herab.
Doch erlangten die italienischen Handelsstädte seitdem in Konstantinopel einen großen Einfluß, namentlich die Genuesen und Venezianer, welche sich in Galata dauernd festsetzten. Nur schwächten sie sich durch Eifersucht und Streitigkeiten. Nach Wiederaufrichtung des griechischen Kaiserthrons durch die Paläologen 1261 kam es 1295 zu offenen Feindseligkeiten zwischen den Genuesen und Venezianern. Am 22. Juli erschien eine venezianische Flotte von 75 Schiffen vor Konstantinopel, verbrannte die Wohnungen der Genuesen in Galata und beschoß sogar die Stadt. Als Schadenersatz dafür ließ der Kaiser, als in den letzten Tagen des Dezembers die Genuesen alle Venezianer ermordet hatten, die Güter der Erschlagenen in Besitz nehmen.
Um die Mitte des 14. Jahrh. begannen die Osmanen sich in die Thronstreitigkeiten des byzantinischen Reichs einzumischen und auch Konstantinopel mehr und mehr zu bedrohen. Nach der Schlacht bei Nikopolis 1396 bedrängte Sultan Bajesid ernstlich die Stadt, welcher der französische Marschall Boucicault zu Hilfe kam, mußte aber 1401 die Belagerung wegen Timurs
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Annäherung abbrechen und diesem entgegengehen. Aufs neue aber erschienen die Osmanen 1422 unter dem kriegerischen Murad II. vor Konstantinopel, bestürmten es mit Belagerungswerkzeugen aller Art und eroberten die Außenwerke. Jedoch der große Sturm 24. Aug. wurde abgeschlagen, die Belagerungswerke durch einen Ausfall zerstört, und Murad riefen bald innere Unruhen ab. Indes sein Sohn, Sultan Mohammed II., brachte 1453 in seine Gewalt. 1452 schon begann er in nächster Nähe der Stadt den Bau einer Küstenburg, welche den Bosporus sperrte, und im Frühjahr 1453 auch die Belagerung selbst.
Ungeheure Belagerungsmaschinen und schwere Geschütze wurden herbeigeschafft; das Heer belief sich auf 300,000 Mann und die Flotte auf 420 Schiffe. Diesen hatte der Verteidiger von Konstantinopel, Konstantin XII. Paläologos, bloß 6000 Griechen und 3000 Mann italienische Hilfstruppen entgegenzustellen, die der tapfere Genuese Giovanni Giustiniani befehligte; dazu wüteten in der Einwohnerschaft erbitterte religiöse Streitigkeiten zwischen den Orthodoxen und den Unionisten (Henotikern).
Trotzdem gelang es den Belagerten, unterstützt durch die natürliche Festigkeit der Stadt, 40 Tage lang die heftigsten Angriffe zurückzuweisen, die Belagerungsarbeiten zu zerstören und der türkischen Flotte empfindlichen Schaden zuzufügen. Endlich aber erlahmten die Kräfte, Mangel und Verzweiflung stellten sich ein. Als Kaiser Konstantin eine freiwillige Übergabe auch gegen das Zugeständnis freien Abzugs verweigerte, ward auf 29. Mai allgemeine Sturm angesagt.
Beide Teile suchten sich durch Fasten und Gebete darauf vorzubereiten. Früh am Morgen begann der Angriff. Die Christen leisteten die heldenmütigste Gegenwehr, und zweimal wurden die Janitscharen zurückgeworfen. Endlich aber drangen die Türken in die immer größern Lücken der Verteidiger ein und erstiegen die Mauern. Giustiniani floh, Konstantin stürzte sich in das dichteste Schlachtgetümmel, um den Heldentod zu finden. In der ersten Wut wurde von den Eroberern alles niedergemacht, was ihnen vor die Klinge kam.
Was übrigblieb, wurde in die Sklaverei verkauft. Die Stadt wurde geplündert, unermeßliche Beute fortgeführt, zahlreiche Kunstschätze zerstört. Um Mittag hielt Mohammed seinen Einzug in die unterworfene Stadt und verrichtete am Altar der Sophienkirche, welche nun Hauptmoschee wurde, sein Dankgebet. Darauf ließ er alle Würdenträger des byzantinischen Reichs zusammentreiben und niederstoßen. Die Stadt ward nun neu aufgebaut, die Befestigungswerke sowie das Schloß der sieben Türme wurden wiederhergestellt, und Konstantinopel bildete fortan die Haupt- und Residenzstadt des osmanischen Reichs.
Die wichtigern Ereignisse, welche seit jener Zeit die Geschichte Konstantinopels bietet, sind: Mai 1540 Friede zwischen der Pforte einerseits und Venedig, Spanien und dem Papst anderseits;
Friede zwischen Rußland und der Türkei;
Allianztraktat Preußens mit der Pforte gegen Rußlands und Österreichs Eroberungspläne in Beziehung auf die Türkei, der aber ohne Folgen blieb.
An den in Konstantinopel wohnenden Griechen wurden 1821 große Greuel von den Türken verübt und unter andern der griechische Patriarch gehenkt. Der große Aufstand der Janitscharen von 1826 hatte die Vernichtung derselben zur Folge. Durch Erdbeben litt die Stadt zu verschiedenen Malen sowie durch große Feuersbrünste, namentlich 1714, 1755, 1808, wo die Paläste des Sultans mit verzehrt wurden, und 1826, wo gegen 6000 Häuser nebst den Palästen der Großbeamten und der europäischen Gesandten niederbrannten.
Ende Dezember 1853 alarmierten die Softas (Studenten, Schüler der Ulemas) die Stadt wegen der vom Sultan den Westmächten gemachten Zugeständnisse. Nachdem zu Konstantinopel der Allianzvertrag zwischen England, Frankreich und der Pforte abgeschlossen worden, landeten im April die Truppen der Westmächte am Goldenen Horn, und 14. Juni ward in Konstantinopel die Konvention unterzeichnet, welche Österreich die Besetzung der Donaufürstentümer gestattete. Im Mai 1876 brach ein neuer Aufstand der Softas aus, welcher den Sturz des Großwesirs Mahmud Nedim Pascha zur Folge hatte. Im Winter 1876/77 tagte eine Konferenz der Großmächte zur Lösung der orientalischen Frage in Konstantinopel, welche aber erfolglos blieb. Im Februar 1878 drangen die Russen bis dicht vor Konstantinopel vor und schlossen vor ihren Thoren den Frieden von San Stefano (3. März), nachdem die Türken rasch die Linien von Tschadschaldscha befestigt hatten und englische Panzerschiffe zum Schutz der Stadt herbeigeeilt waren.
Vgl. Dalaway, Constantinople ancient and modern (Lond. 1797);
v. Hammer, Konstantinopel und der Bosporus (Pest 1822, 2 Bde.);
Walsh, Konstantinopel und seine Umgebungen (a. d. Engl., Leipz. 1841);
Skarlatos Byzantios, Konstantinopolis (Athen 1851-62, 3 Bde.);
Tchihatchef, Le Bosphore et Constantinople (2. Aufl., Par. 1865);
Dethier, Der Bosphor und Konstantinopel (Wien 1873);
v. Schwegel, Volkswirtschaftliche Studien über Konstantinopel (das. 1873);
Jerningham, To and from Constantinople (Lond. 1873);
»Stambul und das moderne Türkentum«, von einem Osmanen (Leipz. 1877-78, 2 Bde.);
Brodribb und Beasant, Constantinople, a sketch of its history (bis 1453, Lond. 1878);
»Neue volkswirtschaftliche Studien über Konstantinopel und das anliegende Gebiet«, herausgegeben vom Orientalischen Museum (Wien 1882);
De Amicis, Konstantinopel (a. d. Ital., Rostock 1884);
Mordtmann, Führer von Konstantinopel (Konst. 1881);
Leonhardi, Konstantinopel und Umgebung (Zürich 1885);
»Meyers Reisebücher: Der Orient«, Bd. 2 (2. Aufl., Leipz. 1887).