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untersuchen, und kehrte dann, unter übermenschlichen Anstrengungen zusammenbrechend, in den Hafen Isabella zurück. Inzwischen langte sein Bruder Bartolomé mit den erbetenen Lebensmitteln aus Spanien [* 2] an. Kolumbus erhob ihn, da er in ihm eine kräftige Stütze für die Zukunft erblickte, zum Adelantado oder Vizegouverneur, worin jedoch König Ferdinand einen Eingriff in seine Autorität erblickte. Unterdes hatte aber der Kommandant des Hafens Isabella durch Ausschweifungen und Habsucht den Haß der Indianer auf sich geladen; er bildete aus den aristokratischen Elementen der Kolonie eine Partei gegen Kolumbus und seine Familie, der sich auch der Pater Boil und Margarit, der Anführer der Truppen, zugesellten.
Mit einem Trupp Mißvergnügter bemächtigte er sich einiger Schiffe [* 3] und ging nach Spanien unter Segel. Caonabo, der unternehmendste und feindseligste Häuptling der Insel, wagte hierauf, die Festung [* 4] St. Thomas mit 10,000 Kriegern zu belagern, wurde aber von deren Kommandanten Hojeda zum Abzug gezwungen und bald darauf gefangen genommen. Die Insel wurde dann, nachdem ein allgemeiner Aufstand der Bewohner niedergeschlagen war, in kurzer Zeit unterjocht und den Eingebogen ein schwerer Tribut von Goldstaub auferlegt.
Die Feinde des Kolumbus waren unterdessen in Spanien thätig gewesen, sein Ansehen zu untergraben; sie schilderten Hispaniola als ein unergiebiges Land und beklagten sich über die tyrannische Verwaltung des Admirals und seiner gleich ihm beneideten und als Fremdlinge gehaßten Brüder. Kolumbus beschloß daher, zu seiner Verteidigung selbst nach Spanien zurückzukehren, und lief mit zwei Schiffen, 225 Spaniern, zumeist unnützen, bisher aus Staatskosten erhaltenen Kolonisten, und 30 Indianern im Hafen von Cadiz [* 5] ein. Wiederum zog Kolumbus mit prunkendem Gefolge durch Spanien an den Königshof. Die Monarchen empfingen ihn mit dem größten Wohlwollen, aber in einflußreichen Kreisen machte sich bereits eine offen zu Tage tretende Mißgunst gegen seine kostspieligen Unternehmungen geltend.
Erst am konnte Kolumbus zur dritten Entdeckungsreise mit sechs Schiffen aus dem Hafen von San Lucar de Barrameda auslaufen. Da sich nach den übeln Erfahrungen eine genügende Anzahl freiwilliger Auswanderer nicht fand, so hatte man zu dem Plan gegriffen, alle mit Verbannung zu bestrafenden Verbrecher in die neue Kolonie zu verweisen. Mit solcher Mannschaft segelte Kolumbus zu den Kapverdischen Inseln, um das Meer diesmal in südlicherer Richtung zu kreuzen, da er in der heißen Zone die wertvollsten Produkte zu finden hoffte.
Die Mannschaft litt furchtbar von Hitze und Mangel an Wasser und Lebensmitteln. Am 31. Juli, in der höchsten Not, entdeckte man Land, dem Kolumbus einem Gelübde gemäß den Namen Trinidad gab. Während er 1. Aug. die Ufer der Insel beschiffte, erblickte er Land im S., das sich auf mehr denn 20 Meilen erstreckte, segelte aber, obwohl aus der Mächtigkeit des Orinokowassers zu schließen war, daß man hier die Küste eines geräumigen Festlandes vor sich hatte, nachdem er die perlenreichen Inseln Margarita und Cubagua entdeckt, nach Hispaniola, wo er vieles verändert fand.
Während seiner Abwesenheit hatte sein Bruder Bartolomé als Statthalter die Häuptlinge zur Anerkennung der spanischen Oberhoheit gebracht; der ihnen auferlegte Tribut bestand in Gold [* 6] oder andern Landeserzeugnissen. Auch hatte das Bekehrungswerk unter den Eingebornen begonnen. Die Spanier aber gehorchten dem strenge Mannszucht fordernden genuesischen Statthalter nur mit Widerwillen. Und als in der Stadt Isabella während der Abwesenheit des Statthalters ein Aufstand ausbrach, stellte sich der Oberrichter Roldan, den Kolumbus selbst emporgehoben, an die Spitze der Unzufriedenen.
Zwar wurde der Aufstand unterdrückt, dennoch wuchs die Partei Roldans, und als Kolumbus endlich selber eintraf, ließ er sich zu den schimpflichsten Versprechungen bestimmen. In Spanien hatten inzwischen die Klagen gegen Kolumbus nicht aufgehört, der auch schließlich den Schutz der Königin verlor, als er, statt der in Aussicht gestellten Schätze von edlem Metall und Gewürzen, Frachten von Sklaven nach Spanien sandte. Ferdinand und Isabella glaubten von der Unfähigkeit des Kolumbus zum Befehlen und Regieren hinlänglich überzeugt zu sein.
Als daher auf den Wunsch des Vizekönigs, welcher um einen tüchtigen Richter bat, Francisco de Bobadilla abgeordnet wurde, übertrug man diesem auch die ganze Verwaltung und die militärische Gewalt auf der Insel. Bobadilla kam in San Domingo an und ließ sogleich Kolumbus und seine Brüder Diego und Bartolomé in Fesseln legen und nach Spanien abführen. Man wollte auf dem Schiff [* 7] die Ketten abnehmen, aber er lehnte es ab; Spanien sollte die Schmach sehen, die ihm als Lohn für seine hohen Verdienste angethan war.
Durch die Amme des Prinzen aber wußte er eine Darstellung der Verhältnisse an das Königspaar gelangen zu lassen, noch ehe Bobadillas feindlicher Bericht vorlag. Daß der Entdecker der Neuen Welt in Ketten nach Spanien zurückbefördert wurde, mußte das höchste Aufsehen erregen, und die Monarchen, fühlend, daß diese Schmach ihren Schatten [* 8] auch auf sie werfe, gaben sofort Befehl, Kolumbus mit der höchsten Auszeichnung zu behandeln. Zu gleicher Zeit ließen sie ihm die Summe von 2000 Dukaten zustellen, damit er seinem Range gemäß bei Hof [* 9] erscheinen könne. Am 17. Dez. wurde er mit zahlreichem Gefolge empfangen, mußte aber gleichwohl seinen Wunsch, in seine Hoheitsrechte über die Neue Welt wieder eingesetzt zu werden, unerfüllt sehen.
Doch wurde an Stelle Bobadillas der gerechte, unparteiische Ovando ernannt, der das von Bobadilla konfiszierte Vermögen des Statthalters zurückfordern und die dem Vizekönig zustehenden Einkünfte diesem ungeschmälert überweisen sollte. Ovando segelte mit 30 Schiffen und 2500 Personen von San Lucar de Barrameda ab und erreichte 15. April sein Ziel. Als aber Kolumbus, der vier kleine Karavellen ausgerüstet und mit 150 Leuten bemannt hatte, um eine neue vierte Entdeckungsfahrt gen W. zu unternehmen, von Cadiz absegelte und 29. Juni vor San Domingo erschien, gestattete ihm Ovando nicht, das Land zu betreten, mißachtete auch des Kolumbus Warnung und ließ die zur Rückkehr nach Spanien bereite Flotte auslaufen, so daß der Sturm 20 Schiffe, mit Bobadilla und Roldan an Bord, verschlang und nur ein Fahrzeug mit dem ausgelieferten Vermögen des an Bord Spanien erreichte. Kolumbus aber segelte 14. Juli von Haïti [* 10] ab. Er hatte aus Beobachtungen auf seiner frühern Reise die Ansicht gewonnen, daß das Karibische Meer durch eine Meerenge mit dem Indischen Meer in Verbindung stehe; diese aufzufinden, stellte er sich zur Aufgabe. Er erreichte zuerst die Insel Guanaja im Golf von Honduras, [* 11] die er nach dem prächtigen Fichtenwald Isla de Pinos nannte, und landete dann auf dem Festland bei Kap Honduras, erreichte später das östlichste Vorgebirge von Honduras, das er Gracias á Dios nannte, suchte aber, bis in die Nähe der Landenge von Panama [* 12] hinfahrend, vergeblich nach einer ¶
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Durchfahrt und mußte hier umkehren. Nachdem der Versuch der Gründung einer Niederlassung in dem goldreichen Veragua an der Feindseligkeit der Indianer gescheitert war, wobei Bartolomé in die äußerste Gefahr kam, sah sich Kolumbus genötigt, seine sinkenden Schiffe an der Küste von Jamaica in der Christovalsbucht auf den Strand laufen zu lassen. Hier geriet in große Not, welche durch die Rebellion eines Teils der Mannschaft noch gesteigert wurde, bis er nach Jahresfrist durch den Mut und die Ausdauer eines seiner Leute, der in einem Indianerboot nach San Domingo fuhr und Hilfe herbeischaffte, gerettet wurde. Am 12. Sept. trat Kolumbus seine Heimreise an und erreichte nach einer stürmischen Überfahrt Anfang November den spanischen Boden in Cadiz.
Niemand kümmerte sich um die Heimkehr des armen Schiffbrüchigen. Der Jubel, der ihn sonst empfangen, war verstummt, und mit dem bald nach seiner Rückkehr erfolgten Tode der Königin Isabella verlor er seine treueste Freundin. Seinen Wohnsitz in Sevilla [* 14] nehmend, wartete er vergebens auf eine Wiedereinsetzung in seine Rechte und Würden wie auf die Auszahlung der versprochenen Einkünfte und des Anteils an den Erträgnissen der Kolonie. Seine Briefe an den König blieben unbeachtet, und als er 1505 sich selbst an den Hof von Segovia begab, machte man ihm den Vorschlag, seine Rechte auf das Königtum gegen Besitzungen und Titel in Kastilien zu vertauschen. Kolumbus wies dies Ansinnen zurück, erklärte sich aber bereit, zu gunsten seines Sohns Diego auf seine indischen Würden zu verzichten.
Man ging darauf nicht ein. Auch die Ankunft des neuen Königspaars, Philipp und Johanna, brachte keine Änderung, und so starb Kolumbus, gebrochen an Geist und Körper, in Valladolid, ohne die Erfüllung seiner Hoffnung gesehen zu haben. Zuerst im Franziskanerkloster seines Sterbeorts beigesetzt, wurde seine Leiche 1513 nach Sevilla ins Kloster Santa Maria de las Cuevas übergeführt, und vermutlich erst hier erhielt der Sarg die Inschrift: »A Castilla y á Leon Nuevo Mundo dió Colon« (»Für Kastilien und Leon entdeckte Colon die Neue Welt«),
welche sich auch im Wappen [* 15] des Vizekönigs befand. Kolumbus hatte gewünscht, in San Domingo auf Haïti beigesetzt zu werden. Dorthin wurden seine sterblichen Überreste auch zwischen 1540 und 1559 gebracht und in dem Dom bestattet, in welchem später sein Sohn Diego, sein Bruder Bartolomé und seine Enkel Don Luis und Cristoval ihre Ruhestätte fanden. Als 1795 Domingo an Frankreich abgetreten wurde, führte man die Überreste des großen Entdeckers nach Havana [* 16] über und setzte sie feierlich im dortigen Dom bei. Statuen wurden ihm errichtet in Genua [* 17] (von M. Canzio), Mexiko [* 18] (von Cordier) und zu Cardenas auf Cuba (von Piquer).
Vor der welthistorischen Größe des Kolumbus stehen wir mit geteilten Gefühlen. Wir bewundern die Kühnheit, die aus der felsenfesten Überzeugung von der Richtigkeit seiner Theorien und Kombinationen entsprang, wir fühlen uns vielseitig angeregt durch seine treffenden Naturbeobachtungen, in denen wir die ersten Keime einer physischen Erdkunde [* 19] erblicken dürfen; aber auf der andern Seite fühlen wir uns abgestoßen durch seinen blinden Autoritätsglauben, die Zuversichtlichkeit, mit der er seine abenteuerlichen Lehrsätze verkündet, durch die schwärmerische Anmaßung, mit der er sich als den Abgesandten Gottes einführt, endlich durch seine Doppelzüngigkeit und goldgierige Grausamkeit, welche die Hauptschuld an der spätern unmenschlichen Behandlung der Eingebornen trägt. Er starb, ohne die Tragweite seiner Entdeckung kennen gelernt zu haben; er meinte, daß durch ihn nur eine neue Handelsstraße zu alten Ländern geöffnet sei. Das Tagebuch der ersten Reise, von Kolumbus selbst geschrieben, veröffentlichte Navarrete in seinen »Viajes de los Españoles« (Madr. 1825-1826, 2 Bde.; franz. mit Anmerkungen von Rémusat, Balbi, Cuvier u. a., Par. 1828, 3 Bde.). Eine »Raccolta completa« der Schriften des Kolumbus lieferte Torre (Lyon [* 20] 1864).
Vgl. außer den ältern Biographien von Bossi (Mail. 1818), Spotorno (deutsch, Leipz. 1825), W. Irving (deutsch von Meyer, 2. Aufl., Frankf. 1832) u. a.: Humboldt, Examen critique de l'histoire de la géographie, etc. (Par. 1834-35; deutsch von Ideler, neue Ausg., Berl. 1852, 3 Bde.);
Canale, La vita ed i viaggi di Cristoforo Colombo [* 21] (Flor. 1863);
Helps, The life of Columbus (Lond. 1869);
Ortegay Frias, Vida y viajes de Cristoval Colombo (Madr. 1874, 4 Bde.);
Roselly de Lorgues, Christophe Colomb, histoire de sa vie et de ses voyages (4. Aufl., Par. 1878, 2 Bde.);
Derselbe, Histoire posthume de Chr.
Colomb (3. Aufl., das. 1886);
Schott, Kolumbus und seine Weltanschauung (Berl. 1878);
Harrisse, Christophe Colomb, son origine, sa vie, ses voyages, sa famille et ses descendants (Par. 1884, 2 Bde.);
Duro, Colon y la historia postuma (Madr. 1885);
Tarducci, Vita di C. Colombo (Mail. 1885 ff., 2 Bde.);
Peschel, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen (2. Aufl., Stuttg. 1877);
S. Ruge, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen (Berl. 1881).
Kolumbus' Leben gab vielfach Stoff zu poetischen Darstellungen; dramatisch bearbeitet wurde es unter andern von Fr. Rückert (1845), Kolumbus Werder (1858), Kolumbus Kösting (1863), H. v. Schmid (1875).
Der ältere Bruder des Entdeckers, Bartolomé, ebenfalls Seemann, verließ noch vor jenem sein Vaterland und erlangte in Lissabon [* 22] als Kosmograph und Seekartenzeichner einen gewissen Ruf. Im Begriff, nach England zu reisen, um Heinrich VII. für des Bruders Unternehmen zu gewinnen, fiel er Seeräubern in die Hände, erhielt erst nach einigen Jahren seine Freiheit wieder und kam fast als Bettler in England an. Seine Bemühungen am englischen Hof blieben aber fruchtlos; auf seiner Rückreise nach Spanien erfuhr er von den von seinem Bruder bereits gemachten Entdeckungen. In Spanien geadelt, folgte er dem Admiral, der seine zweite Reise eben angetreten, nach Westindien [* 23] und traf mit ihm auf Hispaniola zusammen.
Nach seines Bruders Abreise zu dessen Stellvertreter (Adelantado) ernannt, gründete er die Stadt San Domingo, machte sich jedoch durch energische Aufrechthaltung der Disziplin bei den zügellosen Spaniern verhaßt. Auch er ward in Ketten nach Spanien zurückgebracht, hier aber befreit und war auch ferner eine bedeutende Stütze des Admirals. Sein Lohn seitens des spanischen Hofs war die kleine Insel Mona zwischen Haïti und Puerto Rico und die Direktion der Bergwerke auf Cuba. Auch er war ein vollendeter Seemann, kräftig und durchdringend von Verstand, wie der Admiral, doch weniger Enthusiast. Er starb auf Hispaniola - Der zweite Bruder, Giacomo (span. Diego), ward nach der Entdeckung Amerikas ebenfalls geadelt und Gouverneur und Präsident des Rats von Kastilien.
Der älteste und einzige rechtmäßige Sohn des Entdeckers, Don Diego, geboren um 1480, folgte seinem Vater in der Würde eines Admirals von Indien und erhielt den Besitz der Landschaft Veragua mit dem Titel eines Herzogs von Veragua und ¶