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allmählich in Verfall, und erst in neuerer Zeit wurde er seiner ursprünglichen Bestimmung zurückgegeben. In den Jahren 1855-57 baute ihn Jul. Raschdorff völlig um. Der Hauptsaal hat 54,61 m Länge und 23,85 m Breite [* 2] und ist auf der nördlichen Langwand geschmückt mit Darstellungen aus dem historischen Festzug bei Vollendung des Doms. Das unter dem Hauptsaal liegende Lagerhaus wurde 1875 vom Stadtbaumeister Weyer zu einer prachtvollen Börsenhalle umgebaut. Das an der Wollküche gelegene alte Patrizierhaus Wolkenburg stammt aus dem 15. Jahrh. und zeichnet sich durch seine schöne Gotik aus; es wurde 1874 stilgerecht restauriert und ist jetzt Eigentum des weithin bekannten Kölner [* 3] Männergesangvereins. Zu diesen hervorragenden Gebäuden aus älterer Zeit gesellt sich eine Reihe erst in unsern Tagen entstandener palastähnlicher Wohn- und Geschäftshäuser, von denen wir folgende anführen: das Haus des Freiherrn Ed. v. Oppenheim, das Geschäftshaus der Colonia und der Schaaffhausensche Bankverein unter Sachsenhausen, das Scheebensche Haus gegenüber dem Domportal, das Waltersche Haus an der Stockgassenecke, das Deichmannsche Haus in der Trankgasse, die Häuser der Herren Mevissen und Königs in der Zeughausstraße, das v. Mummsche Haus und das Haus von Statz auf der Apernstraße, das Mülhenssche und das Liebmannsche Haus in der Glockengasse, das Steinmannsche Haus auf dem Neumarkt, das Erbensche Haus in der Landsberger Straße, die Gewerbebank am Theater [* 4] u. a. Von öffentlichen Bauten sind neben einer Reihe von geräumigen, luftigen Elementarschulhäusern entstanden: das Regierungsgebäude, das neue Justizgebäude an Stelle des Appellhofs, das Arresthaus, die ehemalige Jesuitenbibliothek, die Stadtbibliothek, das Apostelgymnasium, die höhere Töchterschule, die Realschule, die Provinzialgewerbeschule, das Kaiser Wilhelms-Gymnasium, der Rathausbau am Alten Markt; ferner verdienen Erwähnung das Bürgerhospital, das Gebärhaus, das Museum, der Bahnhof, die Verwaltungsgebäude der ehemaligen Rheinischen u. Köln-Mindener Eisenbahn, das Stadttheater (1870-1872 erbaut, Eigentum einer Aktiengesellschaft), verschiedene Militärverwaltungsgebäude, das Schlachthaus und das 1885 eröffnete Hohenstaufenbad. Von öffentlichen Denkmälern sind zu nennen: das Denkmal König Friedrich Wilhelms III. auf dem Heumarkt, aus freiwilligen Beiträgen der Rheinländer 1865-78 errichtet, die Bismarckstatue aus dem Augustinerplatz enthüllt), die Moltkestatue auf dem Laurenzplatz (seit 1881) und der Jan v. Werth-Brunnen (seit 1884, vom Kölner Verschönerungsverein angelegt.)
[Bevölkerung.]
Köln, [* 5] dessen Einwohnerzahl in dem Zeitraum 1754-1817 von 44,512 auf 49,145 Seelen angewachsen war, besaß 1885 eine Bevölkerung [* 6] von 161,401 Seelen (davon 5754 Mann Militär). Neben 130,721 Katholiken waren 25,115 Evangelische und 5309 Juden. Während die Zahl der weltlichen Häuser in den Jahren 1754-1817 von 7231 auf 6993 sank, ist sie seitdem auf 11,200 gestiegen.
[Industrie und Handel.]
Kölns Hauptbedeutung liegt auf dem Gebiet des Handels und der Industrie. Die Kölner Großindustrie besteht in der Fabrikation von Zucker, [* 7] Schokolade, Konditorwaren, Tabak [* 8] und Zigarren, Leim, Goldleisten, Likör, Mineralwasser, Kölnischem Wasser, Teppichen, Möbelstoffen, Möbeln, Stärke, [* 9] Essig, Seife, Lichten, Farben, Firnis, Lack, Öl, Samt, Seide, [* 10] Woll- und Baumwollwaren, Garn, Gummi- und Guttaperchawaren, Trikotwaren, Maschinen, Zinkgußgegenständen, Brücken- und Dezimalwagen, Telegraphendrähten, Draht- und Hanfseilen, Pumpen, [* 11] Spritzen, hydraulischen Pressen, Blechwaren, Marmorwaren etc. Dazu kommen die bedeutenden Fabrikanlagen in den Nachbarorten Ehrenfeld, Lind, Bayenthal, Nippes, Riehl und Kalk zur Herstellung von Maschinen, Dampfkesseln, chemischem Dünger, Pferde- und Eisenbahnwagen, Glas, [* 12] Porzellan, Steingut, Tapeten etc. Der Kölner Handel hat einen gewaltigen Aufschwung genommen seit der Einführung der Dampfschiffahrt auf dem Rhein, der Gründung des Zollvereins und der Eröffnung mehrerer Schienenwege nach allen Richtungen.
Von Köln, bez. der auf der rechten Rheinseite belegenen Stadt Deutz aus erstrecken sich die Linien der nunmehr verstaatlichten Rheinischen, Köln-Mindener und Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaften und zwar von Köln (Zentral-Personenbahnhof unweit des Doms) nach Aachen, [* 13] Bingerbrück, Zevenaar und Trier, [* 14] von Deutz nach Minden, [* 15] Elberfeld [* 16] und Gießen. [* 17] Die Artikel, welche hauptsächlich dem Kölner Handel seine Bedeutung geben, sind: Getreide, [* 18] Kaffee, Rohtabak, Häute, Schiefer, Kohlen, Metalle, Baumaterialien, Farb- und Materialwaren, deutsche und ausländische Arzneien, Parfümerien, Leinen, Weißwaren, Plüsche, Seidenstoffe, Bänder und Spitzen. Im J. 1886 sind im Kölner Hafen beladene Schiffe [* 19] angekommen:
zu Berg | 1505 mit | 2,359,302 metr. Ztr. |
zu Thal | 3354 mit | 2,297,259 metr. Ztr. |
zusammen | 4859 mit | 4,656,561 metr. Ztr. |
Aus dem Hafen fuhren beladene Schiffe ab:
zu Berg | 2015 mit | 1,304,160 metr. Ztr. |
zu Thal | 1175 mit | 1,322,681 metr. Ztr. |
zusammen | 3190 mit | 2,626,841 metr. Ztr. |
Außerdem wurden an Flößen zu Thal [* 20] angebracht 138,742 metr. Ztr. Der Güterverkehr betrug 1885/86 auf den Kölner Stationen der Linksrheinischen (früher Rheinischen) Eisenbahn 954,728 Ton., auf den Stationen Köln und Deutz der Rechtsrheinischen Eisenbahn 301,301 T., auf der Station Deutz der Bergisch-Märkischen Eisenbahn 112,272 T. Aktiengesellschaften, welche dem Handel u. der Industrie, sei es zur Fabrikation oder zum Vertrieb oder zum Transport oder zur Versicherung, dienen, gibt es in Köln im ganzen 40, deren Betriebskapital sich auf mehrere Hundert Millionen Mark stellt.
Die Stadt ist Sitz einer Reichsbankhauptstelle (für Rheinpreußen); die andern bedeutendsten Geldinstitute sind: der Schaaffhausensche Bankverein, die Bank für Rheinland u. Westfalen, [* 21] die Kölnische Wechsler- und Kommissionsbank, die Kölner Gewerbebank, die Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsbank, die Rheinische Volksbank, die städtische Sparkasse, das städtische Leihhaus. Von den Versicherungsanstalten sind zu nennen: Concordia (Lebensversicherung), Colonia (Feuerversicherung), Agrippina (Transportversicherung), Rhenania (Transport- und Unfallversicherung), Kölnische Unfallversicherungs-, Kölnische Rückversicherungs und Kölnische Hagelversicherungsgesellschaft. Die Verwaltung der Handelsangelegenheiten liegt in der Hand [* 22] der Handelskammer; zur Handhabung der Handelsjustiz besteht eine Kammer für Handelssachen. Die Handelsbörse, 1820 eröffnet, befindet sich seit in den untern Räumen des Gürzenich (s. oben). Die Länge der Pferdebahnlinien beträgt 1887: 43 km.
[Bildungsanstalten.]
In Köln bestehen ein kath. Priesterseminar (1886 wieder eröffnet), 4 königliche Gymnasien (3 katholische und ein simultanes), ein städtisches Realgymnasium, eine städtische ¶
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Oberrealschule und eine höhere Bürgerschule. Auch die zur Vorbildung junger Techniker bestimmte gewerbliche Fachschule nebst Fortbildungsschule ist eine städtische Anstalt, ebenso die Zeichenschule für Kunsthandwerker und eine höhere Töchterschule; dagegen ist die Taubstummen-Lehranstalt ein Privatunternehmen. Für das Elementarschulwesen sorgt die Stadt in einer großen Zahl meist in der Neuzeit hergestellter stattlicher Neubauten und liefert zu den Gesamtkosten (1887-88: 820,542 Mk.) einen Zuschuß von 711,573 Mk. In Köln erscheinen ca. 50 Zeitungen und Zeitschriften, darunter die »Kölnische Zeitung« (im Verlag von DuMont-Schauberg) und die ultramontane »Kölnische Volkszeitung«.
Ausschließlich der Kunst gewidmet ist das Museum Wallraf-Richartz in der Nähe des Doms. Dasselbe enthält eine äußerst reichhaltige Sammlung von Bildern (über 400) aus der altkölnischen Schule, ferner Kupferstiche, Münzen, [* 24] Waffen [* 25] etc., meist herrührend aus dem Vermächtnis des Kanonikus F. Wallraf (gest. 1824). Im obern Kreuzgang befindet sich eine von den Gebrüdern Boisserée geschenkte Sammlung kostbarer Glasgemälde. Der Kölnische Kunstverein veranstaltet seine Ausstellung moderner Gemälde in einem Flügel des obern Stockwerkes.
Das Treppenhaus des Museums ist von Ed. Steinle mit Freskogemälden, Begebenheiten aus der Geschichte Kölns darstellend, geschmückt. Auch des erzbischöflichen Diözesanmuseums am Domhof, das hauptsächlich kirchliche Kunstgegenstände enthält, ist hier zu gedenken. Bemerkenswert sind der 1860 eröffnete zoologische Garten, [* 26] einer der größten in Deutschland, [* 27] in dessen Nähe die großartigen Anlagen der Aktien-Gartenbaugesellschaft Flora, nach Lennés Plänen 1863 angelegt, und der etwa 4 km von der Stadt entfernt gelegene, 1810 eröffnete Friedhof Melaten, der allmählich bis zu mehr als 34 Hektar erweitert worden ist und eine große Zahl künstlerisch ausgeführter Denkmäler aufweist.
Für gesellige Unterhaltung bestehen die Gesellschaften: Kasino, Erholung, Wolkenburg-Kasinogesellschaft, Bürgergesellschaft, Lesegesellschaft u. a. m. Wohlthätigkeitszwecken dienen nach genannte Anstalten: das städtische Bürgerhospital, das städtische Invalidenhaus, die städtische Irrenanstalt Lindenburg, das Versorgungshaus für Invaliden (Stiftung de Noël), das städtische Waisenhaus, das Kinderhospital (Stiftung der Freifrau Abraham v. Oppenheim), das Marienhospital für Unheilbare (aus freiwilligen Zuwendungen gestiftet und unterhalten), das Asyl für arme Mädchen, das Klara-Elisenhospital (gestiftet von den Eheleuten Karl Zoest), das israelitische Asyl für Kranke und Altersschwache, die Augenheilanstalt für Arme, die spezialärztliche Poliklinik, der Kölner Wohlthätigkeitsverein und der Verein Meisterschaft, dessen Zweck ist, zurückgegangene Familien durch zinsfreie Darlehen vor der Verarmung zu bewahren.
[Behörden etc.]
Staatliche Behörden sind in Köln: die königliche Regierung, die königliche Provinzial-Steuerdirektion, das Polizeipräsidium, die Oberpostdirektion, das Oberlandesgericht, das Landgericht und das Amtsgericht. An Militärbehörden haben hier ihren Sitz: die Stäbe der 15. Division und der 29. Infanteriebrigade. Die Garnison besteht aus 2 Infanterieregimentern (Nr. 16 und 65), einem Füsilierregiment (Nr. 40) und einer Abteilung Feldartillerie (Nr. 23). An der Spitze der katholischen Kirchenangelegenheiten steht der Erzbischof und das erzbischöfliche Generalvikariat.
Die Stadt ist in 19 katholische Pfarreien eingeteilt. An der Spitze der Gemeindeverwaltung steht das Bürgermeisteramt, dem eine Anzahl von Deputationen zur Verwaltung der Gas- und Wasserwerke, des Schulwesens, der Stadterweiterung und des Armenwesens unterstellt sind. Der Gesamtetat der Kommunalverwaltung für 1887/88 schließt ab auf 6,185,400 Mk. Zum Oberlandesgericht Köln gehören die neun Landgerichte: Aachen, Bonn, [* 28] Düsseldorf, [* 29] Elberfeld, Kleve, Koblenz, [* 30] Köln, Saarlouis, Trier;
zum Landgericht Köln die neun Amtsgerichte: Bensberg, Bergheim, Gummersbach, Kerpen, Köln, Lindlar, Mülheim [* 31] a. Rh., Wiehl und Wipperfürth.
Die Festungswerke Kölns bestehen aus einer neuen Umwallung und vielen detachierten größern und kleinern Forts und Lünetten, die in ihrer Kehle von kreisförmigen Reduits geschlossen werden; sie sind meist 7.-8 km vom Dom gelegen. Das Wappen [* 32] der Stadt Köln (s. Abbildung, S. 945) zeigt einen zweigeteilten Schild, [* 33] oben rot und unten weiß; im obern Feld befinden sich drei goldene Kronen, [* 34] im untern 11 schwarze Flocken oder Flammen. Als Schildhalter hat das Wappen jetzt einen Löwen [* 35] und einen Greif. [* 36] S. auch das Kärtchen der Umgebungen Kölns auf der Karte »Rheinprovinz«. [* 37]
Geschichte der Stadt Köln.
Die Geschichte der Stadt Köln reicht hinauf bis in die vorrömische Zeit. Die von der rechten auf die linke Rheinseite hinübergeführten Ubier hatten hier schon eine Ansiedelung, als die Römer [* 38] in den niederrheinischen Gebieten festen Fuß faßten. Bei der Ara Ubiorum hatten zwei römische Legionen ihre Standquartiere; 50 n. Chr. Siedelte Agrippina, die Gemahlin des Kaisers Claudius, eine römische Veteranenkolonie hier an und versah den etwa 70 Hektar umfassenden Ort mit einer starken Mauer und festen Thoren.
Reste dieser Festungswerke stehen jetzt noch an einzelnen Stellen zu Tage. Zuerst 355 nahmen die Franken von der Colonia Agrippinensis für wenige Jahre, dann 462 dauernd Besitz. Unter ihrem Andrang stürzten die römischen Tempel, [* 39] Paläste und Staatsgebäude größtenteils in Trümmer; nur die römischen Festungswerke scheinen von dieser Zerstörung wenig betroffen worden zu sein. Die ripuarischen Könige nahmen in der alten römischen Kolonie ihren Sitz. Christentum und fränkisches Heidentum bestanden in Köln friedlich nebeneinander, bis unter König Theuderich (511-534) der heil. Gallus die Altäre des heidnischen Kultus zerstörte. Köln war Hauptstadt von Ripuarien, aber nicht mehr Sitz der Könige von Austrasien. Im 7. Jahrh. kam es in besondern Ruf durch den Einfluß, welchen der Kölner Bischof Kunibert im austrasischen Reich besaß. Im 8. Jahrh. bot es der Witwe Pippins von Herstal, Plektrudis, Schutz und Sicherheit.
Nach seinem Sieg über die Neustrier zwang Karl Martell seine Stiefmutter, ihm die Thore der Stadt Köln zu öffnen. Der erste Erzbischof, der kaiserliche Erzkaplan Hildebold, erbaute die älteste Domkirche und stattete dieselbe mit der jetzt noch vorhandenen kostbaren Hildeboldschen Bibliothek aus. Das fränkische Köln wurde im 9. Jahrh. bei den zwei Verheerungszügen der Normannen in grausiger Weise verwüstet, doch bot der rasch aufblühende Handel die Mittel, die Spuren der Verwüstung zu tilgen, die zerstörten Kirchen wieder aufzubauen und zu ihrem Schutz feste Mauern, Thore und Wälle aufzuführen. Nur eine Reihe von Straßennamen erinnern jetzt noch an die Festungswerke, welche die damalige Stadt, etwa die Hälfte der jetzigen, umgaben. Seit 870 gehörte auf Grund des Mersener Vertrags zu dem ostfränkischen Reich bis gegen Anfang des 10. Jahrh. Nachdem es 911 ¶