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vermochten indes die weltliche Herrschaft des Papsttums im K. nicht aufrecht zu erhalten; ihre mit erpreßtem Geld geworbenen Söldner plünderten und verwüsteten nur das Land. Die feindlichen Adelsgeschlechter, an ihrer Spitze die mächtigen Familien Colonna und Orsini, wüteten in unaufhörlichen Fehden gegeneinander.
Eine Errettung aus dieser Not schien die Erhebung des Volkstribuns Cola di Rienzi 1347 zu bringen, der in Rom [* 2] die Republik verkündete und es zum Haupt einer italischen Konföderation erheben wollte. Indessen waren die Erfolge des phantastischen, aber unpraktischen Schwärmers nur vorübergehende. Der Papst erklärte sich gegen ihn, und der eingeschüchterte Adel fand wieder den Mut zum Widerstand gegen die Willkürherrschaft Rienzis. Dieser flüchtete nach Prag [* 3] zu Kaiser Karl IV., der ihn nach Avignon bringen ließ.
Papst Innocenz VI. gab ihn 1353 dem Kardinal Albornoz bei, den er nach Italien [* 4] sandte, um dem Unwesen der Feudalherren im K. ein Ende zu machen und die Autorität des Papstes daselbst herzustellen. Unterstützt von den tuscischen Städten und dem Volk, unterwarf Albornoz bald die Raubritter und setzte Rienzi in Rom als Senator ein. Doch verscherzte sich der Tribun durch tyrannische Willkür die Gunst des Volkes, das ihn in plötzlichem Aufstand erschlug (1354). Albornoz gab jetzt dem Kirchenstaat eine neue Verfassung, setzte für die einzelnen Kirchenprovinzen Rektoren ein und teilte das gesamte Gebiet in 100 Vikariate.
Der Adel wurde aus den wichtigsten Ämtern verdrängt. Die Verfügungen früherer Päpste und die Lokalstatuten einzelner Städte wurden von Albornoz zu einem aus sechs Bänden bestehenden Kriminal- und Zivilkodex vereinigt, der, um die Mitte des 16. Jahrh. neu revidiert, unter dem Namen der »Ägidianischen Konstitutionen« (Egidianen) bis auf die Gegenwart gegolten hat. Doch brach die Anarchie im K. nach Albornoz' Tod wieder aus und konnte auch durch den vorübergehenden Aufenthalt Urbans V. (1367-70) und die Rückkehr Gregors IX. nach Rom (1377) nicht unterdrückt werden. Das Schisma, welches nach Gregors Tod 1378 ausbrach, war der Befestigung der päpstlichen Macht hinderlich. König Wladislaw von Neapel [* 5] bemächtigte sich 1408 des ganzen Kirchenstaats; die Idee, Italien zu einigen und sich zum Kaiser zu krönen, schwebte vor seinem kühnen Geist: indes machten ihm der vom Konzil von Pisa [* 6] 1409 neugewählte Papst Alexander V. und sein Nachfolger Johann XXIII. die Herrschaft streitig.
Bis 1420 dauerten die Kämpfe zwischen den Neapolitanern, den Päpstlichen und kühnen Bandenführern um den Besitz des Kirchenstaats. Endlich glückte es Martin V., dem vom Konstanzer Konzil gewählten alleinigen Papst, einem Colonna, der seine Residenz wieder in Rom aufschlug, wie die Einheit der Kirche, so auch die weltliche Herrschaft des Papsttums in Italien herzustellen. Allerdings war das Land verwüstet und verarmt, und die Adelsgeschlechter und Stadtgemeinden hatten eine solche Unabhängigkeit erlangt, daß der Kirchenstaat nur dem Namen nach ein Staatsganzes war.
Martin V. stützte sich auf seine Familie, die er mit Lehnsgütern und Würden überschüttete, erregte aber dadurch bei den andern Edelleuten Neid und Unzufriedenheit. Eugen IV. mußte daher bei seiner Wahl 1431 den Kardinälen durch eine Kapitulation versprechen, ohne deren Zustimmung keine Gebiete, Lehen oder Einkünfte des Kirchenstaats zu vergeben. Indes auch Eugen IV. war der Unbotmäßigkeit des Adels gegenüber ohnmächtig. 1434 wurde er selbst aus Rom vertrieben und brachte den größten Teil seines Pontifikats außerhalb des Kirchenstaats zu. Manche Teile des Kirchenstaats mußten an Große zu Lehen gegeben werden, so 1434-47 das Vikariat über die Mark Ancona [* 7] an Franz Sforza von Mailand, [* 8] 1443 das Vikariat über die Gebiete von Benevent und Terracina an Alfons I. von Neapel, und 1441 ging das wichtige Ravenna bei dem Aussterben der Polenta ganz an die Republik Venedig [* 9] verloren.
Papst Paul II. beschränkte endlich durch energisches Regiment etwas den zügellosen Adel und erweiterte den Kirchenstaat durch die Güter des Grafen Anguillara sowie durch Cesena und Petinaro mit ihren Gebieten. Sixtus IV. verlieh seinen Neffen, die sich durch mannigfache Bedrückungen allgemein verhaßt machten, große Gebiete und die wichtigsten Ämter. Um seine Söhne Franz und Cäsar Borgia zum Fürstenrang zu erheben, entriß Papst Alexander VI. vielen seiner Vasallen ihre Lehnsgüter.
Zugleich verwickelte er den römischen Staat in verderbliche Kriege. Unterstützt durch die Neapolitaner und den Herzog von Urbino, bemächtigte sich Franz Borgia 1496 fast aller Städte und Ländereien, welche die Orsini besaßen; doch setzten sich diese mit Hilfe Frankreichs wieder in den Besitz der ihnen entrissenen Güter. Dagegen eroberte der päpstliche Feldherr die von den Franzosen besetzte Festung [* 10] Ostia. Parteiungen aller Art rieben die Staatskräfte auf, und blutige Fehden waren überall an der Tagesordnung. Nach einem von Alexander VI. mit Frankreich errichteten Bündnis unterstützte diese Macht seinen Sohn Cäsar 1499 mit Truppen. Cäsar fiel in die Romagna ein, eroberte Imola und Forli, 1500 auch Pesaro, Rimini und Faenza und ward nach der Eroberung von Fano Herzog von der Romagna. Nach Alexanders VI. Tod fielen die Besitzungen, die er zu gunsten seiner Familie von dem römischen Staat getrennt hatte, an denselben wieder zurück.
Papst Julius II. (1503-13) schloß mit Frankreich und dem Kaiser 1504 ein Bündnis gegen die Republik Venedig und entriß derselben einige Städte, die sie in der Romagna besaß. Weit größere Erfolge hatte er, als er sich 1508 mit dem Kaiser, Frankreich und Spanien [* 11] zur Liga von Cambrai vereinigte. Ludwig XII. von Frankreich zertrümmerte 1509 durch seinen Sieg bei Agnadello die Übermacht Venedigs, und nun fielen auch dessen letzte Besitzungen in der Romagna, sogar das wichtige Ravenna, dem Papste zu. Zwar gelang es Julius II. nicht, die Este aus Ferrara, [* 12] dessen Vikariat sie vor zwei Jahrhunderten den Päpsten abgezwungen hatten, zu vertreiben, wohl aber vermochte er die Franzosen zur Räumung der Halbinsel zu nötigen.
Ohne große Mühe gewann er jetzt Modena, Parma, [* 13] Reggio und Piacenza, Städte, welche schon einmal zum Kirchenstaat gehört hatten. Noch nie war dessen weltliches Gebiet und politische Stellung so groß gewesen als unter Julius II.; die Italiener priesen ihn als Befreier von der Tyrannei der »Barbaren«, und der Plan, Italien unter der weltlichen Herrschaft des Papsttums zu einigen, erschien nicht unmöglich. Aber schon unter Leo X. (1513-20) trat Karl V. der Vergrößerung des Kirchenstaats und der Erhöhung der weltlichen Macht des Papsttums in den Weg. Aus Rücksicht auf die ketzerische Bewegung in Deutschland [* 14] schloß sich Leo X. 1520 dem Kaiser gegen Frankreich an. In dem nun entbrennenden Krieg erwarben die Päpste Perugia, Fermo und Ancona, verloren aber Reggio und Modena. Da der Friede von Madrid [* 15] (1526) den Kaiser zum obersten Gewalthaber in Italien machte, so trat Clemens VII. mit Venedig, Florenz [* 16] und ¶
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Mailand dem Bund Frankreichs und Englands gegen den Kaiser bei, worauf der Herzog Karl von Bourbon, der ein kaiserliches Heer befehligte, Rom mit Sturm nahm und schonungslos plünderte. Der in der Engelsburg belagerte Papst erkaufte den Abzug der Feinde nur durch harte Zugeständnisse und eine Zahlung von 100,000 Zechinen. Im J. 1545 belehnte Paul III. seinen Sohn Peter Ludwig Farnese mit Parma und Piacenza, deren Besitz während der spanisch-französischen Kämpfe zweifelhaft geworden und erst 1529 von den kämpfenden Mächten anerkannt war. Nach Peter Ludwigs Ermordung ward Piacenza 1547 von den Kaiserlichen besetzt, Parma von Paul III. später mit dem Kirchenstaat vereinigt, aber von Julius III. (1550-55), der auch den Colonna ihre Besitzungen zurückgab, wieder dem Octavio Farnese verliehen. Unter Clemens VIII. (seit 1592) kam das Herzogtum Ferrara aus der modenesischen Erbschaft und unter Urban VIII. das Herzogtum Urbino 1626 wieder an den Kirchenstaat.
Es waren blühende Landschaften, die so zu einem Staat vereinigt wurden. 1589 betrug die Getreideausfuhr des Kirchenstaats 500,000 Skudi; einzelne Gegenden zeichneten sich noch durch besondere Produkte aus: Perugia durch Hanf, Faenza durch Lein, Rimini durch Öl, Cesena, besonders aber Montefiascone durch Wein. Es fehlte nicht an fischreichen Seen, an Salzwerken, Alaunwerken, Marmorbrüchen. Auch der Handel des Landes blühte; im Hafen von Ancona fand man Schiffe [* 18] aller Nationen, die gegen die Produkte des Kirchenstaats Seide, [* 19] Wolle, Leder, Blei [* 20] austauschten.
Die Gewalt des Papstes war eine unumschränkte geworden seit dem Untergang der Dynastengeschlechter. Zwar gab es in den Städten noch Patrizier, es bestanden sogar noch die alten Faktionen der Guelfen und Ghibellinen; aber gerade die jeweilig mächtigere schloß sich an den päpstlichen Oberherrn an und gab gern Rechte ihrer Stadt auf, wenn sie Aussicht hatte, mit Hilfe des Papstes die feindliche Partei gänzlich zu unterdrücken. Auf dem Land gab es Barone; in der Regel waren sie arm, begnügten sich, mit den abhängigen Bauern in Frieden zu leben, und kümmerten sich um den Staat wenig.
Gefährlicher konnten die freien Bauernschaften der Romagna werden, die, persönlich tapfer, an dem alten Geschlechterverband streng festhielten. Aber sie waren uneinig, befehdeten sich gegenseitig, und schließlich gewann auch hier der friedliche Mittelstand das Übergewicht. Die Einkünfte des Papstes aus dem Kirchenstaat waren bedeutend, unter Leo X. betrugen sie 420,000 Skudi; dazu kamen die Annaten, die Kaufsummen für neue Ämter, deren Leo X. allein 1200 errichtete, und aus denen er mehr als 900,000 Skudi zog.
Dieser Ämterverkauf war eine Anleihe auf die Zukunft; unter Leo X. mußte die Staatskasse gegen 320,000 Skudi Gehalte für solche Ämter zahlen, im Durchschnitt verzinsten sie sich mit 12 Proz. Clemens VII. machte die erste Staatsanleihe (Monte), die zu 10 Proz. verzinst wurde. Dennoch zahlte der um 1500 von allen Ländern Europas die wenigsten Steuern; aber Paul III. erhöhte den Salzpreis, führte die erste direkte Steuer (Sussidio) ein und brachte die Einkünfte aus dem auf 700,000 Skudi, Gregor XIII. gar auf 1,100,000 Skudi. Das Land hatte von diesen Summen, die Bauten in Rom abgerechnet, wenig Vorteil; das meiste wurde für die Unternehmungen gegen den Protestantismus verwendet. Durch die schlechte Finanzpolitik der Kurie kam es dahin, daß um 1600 auf den Kirchenstaat der Steuerdruck weit stärker lastete als sonst in Italien.
Das energische, häufig gewaltsame Regiment Gregors XIII. (1572-85) rief Parteiungen, ja Zusammenrottungen im K. hervor. Deshalb ist es anerkennenswert, daß Sixtus V. (1585-90) unnachsichtig gegen die Banditen verfuhr und sie gänzlich ausrottete, so daß im K. vollständige Ruhe und Sicherheit herrschten. Sixtus sammelte einen Schatz von 5 Mill. Skudi, beförderte den Ackerbau und begünstigte die Entwickelung der Industrie. Urban VIII. (1623-44) that für die Befestigung und Sicherung des Kirchenstaats viel.
Bei Bologna erbaute er das Fort Castelfranco, das Kastell Sant' Angelo in Rom versah er mit neuen Brustwehren und zog auf Monte Cavallo die hohe Mauer, die den päpstlichen Garten [* 21] einschließt. In Tivoli errichtete er eine Gewehrfabrik; ja, er verwendete die Räume der vatikanischen Bibliothek zu einem Zeughaus und sammelte ein ansehnliches Heer, während seine Vorgänger seit Pius V. sich mit einer Leibwache von 500 Mann, meist Schweizern, begnügt hatten. In Civitavecchia legte er mit bedeutenden Kosten einen Freihafen an. Die Einkünfte des Kirchenstaats wuchsen, mehr noch die Schulden, besonders als das Nepotenunwesen sich seit Sixtus V. einbürgerte. So gelangten die Familien der Aldobrandini und Borghese zu bedeutender Macht, erwarben großen Grundbesitz im Land und verwalteten die einträglichsten Ämter.
Unter den fürstlichen Familien päpstlicher Herkunft behaupteten die Farnese den höchsten Rang, zumal da sie regierende Herzöge von Parma und Piacenza waren. Urban VIII. kam 1641 mit Odoardo Farnese wegen Castro, das den Farnese gegen 100,000 Skudi eintrug, in Krieg, mußte aber kurz vor seinem Tod 1644 allen Ansprüchen darauf entsagen. Unter Urbans Nachfolgern nahm die Begünstigung der Nepoten womöglich noch zu, sie vergaben die Ämter des Kirchenstaats und ließen sich dafür monatliche Steuern zahlen. So fand denn Innocenz XI. die Finanzen des Kirchenstaats in völliger Zerrüttung; zwar betrugen die gesamten Einnahmen 2½ Mill. Skudi, aber die Ausgaben überstiegen sie noch um 170,000 Skudi. Er konnte den Staat nur dadurch vor dem Bankrott bewahren, daß er den Nepoten alle Ämter und Einkünfte daraus entzog.
Clemens XI. geriet 1708 mit dem Kaiser Joseph I. wegen des Besitzes von Parma, Piacenza und Comacchio in einen Streit, in dessen Verlauf die kaiserlichen Truppen Comacchio und einen Teil der Romagna besetzten. Ersteres blieb auch unter Benedikt XIII. (1721-24) im Besitz Österreichs. Die veränderte Gestaltung der politischen und kirchlichen Verhältnisse raubte dem Kirchenstaat seit Anfang des 18. Jahrh. mehr und mehr seine politische Bedeutsamkeit. In den Streitigkeiten mit auswärtigen Mächten mußten die nachteiligsten Vergleiche geschlossen werden. 1768 wurde infolge eines Streits über geistliche Angelegenheiten Venaissin und Avignon von Frankreich, Benevent und Pontecorvo von Neapel besetzt, und nur durch Nachgiebigkeit von päpstlicher Seite wurden diese Lande dem römischen Staat erhalten. Clemens XIV. (1769-74) erlitt zwar große Beschränkungen seiner kirchlichen Gewalt und Einkünfte, förderte aber Wissenschaften und Künste und verwandte große Summen auf die Austrocknung der Pontinischen Sümpfe.
Von wesentlichem Einfluß auf die Geschichte des Kirchenstaats war die französische Revolution. Zunächst wurden dem Papst Pius VI. (1775-99) 1791 von den Franzosen Avignon und Venaissin entrissen; 1796 besetzte ein französisches Heer unter Bonaparte Bologna, Ferrara und Urbino. Obschon der Papst ¶