Vaterland verpflanzt wurden, haben die
Italiener indirekten
Anteil an der weitern großartigen
Entwickelung der Kirchenmusik, welche in
den
Kantaten und
Passionsmusiken J. S.
Bachs gipfelte.
Bach steht als ein ungeheurer Markstein in der Musikgeschichte, alte und
neue Zeit berühren sich in ihm; er erscheint als
Abschluß der vorausgegangenen
Epoche der polyphonen
Kunst, zugleich aber als ein so imposanter Vertreter der neuen
Periode der harmonischen
Musik, daß er noch heute nicht übertroffen,
vielleicht nicht erreicht ist.
Was seit
Bach an noch geschrieben worden ist, atmet den
Geist der neuern Zeit, ist im Aufwand der instrumentalen
Mittel hier
und da glänzender, im Melodischen weicher, sentimentaler, wir können getrost sagen: opernhafter, im
Harmonischen pikanter, dissonanzenseliger
(Bach scheute wahrlich nicht die
Dissonanz, aber sie wirkt bei ihm kräftiger, herber),
reicht aber in Bezug auf die
Größe der Totalanlage und den sittlichen
Ernst der Auffassung nur in wenigen
Fällen an
Bach heran.
Die größten Vertreter der neuern Kirchenmusik sind:
Beethoven
(Missa solemnis),
Mozart
(Requiem),
Cherubini,
Liszt
und
Kiel.
[* 2] Ein »Kirchenmusikalisches Jahrbuch«, redigiert von
Haberl, erscheint seit 1886 in
Regensburg.
[* 3]
Bezeichnung für die
Politik, welche die
Kirche im allgemeinen und namentlich dem
Staat gegenüber befolgt,
aber auch Bezeichnung für die
Politik der
Staatsgewalt und der politischen
Parteien im
Staate der
Kirche gegenüber. Bei der
großen Bedeutung der letztern für das gesamte Kulturleben des
Volkes und bei dem Einfluß, welchen die
Kirche und die kirchlichen
Organe auf das staatliche
Leben auszuüben vermögen, ist die Regelung der Beziehungen des
Staats
zur
Kirche eine der wichtigsten Aufgaben der
Politik auf dem Gebiet der
Gesetzgebung wie auf demjenigen der
Staatsverwaltung.
Die zur Regelung dieses Verhältnisses zwischen
Kirche und
Staat bestimmtenGesetze werden kirchenpolitische
genannt. Von einer in dem modernen
Sinn des
Wortes ist im
Altertum kaum die
Rede; denn die vorchristliche Zeit kannte keine vom
Staatsleben gesonderte öffentliche
Gottesverehrung, betrachtete diese vielmehr als
Funktion des
Staats selbst. Auch das
römische Reich
behauptete den gleichen
Gesichtspunkt, und da die ältestechristliche Kirche am Staatskultus teilzunehmen
ablehnte, so wurde sie als staatsgefährlich verboten und verfolgt.
Sie bildete um so selbständiger ihre Vereinsverfassung aus, bis dann im Anfang des 4. Jahrh.
Konstantin d. Gr. und seine
Söhne sich ihr anschlossen und nunmehr für die Aufrechterhaltung und Fortbildung der christlichen
Kirche die
Staatsgewalt mit in die Wagschale legten. Unter dem fortwirkenden Einfluß des alten
Gedankens,
daß das den
Gottesdienst betreffende
RechtStaatsrecht sei, übten die
Kaiser ihr Schutzverhältnis zur
Kirche häufig so, daß
sie dieselbe geradezu regierten. Diese
Stellung der
Staatsgewalt ist in der griechischen
Kirche noch heute im wesentlichen
Rechtens.
- Im europäischenWesten nahm dagegen das
Verhältnis zwischen
Staat und
Kirche eine andre Gestalt an. Die
apostolische
Mutterkirche dieses großen Patriarchatsprengels war
Rom;
[* 14] seit dem 5. Jahrh. aber erhob der römische
Patriarch,
der
Papst, den Anspruch, daß er nach göttlicher
Stiftung zugleich geistliches
Haupt,
Primas, der Gesamtkirche sei.
Zugleich machte er sich, vermöge der aus der
Völkerwanderung hervorgehenden politischen
Entwickelung
des
Westens, von dem oströmischen Kaiserregiment unabhängig, und schon unter den
Karolingern konnten in der fränkischen
MonarchieStimmen laut werden, durch welche für den
Papst, als den in der
Kirche unbedingt herrschenden Stellvertreter
Christi,
in allem, was kirchlich sei, die Unterordnung derStaatsgewalt beansprucht wurde. Allerdings setzten die
Päpste diese Ansprüche damals nicht durch, vielmehr behandelten auch noch die sächsischen und ersten fränkischen
Kaiser die
Bischöfe nach wie vor als von ihnen angestellte und abhängige, vielfach auch weltlich von ihnen verwendete Beamte
und den
Papst nur als den ersten dieser Reichsbichöfe ^[Reichsbischöfe].
Unterdes hatte aber auf den Gebieten der
Gesellschaft die
Bildung der mittelalterlichen
Innungen begonnen,
und die kirchliche bildete sich, schon vermöge ihrer
Ausdehnung,
[* 15] vorzugsweise mächtig aus. Zugleich verschaffte dem
Papst,
so oft er im
Interesse kirchlicher Selbständigkeit den
Kaiser bekämpfte, das gleichzeitige Auftreten der
Landesherren gegen
diesen brauchbare Verbündete. Als daher das
Reich durch die lange und unruhige
RegierungKaiserHeinrichs
IV. schwach wurde, zu
Zeiten, in denen eine mit
Energie sich geistlichen
Interessen zuwendende Strömung (neue
geistliche Orden
seit 1084,
Kreuzzüge seit 1096) in
PapstGregor VII. einen bedeutenden und besonnenen
Führer fand, da
¶
mehr
ergab sich ein plötzlicher Aufschwung nicht bloß des kirchlichen Selbstbewußtseins, sondern auch seiner sozialen Machtmittel;
nach einer Übergangsperiode gegenseitigen Ringens wurde der Staat von der kirchlichen Genossenschaft für lange unterjocht.
Das in und von der Kirche damals zur Geltung gebrachte kuriale oder papale System beruht auf dem Satz, der Papst
sei Stellvertreter Christi, und fordert demgemäß seitens der übrigen Kirchenobern die Anerkennung, daß niemand von ihnen
kirchliche Regierungsgewalt besitzen könne, außer auf Grund päpstlicher Vollmacht, seitens der christlichen Staatsgewalten
aber die Anerkennung, daß sie jedem vom Papst in Christi, d. h. Gottes, Vertretung gestellten Verlangen als Christen zu gehorchen
haben.
Diese Herrschaft der Kirche über den Staat dauerte so lange, als im Occident auch die gesamte geistliche
Kultur von der Kirche vertreten war. Als aber aus ihrer lateinischen Einheit die modernen nationalen Litteraturen sich entwickelten,
lockerte sich gleichzeitig das Regiment der Kirche: die Bischöfe entzogen sich der römischen Kurie, und die
Staatsgewalten erkannten die Unbedingtheit der kirchlichen Oberherrschaft nicht mehr an. Die Päpste hatten, während ihrer
Residenz zu Avignon (1305-78) thatsächlich vielfach von den französischen Königen abhängig, die dringend nötige kirchliche
Reformation auf unverantwortliche Weise verabsäumt.
Dem gegenüber erklärten jetzt die Bischöfe sich auch ihrerseits selbstverantwortlich; sie behaupteten, als Generalkonzilium
über dem Papst zu stehen (sogen. Episkopalsystem), und nahmen auf den großen Konzilen zu Konstanz
[* 17] (1414-18)
und zu Basel
[* 18] (1431-43) jene Reformation in ihre eigne Hand.
[* 19] Die Staatsgewalten aber begannen die Geltung neuer kirchlicher Anordnungen
in ihrem Land von staatlicher Genehmigung abhängig zu machen. Die Staatseinrichtungen des landesherrlichen »Placet« (regium
exequatur) und der an die Staatsbehörden eröffneten Beschwerde wegen Mißbrauchs derKirchengewalt (recursus
tanquam ab abusu) treten in Spanien
[* 20] seit dem zweiten Dritteil des 14. Jahrh., in Frankreich und in deutschen, zuerst städtischen
Territorien um weniges später auf.
Das Deutsche Reich
[* 21] als Ganzes, wenn es auch den Anspruch des Papstes auf Erteilung der Kaiserwürde zurückwies
(Kurverein zu Rhense 1338) und an die Kirche wegen weltlicher Rechtsverweigerungen zu appellieren verbot (Goldene Bulle 1356),
war freilich in jener Zeit schon zu wenig mehr der lebendige Träger
[* 22] deutscher Staatsgedanken, als daß es deren umfänglichere
Vertretung der kirchlichen Genossenschaft gegenüber hätte übernehmen können. Es hatte die Durchführung
der Staatsidee im wesentlichen schon an die Territorialgewalten abgegeben, welche nunmehr ein Aufsichtsrecht über die Kirche
in Anspruch nahmen.
Die Theorie, daß der Staat nicht nur unabhängig von der Kirche, sondern diese vielmehr verpflichtet sei, sich ihm unterzuordnen,
ja einzuordnen, wurde im 15. Jahrh. von den Hussiten, in dem nächstfolgenden Jahrhundert aber von Luther
wieder aufgenommen. Die Reformation brachte in allen protestantischen Territorien das Kirchenregiment an die Landesherrschaften.
Sie war der erste praktisch durchgeführte Versuch des Staats, eine selbständige Stellung zur Kirche zu nehmen.
Das zu Grunde liegende Prinzip einer religiösen Pflicht der Staatsobrigkeit, für richtigen Gottesdienst im
Lande zu sorgen, hatte indes noch einen konfessionell-kirchlichen Charakter. Als daher die religiösen Motive des 16. Jahrh.
allmählich zurücktraten und man sich humanistisch gewöhnte, auch die
Politik unmittelbar aus den Alten zu lernen, ersetzte
man jenes religiöse Prinzip vielfach durch die antike Idee, daß es in der Natur des Staats liege, auch
die religiöse Einheit seiner Bürger zu bedingen.
Diese in späterer Zeit als Territorialismus bezeichnete Auffassung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche wurde wissenschaftlich
von Hobbes, Spinoza, vor allen von Grotius vertreten. Aber dieser territorialistische Staat war ebenso unduldsam aus politischen
Gründen, wie es der landeskirchliche aus religiösen gewesen war: beide litten nur Eine Kirche im Land.
Nachdem dann der WestfälischeFriede (1648) den beiden deutschen Hauptkonfessionen ihren kirchlichen Besitzstand von 1624 garantiert
hatte, wurde es in einer Mehrzahl deutscher Staaten zur politischen Notwendigkeit: sei es protestantische oder katholische,
sei es zweierlei protestantische Kirchen zugleich im Land zu haben, und mehr und mehr machte sich jetzt
folgende Auffassung geltend: Die Kirchen sind Privatvereine, Kollegia, deren es in einem Staate die verschiedensten nebeneinander
geben kann.
Sie werden von demselben geschützt, zugleich aber im Interesse des öffentlichen Wohls beaufsichtigt und, wenn nötig, in der
Freiheit ihrer Bewegung umgrenzt. Möglich, daß der Staat sich bewogen findet, einen einzelnen Kirchenverein
ganz zu verbieten (reprobatio); möglich, daß er andern die Grenzen
[* 23] jener Bewegung enger oder weiter zieht; möglich, daß
er einen oder mehrere sogar mit Privilegien ausstattet: immer behält er neben seiner Pflicht, sie zu schützen (jus advocatiae),
das Recht, sie zu beaufsichtigen und eventuell zu beschränken (jus inspectionis et cavendi).
Sie hat das große Verdienst, für das Verhältnis des Staats zur Kirche ein richtigeres Prinzip, das der Toleranz, aufgestellt
zu haben, welches, von allen modernen Staaten angenommen, das heutige Staatskirchenrecht beherrscht. Allerdings
hat die römisch-katholische Kirche das Toleranzprinzip niemals förmlich anerkannt, wie sie schon das reformatorische Landeskirchentum
nicht anerkannte; sie hat vielmehr allen seit dem 14. Jahrh. gegen sie erhobenen Widersprüchen gegenüber ihr altes Kurialsystem
festgehalten.
Als im 16. Jahrh. von einer Reihe deutscher Landesherren die lutherische Bewegung in Schutz genommen wurde,
auch nachdem sie vom Papst für eine ketzerische erklärt worden war, machte die Kurie das alte Ketzerrecht geltend und erreichte,
daß im WormserEdikt von 1521 dasselbe reichsseitig angewandt ward. Der Kaiser und die katholisch gebliebenen Fürsten hatten
aber gegenüber der schon seit dem 15. Jahrh. gewonnenen landespolizeilichen Stellung der Territorialherren
die Macht nicht, es durchzuführen, sondern erkannten im AugsburgerReligionsfrieden von 1555 und, nach einem erneuten Versuch,
im WestfälischenFrieden von 1648 die protestantische Religionsübung im Reich reichsgesetzlich an. Diese Friedensbestimmung
erklärte jedoch der Papst in der BulleZelo domus Dei vom für null und nichtig, und er hat
die Verwerfung der Toleranz bis heute festgehalten (vgl. »Syllabus errorum« vom
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