angestellten Bischof für den Bezirk seiner Diözese auf Lebenszeit überträgt, um sie als eigne (propria) zu verwalten; nach
dem Episkopalsystem besitzt jeder Bischof dieselbe Gewalt als göttlich verliehene. Der Bischof hat die volle Kirchengewalt (plenitudo potestatis),
d. h. sowohl die der Wort- und Sakramentsverwaltung (potestas ordinis) als die des Regierens durch Aufsicht,
Gerichtsbarkeit, Gesetzgebung etc. (potestas jurisdictionis); er überträgt die eine wie die andre in ihm
beliebigem Maß den pastoralen oder andern Gehilfen, welche er sich bestellt.
Die römisch-katholische Kirche faßt beiderlei als seelsorgende auf; die evangelische geht davon aus, daß Seelsorge nur durch
Wort- und Sakramentsverwaltung geschehe, und legt die gottgegebene Gewalt hierzu (potestas clavium) der
gläubigen Gesamtkirche bei, von welcher sie durch die Träger des Lehramtes geübt werde. Dagegen legt sie die Gewalt des
äußern kirchlichen Regiments, soweit sie dieselbe überhaupt noch anerkennt, nicht dem Lehramt, sondern in ihrer landeskirchlichen
Formation der Landesherrschaft, in ihrer vereinskirchlichen der Synode bei. Die landeskirchliche Gestalt
kommt zuweilen, z. B. in der anglikanischen und der schwedischen Kirche, in Formen vor, welche an vorreformatorische erinnern,
ohne jedoch ihrem Wesen nach mit ihnen identisch zu sein. Vgl. Kirchenhoheit.
(Jus circa sacra), der Inbegriff der Hoheitsrechte, welche dem Staatsoberhaupt gegenüber den anerkannten
christlichen Kirchen und den sonstigen Religionsgesellschaften zustehen. Es liegt in dem Wesen des Staats und der Souveränität
des Staatsbeherrschers, in seiner Selbständigkeit und seiner Macht, alle ihm unterstehenden Lebens- und Rechtsverhältnisse
so zu normieren, daß auch die Kirche sich dem Majestätsrecht der Staatsgewalt nicht entziehen kann.
Auf der andern Seite sind die Grenzen des Kirchenhoheitsrechts wie jedes andern Hoheitsrechts durch den Staatszweck gezogen,
und die ausschließlich innerhalb der Sphäre der Kirchengemeinschaft liegenden innern Verhältnisse entziehen sich dem staatlichen
Einfluß, indem der moderne Staat zudem die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit seiner Bürger anerkennt.
Gewöhnlich bezeichnet man folgende Rechte als den Inhalt der Kirchenhoheit, welch letztere nichts andres als ein Teil der Staatshoheit
überhaupt ist:
1) das Ausnahmerecht (jus reformandi, jus receptionis), d. h. das Recht der Zulassung von Religionsgesellschaften überhaupt,
jetzt nur noch die Verleihung der Korporationsrechte enthaltend;
2) das Schutz- und Schirmrecht über die Kirchen (jus advocatiae, jus protectionis);
3) das Recht der Oberaufsicht (jus supremae inspectionis), mittels dessen der Staat namentlich etwanigen übergriffen der Kirche
entgegentritt. In letzterer Hinsicht ist namentlich das landesherrliche Placet, d. h. die staatliche Zustimmung zu kirchlichen
Gesetzgebungsakten, von Wichtigkeit. Hierher gehören ferner der Recursus ab abusu (appel comme d'abus),
d. h. das Rechtsmittel der Berufung an die Staatsbehörde wegen Mißbrauchs der geistlichen Gewalt, ferner die Mitwirkung bei
der Besetzung geistlicher Stellen und die Kontrolle der geistlichen Disziplinargerichtsbarkeit.
Während aber der Einfluß der Kirche auf die bürgerlichen Rechtsverhältnisse durch die Aufhebung der geistlichen Gerichtsbarkeit,
die Einführung der Zivilehe und
die Beseitigung der kirchlichen Schulaufsicht im wesentlichen beseitigt ist, bildet die Abgrenzung
der staatlichen Kirchenhoheit gegenüber der katholischen Kirche den Gegenstand langwieriger und heftiger Streitigkeiten. Sie ist der
Kernpunkt des sogen. Kulturkampfes (s. Kirchenpolitik). Nicht zu verwechseln mit der Kirchenhoheit ist die Kirchengewalt (Kirchenregiment,
jus in sacra), d. h. der Inbegriff der Rechte, welche einer Kirche als gesellschaftlichem Verein ihren Mitgliedern
gegenüber zustehen in Gemäßheit des Zwecks und der innern Einrichtung dieser Verbindung. Sie wird von den Organen der Kirche
selbst ausgeübt, in der protestantischen Kirche allerdings auch von dem Landesherrn, da dieser nach protestantischen Grundsätzen
das Oberhaupt des Staats wie dasjenige der Kirche ist.
regelmäßig im Laufe von einem Jahreszeitraum sich begebende Wiederkehr der von der Kirche gefeierten
Sonn- und Festtage. Das Kirchenjahr mit seinen drei Festcyklen, dem Weihnachts-, Oster- und Pfingstfestkreis, beginnt, unabhängig vom
bürgerlichen Jahr, in der katholischen und protestantischen Kirche mit dem ersten Adventsonntag (s. Advent),
welcher stets zwischen den 26. November und 4. Dezember fällt, in der griechischen mit dem 1. September, in England mit Mariä Verkündigung (25. März). S.
Feste und Festcyklus.
Vgl. Strauß, Das evangelische in seinem Zusammenhang dargestellt (Berl. 1850);
Bobertag, Das evangelische
Kirchenjahr (Bresl. 1853);
Alt, Das Kirchenjahr mit seinen Festen etc. (2. Aufl., das. 1860).
Flecken im bayr. Regierungsbezirk Oberfranken, Bezirksamt Wunsiedel, an der perlenreichen Lamitz im Fichtelgebirge
und an der Linie München-Regensburg-Oberkotzau der Bayrischen Staatsbahn, 598 m ü. M., hat eine evang.
Kirche, ein Schloß, ein Amtsgericht, Wollfärberei, Granitschleiferei, Holzdrechslerei, Landesprodukten- und Holzhandel und
(1885) 1995 Einw. Westlich der Epprechtstein mit Aussicht.
der Kostenaufwand, welcher durch die Unterhaltung der Kirchen und der Kirchendiener in sachlicher und
persönlicher Hinsicht erwächst.
Insoweit das Kirchenvermögen (s. d.) zur Bestreitung der Kirchenlasten nicht ausreicht,
werden diese Kosten durch Kirchensteuern und sonstige kirchliche Abgaben gedeckt.
Der früher übliche Kirchenzehnte ist jedoch
fast überall durch Ablösung beseitigt.
(Feudum ecclesiasticum, Stiftslehen, geistliches Lehen, auch krummstäbisches Lehen, weil die Belehnung von
seiten der geistlichen Obern mit dem Hirtenstab geschah), das durch Verleihung von Kircheneigentum begründete
Lehen.
Dahin gehörten die ehemaligen Patronatslehen, Pfarrlehen, Altarlehen, Zehntenlehen, durch ausgeliehene Zehnten begründet,
Glockenlehen, deren Vasallen zum Läuten bei bestimmten Gelegenheiten verpflichtet waren, u. dgl.
Die mit einem rechten Lehen verbundene Verpflichtung zum Kriegsdienst übertrug der Klerus, da ihm der Gebrauch der Waffen untersagt
war, auf einen Provasallen. Vgl. Lehnswesen.
die in den christlichen Kirchen zur Verschönerung des Kultus eingeführte Musik,
mehr
besonders die religiösen Gesänge mit oder ohne Instrumentalbegleitung. Die älteste Kirchenmusik war durchaus nur Gesangsmusik, doch
scheint es, daß schon im frühen Mittelalter Blas- und Saiteninstrumente zur Begleitung im Einklang angewandt wurden; wenigstens
berichtet ein Schriftsteller des 13. Jahrh. (Engelbert von Admont), daß alle Instrumente außer der Orgel aus der
Kirche gewiesen wurden, weil sie an das weltliche Musizieren erinnerten. Im Lauf des 16. Jahrh. wurde die Verstärkung der
Singstimmen durch Blasinstrumente oder auch Saiteninstrumente (Violen, Lauten) wieder allgemein, und mit der Einführung des
Basso continuo um 1600 war der erste Schritt zu einer eigentlichen begleiteten. Kirchenmusik geschehen, welche sich
nun schnell entwickelte (Carissimi, Schütz, J. S. Bach).
Auch die reine Instrumentalmusik wurde zu Ende des 16. Jahrh. in die Kirche eingeführt und zwar wohl zuerst in Venedig durch
die vorzüglichen Organisten der Markuskirche, Claudio Merulo und die beiden Gabrieli, deren »Intonationen« in ähnlicher Weise
den Chorgesang vorbereiteten (wenn auch nur der Tonart nach, nicht thematisch) wie die von den deutschen
Meistern zur höchsten Vollendung gebrachten Choralvorspiele. Die Geschichte der Kirchenmusik ist fast das ganze
Mittelalter hindurch die Geschichte der Musik überhaupt, und wir können daher auf diese verweisen (s. Musik). Hier nur wenige
Bemerkungen über die Entstehung der Formen der Kirchenmusik. Der Ritualgesang der katholischen Kirche ist alt, teilweise
wohl von den Juden übernommen, auch mögen heidnische Melodien mit christlichen Texten versehen worden sein; fest steht, daß
in der byzantinischen Kirche sich zuerst der Antiphonengesang entwickelte und durch Ambrosius (gest. 397) nach Italien verpflanzt
wurde, während der Gradualgesang in Italien aufkam. Der von Ambrosius besonders gepflegte Hymnengesang
mag dagegen im heidnischen Kultus wurzeln. Papst Gregor d. Gr. (gest. 604) unterwarf den Ritualgesang
einer Revision, bei welcher, wie es scheint, besonders viele Hymnen ausgeschieden wurden; in der Hauptsache war es jedenfalls
auf Herstellung völliger Einheitlichkeit des Ritualgesanges der abendländischen Kirche abgesehen, welche
auch durch Kanonisierung des sogen. Gregorianischen Antiphonars erzielt wurde (nur die Offizien für die speziellen Schutzheiligen
unterschieden und unterscheiden das Ritual verschiedener Orte). Der Gregorianische Gesang hat sich bis heute erhalten, so gut
dies bei einer so höchst mangelhaften Notierung wie der bis ins 12. Jahrh. fast einzig gebrauchten
Neumenschrift möglich war. Wenigstens scheinen die Melodien ziemlich intakt geblieben zu sein; dagegen ist die alte Rhythmik
desselben gänzlich verloren gegangen. Der Gesang zur Zeit des Ambrosius war nach dem Zeugnis des heil. Augustin (gest. 430)
ein jubelndes Jauchzen, und auch andre Schriftsteller beschreiben denselben als bunt verziert und schwer
auszuführen.
Noch im 11. Jahrh. scheint er rhythmisch vielgestaltig gewesen zu sein und ist wohl erst
zum langweiligen rhythmischen Einerlei erstarrt, als das Diskantieren und der Kontrapunkt aufkamen. Daß der Gregorianische
Gesang immer nur einstimmig war, steht durchaus fest; ebenso zweifellos ist aber, daß im 10. Jahrh.
(Hucbald) eine uns jetzt sonderbar erscheinende und doch so natürliche Art primitiver Mehrstimmigkeit
aufkam, die darin bestand, daß die Gregorianische Choralmelodie in der höhern Quinte oder tiefern Quarte oder beides und
obendrein noch in der höhern Oktave Note für Note von andern Stimmen begleitet wurde (Organum).
Der Versuch O. Pauls, das
Organum als ein antiphonisches Singen, eine Art Fugato, zu erklären, ist durchaus
unhaltbar. Es ist uns ausdrücklich bestätigt (Hucbald), daß das Organum sich nur in langsamer Bewegung hielt; dadurch zerfällt
die ganze Schrecklichkeit der Quintenparallelen in nichts: man erfreute sich am Wohlklang der einzelnen Quinte. Ohne dieses
Durchgangsstadium wäre die moderne polyphone Musik undenkbar gewesen. Von der strengen Parallelbewegung
wurde bald abgewichen.
Schon Hucbald spricht von Haltetönen in der organisierenden Stimme, und bei Guido von Arezzo kommen schon Terzen vor. Im 12. Jahrh.
verfiel man ins Gegenteil: es erfolgte die vollständige Emanzipation der kontrapunktierenden Stimme im sogen. Diskantus, der
zwar ein fortwährendes Konsonieren in Oktaven und Quinten vorschrieb, aber hervorgebracht durch stete
Gegenbewegung;
und nun verfiel man auf die Idee, den Cantus firmus (die Choralmelodie) nicht Note für Note zu begleiten, sondern
noch weitere Töne einzufügen, die im Durchgang zur folgenden Konsonanz genommen werden konnten.
Zur zweiten Stimme gesellte
sich bald eine dritte und vierte, und die Schriftsteller des 13. Jahrh.
berichten bereits von bedeutenden Kontrapunktisten (Organistae), welche vortreffliche drei- und vierstimmige »Conductus«,
Motetten etc. geschrieben haben sollen (Magister Leoninus, Perotinus Magnus, Robert de Sabilone, Petrus [de Cruce], Johannes [de
Garlandia] und die beiden Franco). Bedeutende Theoretiker, deren Werke zum Teil auf uns gekommen sind
(Franco von Köln, Philipp von Vitry, Johannes de Muris), entwickeln allmählich die noch heute geltenden Satzregeln (Oktaven-
und Quintenverbot), und so finden wir denn bereits um die Mitte des 15. Jahrh. bei den Niederländern
den Kontrapunkt zu hoher Vollkommenheit entwickelt.
Eine große Anzahl hochbedeutender Namen charakterisiert eine langdauernde Periode der Blüte einer heute
mehr und mehr verschwindenden Kunst (Busnois, Dufay, Ockenheim, Hobrecht, Josquin des Prés, Pierre de la Rue, Brumel, Clemens non
Papa, Mouton, Fevin, Pipelare, de Orto, Willaert, de Rore, Goudimel, Orlando Lasso; dazu die Deutschen: Paul Hofhaimer, Heinrich Isaak,
Ludwig Senfl, Hans Leo, Haßler, Gallus, der Spanier Morales etc.). Die Formen, in denen diese Meister ihre Werke
schufen, sind hauptsächlich die der Messe, Motette, des Magnifikat, stets a capella, mit künstlichem Stimmgeflecht und strengsten
Nachahmungen kompliziertester Art, die schließlich in Spielerei mit Schwierigkeiten ausarteten.
Diese überkünstelte Musik stach grell ab gegen die schlichte Einfachheit des die Form des volkstümlichen
(vierstimmigen) Liedes nachahmenden protestantischen Chorals, und wohl aus diesem Grund beschloß das Tridentiner Konzil die
Verbannung der mehrstimmigen Musik aus der Kirche, wenn es nicht gelänge, einen schlichtern, angemessenern Stil für die kirchlichen
Gesänge zu schaffen. So wurde durch äußere Anregung der großartig einfache Palestrinastil geschaffen,
dessen Vertreter außer Palestrina (gest. 1594) besonders die Nanini, Vittoria und die beiden Anerio sind.
Mit der Palestrina-Epoche verschwindet die kurze Blüte kirchlicher Musik in Italien, und dieses verfällt in musikalischer Beziehung
fast gänzlich der Oper, während in Deutschland sich die protestantische Kirchenmusik zu hoher und höchster Blüte entwickelt. Nur
sofern die aus dem soeben (um 1600) aufkommenden musikalischen Drama und Oratorium mittelbar hervorgegangenen Formen des begleiteten
Kirchengesanges (Kirchenkonzert, Kantate) von den in Italien gebildeten Deutschen (Heinrich Schütz) in ihr
mehr
Vaterland verpflanzt wurden, haben die Italiener indirekten Anteil an der weitern großartigen Entwickelung der Kirchenmusik, welche in
den Kantaten und Passionsmusiken J. S. Bachs gipfelte. Bach steht als ein ungeheurer Markstein in der Musikgeschichte, alte und
neue Zeit berühren sich in ihm; er erscheint als Abschluß der vorausgegangenen Epoche der polyphonen
Kunst, zugleich aber als ein so imposanter Vertreter der neuen Periode der harmonischen Musik, daß er noch heute nicht übertroffen,
vielleicht nicht erreicht ist.
Was seit Bach an noch geschrieben worden ist, atmet den Geist der neuern Zeit, ist im Aufwand der instrumentalen Mittel hier
und da glänzender, im Melodischen weicher, sentimentaler, wir können getrost sagen: opernhafter, im
Harmonischen pikanter, dissonanzenseliger (Bach scheute wahrlich nicht die Dissonanz, aber sie wirkt bei ihm kräftiger, herber),
reicht aber in Bezug auf die Größe der Totalanlage und den sittlichen Ernst der Auffassung nur in wenigen Fällen an Bach heran.
Die größten Vertreter der neuern Kirchenmusik sind: Beethoven (Missa solemnis), Mozart (Requiem), Cherubini, Liszt
und Kiel. Ein »Kirchenmusikalisches Jahrbuch«, redigiert von Haberl, erscheint seit 1886 in Regensburg.