Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß die Krankheitserscheinungen unmöglich zu einem gemeinschaftlichen Bild sich vereinigen
lassen. Entweder trübt sich langsam das Allgemeinbefinden, der Wochenfluß wird sparsam, übelriechend, oder das Kindbettfieber setzt
plötzlich mit heftigen Fieberbewegungen und Schüttelfrost ein. Die Milchabsonderung läßt nach, tiefer Druck auf die Beckenorgane
ist schmerzhaft, die Schmerzhaftigkeit steigert sich bald bis zum Unerträglichen, der Leib wird durch
Gase aufgetrieben, schon nach wenigen Tagen kann der Tod eintreten.
Ist der Verlauf langsamer, so gesellen sich nicht selten Entzündungen der Herzklappen, der Lungen oder des Brustfells hinzu,
welche die Kranken zu Grunde richten, oder es kann auch ein Lungenschlag durch Verstopfung (s. Embolie) der
Lungenarterie mit abgerissenen Blutgerinnseln dem Leben ein jähes Ende setzen. Zuweilen nimmt das Kindbettfieber einen chronischen Verlauf;
die Wundfläche im Innern der Gebärmutter heilt aus, die fibro-muskuläre Wand zieht sich zusammen und bildet sich normal
zurück; während in der Umgebung, namentlich in den breiten Mutterbändern, Abscesse zurückbleiben, welche
sehr langsam ausheilen, zu Verwachsungen der Beckenorgane führen und oft noch jahrelang sehr lästige und schmerzhafte Zustände
hinterlassen. Die letztern bilden den Hauptanteil der sogen. Frauenkrankheiten (s. d.).
Die Behandlung des Kindbettfiebers folgt vollständig den Vorschriften, welche für die Behandlung äußerer Wunden maßgebend
sind, d. h. Entfernung des Wundsekrets (Wochenflusses) nach außen, Entfernung und Abtötung der entzündungserregenden
Mikrokokken, Verhütung ihrer weitern Ausbreitung und Kräftigung des ganzen Organismus der Kranken. Man versucht dies zu
erreichen durch Ausspülung der Geburtswege mit reichlichen Mengen von Wasser, welchem fäulniswidrige Mittel (Karbolsäure,
Salicylsäure etc.) zugesetzt sind. Je häufiger und energischer dies geschieht, je
sorgfältiger etwa vorhandene Blutgerinnsel, Eihautreste oder sonstige zersetzungsfähige Massen aus der Uterushöhle ausgeräumt
worden sind, um so mehr Aussicht ist vorhanden, daß die Entzündung auf die Wundfläche selbst beschränkt bleibt.
Wenn bereits eine Ausbreitung auf die tiefern Schichten der Gebärmutter oder gar in die Mutterbänder erfolgt ist, so wirken
reichliche Blutegel, Einreibung mit grauer Quecksilbersalbe, Eisbeutel auf den Unterleib zuweilen günstig;
jedoch ist eine energische lokale Behandlung durch Ausspülen immer noch notwendig, damit nicht immer von neuem Entzündungserreger
von der Wundfläche aus in die Tiefe gelangen und die Eiterung im Becken unterhalten können. Sobald die Eiterung zu einer allgemeinen
Bauchfellentzündung führt, ist die Aussicht auf Heilung äußerst gering. In allen Stadien ist für Bekämpfung
des Fiebers, für Erhaltung der Herzthätigkeit und allgemeine Ernährung zu sorgen, wobei nach ärztlichem Ermessen Kälte (in
Form kalter Umschläge, Eisblasen, Bäder) mit Darreichung von Chinin, Wein, starkem Kaffee, Moschus, Kampfer und Einführung kräftiger
Nahrung (event. Klystiere von Peptonlösung) miteinander abwechseln müssen.
Das Kindbettfieber ist eine unter allen Umständen lebensgefährliche Krankheit; je weiter die Eiterung im Becken um sich greift, um so
weniger wirkt die Behandlung ein. Die in neuester Zeit mit gutem Erfolg ausgeführte totale Entfernung der erkrankten Gebärmutter
wird wohl auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. So hoffnungslos aber auch die Bekämpfung der schweren
Formen des Kindbettfiebers ist, so große Erfolge leisten
gerade hier geeignete Vorbeugungsmaßregeln. Da es feststeht, daß
nur durch eine Verunreinigung der Geburtswege die Keime der Entzündungserreger in dieselben gelangen können, so ist die
peinlichste Reinlichkeit und Desinfektion oberstes Gesetz.
Das Wochenzimmer muß hoch, luftig, sauber, der Fußboden staubfrei sein, alle überflüssigen Möbel,
namentlich Polstermöbel, Teppiche, sind zu entfernen. Das Wochenbett, die Bettwäsche, das Nachtgeschirr, Handtücher, Leibwäsche
muß tadellos rein gehalten werden. Wer mit der Entbindung zu thun hat, muß Hände und alle etwa notwendigen Instrumente nicht
nur waschen, sondern abbürsten, mit Sublimatlösung 1:1000 oder 5proz. Karbollösung desinfizieren.
Niemals darf eine Hebamme oder Wärterin eine Entbindung leiten, wenn sie vorher bei einer am Kindbettfieber kranken Frau Dienste gethan
hat, und dies ist die Stelle, an welcher die Gesetzgebung nicht streng genug leichtfertige Übertretungen bestrafen kann. Der
Erfolg dieser Vorbeugungsmaßregeln ist ein so durchschlagender, daß aus gut geleiteten Entbindungsanstalten
das Kindbettfieber so gut wie der Hospitalbrand aus den chirurgischen Kliniken beseitigt oder doch auf seltene Ausnahmefälle beschränkt
worden ist.
Über die in der Industrie, die Übelstände derselben und die Notwendigkeit einer
gesetzlichen Regelung s. die Artikel »Industrielle Arbeiterfrage« und »Fabrikgesetzgebung«. In der Landwirtschaft hat die Kinderarbeit nicht
die schlimmen Folgen wie in der Industrie. Sie findet vorzugsweise im Sommer statt und nur zu bestimmten Zeiten, namentlich während
der Ernte und bei gutem Wetter, schädigt nicht die Gesundheit und die Moral. Dagegen hat sie den Vorteil,
daß sie das Einkommen der Arbeiterfamilie erhöht, die Kinder frühzeitig an eine für ihre körperliche und geistige Ausbildung
förderliche Thätigkeit gewöhnt. Aber eine mißbräuchliche Ausdehnung der Kinderarbeit kann auch hier stattfinden, namentlich auf
Kosten der Schulbildung der Kinder. Dieser Übelstand kann indes leicht ohne Schädigung des landwirtschaftlichen
Betriebes vermieden werden durch zweckmäßige Schulvorschriften und deren strenge Durchführung sowie durch eine obrigkeitliche
Überwachung auch dieser Kinderarbeit.
Vgl. v. d. Goltz, Die ländliche Arbeiterfrage etc. (2. Aufl., Danz. 1874).
Anstalten (Vorschulen) für kleine Kinder im vorschulfähigen Alter (von 3-6 Jahren), eine Schöpfung des
Pädagogen Friedrich Fröbel (s. d.). Fröbel wurde zu der Gründung der Kindergärten nicht nur durch die Rücksicht auf die Familien geleitet,
welche durch irgend welche Ursachen (Armut, gesellige Beziehungen etc.) gehindert sind, ihren unmündigen Gliedern die
gehörige Beachtung und Anregung zu gewähren, sondern er wollte vielmehr das ganze Unterrichts- und Erziehungswesen von Grund
auf umgestalten, und dazu sollte durch die Kindergärten der Grund gelegt werden. Als Grundsatz seiner pädagogischen Reformpläne stellt
er wiederholt auf, daß der Mensch als »Gliedganzes« in Analogie mit dem Leben der organischen Natur harmonisch
entwickelt werden müsse. Der Mensch soll sich von Haus aus als Ganzes und doch zugleich als Glied einer größern
mehr
Gemeinschaft fühlen lernen. Daher genügt auch schon im vorschulfähigen, zarten Alter die häusliche Erziehung nicht. Fröbel
vereinigte deshalb die Kinder wenigstens einige Stunden des Vormittags in seinem Kindergarten zu gemeinsamem Spiel und gemeinsamer
Beschäftigung. Den Namen wählte er, weil ein Garten zur Beobachtung des organischen Lebens der Natur, zur Erfrischung
etc. wesentlicher Bestandteil der Anstalt ist, und weil in dieser die Kinder als Pflanzen Gottes gepflegt und entwickelt werden
sollen. Er sagt: »Der Kindergarten soll die Kinder des vorschulfähigen Alters nicht nur in Aufsicht nehmen, sondern ihnen auch
eine ihrem ganzen Wesen entsprechende Beschäftigung geben, ihren Körper kräftigen, ihre Sinne üben und
den erwachenden Geist beschäftigen, sie sinnig mit der Natur und Menschenwelt bekannt machen, besonders auch Herz und Gemüt
richtig leiten und zur Einigkeit mit sich führen«. Zu diesem Zweck läßt er die Kinder beobachten, besonders Tiere und Pflanzen,
auch sonst schöne und bedeutsame Körperformen, und diese Beobachtungen aussprechen und besingen.
Daneben leitet er sie zu allerhand Spielen an. Diese sind Bewegungsspiele (Freiübungen, s. d.) und Geistesspiele. Die erstern
beginnen mit dem Ball und schreiten dann zur (harten) Kugel, zum Würfel, zur Walze, zum Bauen mit verschiedenen Körpern fort.
Durch die Bauspiele sowie durch das Flechten, Falten, Ausschneiden, Zeichnen etc. wird der Übergang vom
Spiel zu ernsterer Beschäftigung angebahnt. Auch diesen Spielen gehen Sprech- und Singübungen zur Seite, für welche Fröbel
selbst Sprüche und Lieder in großer Zahl herausgegeben hat.
Die Leitung der Kindergärten sollte eigens dazu ausgebildeten Kindergärtnerinnen übertragen werden. In der Ausführung seiner Pläne
findet sich bei Fröbel manches Seltsame und Schiefe. Dennoch hat das Unternehmen einen gesunden Kern und
verdiente nicht die Feindseligkeit der Regierungen und die Abneigung der Lehrer und Erzieher, der es vielfach begegnete. Mit
der wachsenden Verbreitung (besonders durch die eifrige Propaganda der Frau v. Marenholtz-Bülow in Dresden und das Eintreten
von Kindergärten Schmidt und A. Köhler in Gotha, W. Lange in Hamburg u. a.) ist manches Fehlerhafte abgestreift.
Vom pädagogischen wie volkswirtschaftlichen Standpunkt aus ist ihnen ferneres Wachstum zu wünschen. Nur müssen sie den
bestehenden Schulen nicht feindlich gegenübertreten oder deren Lehrplänen in falschem Ehrgeiz vorgreifen, sondern der Schulerziehung
verständig vorarbeiten. In Österreich wurde durch Erlaß des Ministers v. Stremayr vom die Gründung
von Kindergärten und die Heranbildung von Kindergärtnerinnen amtlich empfohlen und geregelt. Dagegen ist in Preußen zwar das frühere
Verbot schon 1861 aufgehoben, aber die Bevorzugung der Kindergärten vor ähnlichen Veranstaltungen für die vorschulpflichtige
Jugend stets abgelehnt worden, namentlich durch Erlaß des Ministers Fall vom Vielfach berühren
sich die in der Praxis mit den nahe verwandten Kleinkinderschulen (s. d.), Bewahr- oder Pfleganstalten.
Vgl. die Schriften von
Friedrich Fröbel (s. d.), namentlich dessen »Pädagogik des Kindergartens« (hrsg. von W. Lange, 2. Aufl., Berl. 1874);
Goldammer,
Der Kindergarten, Handbuch der Fröbelschen Erziehungsmethode (4. Aufl., das.
1885);
Köhler, Der Kindergarten in seinem Wesen dargestellt (2. Aufl., Weim. 1874);
Derselbe, Die Praxis des Kindergartens
(3. Aufl., das. 1878 ff., 3 Bde.);
Barth, Bilder aus dem Kindergarten (Leipz. 1873);
v. Marenholtz-Bülow,
Der Kindergarten (2. Aufl., Dresd. 1878);
Dieselbe,
Theoretisches und praktisches Handbuch der Fröbelschen Erziehungslehre (Kassel 1886, 2 Bde.);
Seidel,
Katechismus der praktischen Kindergärtnerei (3. Aufl., Leipz.
1887);
Cassau, Fr. Fröbel und die Pädagogik des Kindergartens (Wien 1882).