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schreibende Epiphanius zählt ihrer 80 auf. Bald erschienen Gesetze wider die Ketzer. Sie wurden von seiten der Bischöfe durch Ausschließung
aus der Kirche (Exkommunikation) bestraft, und erst nach vielfachen Bußübungen wurden die Reuigen wieder aufgenommen. Vollends
seit Konstantin d. Gr. standen auf das Verbrechen der Ketzerei Güterkonfiskation und Landesverweisung (Exil), Verbrennung
ketzerischer Bücher und Verlust der bürgerlichen Rechte, bald sogar die Todesstrafe.
Das erste Beispiel der letztern gaben 385 die spanischen Bischöfe, auf deren Betreiben Priscillianus (s. d.) enthauptet wurde.
Noch schlimmer erging es den Ketzern, namentlich den Anführern derselben, als im 13. Jahrh.
durch Gregor IX. auf der Kirchenversammlung zu Toulouse (1229) die Ketzergerichte (s. Inquisition) angeordnet
und fast in allen Ländern der Christenheit eigne Ketzermeister mit unumschränkter Vollmacht über Freiheit, Güter und Leben
von solchen, die wirklich oder angeblich vom Kirchenglauben abwichen, bestellt wurden.
Zugleich fanden förmliche Kreuzzüge gegen die Ketzer statt; ihnen erlagen im 13. Jahrh. die Albigenser und
die Stedinger. Seit der Reformation werden von der römisch-katholischen Kirche vornehmlich die Protestanten und in letzter
Zeit auch die Altkatholiken (s. d.) als Ketzer bezeichnet, wiewohl nach
den Bestimmungen des Westfälischen Friedens im Deutschen Reich die Angehörigen beider Konfessionen sich gegenseitig jenen Namen
nicht beilegen sollten. Auch in der protestantischen Kirche fing man bald an, Rechtgläubige (»Orthodoxe«)
und Häretiker (»Heterodoxe«) zu unterscheiden. Religiöse Unduldsamkeit ist noch heute der Charakterzug der herrschenden
Theologie, wenngleich ihr der Staat nicht mehr den Gefallen thut, die Ketzer von bürgerlichen Ehren, Ämtern und Würden oder gar
vom Rechte der Existenz auszuschließen.
Vgl. Hilgenfeld, Die Ketzergeschichte des Urchristentums (Leipz.
1883).
(blauer Schafs-, Stick-, Krampfhusten, Tussis convulsiva, Pertussis, franz. Coqueluche), eine epidemische Kinderkrankheit,
welche aus periodisch wiederkehrenden krampfhaften Hustenanfällen besteht. Als Vorstadium der Erkrankung
zeigen die meisten Kinder die Symptome eines Schnupfens, zu welchem sich bald Kehlkopf-, Luftröhren- und Bronchialkatarrh gesellen.
Sie haben dabei leichtes Fieber, thränende Augen, eine etwas heisere Stimme, leichten, trocknen Husten, der besonders des Nachts
sich einstellt, unruhigen Schlaf und leiden an gestörter Verdauung, daher die Zunge belegt, der Stuhl erschwert
oder durchfällig ist.
Dieser Zustand kann schon nach 6-8 Tagen in den eigentlichen Krampfhusten übergehen, aber auch mehrere Wochen anhalten. Der
eigentliche Krampfhusten ist charakterisiert durch Hustenanfälle von eigentümlicher Art, die sich anfangs nur dadurch bemerklich
machen, daß der Husten einen gewissen scharfen, trocknen Ton annimmt, in gehäuftern Stößen erfolgt und
den Kranken mehr erschüttert als der gewöhnliche Husten etwa beim Katarrh, bald aber ihre charakteristische Form annehmen.
Die erste Inspiration geht gewöhnlich noch mit Leichtigkeit in die Hustenstöße über; aber schon nach der zweiten Inspiration
tritt oft ein heftiger Krampf der Stimmritze ein, der unter unsäglicher Angst und bei sichtlicher
Erstickungsnot
nur mühsam durch Anstrengung aller Brustmuskeln überwunden wird. Es erfolgen zahlreiche Hustenstöße, oft wird gleichzeitig
der Inhalt des Magens erbrochen, zuweilen werden auch Urin und Stuhl entleert. So folgen sich Hustenstöße und gewaltsame Atemzüge
noch einigemal, bis endlich die Gewalt nachläßt, die Inspirationen ruhiger geschehen und mit dem Husten
eine meist nicht beträchtliche Menge zähen Schleims entleert wird.
Das Kind ist im höchsten Grad erschöpft und erholt sich erst nach einigen Minuten allmählich wieder. Zuweilen treten in einem
heftigen Anfall auch Blutungen aus Mund, Nase und Lungen ein. Die Dauer eines solchen Anfalls ist ½-2 Minuten,
selten länger. Die Zahl der Anfälle innerhalb eines Tags ist gleichfalls sehr verschieden; auf der Höhe der Krankheit kommen
gewöhnlich 20-40 Paroxysmen auf 24 Stunden. Die Anfälle sind nicht an eine bestimmte Zeit gebunden, doch abends und nachts
häufiger, besonders auf der Höhe der Krankheit.
Die Dauer der heftigen Anfälle und des Höhestadiums der Krankheit währt von 14 Tagen bis zu 2 Monaten
und noch länger. Meist werden 10-14 Tage lang die Anfälle immer heftiger und häufiger, dann aber erhält sich die Heftigkeit
derselben eine Zeitlang auf der gleichen Höhe. Schon nach den ersten Wochen sind die katarrhalischen Erscheinungen
gewöhnlich vollständig zurückgetreten; das Kind fiebert nicht mehr, befindet sich, solange es keinen Anfall hat, vollständig
wohl oder ist nur müde und angegriffen.
Die Anfälle treten meist ohne alle Veranlassung ein; doch kann jede kleine Veranlassung, namentlich aber Weinen und Ärger,
sie hervorrufen. Zu schnelles Schlingen, kalte Luft, Rauch und ein Hustenanfall bei einem andern Kind bringt
sie gleichfalls leicht hervor. Nachdem die Anfälle längere oder kürzere Zeit sich auf der Höhe erhalten haben, fangen
sie unmerklich an, sowohl seltener zu werden, als von ihrer krampfhaften Art und Heftigkeit zu verlieren. So löst sich die
Krankheit allmählich und geht nach ca. 8-12 Wochen unter immer leichter vor sich gehendem Auswurf in den
Normalzustand über. Am häufigsten wird der Keuchhusten vom zweiten bis fünften, seltener im ersten Lebensjahr sowie
vom fünften bis siebenten beobachtet.
Erwachsene befällt er nur ausnahmsweise. Mädchen oder krankhaft reizbare, zarte Kinder sind demselben mehr
unterworfen als Knaben und kräftige Kinder. Höchst selten befällt der Keuchhusten zum zweitenmal dasselbe Individuum. Meist herrscht
der in wahren Epidemien; auch wo er sporadisch vorkommt, sind immer mehrere Kinder zu gleicher Zeit befallen. Die Epidemien
treten am häufigsten am Ende des Winters und im ersten Frühjahr, etwas seltener im Herbst und Winter,
am seltensten im Sommer auf.
Viele unleugbare Thatsachen machen eine kontagiöse Verbreitung in hohem Grad wahrscheinlich, wenn nicht gewiß; doch scheint
die Ansteckung meist nur in der Nähe stattzufinden. Die höchste Intensität der Ansteckungsfähigkeit fällt mit der Höhe
der Krankheit zusammen. Obwohl der an sich meist wenig gefährlich ist, wird er es in hohem Grade durch
gewisse Komplikationen und Nachkrankheiten. Die häufigsten Komplikationen sind entzündliche Affektionen der feinern Bronchien
und des Lungengewebes (katarrhalische Lungenentzündung), welche häufig zur Lungenschwindsucht führen. Bei sehr langer Dauer
des Keuchhustens verfallen schwächliche Kinder zuletzt nicht selten in einen Zustand von Abzehrung und
Marasmus, aus dem sie sich schwer oder gar nicht wieder erholen. Oft wird
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auch durch lange andauernden Keuchhusten und durch die davon abhängige Schwächung die Disposition zu verschiedenen chronischen Kinderkrankheiten
geweckt oder begründet.
Was die Behandlung anlangt, so gibt es unter der großen Zahl der versuchten und empfohlenen Mittel kein einziges bewährtes.
Doch ist zur Erleichterung und Abkürzung des Übels und zur Verhütung der gefahrbringenden Komplikationen
ärztliche Überwachung und Behandlung dringend nötig. Herrscht eine Keuchhustenepidemie, so muß jeder Brustkatarrh bei
Kindern mit verdoppelter Vorsicht behandelt werden; man schütze die Kinder sorgfältigst vor jeder Erkältung, namentlich aber
beuge man jedem Verkehr derselben mit am Keuchhusten leidenden Kindern vor.
Ist ein Kind aber vom Keuchhusten befallen, so lasse man es, wenn nicht ganz warme und milde Witterung ist, gar nicht
ins Freie. Bei Hustenanfällen komme man dem Patienten mit Verabreichen warmer schleimiger Getränke (Thee aus präpariertem
Leinmehl, Althee mit Süßholz, Milch mit Selterwasser, warmes Zuckerwasser) zu Hilfe. Durch Klystiere, Manna, gebackenes Obst etc.
sorge man für gehörige Leibesöffnung. Dabei suche man den Patienten durch Verabreichung nahrhafter,
aber reizloser Kost (ungewürzte Bouillonsuppe mit Ei, Milch etc.) bei Kräften zu erhalten, ihn auch vor jeder gemütlichen
oder körperlichen Aufregung zu Bewahren.
Bei heftigen Hustenanfällen richte man ihn auf, unterstütze den Kopf, entferne den zähen Schleim aus dem
Mund. Größere und kräftigere Kinder halte man dazu an, daß sie den Husten soviel wie möglich unterdrücken, da jeder Hustenstoß
die Kehlkopfschleimhaut von neuem reizt und dadurch zu neuen Anfällen führt. Günstig und oft überraschend schnell wirkt
ein Ortswechsel; namentlich ist der Aufenthalt auf dem Land in sonniger, trockner Lage und eine Milchkur
sehr anzuempfehlen.