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Manchester, [* 2] Liverpool, [* 3] York, Dublin [* 4] und andern Städten, seit 1783 am Drurylane-Theater in London, [* 5] dessen Leitung er in der Folge übernahm und bis 1801 führte. Nachdem er 1802 und 1803 Kunstreisen nach Frankreich und Spanien [* 6] unternommen, erwarb er sich einen Anteil am Coventgarden-Theater, zog sich 1812 zurück, betrat aber schon 1814 die Bühne wieder, wo er mit dem lautesten Enthusiasmus begrüßt wurde. Er stand jetzt auf dem Gipfel seiner Popularität und war als der erste Schauspieler Englands anerkannt.
Gesundheitsrücksichten bewogen ihn jedoch, sich 1817 abermals zurückzuziehen. Er starb in Lausanne. [* 7] Das Feld, auf welchem Kemble glänzte, war die Tragödie. Er war von imponierender Gestalt und einnehmendem Äußern. Seine Stimme war deutlich und ausdrucksvoll, seine Darstellung groß und tief, das Resultat mühevollen Studiums. Alle Mittel, das Publikum hinzureißen, standen ihm zu Gebote. In der Jugend war Hamlet seine Hauptrolle; später wirkte er in ernsten Charakterrollen, wie Macbeth, Johann, Brutus und vor allen Coriolanus. Er schrieb auch einige dramatische Stücke. Seine Statue von Flaxman wurde 1833 in der Westminsterabtei aufgestellt.
Vgl. Boaden, Memoirs of the life of J. Philip Kemble (Lond. 1825, 2 Bde.);
Fitzgerald, Account of the Kemble family (das. 1871, 2 Bde.).
2) Charles, ebenfalls Schauspieler, geb. zu Brecknock in Wales, Bruder des vorigen, erhielt wie dieser seine Bildung im katholischen Kollegium zu Douai und ward 1792 zu London bei den königlichen Posten angestellt, ging aber noch in demselben Jahr in Sheffield [* 8] zur Bühne über. Seit 1794 am Drurylane-, seit 1797 am Haymarket-Theater in London engagiert, entwickelte er nun sein Talent mit überraschender Schnelligkeit. 1802 bereiste er den Kontinent, übernahm nach seiner Rückkehr gemeinsam mit seinem Bruder die Direktion des Coventgarden-Theaters, die er von 1817 an allein führte, bereiste 1826 abermals Deutschland [* 9] und Frankreich und eröffnete nach seiner Rückkehr die Bühne mit Webers »Oberon«, wie er sich überhaupt um die Pflege der deutschen Musik in London Verdienste erwarb. Nachdem er 1832 mit seiner Familie noch die Vereinigten Staaten [* 10] von Amerika [* 11] besucht hatte, nahm er 1842 von der Bühne Abschied und starb, zum Theaterzensor ernannt, in London. Schwester der beiden Kemble war die berühmte Schauspielerin Sarah Siddons (s. d.). - Seine Gattin Marie Therese, geborne de Camp, geb. 1774 zu Wien, [* 12] trat schon in frühster Jugend in Noverres Balletten auf und wirkte dann als Tänzerin im Drurylane-, Coventgarden- und Haymarket-Theater mit großem Beifall, während sie als Schauspielerin weniger bedeutend war. Sie starb Auch zwei treffliche Lustspiele: »The first fault« (1799) und »The day after the wedding« (1808), hat sie verfaßt.
3) Frances Anne, Schauspielerin, Tochter des vorigen, geb. zu London, wurde von ihrem Vater für die Bühne gebildet, debütierte 1829 als Julie mit Beifall und besuchte 1832 mit ihren Eltern Amerika, wo sie sich 1834 mit Pierce Butler aus Philadelphia [* 13] verheiratete. Später trennte sie sich von ihrem Gatten, um von neuem die Bühne in England und Amerika zu betreten, und ließ sich 1856 zu Lenox in Massachusetts nieder, von wo aus sie noch zweimal Europa [* 14] besuchte.
Seit 1873 hatte sie ihren Wohnsitz in der Nähe von Philadelphia, gegenwärtig lebt sie in London. Sie veröffentlichte: »Journal of a residence in the United States« (Lond. 1834),
»A year of consolation« (das. 1847),
»Journal of a residence on a Georgian plantation« (das. 1863),
»Poems« (das. 1865 u. 1883),
»Plays« (das. 1864),
worin unter anderm eine Übersetzung von Schillers »Maria Stuart« enthalten ist, und »Notes upon some of Shakespeare's plays« (das. 1882). Ihre Memoiren erschienen unter den Titeln: »Records of a girlhood« (New York 1879) und »Records of a later life« (das. 1882). - Ihre jüngere Schwester, Adelaide, [* 15] geb. 1814 zu London, bildete sich zur Opernsängerin aus, machte Kunstreisen auf dem Kontinent, feierte seit 1841 zu London in den Hauptrollen der großen Opern Triumphe, zog sich aber nach ihrer Vermählung mit Friedr. Sartoris von der Bühne zurück. Sie schrieb: »A week in a French country-house« (Lond. 1867),
»Medusa, and other tales« (1868) u. a.
4) John Mitchell, engl. Sprach- und Geschichtsforscher, Bruder der vorigen, geb. 1807 zu London, studierte in Cambridge, setzte seit 1829 das Sprachstudium unter Jakob Grimm in Göttingen [* 16] fort und trat mit seiner klassischen Ausgabe des »Anglo-saxon poem of Beowulf« (Lond. 1833, 2. Aufl. mit der engl. Übersetzung 1837) als Schriftsteller auf. 1834 hielt er in Cambridge die ersten Vorlesungen über angelsächsische Litteratur, die in seiner »First history of the English language« (Cambridge 1834) gedruckt vorliegen.
Von seinen übrigen Schriften nennen wir: »Über die Stammtafeln der Westsachsen« (München [* 17] 1836),
»Codex diplomaticus aevi Saxonici« (Lond. 1845-48, 6 Bde.),
der auf Kosten der von ihm mitbegründeten English historical Society ol Science erschien, und »State papers and correspondence illustrative of the social and political state of Europe« (das. 1857). Von der auf 4 Bände angelegten »History of the Saxons in England« erschienen 1848 nur 2 Bände (neue Ausg. 1876; deutsch von Brandes, Leipz. 1853). Kemble war langjähriger Redakteur der »British and foreign Review«. Er starb in Dublin. Sein unfertig hinterlassenes Werk »Horae fernes, or studies in the archaeology of northern nations« wurde von Latham vollendet und herausgegeben (Lond. 1864).