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1831 Präsident des Obergerichts und Mitglied des Erziehungsrats. 1830 in den Großen Rat gewählt, war er 1832 und 1834 dessen Präsident. Zu wiederholten Malen vertrat Keller seinen Kanton [* 2] auf der eidgenössischen Tagsatzung und beteiligte sich in dieser Eigenschaft wesentlich an den Arbeiten für die Bundesreform (1833) und das Militärstraf- und Prozeßgesetzbuch (1837). In Anerkennung der letztern Arbeit wurde er zum Obersten und Chef des eidgenössischen Justizstabs ernannt. 1843 ging er als Professor der Rechte nach Halle, [* 3] 1847 in gleicher Eigenschaft als Puchtas Nachfolger nach Berlin, [* 4] wo er starb.
Früher der liberalen Richtung zugethan, huldigte er später dem entschiedensten Konservativismus und war als Mitglied der preußischen Zweiten Kammer sowie des Erfurter Parlaments ein Hauptwortführer der reaktionären Partei. Nach seiner Erhebung in den Adelstand ward er ins Herrenhaus berufen. Ein bleibendes Verdienst erwarb er sich durch Entwickelung und Neubelebung des römischen Prozeßrechts. Hierher gehören seine Werke: »Über Litiskontestation und Urteil« (Zürich [* 5] 1827) und »Der römische Zivilprozeß und die Aktionen« (Leipz. 1852, 6. Aufl. von A. Wach 1883). Als tüchtigen Philologen bekunden ihn seine »Semestria ad M. T. Ciceronem« (Zürich 1842-51, Bd. 1). Noch schrieb er: »Monatschronik der Züricher Rechtspflege« (Zürich 1833-38, 12 Bde.) und »Die Baseler Teilungssache« (das. 1833). Seine Vorlesungen über Pandekten gab Friedberg [* 6] (Leipz. 1861) und in 2. Auflage Lewis (das. 1867, 2 Bde.) heraus.
3) Ferdinand, Altertumsforscher, geb. im Schloß zu Marthalen (Zürich), studierte in Zürich und ging nach Beendigung der philologischen und theologischen Studien 1825 nach Lausanne [* 7] und 1826 nach Paris, [* 8] um Naturwissenschaft zu studieren. Dann lebte er vier Jahre als Erzieher in England und kehrte 1831 nach Zürich zurück. Hier wurde er Lehrer an dem neugegründeten technischen Institut und Aktuar der Naturforschenden Gesellschaft. Als solcher veröffentlichte er mehrere Arbeiten über die Karrenfelder, die Eishöhlen [* 9] und Windlöcher in den Alpen, [* 10] die Tieferlegung des Lungernsees etc. Die Entdeckung und Untersuchung der Grabhügel im Burghölzli, Denkmäler, welche bis dahin in der Schweiz [* 11] unbeachtet geblieben waren, führten zur Gründung der Antiquarischen Gesellschaft, deren Förderung als seine Lebensaufgabe betrachtete, und des Museums, welches unter Kellers Leitung in kurzer Zeit zu großer Bedeutung heranwuchs. Er erforschte die Trümmerstätten römischer Gebäude in allen Teilen der Schweiz und bemühte sich, eine Übersicht der keltischen und alemannischen Altertümer des Landes zu gewinnen. Im Winter 1853/54 entdeckte Keller zu Obermeilen am Züricher See den ersten Pfahlbau, bereiste, da bald darauf auch am Bieler See ähnliches beobachtet wurde, alle bisher vermuteten oder bekannt gewordenen Seestationen und publizierte dann seinen ersten Bericht, der in alle neuern Sprachen übersetzt wurde. Später folgten noch sieben Berichte über Pfahlbauten. [* 12] In den »Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft« und in dem »Historischen und antiquarischen Anzeiger« publizierte Keller eine Reihe von neuen Erscheinungen und Thatsachen und trug dadurch nicht wenig zur Belebung des Interesses für historische und archäologische Fragen der verschiedensten Epochen bei. Keller führte 40 Jahre hindurch, bis 1871, das Präsidium der Antiquarischen Gesellschaft. Als Ehrenpräsident derselben starb er in Zürich. Er publizierte noch: »Bauriß des Klosters St. Gallen vom Jahr 820« (Zürich 1844) und eine archäologische Karte der Ostschweiz (das. 1874).
Vgl. Meyer v. Knonau, Lebensabriß von F. Keller (Zürich 1882).
4) Joseph, Ingenieur und Reisender, geb. zu Gerlachsheim im Tauberthal, machte seine technischen Studien in Karlsruhe [* 13] und Wien, [* 14] wurde 1839 zum Vorstand der Wasser- und Straßenbauinspektion in Mannheim [* 15] ernannt und 1841 nach Karlsruhe versetzt. 1855 folgte er einem Ruf zur Leitung von Straßenbauten in Brasilien. [* 16] Nach Vollendung der ersten Normalstraße durch dieses Land führte er sechs Reisen in das Innere desselben aus. 1869 kehrte Keller nach Karlsruhe zurück, wo er in Ölbildern und Aquarellen verschiedenen Genres ein reiches Talent bekundete. Er starb
5) Augustin, schweizer. Staatsmann, geb. zu Sarmenstorf im Kanton Aargau, wurde für den geistlichen Stand erzogen, widmete sich aber 1826-30 zu München, [* 17] Breslau [* 18] und Berlin dem Studium der Philologie und Philosophie und gehörte der deutschen Burschenschaft an, wurde 1831 Professor am Gymnasium in Luzern, [* 19] 1834 Direktor des aargauischen Lehrerseminars in Wettingen. Außerdem war er Mitglied des Großen Rats und wiederholt Tagsatzungsgesandter seines Kantons und that sich durch die energische Bekämpfung der Jesuiten und des Ultramontanismus hervor.
Auf seinen Antrag wurden nach heftigem Widerstand 1841 die Mannsklöster im Aargau aufgehoben, er stellte auch 1844 bei der Tagsatzung den Antrag auf Ausweisung der Jesuiten, der jedoch erst 1847 durchging. 1856 wurde er in den aargauischen Regierungsrat gewählt und versah das Amt eines Erziehungsdirektors und Präsidenten des katholischen Kirchenrats. Gleichzeitig vertrat er seinen Kanton zuerst im Ständerat (1848/49), dann im Nationalrat (1854-66), seit 1866 wieder im Ständerat und war wiederholt Vorsitzender der einen wie der andern Versammlung. 1869 eröffnete er den Kampf der Baseler Diözesanstände gegen den Bischof Lachat durch sein Buch über die am Priesterseminar Solothurn [* 20] eingeführte Moraltheologie des Paters Gury (2. Aufl., Aarau [* 21] 1870), stellte sich 1870 an die Spitze der altkatholischen Bewegung in der Schweiz und wurde 1875 Präsident des Synodalrats der schweizerischen christkatholischen Kirche. Er starb, nachdem er sich 1881 von allen Ämtern zurückgezogen, in Lenzburg.
Vgl. Hunziker, A. ein Lebensbild (Aarau 1883);
Herzog, Aphorismen aus A. Kellers pädagogischen Schriften (das. 1883).
6) Joseph, Kupferstecher, geb. zu Linz [* 22] am Rhein, ging nach Bonn in [* 23] die Schulgen-Bettendorfsche Kupferdruckerei und 1835 nach Düsseldorf, [* 24] wo sich besonders Jul. Hübner seiner annahm, unter dessen Beirat er einen Stich nach Hübners Rasendem Roland ausführte. Nach dem Tode Thelotts wurde Keller 1839 zuerst provisorisch als Lehrer der Kupferstecherkunst an der Kunstakademie zu Düsseldorf angestellt; 1846 wurde er Professor und bildete eine Anzahl Schüler. 1841 erhielt er vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen [* 25] den Auftrag, Raffaels Disputa zu stechen, und ging noch in demselben Jahr nach Rom, [* 26] um dort eine große Zeichnung nach Raffaels Fresko zu fertigen. 1844 nach Düsseldorf zurückgekehrt, begann er, nach Vollendung eines großen Stichs von Raffaels heiliger Dreifaltigkeit in Perugia, seine Arbeit, neben welcher jedoch noch eine Reihe größerer und kleinerer Platten, so eine Himmelskönigin nach Deger, eine Mater dolorosa nach demselben, der Heiland im Grab nach Ary Scheffer u. a., ¶
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fertig wurde. Die Disputa ist Kellers Hauptwerk, worin sich Sorgfalt des Stichels und malerische Weichheit in gleicher Weise geltend machen. Sodann ging an den Stich der Sixtinischen Madonna von Raffael, wozu er eine von Schurig in Dresden [* 28] hergestellte, von ihm selbst überarbeitete Zeichnung benutzte. Macht sich in den frühern Arbeiten Kellers noch die Manier des Kartonstichs geltend, so ist dieselbe bei der Sixtinischen Madonna ganz abgestreift; bei derselben ist jedoch die zu große Weichheit und Unbestimmtheit der Formengebung zu tadeln, so daß der Stich hinter F. Müller und Mandel zurückbleibt. Keller starb in Düsseldorf.
7) Heinrich Adelbert von, Germanist und Romanist, geb. zu Pleidelsheim in Württemberg, [* 29] studierte in Tübingen [* 30] Theologie, wandte sich aber zugleich unter Uhlands Leitung mittelalterlichen Sprachstudien zu. Als Frucht eines 13monatlichen Aufenthalts in Paris erschien: »Li Romans des sept sages« (Tübing. 1836). Im Herbst 1835 habilitierte sich als Privatdozent der germanischen und romanischen Litteratur in Tübingen, wo er von 1837 bis 1841 auch das Amt eines Unterbibliothekars der Universität bekleidete. In dieser Zeit gab er heraus: »Altfranzösische Sagen« (2. Aufl., Heilbr. 1876),
veranstaltete mit Notter eine deutsche Ausgabe sämtlicher Romane des Cervantes (Stuttg. 1838-42, 12 Bde.),
edierte den »Romancero del Cid« (das. 1840) und »Zwei Fabliaux« (das. 1840) und übersetzte außer anderm die »Gudrun« (das. 1840). Aus Gesundheitsrücksichten ging er 1840 nach Italien, [* 31] wo er zu Rom und Venedig [* 32] die bedeutendsten Bibliotheken durchforschte. Eine reiche Ausbeute von schätzbaren Beiträgen zur Geschichte mittelalterlicher Dichtung veröffentlichte er in seiner »Rômvart« (Mannh. 1844). Nach seiner Rückkehr zum außerordentlichen, 1844 zum ordentlichen Professor und zugleich zum Oberbibliothekar ernannt, gab er heraus: »Diokletians Leben« von Bühel (Quedlinb. 1841);
die »Gesta Romanorum« (Stuttg. 1842);
»Li Romans dou chevalier au leon« (Tübing. 1841);
mit Rapp eine Übersetzung Shakespeares (Stuttg. 1843-46);
»Altdeutsche Gedichte« (Tübing. 1846);
»Alte gute Schwänke« (2. Aufl., Heilbr. 1876);
»Lieder Heinrichs von Württemberg« (Tübing. 1849);
»Lieder Guillems von Burgunden« (Mitau [* 33] 1849);
»Meister Altwerts Werke« (Stuttg. 1850);
»Italienischer Novellenschatz« (Leipz. 1851-52, 6 Bde.) und »Fastnachtsspiele aus dem 15. Jahrhundert« (Stuttg. 1853).
1850 legte er seine Stelle als Oberbibliothekar nieder; dagegen ward er 1849 Präsident des »Litterarischen Vereins« in Stuttgart [* 34] und hat seitdem seine litterarische Thätigkeit vorzugsweise in den Schriften des Vereins entwickelt, für welchen er den »Simplicissimus« (1854-62, 4 Bde.),
»Ayrers Dramen« (1864-65, 5 Bde.),
»Das deutsche Heldenbuch« (1867),
»Hans Sachs« (1870-1881, Bd. 1-13),
»A. Tüngers Facetiae« (1875),
»Widmann, Fausts Leben« (1881) und »Das Nibelungenlied nach der Piaristenhandschrift« (1880) zum Druck beförderte. Noch ist seine Schrift »Uhland als Dramatiker, mit Benutzung seines handschriftlichen Nachlasses dargestellt« (Stuttg. 1877) zu erwähnen. Er starb
Vgl. Fischer, Nekrolog für A. v. Keller (Berl. 1884).
8) Gottfried, Dichter, geb. zu Glattfelden bei Zürich, widmete sich zuerst der Landschaftsmalerei und verweilte zu seiner künstlerischen Ausbildung 1840-42 in Wien, kehrte dann aber in seine Heimat zurück und wurde sich hier bald darüber klar, daß sein schöpferisches Talent ihn weit mehr auf die Poesie als auf die bildende Kunst hinweise. Die Herausgabe der ersten Sammlung seiner »Gedichte« (Heidelb. 1846), in denen sich eine scharf geprägte Originalität neben tiefer Innigkeit und quellender Lebensfülle bekundete, entschied über seinen Beruf. Er ging, um Philosophie zu studieren, 1848 nach Heidelberg, [* 35] 1850 nach Berlin und bethätigte seinen produktiven Drang wie sein eigentümliches Talent durch die Sammlung seiner »Neueren Gedichte« (Braunschw. 1851) sowie durch den großen Roman »Der grüne Heinrich« (das. 1854, 4 Bde.; neue, wesentlich umgearbeitete Ausg., Stuttg. 1879-80), welcher eine Fülle äußerer und innerer Erlebnisse, echt poetischer Stimmungen in einer allerdings lockern und stellenweise über den prosaischen Bericht sich nicht erhebenden Erfindung und Komposition enthält und jedenfalls zu den an poetischem Detail reichsten Romanen der neuern deutschen Litteratur gezählt werden muß.
Ganz entscheidend und über jeden Zweifel hinaus dokumentierte der Dichter seine Bedeutung in den Erzählungen: »Die Leute von Seldwyla« (Braunschw. 1856),
welche ihn unter die ersten Novellendichter der deutschen Litteratur einreihen. In Ernst und Humor enthält die Sammlung vollendete Meisterstücke (darunter: »Romeo und Julie auf dem Dorf«, »Die drei gerechten Kammmacher«). Keller erwies darin neben der Fülle und Wärme [* 36] sinnlich-anschaulichen Lebens eine seltene psychische Tiefe und Feinheit, schlagende Kraft [* 37] der Charakteristik und den liebenswürdigsten Humor, welcher nur vereinzelt in schneidige Satire und Ironie umschlägt. 1861 ward Keller zum ersten Staatsschreiber des Kantons Zürich erwählt. Da in die ersten Jahre nach seinem Amtsantritt mehrere Verfassungsrevisionen fielen, so ward ihm die freie Muße empfindlich verkümmert. Erst seit er 1876 von seiner amtlichen Stellung zurückgetreten, konnte er eine Reihe neubegonnener poetischer Arbeiten zu Ende führen. Vorher war die um eine Anzahl köstlicher Erzählungen, wie: »Dietegen«, »Der Schmied seines Glücks« und »Kleider machen Leute«, vermehrte 2. Auflage der »Leute von Seldwyla« (Stuttg. 1873-74, 4 Bde.; 5. Aufl. 1887, 2 Bde.) sowie die humoristisch-kecken, farbenreichen »Sieben Legenden« (das. 1872, 3. Aufl. 1883) erschienen;
jetzt trat die obengedachte große und vielfach glückliche Neubearbeitung des »Grünen Heinrich« und die Sammlung »Züricher Novellen« (Stuttg. 1878, 2 Bde.; 4. Aufl., Berl. 1886, 2 Bde.) hervor, die in ihrer einrahmenden Erzählung wie in den einzelnen Geschichten (namentlich »Der Landvogt von Greifensee« und »Das Fähnlein der sieben Aufrechten«) wiederum eine wunderbare Fülle innern Lebens und Meisterstücke in Scherz und Ernst aufwies.
Wenn die folgenden Novellen (»Das Sinngedicht«, 4. Aufl., Berl. 1884) trotz einzelner vorzüglicher Momente eine gewisse Ermattung des Dichters befürchten ließen, so ward diese Befürchtung durch alle neuern Gedichte, welche in den »Gesammelten Gedichten« Kellers (Berl. 1883) zu Tage traten, sowie durch den Musterroman »Martin Salander« (das. 1886) entscheidend widerlegt. Letzterer, von höchster Einfachheit der Komposition, birgt einen seltenen Reichtum des Lebens, eine Fülle charakteristischer Gestalten, satirischer Zeitschilderung und tiefpoetischer Situationen, in mustergültiger Vollendung anschaulichen und eigentümlichen Stils, und stellt allein schon Keller den tiefsten und reichsten schöpferischen Naturen der neuesten deutschen Litteratur an die Seite.
Vgl. Brahm, Gottfried Keller (Berl. 1883).
9) Emile, franz. Politiker, geb. zu Belfort, [* 38] besuchte die polytechnische Schule, trat 1857 ¶