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der Monokotyledonen bleibt bei den meisten in dem Endosperm eingeschlossen; seine Basis aber streckt sich dergestalt in die Länge, daß der ganze Keimling aus dem Samen [* 2] herausgeschoben wird, worauf dessen Knospe mit ihren Blättern ans Licht [* 3] emporwächst, während der Same an seiner Stelle bleibt. Der Samenlappen spielt hier die Rolle eines auffangenden Organs, welches die assimilierten Nährstoffe aus dem Endosperm in den Keimling überführt. Bei den Gramineen [* 4] bleibt das ganze Keimblatt im Samen eingeschlossen, und nur die aus mehreren scheidenförmigen Blättern bestehende Knospe tritt hervor, welche durch ein besonderes Saugorgan, das Schildchen (scutellum), mit dem Endosperm im Samen in Verbindung bleibt und durch die Reservestoffe des letztern ernährt wird.
Unter den Dikotyledonen, welche meist zwei Samenblätter besitzen, sind zwei Hauptformen der Keimung zu unterscheiden. Entweder bleiben die Samenlappen im Samen eingeschlossen, und es erscheint nur die Knospe mit den ersten Laubblättern über dem Boden. Bei diesen Pflanzen sind die Samenlappen die Behälter der Reservenährstoffe, große, dicke und fleischige, nicht grüne Organe, welche bei der Keimung keine weitere Ausbildung zeigen, vielmehr in dem Maß rasch einschrumpfen und absterben, als sie ihre Stoffe an die Keimpflanze abgeben.
Ungleich häufiger streckt sich, nachdem das Würzelchen im Boden sich befestigt hat, das hypokotyle Glied [* 5] des Keimlings stark in die Länge und hebt den ganzen Samen über den Boden empor. Dann beginnen die Samenblätter sich zu vergrößern, streifen die Samenschale ab und breiten sich blattartig aus. In diesem Fall sind die Samenblätter meist grün gefärbt, haben Spaltöffnungen und nähern sich in Bau und Gestalt mehr den Laubblättern; sie sind darum schon wie diese fähig, rohe Nährstoffe zu assimilieren, bereiten also dem Keimpflänzchen die erste selbständige Nahrung und haben auch längere Dauer. Oft sind sie auch in diesem Fall die alleinigen Behälter der Reservenährstoffe des Samens. Enthalten aber die Samen Endosperm, so bleiben die Kotyledonen so lange in diesem eingeschlossen, bis sie die Nährstoffe desselben absorbiert haben, um sich dann erst als grüne Blätter zu entfalten.
Die Samen erlangen im allgemeinen die Keimfähigkeit mit ihrer Reife und bewahren dieselbe unter normalen Verhältnissen bei Ausschluß der Keimungsbedingungen ungleich lange; im allgemeinen keimen die Samen im ersten Jahr am sichersten, in den nächstfolgenden vermindert sich die Keimkraft zuerst langsamer, dann sehr rasch, indem immer weniger Samen zur Keimung kommen. Bei den Getreidearten geschieht dies nach 3-7 Jahren. Trockne Gemüsesamen aus Tourneforts Herbarium keimten noch im Pariser Garten, [* 6] obgleich sie über 100 Jahre alt waren.
Unter den Kryptogamen hat man die Sporen von Ustilago Carbo nach 2½, von Ustilago Maidis und Tilletia Caries nach 2 und die von Ustilago destruens noch nach 3½ Jahren, diejenigen gewisser Marsilia-Arten nach 25-30 Jahren keimfähig gefunden. Samen, welche in allen Teilen wohlerhalten sind, kann man nicht ansehen, ob sie keimfähig sind oder nicht; es läßt sich dies nur durch den Versuch selbst, die sogen. Keimprobe, entscheiden. Einflüsse, welche dem Pflanzenleben überhaupt verderblich sind, zerstören auch die Keimkraft; doch sind die Samen dagegen weit widerstandsfähiger als die entwickelte Pflanze.
Vollkommene Trockenheit wird nicht nur ertragen, sondern ist eine Hauptbedingung der Erhaltung der Keimkraft. Abschluß von der Luft ist unschädlich, weil am ruhenden Samen ohnedies keine Respiration stattfindet. Trockne Samen ertragen die stärksten Kältegrade, ohne ihre Keimkraft zu verlieren; gequollene Samen werden jedoch durch Erfrieren beschädigt, um so mehr, je niedriger die Kältegrade. Nach Sachs wird bei einstündiger Erwärmung in Luft an gewöhnlich trocknen Samen die Keimfähigkeit erst zerstört durch eine konstante Temperatur von z. B. 64-65° C. bei Mais und Gerste, [* 7] 67-68° C. bei Roggen und Weizen, 71-73° C. bei Erbsen.
Ganz vollständig ausgetrocknete Weizenkörner ertrugen sogar eine mehrstündige Erwärmung von 100° C., Rotkleesamen eine Temperatur bis beinahe 120° C., ohne ihre Keimkraft zu verlieren; bei gequollenen Samen geschieht dies aber schon bei 49-52° C. Ein schnell vorübergehendes Überwallen mit kochendem Wasser ist unschädlich, soll sogar die Keimfähigkeit begünstigen. Ähnliches ist von den Sporen der Kryptogamen, besonders der Pilze, [* 8] bekannt.
Keimungsbedingungen sind für Samen und Sporen Anwesenheit von freiem Sauerstoff, Wasser und einem gewissen Temperaturgrad. Dunkelheit ist nicht notwendig; wenn Samen, die ganz im Boden verborgen sind, besser zu keimen scheinen als oberflächlich liegende, so hat das in den gleichmäßigern Feuchtigkeitsverhältnissen des erstern Falles seinen Grund. Samen keimen, auch wenn die übrigen Bedingungen der Keimung gegeben sind, in irrespirabeln Luftarten nicht. Auch schon ein ungenügender Zutritt der atmosphärischen Luft verhindert oder stört die Keimung; daher rührt es, daß Samen in außerordentlichen Tiefen des Bodens nicht keimen, aber dabei oft ihre Keimfähigkeit behalten und in späterer Zeit nach tieferer Umarbeitung des Bodens aufgehen.
Liegen sie der Bodenoberfläche näher, aber immer noch zu tief, so beginnt zwar die Keimung; aber die Samen und Keimlinge sterben ab und verfaulen. Bei den Getreidekörnern geschieht dies z. B., wenn sie tiefer als 16 cm liegen; für größere Samen liegt dieser Punkt tiefer, für kleinere höher; daher die Regel: man bringe kleine Samen seicht, größere tiefer unter. Durch Versuche hat man auch die günstigste Tiefe der Aussaat für verschiedene Sämereien ermittelt, denn sehr seichte Lagen sind nur unter Voraussetzung stetig genügender Feuchtigkeit die besten.
Sie beträgt für Weizen 3-3½, Roggen 1½-3, Gerste 3-6, Hafer [* 9] 2½-4½, Erbsen 4½-6, Wicken 3-4½, Bohnen 4½-6, Mais 4½-6, Runkeln 2½-3, Raps, Rübsen 0,7-1,5, Kleearten 0,7-1,5 cm. Von der Temperatur ist die in der Weise abhängig, daß sie, solange das Thermometer [* 10] unterhalb eines niedrigen oder oberhalb eines höhern Grades konstant sich erhält, unterbleibt, auch wenn alle andern Keimungsbedingungen gegeben sind. Jenen nennt man die untere, diesen die obere Temperaturgrenze der Keimung; diese bei jeder Pflanze bestimmten Werte sind besonders durch Sachs', de Vries' und Haberlandts Versuche für gewisse Pflanzen festgestellt.
Für Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Runkelrübe, Buchweizen, Hanf, Raps, Rübsen, Kresse, Mohn, Lein, Rotklee, Luzerne, Linse, [* 11] Erbse, Saubohne liegt die untere Temperaturgrenze je nach der Art zwischen 1,8 und 7,5° C. Die Samen mancher Alpenpflanzen keimen noch bei +2° C. Dagegen liegt das Minimum für Mais und Feuerbohne bei +9 bis 9,6° C., bei Tabak [* 12] und Kürbis [* 13] +13,7 bis 15° C., bei der Gurke sogar unterhalb +18,5° C. Die obere Temperaturgrenze liegt bei Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Tabak, Mohn, Lein, Kümmel, Erbse, Saubohne, Buchweizen, Raps, Rotklee zwischen 28 und 42,5° C. und bei Mais, Hanf, Kürbis, Gurke, ¶
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Feuerbohne ungefähr bei 46,2° C. Denjenigen konstanten Temperaturgrad, bei welchem die in der kürzesten Zeit erfolgt, nennt man das Optimum; je weiter sich die Temperatur von demselben entfernt, eine desto längere Zeit ist zur Keimung erforderlich. Folgende Zahlen geben das Optimum in Celsius-Graden: Mohn zwischen 16 und 18, Gerste 18, Roggen, Lein, Kümmel, Erbse 23, Hafer 25, Weizen, Tabak, Saubohne 27, Rotklee 31, Mais und Gurke 33, Hanf, Raps, Kürbis 36.
Die Keimdauer, d. h. die Zeit, welche unter gewöhnlichen günstigen Umständen vergeht von dem Zeitpunkt an, in welchem die Keimungsbedingungen eintreten, bis zum Hervorbrechen des Keimlings aus dem Samen, ist sehr ungleich. Sie ist bei den Sporen meist sehr kurz. Folgende Zahlen geben die Keimdauer für die nachverzeichneten Sämereien in einem und demselben freien Gartenland und unter denselben Temperaturverhältnissen (ungefähr +12° C. mittlere Temperatur): Hirse [* 15] 2, Rübsen, Kresse 3, Kürbis 5, Weizen, Hafer 6, Zichorie, Gartensalat, Lein, Senf 7, Portulak, Mais, Tabak 8, Erbse 9, Spinat, Rapunzel 10, Kerbel 11, Saubohne, Mohn 12, Petersilie 14, Spargel 19, Rittersporn 20, Ricinus 26 Tage, Mistel (Viscum album) 1½ Monat, Mandel ½-1 Jahr, Pfirsich, Acker-, Wachtelweizen 1 Jahr, Kornelkirsche, Weißdorn 1½ Jahr.
Die Keimung ist immer begleitet von einem Gasaustausch: es wird Sauerstoff aufgenommen und Kohlensäure ausgeschieden;
der Sauerstoff bewirkt Oxydation organischer Verbindungen und erscheint im allgemeinen ganz in der Kohlensäure wieder.
Außer zu dieser eigentlichen Respiration dient aber, besonders bei ölreichen Samen, der eingeatmete Sauerstoff teilweise auch zu stofflichen Neubildungen, zur Umwandlung der Fette in Kohlehydrate; daher bei solchen Samen weniger Kohlensäure ausgeschieden wird, als dem eingeatmeten Sauerstoffvolumen entspricht. Die Verbrennungsprozesse sind die Ursache, daß bei der Keimung eine Wärmeentwickelung eintritt, welche besonders bei der Malzbereitung an der keimenden Gerste bemerkbar wird; keimende Erbsen, zu 100-200 Stück angehäuft, zeigen eine Selbsterwärmung um ca. 1,5° C. Die Ernährung des Keimpflänzchens geschieht zuerst ausschließlich auf Kosten der von der Mutterpflanze stammenden, im Samen niedergelegten Reservenährstoffe.
Die Keimpflanzen der Phanerogamen erreichen sogar eine weitgehende Entwickelung, wenn man ihnen alle äußere Nahrung vorenthält. Der geringste Teil der Reservenährstoffe befindet sich in löslichem Zustand in den Samen, die meisten und wichtigsten in unlöslicher Form, und diese erleiden bei der Keimung wichtige Veränderungen. Das Stärkemehl wird durch diastatische, d. h. der Diastase bei der keimenden Gerste ähnliche, Fermente in lösliche Kohlehydrate (Dextrin, Zucker) [* 16] übergeführt. In Samen, welche keine Stärke, [* 17] dagegen viel fettes Öl enthalten, vermindert sich dasselbe rasch, während Stärke und Zucker erscheinen: unter Aufnahme von Sauerstoff bilden sich aus den Fetten Kohlehydrate.
Die unlöslichen geformten Eiweißverbindungen (Aleuronkörner) [* 18] verschwinden gleichfalls aus den Zellen; sie werden in lösliche Albuminate umgewandelt, bisweilen aber gespalten, indem Asparagin aus ihnen hervorgeht, welches während der Keimung erscheint. Infolge der Respiration geht dem Keimpflänzchen Kohlenstoff verloren, welcher als Kohlensäure ausgeschieden wird; es bedingt dies eine Zerstörung organischer Verbindungen, und die Keimpflänzchen verlieren daher in dieser Periode trotz der Vergrößerung ihrer Teile an Trockengewicht so lange, bis die selbständige Ernährung eintritt. Stickstoff verlieren jedoch bei diesem Prozeß die Keime nicht, sobald nicht Zersetzungen und Absterben von Organen stattfinden. Über Keimkraft, Keimungsenergie und Keimkraftprüfung s. Same.