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auf und gibt an diese nur 4-5 Proz. unverändertes Kautschuk und den nicht gebundenen Schwefel ab. Nur 1-2 Proz. des beigemengten Schwefels verbinden sich mit dem Kautschuk; der Rest ist mechanisch beigemengt, wirkt aber bei längerm Liegen auf das Kautschuk und macht es hart und spröde. Bei anhaltendem Gebrauch wird er durch das abwechselnde Ausdehnen und Zusammenziehen großenteils entfernt; auch kann man ihn durch Erhitzen mit Ätznatronlauge (Entschwefeln) ausziehen, während der, wie es scheint, chemisch gebundene Schwefel sehr viel fester haftet.
Nach dem Behandeln des vulkanisierten Kautschuks mit Alkalilauge gleicht es völlig dem reinen Kautschuk, besitzt aber noch alle vorteilhaften Eigenschaften des vulkanisierten Kautschuks. Aus solchem Präparat bestehen die Saugpfropfen für Kinder und die Patentgummiröhren, welche noch widerstandsfähiger gegen chemische Agenzien sind als das vulkanisierte Kautschuk und nicht, wie dieses, Metallgegenstände bei längerer Berührung schwärzen. Kautschukplatten werden auf oben angegebene Weise dargestellt.
Kautschukfäden schneidet man aus der rohen Handelsware, aus ausgewalzten Blättern, Röhren [* 2] oder Cylindern; runde Kautschukfäden werden aus einem mit Schwefelkohlenstoff und Alkohol bereiteten Teig dargestellt, indem man denselben in einen Cylinder füllt und durch Löcher in dessen Bodenplatte preßt. Die frischen, weichen Fäden werden über endlose Tücher geführt, mit Talk bestreut und, nachdem auf einem langen Weg, den sie schnell durchlaufen, der Schwefelkohlenstoff verdunstet ist, aufgerollt.
Durch Strecken, Erhitzen auf 115° und Abkühlen können Fäden aus reinem und mit Schwefel gemischtem Kautschuk sehr dünn gemacht werden. Röhren stellt man aus den Blättern der schwefelhaltigen Kautschukmasse dar, indem man dieselbe in Bänder zerschneidet, diese um einen Draht [* 3] von entsprechender Stärke [* 4] zusammenbiegt, mit einem leinenen Band [* 5] spiralig fest umbindet und dann brennt. Ganz analog erhält man die Röhren mit Gewebeeinlage, man braucht nur das erste Rohr mit einem mit Kautschuklösung bestrichenen Gewebe [* 6] zu umwickeln und dann einen zweiten Kautschukstreifen herumzulegen.
Bisweilen werden Röhren aber auch aus Teig gepreßt, indem man in die Öffnungen der Bodenplatte des Preßcylinders einen Dorn einsetzt und in das austretende Rohr durch den hohlen Dorn Wasser einleitet. Hohle Gegenstände setzt man meist aus mehreren Stücken, die nach Schablonen geschnitten sind, zusammen, füllt vor dem völligen Schließen etwas Wasser oder kohlensaures Ammoniak ein, legt sie dann in die Formen und brennt sie. Hierbei verflüchtigt sich die eingefüllte Substanz, und der Dampf [* 7] preßt das in alle Vertiefungen der Form.
Gummischuhe wurden früher direkt aus dem Milchsaft der Kautschukbäume dargestellt; jetzt färbt man die schwefelhaltige Kautschukmasse mit Kienruß, befestigt sie durch Walzen auf einem trikotartigen Gewebe, schneidet die erforderlichen Stücke nach Schablonen, setzt dieselben über hohlen eisernen Formen zusammen (nur durch Kleben), überzieht sie mit Asphaltlack und brennt sie über den Formen im Luftbad. Ein sehr eigentümliches Fabrikat sind die Kautschukschwämme, welche vielleicht aus Kautschukteig durch sehr rasches Erhitzen dargestellt werden. Die letzten Reste des Lösungsmittels dürften dabei, indem sie sich in Dampf verwandeln, die Masse ebenso aufblähen und porös machen, wie die Kohlensäure den Brotteig.
Wasserdichte Gewebe wurden zuerst durch Zusammenwalzen des frischen, noch sehr weichen und klebenden Kautschukblattes mit dem Gewebe zwischen geheizten Walzen erhalten. Beim Macintosh lag das Kautschukblatt zwischen zwei Geweben. Die Verarbeitung dieser Gewebe zu Kleidungsstücken etc. erfolgt erst nach dem Vulkanisieren, indem man die zugeschnittenen Stücke an den Rändern mit Kautschuklösung bestreicht, übereinander legt und durch Druck vereinigt. Neuerdings wendet man allgemein einen aus Kautschuk und leichtem Steinkohlenteeröl erhaltenen Teig an, welcher mit Hilfe eines besondern Apparats auf das Gewebe gestrichen wird.
Die Anstriche müssen sehr dünn gemacht und nach jedesmaligem Trocknen sechs- bis achtmal wiederholt werden. Zur Herstellung eines Überzugs von vulkanisiertem Kautschuk löst man in den flüchtigen Teerölen zuerst Schwefel, dann das Kautschuk und färbt die Masse auch wohl schwarz (Regenmäntel). Durch Aufeinanderlegen zweier so bestrichener, noch etwas klebender Gewebe und Zusammenwalzen erhält man die Doppelstoffe. Läßt man aber den ersten Anstrich vollkommen trocknen und vulkanisiert ihn kalt, so kann man auch die andre Seite des Gewebes bestreichen. Für billige Stoffe vermischt man die Anstrichmasse mit allerlei Zusätzen, so daß schließlich das Kautschuk nur noch die Bestimmung hat, den Überzug nicht brüchig noch spröde werden zu lassen. Man benutzt in dieser Weise Steinkohlenteer, namentlich aber auch Lösungen von in Leinöl mit verschiedenen Zusätzen. - Die Abfälle von vulkanisiertem Kautschuk sind sehr schwer zu verarbeiten; zu ihrer Verwertung sind mehrere Vorschläge gemacht, welche meist auf eine Erweichung des Materials durch Wärme [* 8] oder Lösungsmittel, Zerkleinern desselben und Zusammenkneten mit frischer Masse hinauslaufen.
Erhitzt man das Kautschuk mit mehr Schwefel auf eine höhere Temperatur (150°), so erhält man das gehärtete, hornisierte Kautschuk (Ebonit, Kammmasse), welches sich zur Herstellung zahlloser Gegenstände eignet, die man sonst aus Holz, [* 9] Horn, Metall etc. anfertigte. Man mischt das Kautschuk mit Schwefel bis zur Hälfte seines Gewichts, wendet statt des Schwefels auch Schwefelverbindungen an und setzt außerdem Kreide, [* 10] Zinkweiß, Bleiweiß, [* 11] zur Erhöhung der Härte und Elastizität Schellack etc. zu, walzt die Masse aus und erhitzt sie 2 Stunden auf 100° und dann 4 Stunden auf 150°. Bei letzterer Temperatur läßt sich die Masse walzen, bei gewöhnlicher Temperatur aber schneiden, sägen, hobeln etc. und gut polieren, und daher wird das gehärtete in der Regel vor der letzten Bearbeitung gebrannt.
Festigkeit [* 12] und Elastizität des Ebonits scheinen wesentlich vom Schwefelgehalt abhängig zu sein; sehr bedeutend ist die Wärmeausdehnung des Ebonits, und ein etwa 20 cm langer Streifen desselben, mit einem gleich langen Elfenbeinstreifen an einem Ende zusammengeleimt, gibt ein sehr empfindliches Thermometer; [* 13] es ist ein sehr schlechter Leiter der Elektrizität [* 14] und wird beim Reiben ungemein stark elektrisch. Lösungsmitteln ist es vollständig unzugänglich. Die Abfälle sind so gut wie nicht verwertbar.
Verwendung des Kautschuks. Geschichtliches, Produktion.
Kautschuk findet die mannigfachste Verwendung, und namentlich das vulkanisierte und gehärtete Kautschuk wird in zahllosen Fällen benutzt. Sehr ausgedehnt ist die Verarbeitung des vulkanisierten Kautschuks in Form von Röhren und Platten und des Ebonits zu Kämmen;
wegen seiner akustischen Eigenschaft dient es zu Hörrohren und Blasinstrumenten;
da es vielleicht der stärkste negativ isoelektrische Körper ist, dient es ¶
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als Ersatz der Glasscheiben bei Elektrisiermaschinen; da es durchaus nicht hygroskopisch und ein besserer Nichtleiter als alle bis dahin bekannten Stoffe ist, so dient es als treffliches Isolierungsmittel für oberirdische Telegraphenleitungen; man benutzt es ferner zu Gefäßen in der Photographie und Galvanoplastik, [* 16] dieselben sind unzerbrechlich, sehr indifferent und ertragen eine weit über den Siedepunkt des Wassers hinausgehende Temperatur. Große Verbreitung haben in neuerer Zeit Kautschukstempel, zum Teil mit beweglichen Lettern, gefunden. Es eignet sich endlich zur Nachahmung von Hirschhorn, Ebenholz, Gagat, Badeschwamm, zu Winkeln für Zeichner, zu Maschinenteilen, mit Zinnober [* 17] gefärbt zu Unterlagen für künstliche Gebisse, zu Abgüssen von Natur- und Kunstgegenständen etc.
Indianerstämme Brasiliens haben Kautschuk seit langer Zeit zu Gefäßen, Schuhen, Fackeln etc. benutzt, und auch in Ostindien [* 18] scheint die Verwendung des Kautschuks zu Fackeln, zum Dichten von Körben, in welchen Flüssigkeiten aufbewahrt werden sollen, sehr alt zu sein. La Condamine lenkte 1751 die Aufmerksamkeit auf die Eigenschaften des südamerikanischen Kautschuks, und Roxburgh, in dessen Hände 1810 indisches Kautschuk gelangt war, machte den Kautschukfeigenbaum (Ficus elastica) der Industrie dienstbar. 1761 und 1768 veröffentlichte Macquer seine chemischen Untersuchungen über das Kautschuk, Grossart stellte 1768 Röhren aus Kautschuk dar, indem er Streifen desselben um Glasröhren wickelte;
auch benutzte man damals schon das Kautschuk zum Auswischen von Bleistiftstrichen (ein würfelförmiges Stück von 12 mm Seitenlänge kostete 3 Mk.);
noch 1820 kannte man kaum andre Verwendungen als zu Verschlüssen und Röhrenverbindungen an chemischen Apparaten, zu elastischen Verbänden, Bougies, Kathetern, luftdichten Firnissen, zum Wasserdichtmachen von Leder und Geweben;
1820 nahm Hancok ^[richtig: Hancock] ein Patent auf elastische Gewebe mit Kautschukstreifen, und 1823 trat Macintosh mit seinem weltberühmt gewordenen wasserdichten Stoff auf.
Knetmaschinen gab zuerst Nickels 1836 an, aber seit 1852 wurden dieselben immer mehr durch Walzen verdrängt. Lüdersdorff veröffentlichte 1832 seine Entdeckung, daß dem durch Terpentinöl aufgeweichten Kautschuk die nach dem Trocknen zurückbleibende Klebrigkeit benommen wird, wenn man ihm Schwefel beimischt; Benzinger erreichte 1836 dasselbe durch Schwefelleberlösung, aber erst Goodyear in New Haven (Connecticut) entdeckte 1839 das Vulkanisieren durch Imprägnieren mit Schwefel und Erhitzen, und 1842 kamen die ersten vulkanisierten Kautschukartikel nach Europa. [* 19]
Die übrigen Methoden des Vulkanisierens von Hancock (Eintauchen in Schwefel) 1843, von Keene (Einwirkung von Schwefeldämpfen) 1845 und Parkes (Eintauchen in Chlorschwefel) 1846 erreichten bei weitem nicht die Bedeutung des Verfahrens von Goodyear, welcher 1852 auch die Darstellung des Ebonits kennen lehrte. In Deutschland [* 20] erwarb sich Fonrobert Verdienste durch Verbesserung in der Verarbeitung des Kautschuks. 1830 betrug die Menge des in England importierten Kautschuks noch nicht mehr als 454 Ztr., 20 Jahre später wurden 7784 und 1865 72,537 Ztr. eingeführt.
Gegenwärtig kommen nach Scherzers Ermittelungen annähernd folgende Massen von in den Handel: aus Zentralamerika [* 21] 60,000, Assam, Java etc. 40,000, Mosambik 20,000, Borneo 12,000, Madagaskar [* 22] 5000, Westküste Afrikas 50,000, Pará 204,000, zusammen rund 400,000 Ztr. im Wert von ca. 145 Mill. Mk. Deutschland hat in den letzten Jahren verhältnismäßig größere Fortschritte in der Kautschukindustrie gemacht als irgend eins der andern Länder; die größten Fabriken sind in Harburg, [* 23] Hamburg, [* 24] Mannheim, [* 25] Sablon bei Metz [* 26] und in Berlin. [* 27]
Vgl. Collins und Brandis, Report on the Caoutchouc of commerce (Lond. 1875);
Deninger, Die Leder- u. Kautschukindustrie (im amtlichen Bericht über die Wiener Weltausstellung, Braunschw. 1874);
Hausner, Textil-, Kautschuk- und Lederindustrie (Wien [* 28] 1879);
Clouth, Die Kautschukindustrie (Weim. 1878);
Heinzerling, Fabrikation der Kautschuk- und Guttaperchawaren (Braunschw. 1883);
Hoffer, Practical treatise of caoutchouc and gutta-percha (Lond. 1883);
Stefan, Die Fabrikation der Kautschuk- und Leimmassetypen, Stempel etc. (Wien 1886).