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noch Auerochsen. An Schlangen [* 2] ist Kaukasien sehr reich. Heuschreckenschwärme und Stechfliegen sind eine Landplage. Das Kaspische wie das Schwarze Meer sind außerordentlich reich an Fischen. Die Pferdezucht [* 3] ist nur von örtlicher Bedeutung. Dagegen ist die Rindviehzucht ansehnlich u. gewinnt immer größere Ausdehnung, [* 4] ebenso die Schafzucht. Die Seidenraupenzucht ist überaus wichtig; Kaukasien zählt zu den hervorragendsten Seidenproduktionsländern der Erde; Transkaukasien exportiert jährlich mindestens 400,000 kg Rohseide, soll aber in einzelnen Jahren bis 800,000 kg ausgeführt haben.
[Bevölkerung.]
Die Bevölkerung Kaukasiens ist eine außerordentlich gemischte, und obschon Pallas, Güldenstedt, Klaproth, in neuester Zeit Radde sich eingehend mit dem Studium und der Ordnung des hier vorhandenen Chaos von Völker- und Sprachstämmen beschäftigt haben, so bleibt noch viel zu thun, um die verwickelten Verhältnisse vollkommen klarzulegen. Nach dem Chef des kaukasischen Statistischen Büreaus, v. Seydlitz, kamen von der 1873 von ihm auf 5,591,844 Seelen berechneten Bevölkerung [* 5] 4,330,206 auf die mittelländische Rasse, 1,261,638 auf die mongolische. Die mittelländische Rasse zerfällt wieder in die beiden großen Hauptgruppen der Indoeuropäer und der Kaukasier, wozu sich dann einige Semiten gesellen. Numerisch verteilt sich diese Bevölkerung auf die einzelnen Stämme wie folgt:
I. Mittelländische Rasse: | 4330206 |
1) Indo-Europäer | 2444467 |
Slawen (Russen, Polen, Tschechen) | 1360071 |
Armenier | 740689 |
Iranier | 305939 |
Griechen | 20831 |
Deutsche | 15357 |
Romanen | 1046 |
Zigeuner | 534 |
2) Kaukasier | 1855564 |
Kartwelier | 869751 |
Lesghier | 681905 |
Tschetschenzen | 165466 |
Kabardiner u. a. | 138442 |
3) Semiten | 30175 |
II. Mongolische Rasse: | 1261638 |
Türken u. Tataren | 1249900 |
Kalmücken | 10707 |
Esthen | 1031 |
Von den Slawen sind weitaus die Mehrzahl (1,353,449) Russen, welche wiederum hauptsächlich in Ciskaukasien wohnen. Die Deutschen, von denen 1883 in Ciskaukasien 15,765, in Transkaukasien 6222 ermittelt wurden, also zusammen 21,987 Seelen, haben zwei Kolonien mit 10,142 Bewohnern im kubanschen, 5 Kolonien mit 4625 Bewohnern im terschen Landstrich und 2 Kolonien mit 1358 Bewohnern im Gouvernement Stawropol; in Transkaukasien besitzen sie bei Elisabethpol 2 Kolonien (Annen- und Helenenfeld) mit 1326 Einw. und im Gouvernement Tiflis 4 Kolonien (Katharinenfeld, Marienfeld, Elisabeththal, Alexandershilf) mit 4896 Einw., alle in sehr blühendem Zustand. Von den Griechen wohnen weitaus die meisten in Transkaukasien, nur 1540 in Ciskaukasien. Die Iranier bestehen aus Osseten und den nur in Transkaukasien wohnhaften Taten, Talyschinern, Kurden und Persern. Die Armenier finden sich ganz vorwiegend in Transkaukasien; die Zigeuner sind auf beide Landeshälften verteilt.
Die Kaukasier lassen sich in drei Gruppen ordnen: den kartwelischen Stamm, die westkaukasischen und die ostkaukasischen Bergvölker. Der kartwelische Stamm (869,751) ist ausschließlich in Transkaukasien zu Hause und wird vertreten durch die Grusiner im engern Sinn (311,263), die Imerethiner und Gurier (379,112), Mingrelier (197,228), durch Thuschiner, Pschawen, Chewssuren und Swaneten. Die Kartwelier sind stark mit Bergbewohnern vermischt und, in einer abgeschlossenen Gebirgswelt lebend, so verwildert, daß sie den Gebrauch der Schrift verloren haben.
Äußerlich Christen, hängen sie doch noch heidnischen Gebräuchen an; in ihren Wäldern findet man noch Opferstätten, wo die eingebornen Priester die sonst von ihnen verborgnen Opfergaben von Silbergeschirr zu gewissen Zeiten von dem Volk verehren lassen. Die westkaukasischen Bergvölker (138,442), von den Türken Tscherkessen (s. d.) genannt, leben zum allergrößten Teil (123,967) in Ciskaukasien; sie teilen sich in zwei große Stämme, die Adighe, zu welchen der große Stamm der Kabardiner zu rechnen ist, und die Asega oder Abchasen.
Die ostkaukasischen Bergvölker (847,451) zerfallen in zwei Hauptabteilungen, die Tschetschenen und die lesghischen Völker. Von den 165,466 Köpfe starken Tschetschenen oder Tschetschenzen wohnt weitaus der größte Teil in Ciskaukasien im Terekgebiet; von den lesghischen Völkern (681,985), deren Hauptrepräsentanten die Awaren (155,418), Küriner (131,609), Darginer (88,045), Andier (35,511) und Laken oder Kasikumuch (35,139) sind, worauf die Tabassarener, Rutuler, Udinen, Didoer, Artschiner, Agulen, Zachuren, Dscheken (Haputliner), Chinaluger und Kryser folgen, wohnen mit Ausnahme von 16,480 Awaren sämtlich in Transkaukasien.
Der mongolische Stamm wohnt zum allergrößten Teil in Transkaukasien; in Ciskaukasien wohnen nur die Kalmücken und Esthen und von den 212,388 Köpfe starken nördlichen Tataren 153,297, während die aserbeidschanschen Tataren (981,962) sowie die Türken (55,550) ausschließlich in Transkaukasien und zwar die letztern fast ausschließlich im Gebiet von Kars sich vorfinden.
Vgl. Rittich, Ethnographie [* 6] Rußlands (Ergänzungsheft 54 zu »Petermanns Mitteilungen« 1878),
und besonders v. Seydlitz, Ethnographie des Kaukasus (in »Petermanns Mitteilungen« 1880).
[Erwerbszweige.]
Die Landwirtschaft ist in Kaukasien erschwert, da nur im Küstengebiet die Feuchtigkeit der Atmosphäre die Gewächse genügend tränkt; überall sonst muß künstliche Bewässerung stattfinden, die hier bei der großen Sommerhitze und der hierdurch bewirkten starken Verdunstung sehr viel Wasser beansprucht. Im Innern des wilden Berggebiets fehlt es ganz an Kulturboden. Die landwirtschaftlichen Geräte sind noch von der einfachsten Beschaffenheit und demnach sehr geringer Leistungsfähigkeit.
Die Industrie trägt durchweg orientalischen Charakter. Mit Ausnahme der Metallindustrie, der Waffen- und Goldschmiedekunst [* 7] und Teppichwirkerei besteht kein Industriezweig von nennenswerter Ausdehnung; der Rückgang der Kleingewerbe ist unvermeidlich, sobald durch Maschinenkonkurrenz billigere Ware geliefert wird. Die Kleinindustrie hat sich noch am meisten in Achalzych erhalten; die altberühmten Waffenschmiedearbeiten sind im Rückgang, seitdem Ruhe und Sicherheit in die Thäler Daghestans eingezogen sind.
Europäische Fabriken für Seilerwaren, Eisenwaren, Stearin, Baumwollweberei und Lederbereitung sind an mehreren Orten entstanden; die Textilindustrie ist Hauptgegenstand der Thätigkeit der Frauen, die hierin, wie überall im Orient, Gutes leisten. Der Handel, welcher sich hauptsächlich in Baku, Tiflis, Poti und Batum [* 8] konzentriert, hat in neuester Zeit einen großen Aufschwung genommen. Ausgeführt werden namentlich Petroleum, Seide, [* 9] Wolle, Getreide [* 10] und Baumwolle, [* 11] wogegen Baumwollfabrikate, Früchte und Gemüse, Metallwaren, Wollenstoffe und Seidenzeuge eingeführt werden. Für den ansehnlichen Transithandel nach und aus Persien [* 12] besteht zu Nachitschewan am Aras ein Hauptzollamt. Aus Persien kommen Seide und Kokons; dahin gehen Zucker, [* 13] Thee, Manufakturwaren. ¶
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In der Anlage von Verkehrswegen ist bereits viel geschehen; eine Kunststraße ersten Ranges führt hinter Wladikawkas in der Terekschlucht aufwärts zum Kamm des Hochgebirges am Kasbek vorüber und hinab nach Tiflis. Ebenso sind über das Meskische Gebirge die Uferlandschaften am Schwarzen Meer mit dem Kurthal verbunden; längs dieses Flusses nach Baku und Schuscha, dann südlich davon nach Achalzych, Alexandropol und am Gokscha vorbei nach Eriwan und weiter hinab an den Arasfluß sowie im N. längs des Kuban und Terek wie des Kaspischen Meers führen Kunststraßen. In neuester Zeit harren in dieser Beziehung vielfache Entwürfe der Ausführung, so auch der Bau einer Straße von Tiflis nach Alexandropol und Kars. Die Fortsetzung der Bahn Poti-Tiflis nach Baku ist bereits vollendet: fuhr der erste Probezug. Von derselben zweigt sich bei Samtredi die Bahn nach Batum ab, auf welcher die erste Probefahrt unternommen wurde. Die eröffnete Bahn Rostow-Wladikawkas soll fortgesetzt werden nach Petrowsk am Schwarzen Meer oder direkt über das Gebirge nach Tiflis; wahrscheinlich kommen beide Projekte zur Ausführung.
[Verwaltung.]
An der Spitze der Verwaltung steht ein Statthalter (von 1863 bis 1881 Großfürst Michael Nikolajewitsch, seit 1881 der General Fürst Dondukow-Korsakow). Die Verwaltung entspricht im allgemeinen jener des übrigen Rußland, doch stehen in dieser Beziehung wie auch in der Einteilung Veränderungen bevor. - Die allgemeine Wehrpflicht ist nur für das Gouvernement Stawropol in Kraft [* 15] getreten, während aus den übrigen Bezirken irreguläre Truppen, resp. Milizen (das Kutaïs- und Daghestan- irreguläre Reiterregiment, 1 Kuban-, 11 Terek-, 11 Daghestan- [reitende] Sotnien, 1 Sotnie Suchum-Landwehr, Gurische und Grusinische Fuß-Druschinen à 4 Sotnien; ständige Miliz von Kars und Batum) formiert werden. An regulären Truppen standen im kaukasischen Militärbezirk: das 1. kaukasische Korps (kaukasische Grenadier-, 38. und 39. Infanterie- und 1. und 2. Kavalleriedivision), das 2. kaukasische Korps (19., 20. und 21. Infanterie- und kaukasische Kavalleriedivision), 41. Infanteriedivision, kaukasische Schützenbrigade, 6 transkaspische Schützenbataillone, kaukasische Sappeurbrigade, Reserve-Eisenbahnbataillon, Pontonierkompanie, 4 Linienbataillone, kaukasische Ersatz-Kavalleriebrigade, 5 Festungsartillerie-Bataillone, 2 Kompanien, 1 Kommando, 3 Lokalbataillone, 55 Lokalkommandos in einer Stärke [* 16] von rund 19,000 Mann, 15,000 Pferden mit 196 Geschützen.
Geschichte.
Die Geschichte Kaukasiens reicht bis in die älteste Zeit zurück. Schon in der Bibel [* 17] spielt der Ararat, als die Wiege des Menschengeschlechts, eine wichtige Rolle. Am Fuß desselben erhielt die Zendreligion ihr [richtig: ihre] volle Ausbildung. Die Iranier, Anhänger derselben, lagen im steten Kampf mit den als Skythen, Saken, Massageten, Kimmerier etc. bekannten türkisch-tatarischen Völkern im Norden [* 18] des Kaukasus. In die Zeit des Einflusses der Assyrer, durch welche an Stelle des Ormuzddienstes die Verehrung des Baal, Moloch etc. längs der ganzen Küste des Pontischen Meers sich verbreitete, fällt die Fahrt der Argonauten (s. d.) und die ersten Handelsbeziehungen der Phöniker und Griechen mit dem Kaukasus. Im 7. Jahrh. v. Chr. gründen letztere an dem kaukasischen Gestade des Schwarzen Meers Kolonien: Dioskuria u. a. An die Stelle der Assyrer traten die Perser als Besitzer von Transkaukasien.
Das Reich von Atropatene, infolge des Zugs Alexanders d. Gr. nach Baktrien gegründet, umfaßte einen Teil der Gouvernements Jelissawetpol und Baku. Unter den Seleukiden nimmt Armenien Aufschwung; Tigranes (95-60) gebietet über Transkaukasien, wird aber im Kampf mit den Römern von Mithridates besiegt; dieser setzt über den Aras, durchzieht den kaukasischen Isthmus und bekriegt die Iberier (Georgier). Im J. 34 unterwarf Antonius Armenien. 56 n. Chr. zerstörten die Römer [* 19] unter dem Kaiser Nero die Hauptstadt Armeniens, Artaschat, und 98 unternahm Trajan einen Feldzug gegen diesen Staat.
Zur Zeit der Völkerwanderung siedelten sich die Goten, zum Teil die Alanen vertreibend, am Schwarzen Meer-Gestade an; 204 drangen die Chasaren nach dem Kaukasus von Norden ein und kamen bis Grusien und Armenien; erst im J. 300 wurden sie wieder aus Armenien und Albanien vertrieben. 513 fielen die Hunnen in Armenien ein. Die römische Macht nahm ab, aber Kolchida war immer noch zeitweise der Kriegsschauplatz zwischen Römern und Persern. Die Völkerzüge nach Kaukasien dauerten an: so siedelten sich die Avaren 558 hier an; 635 unternahmen die Araber ihren ersten Feldzug nach Armenien.
Die Russen sahen den Kaukasus zum erstenmal zu Anfang des 10. Jahrh. 914 und 943 bemächtigten sie sich der Festung [* 20] Barda und drangen vom Kaspischen Meer her ein. 967 besiegte der Großfürst Swjatoslaw, über den Kuban gehend, am Fuß des Kaukasus die Jassen und Kossogen (Osseten und Tscherkessen). Im 13. Jahrh. dringen die Mongolen ein; 1385 Tamerlan. In dieser Zeit war die Verbindung zwischen Rußland und Kaukasien vollständig zerrissen. Nachdem aber Rußland von dem tatarischen Joch befreit war, erstand sie von selbst wieder.
Die schwachen kaukasischen und transkaukasischen Fürsten suchten gegen die Einfälle ihrer Nachbarn Schutz: so 1492 Kachetien bei Johann III., 1555 die Bewohner der Umgegend von Beschtau bei Johann IV. etc. 1722 eroberte Peter I. Derbent, 1723 Baku, aber 1735 wurden die russischen Besitzungen im K. an Persien abgetreten. 1770 überschritten russische Truppen zum erstenmal den Kaukasus und nahmen Kutaïs. 1774 im Frieden von Kutschuk Kainardschi mit der Türkei [* 21] gewann Rußland die Kuban- und Tereklinie. 1785 wurde aus den Gebieten am Nordabhang des Kaukasus eine kaukasische Statthalterschaft geschaffen, bestehend aus den Kreisen Jekaterinograd, Kisljar, Mosdok, Alexandrow und Stawropol. 1796 eroberte der Graf Subow die Gebiete mit den Städten Derbent, Kuba und Baku. 1801 wurde Georgien in ein russisches Gouvernement verwandelt, nachdem Georg XIII. (Iraklis II. Nachfolger, welcher sich bereits 1783 unter russischen Schutz gestellt hatte) gestorben war. 1862 wurde Ossetien, 1803 die Lesghier, 1804 Mingrelien, 1810 Imeretien unterworfen.
Die Perser hatten Rußland nicht hindern können, sich diese Gebiete anzueignen, und in dem Frieden von Gulistan fanden die Kämpfe zu Rußlands Machtvergrößerung ihren Abschluß. Persien trat an Rußland ab: die Chanate Karabach (Schuminskischer Kreis), [* 22] Gändsche (Kreis Jelissawetpol), Schirwan (Kreis Schemacha), Derbent, Kuba, Baku und Talyscha (Lenkoranskischer Kreis). 1815 besaß Rußland somit schon fast das ganze jetzige Transkaukasien; in seinem Besitz waren nur noch nicht der Achalzychsche Kreis, der südliche Teil des Etschmiadsinskischen, der Eriwansche, Nachitschewanskische und Ordubatskische Kreis. Die Bergvölker (Gorzen) aber ¶