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Neukastilien (Castilla la nueva) grenzt gegen N. an Altkastilien, im O. an Aragonien und Valencia, gegen S. an Murcia und Andalusien, gegen W. an Estremadura und umfaßt den bei weitem größten Teil des südlichen Tafellandes. Es zerfällt in die fünf Provinzen: Madrid, Toledo, Guadalajara, Ciudad-Real und Cuenca und hat Madrid zur Hauptstadt. Das Areal beträgt 72,565 qkm (1318 QM.). Die Bevölkerung zählt (1878) 1,627,945 Einw. Die Neukastilier sind ein aus der Vermischung der Mozaraber (d. h. der von den Arabern unterjochten Westgoten) und der Spanier, welche sich nach der Besiegung und Vertreibung der Mauren hier niederließen, hervorgegangenes Mischlingsvolk. Sie sind ein kräftiger Menschenschlag, die Männer hager, aber muskulös, von mittlerer Größe, die Frauen meist voll und schlank, von großer Lebhaftigkeit und mit viel natürlicher Grazie begabt. Unter allen Zentralspaniern sind sie zugleich die talentvollsten und besitzen namentlich viel Mutterwitz. (Genaueres s. unter den einzelnen Provinzen.)
[Geschichte.]
Kastilien, das alte Bardulien, das Gebiet des obern Ebro, von den zahlreichen Bergschlössern (castella) Kastilien genannt, stand seit dem 8. Jahrh. unter der Herrschaft der Könige von Asturien und Leon, welche das Land durch eingeborne Grafen verwalten ließen. Fernan Gonzalez wird im 10. Jahrh. als erster Graf von Kastilien genannt. Durch Aufstände gegen die Könige Ramiro II. (931-950), Ordono III. (950-957) und Sancho I. (957-966) suchte er die Unabhängigkeit seines Landes von Leon zu erreichen, obwohl vergeblich. Sein Sohn Garcias Fernandez herrschte auch bis 1000 fast selbständig. Dessen Sohn und Nachfolger Sancho hinterließ die Herrschaft seinem Sohn, dem Grafen Garcias, und nach dessen Ermordung 1026 ging sie auf Sanchos Schwiegersohn, den König Sancho Mayor von Navarra, über, der bei seinem Tod (1035) Kastilien seinem Sohn Ferdinand gab. Dieser besiegte am Carrion 1037 seinen Schwager, den König Bermudo III. von Leon, der in der Schlacht fiel, und vereinigte hierauf ganz Leon mit seiner bisherigen Herrschaft zum Königreich Kastilien, das unter Ferdinands Fürsorge und verständiger Regierung immer mehr zu Glück und Macht emporstieg. Er schlug in der Schlacht von Atapuerta 1054 einen Angriff seines neidischen Bruders Garcias von Navarra zurück; vereinigte das navarresische Gebiet auf dem rechten Ebroufer mit Kastilien und erweiterte durch glückliche Kämpfe mit den Arabern die Grenzen seines Reichs beträchtlich nach Süden. Bei seinem Tode (1067) teilte er sein Reich unter seine drei Söhne, von denen Sancho II. Kastilien, Alfons Leon und Asturien, Garcias Galicien erhielt. Indes Sancho II. (1067-1072) vertrieb seine Brüder; nach seinem Tode durch Meuchelmord bemächtigte sich Alfons VI. (1072-1109), sein Bruder, des Reichs und teilte sich 1076 mit Aragonien in das Königreich Navarra. Er regierte mit Weisheit und Kraft und führte siegreiche Kriege gegen die Ungläubigen; nur verlor er 1080 in der unglücklichen Schlacht bei Ucles seinen einzigen Sohn, Sancho. Unter ihm wurde das römisch-hierarchische Kirchensystem auch in Kastilien begründet. Seine Tochter Urraca vermählte sich nach seinem Tod mit Alfons I. von Aragonien, doch gereichte die Vereinigung beider Reiche zu einem Königreich Hispanien keinem zum Segen. Der kastilische Adel erhob sich endlich gegen die aragonische Herrschaft und rief Urracas Sohn erster Ehe, Alfons Raimundez, zum König aus. Nach langem blutigen Krieg wurden die Reiche 1127 wieder getrennt; Kastilien mit Leon und Galicien wurde das Gebiet Alfons' VII. oder VIII. (1127-57), welcher den Titel eines »Kaisers von Spanien« annahm und tapfer gegen die Araber focht. Unter seinen Söhnen und Nachfolgern wurde das kastilische Reich zerrissen, indem Leon, Galicien, Asturien und Navarra sich unabhängig machten. In Kastilien folgte auf Alfons VII. Alfons VIII. oder IX., der Edle (1157-1214). Dieser hinterließ die Krone seinem elfjährigen Sohn Heinrich I., der jedoch schon 1217 verunglückte. Nun brachen wieder heftige Bürgerkriege aus, bis 1230 durch einen Vertrag Ferdinand III., Sohn von Heinrichs Schwester Berengaria und dem König Alfons IX. von Leon, als König von Kastilien und Leon anerkannt und dabei festgesetzt wurde, daß beide Staaten in Zukunft ein einziges, unteilbares Reich bilden und die Erbfolge auf den ältesten Sohn und in Ermangelung männlicher Erben auf die weibliche Linie übergehen sollte. Ferdinand III., der Heilige (1230-52), war ein ebenso weiser Regent wie tapferer Feldherr; er eroberte 1236 Cordova, 1248 Sevilla und brachte das Land bis zur Südküste unter kastilische Herrschaft, ja sogar Granada in Lehnsabhängigkeit von Kastilien. Ihm folgte 1252-84 sein ältester Sohn, Alfons X., der Weise, der mit großer Freigebigkeit Künste und Wissenschaften unterstützte. Er bedrückte aber das Land mit neuen Steuern und erregte dadurch, daß er die Söhne seines erstgebornen Sohns, Ferdinand, vom Thron ausschloß und seinen zweiten Sohn, Sancho, zum Nachfolger bestimmte, einen Thronstreit, an dem sich namentlich Frankreich beteiligte, und der Kastiliens Macht bedeutend schwächte, das Volk verwilderte und den Adel zu Trotz und Überhebung verleitete. Unter Sancho IV. (1284-95) brach bereits eine Empörung der mächtigen Edelleute aus. Gegen den minderjährigen Ferdinand IV. (1295-1312), dessen legitime Geburt angezweifelt wurde, erhoben sich mehrere Prätendenten, und auch die Nachbarreiche suchten sich auf Kosten Kastiliens zu vergrößern; indes seine Mutter Maria de Molina, welche die Regentschaft führte, wußte diese Gefahren durch Weisheit und Standhaftigkeit zu überwinden. Neue Streitigkeiten brachen aus, als nach Ferdinands plötzlichem Tode die Krone an dessen zweijährigen Sohn Alfons XI. (1312-50) fiel; das Reich wurde durch diese innern Kämpfe völlig zerrüttet. Erst 1335 gelang es Alfons, durch Grausamkeit und Hinterlist der Empörungen Herr zu werden und durch die Bewilligung der Alcavala (einer Steuer) eine unabhängige Stellung zu gewinnen. Er eroberte darauf 1344 Algeziras und starb bei der Belagerung von Gibraltar 1350. Ihm folgte Peter der Grausame (1350-69), der durch seine Greuelthaten eine Erhebung seines Halbbruders Heinrich von Trastamara veranlaßte und 1369 von diesem bei Montiel geschlagen u. getötet wurde. Heinrich II. (1369-79) behauptete den Thron gegen Peters Schwiegersohn Johann von Lancaster und erwarb Viscaya. Sein Sohn Johann I. (1379-90) führte Krieg mit den Portugiesen und Engländern um den Besitz seines Throns, vertrug sich aber 1387 im Vertrag von Bayonne mit dem Haus Lancaster und 1389 mit Portugal. Ihm folgte der elfjährige Heinrich III. (1390-1406), dessen Minderjährigkeit Streitigkeiten über die Reichsverwaltung veranlaßte, die das Land furchtbar zerrütteten. Da erklärte sich der junge 14jährige König 1393 für mündig, vermählte sich mit Katharine von Lancaster und führte die Regierung selbst und zwar mit großer Energie. Unter ihm wurden 1402 die Kanarischen Inseln zuerst von Kastilien besetzt. Nach seinem frühen Tod folgte Johann II.
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(1406-54), anfangs unter der Vormundschaft seiner Mutter Katharina und des Infanten Ferdinand, nachherigen Königs von Aragonien, der die Regierung mit Gewandtheit und Energie führte, glücklich gegen die Araber focht (Sieg bei Antequera 1410), aber schon 1416 starb. Der glückliche Zustand von Kastilien hatte nun seinen Endpunkt erreicht. Johann selbst, welcher sich im 13. Jahr für mündig erklärte, war ein schwacher und charakterloser Fürst, der ganz unter der Leitung seines allmächtigen Günstlings Alvaro de Luna (s. d.) stand. Das Mißvergnügen der Großen über seinen Einfluß rief 1439 eine neue Empörung hervor. Dieselbe ward zwar gedämpft und die Macht des Königtums verstärkt; als aber Luna eine Heirat zwischen dem König und der Infantin Isabella, Tochter des Infanten Johann von Portugal, gestiftet, verband sich diese Prinzessin mit den Mißvergnügten gegen den Günstling und bewirkte seine Hinrichtung. Der König war fortan ein Spielball aller Parteien. Charakterloser noch als er war sein Sohn und Nachfolger Heinrich IV., der Ohnmächtige (1454-74), der durch Verschwendung das Land zerrüttete und dem räuberischen Adel zügellose Freiheit ließ. In einem Krieg mit den Arabern eroberte Heinrich 1462 die wichtige Festung Gibraltar. Ein Günstling Heinrichs IV., Beltran de Cueva, galt allgemein für den Vater einer von der Königin gebornen Tochter, Johanna (Beltraneja). Als nun der König dieselbe zur Erbin seines Reichs erklärte, traten die kastilischen Barone, von Aragonien und Navarra unterstützt, gegen ihn auf und ernannten 1465 seinen elfjährigen Bruder, Alfons, auf einer Ständeversammlung zu Sevilla feierlich zum König. Den hierdurch hervorgerufenen Bürgerkrieg beendete 1468 Alfons' Tod. Heinrichs Schwester Isabella ward nun von den Verbündeten zur Königin ausgerufen, obwohl dieselbe die Krone während der Lebenszeit ihres Bruders ablehnte. Vergeblich suchte Heinrich seiner oben genannten Tochter Johanna die Succession zu verschaffen. Er starb 11. Dez. 1474, ein Reich hinterlassend, das die Greuel des Bürgerkriegs in grenzenloses Elend gestürzt hatten. Isabella, eine durch hohe Vorzüge des Geistes und Herzens sowie bedeutende Herrschertalente ausgezeichnete Frau, seit 1469 mit Ferdinand, König von Sizilien und Erben von Aragonien, vermählt, war durch Beschluß der Cortes Erbin von Kastilien. Der König Alfons V. von Portugal machte als Oheim und Verlobter der Johanna Beltraneja im Bund mit Frankreich allerdings einen Versuch, deren Erbrecht zur Geltung zu bringen, ward aber 1476 bei Toro gänzlich geschlagen und erkannte im Frieden von Alcantara 1479 Isabella als Königin von an. Da nun kurz zuvor (1479) Johann II. von Aragonien gestorben war, so erbte Ferdinand dessen Krone, und Kastilien wurde mit Aragonien und somit ganz Spanien zu Einem Reich vereinigt. Vgl. Schirrmacher, Geschichte Kastiliens im 12. und 13. Jahrhundert (Gotha 1881).