mehr
1008 einen Güterhof daselbst dem Kloster Kaufungen. Zu Anfang des 13. Jahrh. wurde Kassel [* 2] von den Landgrafen von Thüringen zur Stadt erhoben. Nach dem Erlöschen des thüringischen Hauses kam an die Landgrafen von Hessen. [* 3] Schon Landgraf Heinrich I. (gest. 1308) legte am jenseitigen Ufer eine Neustadt [* 4] an, verknüpfte dieselbe durch eine Brücke [* 5] mit der Altstadt und baute die Burg von neuem auf. Heinrich II. gründete 1328 auf der linken Seite der Fulda [* 6] die sogen. Freiheit und erbaute hier die St. Martinskirche, mit welcher er 1364 ein Chorherrenstift verband. Kassel widersetzte sich 1376 einer vom Landgrafen Hermann willkürlich ausgeschriebenen Steuer, wurde aber durch Hinterlist überwältigt und seiner Freiheit beraubt.
Eine Einmischung benachbarter Fürsten zu gunsten der vertriebenen Bürger blieb fruchtlos; erst Landgraf Ludwig gab Kassel seine Freiheiten zurück. 1527 nahm die Stadt die Reformation an. Durch den Landgrafen Philipp den Großmütigen wurden die seitherigen Befestigungswerke ansehnlich verstärkt; nachdem sie infolge der Halleschen Kapitulation (1547) auf kaiserlichen Befehl geschleift worden waren, wurden sie sofort nach der Befreiung des Landgrafen aus der kaiserlichen Gefangenschaft wiederhergestellt, indes erst durch seinen Sohn Wilhelm IV. zur Vollendung gebracht.
Dieser verschönerte die Stadt durch verschiedene größere Bauten, und Landgraf Moritz suchte deren Wohlstand durch die Aufnahme vertriebener Niederländer zu heben (1615). 1648 wurde hier zwischen den hessischen Landgrafen ein Vergleich geschlossen, durch welchen der Nachlaß des Landgrafen Ludwig IV. von Marburg [* 7] geteilt wurde. Der Anfang des Aufschwungs der Stadt zu ihrer gegenwärtigen Bedeutung fällt in die Regierungszeit des Landgrafen Karl, unter welchem die Aue, das Orangerieschloß, die großartigen Anlagen am Habichtswald und durch die Aufnahme vieler aus Frankreich vertriebener Hugenotten (1688) die prächtige Oberneustadt entstanden. Im Siebenjährigen Krieg wurde Kassel im Juli 1757 zum erstenmal, aufs neue, zum dritten- und zum viertenmal von den Franzosen besetzt. Im März 1761 wurde es vom Grafen Wilhelm von Bückeburg [* 8] (vergeblich), im September und Oktober 1762 vom Prinzen Friedrich von Braunschweig [* 9] belagert und 7. Nov. d. J. durch Kapitulation eingenommen. Am wurde Kassel durch ein französisches Heer besetzt und zur Hauptstadt des neuen Königreichs Westfalen [* 10] erhoben.
Schon langte der russische General Tschernitschew vor an, vertrieb, während König Jérôme (s. Bonaparte 4) eiligst nach Koblenz [* 11] entfloh, die westfälischen Truppen vor der Stadt und zwang 30. Sept. den General Alix zur Kapitulation. Am 1. Okt. hielt Tschernitschew unter dem Jubel der Bevölkerung [* 12] seinen Einzug, verließ Kassel aber schon zwei Tage danach, und bereits am 7. waren die Truppen von Alix wieder da. Die Ausführung der strengen Strafdekrete, welche dieser über die rebellische Stadt verhängte, hinderte Jérôme, der am 16. Okt. zurückkehrte, doch nur, um die Stadt am 26. für immer zu verlassen; am 27. folgten ihm die letzten Truppen. Am 28. Okt. abends erschienen die ersten Truppen der Verbündeten, worauf 21. Nov. auch der Kurfürst wieder in seine Residenz einzog.
In den Jahren 1830 und 1831 war Kassel gleich andern Städten Kurhessens der Schauplatz von Unruhen, gleichwie seine Einwohner sich auch an der Erhebung des Jahrs 1848 lebhaft beteiligten. Während der Verfassungskrisis und der Spannung zwischen Preußen [* 13] und dem Bund ward Kassel von preußischen sowie 22. Dez. auch von bayrischen und österreichischen Truppen besetzt, welche bis Juli 1851 blieben. Am rückte die preußische Division Beyer, die von Wetzlar [* 14] kam, ohne Widerstand zu finden, in ein, und nach der Einverleibung des Kurfürstentums in den preußischen Staat ward Kassel Hauptstadt der neugebildeten Provinz Hessen-Nassau [* 15] und des gleichnamigen Regierungsbezirks.
Vgl. Piderit, Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Kassel (2. Aufl. von Hoffmeister, Kassel 1882);
Hahndorf, Kassel vor 50 Jahren (das. 1863);
Fr. Müller, Kassel seit 70 Jahren (das. 1876-79, 2 Bde.);
Bähr, Eine deutsche Stadt vor 60 Jahren (2. Aufl., Leipz. 1886);
Brunner, Kassel im Siebenjährigen Krieg (Kassel 1884);
»Neuester Führer durch Kassel etc.« (7. Aufl., das. 1885).
Der Regierungsbezirk Kassel (s. Karte »Hessen-Nassau«) umfaßt 10,115 qkm (nach älterer Angabe 10,126 qkm) oder 183,69 QM. mit (1885) 801,199 Einw. (1880: 822,951 Einw.), darunter 648,948 Evangelische, 130,781 Katholiken und 18,899 Juden) und besteht aus den 24 Kreisen:
Kreise | QKilometer | QMeilen | Einwohner | Einwohner auf 1 QKil. |
---|---|---|---|---|
Eschwege | 502 | 9.13 | 42454 | 85 |
Frankenberg | 560 | 10.17 | 23742 | 42 |
Fritzlar | 341 | 6.19 | 26302 | 77 |
Fulda | 614 | 11.15 | 48317 | 79 |
Gelnhausen | 644 | 11.70 | 41057 | 64 |
Gersfeld | 357 | 6.50 | 21271 | 59 |
Hanau (Stadt) | 346 | 6.26 | 24377 | 177 |
Hanau (Land) | ↗ | ↗ | 36743 | ↗ |
Hersfeld | 506 | 9.16 | 32442 | 64 |
Hofgeismar | 626 | 11.37 | 36709 | 58 |
Homberg | 321 | 5.82 | 21894 | 68 |
Hünfeld | 437 | 7.94 | 24130 | 55 |
Kassel (Stadt) | 18 | 0.32 | 64083 | - |
Kassel (Land) | 405 | 7.35 | 47184 | 116 |
Kirchhain | 336 | 6.12 | 21822 | 65 |
Marburg | 560 | 10.12 | 44160 | 79 |
Melsungen | 388 | 7.06 | 27757 | 71 |
Rinteln | 452 | 8.22 | 39942 | 88 |
Rotenburg | 555 | 10.07 | 30317 | 55 |
Schlüchtern | 463 | 8.41 | 28989 | 63 |
Schmalkalden | 280 | 5.07 | 31114 | 111 |
Witzenhausen | 424 | 7.70 | 29348 | 69 |
Wolfhagen | 407 | 7.40 | 23967 | 59 |
Ziegenhain | 584 | 10.60 | 33078 | 57 |