wachsender Einbürgerung der
Magyaren in ihrem Volkstum zersetzt, erscheint Kaschau im 16. und 17. Jahrh., gleichwie
auch später, als politischer
Vorort des ostungarischen Berglandes, als wichtiger
Waffenplatz und Kommandoort des kaiserlichen
Ungarn,
[* 2] aber auch als
Stützpunkt und
Besitz der Gegner der
Habsburger, eines Bocskai (gest. 1606),
GabrielBethlen (gest. 1629),
Georg Rákoczv I. (gest. 1648), Tökölyi (1682-83), und
FranzRákóczys II.
Insurrektion zog Kaschau auch in Mitleidenschaft.
(chines. Hoschehuöl), Hauptstadt von Kaschgarien im chinesischen
Ostturkistan, 170 km von
Jarkand entfernt,
am Kaschgarfluß, in einer an
Korn undFrüchten reichen Gegend. Auf dem rechten
Ufer des
Flusses steht die 1513 erbaute
Altstadt (Kunaschar), von einer hohen Lehmmauer mit zwei
Thoren umgeben, mit 80,000 Einw.
(Türken,
Chinesen, Chokanjer u. a.)
und engen, krummen und schmutzigen
Straßen. Die einzigen bemerkenswerten Gebäude unter den sonst elenden
Hütten
[* 4] sind der
Palast des
Gouverneurs und eine
Karawanserai, beide von
Jakub Beg erbaut. 8 km südlich steht Jangischar
(»Neustadt«),
[* 5]
in der Buchbinderei s. v. w. Papparbeit (namentlich Theaterdekorationsstücke)
mit
Papier überkleben;
Kaschiereisen, Buchbinderwerkzeug zur Erzeugung der Rückenkanten eines
Buches (s.
Buchbinden, S. 545);
kaschiert, Bezeichnung starker
Papiere, die aus zwei aufeinander geleimten, meist verschiedenfarbigen
Bogen
[* 7] bestehen und zu
Buchumschlägen und Accidenzarbeiten benutzt werden.
[* 11] (Kaschemir), weiches, geköpertes
Gewebe
[* 12] aus feiner
Kammwolle, ohne glänzende
Appretur, auch
wohl mit
Blumen durchwirkt, dient zu Damenkleidern, Umschlagtüchern etc. Früher kam dieser
Stoff ausschließlich aus dem
Orient, wo er aus den feinen
Haaren derKaschmirziege gefertigt wurde, in den europäischen
Handel.
Halbwollener Kaschmir hat eine
Kette aus
Seide
[* 13] und
Einschlag aus Kaschmir- oder Merinowolle.
[* 11] (amtlich Kaschmir und
Dschamu), Vasallenstaat an der Nordwestgrenze des englisch-ostind.
Reichs,
wird im N. und O. von
China
[* 14]
(Ostturkistan und
Tibet), im
S. und W. von
Pandschab und
Kafiristan begrenzt, dehnt sich von 32° 17'-36°
58' nördl.
Br. und 73° 26'-80° 30' östl. L. v. Gr. aus und
umfaßt 178,558 qkm (3242 QM.). Die letzte Zensusaufnahme fand 1873 statt
und ergab eine
Bevölkerung
[* 15] von 1,534,972
Seelen (918,536 Mohammedaner, 506,699
Hindu, 20,254 Buddhisten etc.). Das Gebiet schließt
außer der
Provinz Kaschmir und dem
DistriktDschamu nebst Pantsch die
GouvernementsLadak,
Gilgit und Baltistan mit den
DistriktenDardistan,
Leh u. a. ein. An landschaftlichen
Schönheiten wird insbesondere die
Provinz Kaschmir von wenigen Gegenden der
Erde übertroffen; sie ist ein auf allen Seiten von Schneegipfeln umstelltes Hochthal von fast eirunder Gestalt, 190 km
lang und bis 140 km breit, dessen mittlerer Teil eine kleine
Ebene bildet, die der am Nordostende entspringende
Dschelam mit
zahlreichen Nebenflüssen von O. nach W. durchfließt.
Die
Pir-Pandschabkette mit Gipfeln bis zu 6470 m bildet die südliche Umwallung; zu gewaltiger
Höhe steigt
der Nordostrand empor, wo der (vom
Thal
[* 16] aus jedoch nicht mehr sichtbare) K2 oder
Diamer 8113 m erreicht. Tief eingeschnitten
sind die Paßübergänge, die um
ca. 1000 m tiefer als die Berggipfel liegen, während die Thalebene bei
der Hauptstadt 1568 m
Höhe hat. Die mittlere Jahrestemperatur von
Srinagar ist mit 13,8° C. gleich jener von
Konstantinopel.
[* 17] Die
Winter sind überaus mild, der kälteste
Monat hat eine mittlere
Temperatur von + 4,5° C.; die Regenmenge beträgt 1160
mm.
Unter den zahlreichen
Seen ist der bedeutendste der 275 qkm große Wularsee, der vom
Dschelam durchströmt
und seit 1876 mit einem kleinen
Dampfer, einem
Geschenk der englischen
Regierung, befahren wird.
Der
Dschelam, der das
Thal seiner ganzen
Länge nach durchfließt, zahlreiche Bergflüsse aufnimmt und in Bewässerungskanälen
abgeleitet wird, ist von der Hauptstadt bis in den Wularsee für größere, bis Islamabad für kleinere
Boote schiffbar.
Erdbeben
[* 18] finden sehr häufig statt; 1828 wurden in
Srinagar 1200
Häuser zerstört und 1000
Personen kamen um, 1885 erstreckte
sich die Zerstörung über weite
Strecken, wobei
Tausende ihr
Leben verloren. Von
Metallen kommen vor: Eisen
[* 19] (sehr häufig, aber
nicht gut),
Kupfer,
[* 20]
Blei,
[* 21] Waschgold;
Die
Flora ist
mit der europäischen eng verwandt; Deodar
(Cedrus Deodara),
Yar
(Pinus excelsa), Tschil
(Pinus longifolia) u. a. bilden große
Wälder, die erst in 3350 m
¶
mehr
Höhe ihre Grenze finden. Haine von Pappeln, Kirsch-, Walnuß-, Pfirsich-, Aprikosen-, Apfel- und Maulbeerbäumen säumen die Flußläufe
ein; der Duft von Rosen, Jasmin und Hunderten von wilden Blumen dringt allerwärts entgegen. Reis-, Getreide- und allerlei Gemüsefelder
wechseln mit grünen Wiesen ab; Weinreben bedecken die Abhänge bis zu 2700 m, südeuropäische Rebsorten
wurden 1884 eingeführt, und jetzt ist auch das Keltern von Wein versucht worden. An Wild aller Art ist Kaschmir überreich.
In den höhern Lagen finden sich die Gazelle, das Moschustier, der Steinbock, der Wolf und der schwarze und braune Bär; in den
Umgebungen der Seen ist die Wasserjagd wie der Fischfang sehr lohnend. Der Aufzucht der Haustiere, worunter
das Hornvieh durch den Yak vertreten ist, wird große Sorgfalt geschenkt. Dennoch hat Kaschmir wiederholt von Hungersnot zu leiden
gehabt, zuletzt 1878-80, wo bei Hinzutreten der Cholera die Sterblichkeit eine außerordentliche war.
Die Bevölkerung, meist von hohem und starkem Körperbau, regelmäßigen, bei den Mohammedanern jüdischen
Gesichtszügen und heller Hautfarbe, besteht der Mehrzahl nach aus arischen Einwanderern, welche das Thal von Kaschmir von W. her
über Baramula schon im 2. Jahrtausend v. Chr. besiedelt hatten; im äußern Himalaja sitzen aber noch Reste der vorarischen
wie der später in das indische Pandschab eingedrungenen türkischen Völker (vgl. A. Cunningham, Archaeological
Survey of India, Bd. 2, Kalk. 1871). Die Sprache
[* 23] ist im Thal von Kaschmir Kaschmiri, im äußern Himalaja Dogra, beides Töchtersprachen
des Sanskrits, letzteres jedoch dem modernen Hindi verwandter als ersteres.
Dem Charakter der Bewohner wird wenig Gutes nachgerühmt, eine Folge der jahrhundertelangen schlechten Verwaltung.
Der Religion nach sind sechs Zehntel Mohammedaner (größtenteils Sunniten), der Rest Hindu. IhreKleidung besteht in Beinkleidern
und einem wollenen Umhang; in der Kälte führen sie Kohlenbecken mit sich. In den nördlichen Provinzen ist Produktion und Lebensweise
ganz tibetisch (s. Tibet), eigentümlich ist dagegen das Leben im Thal von Kaschmir. Hier werden die weltberühmten
Kaschmirshawls gewebt, zu denen teils die Haare
[* 24] (und zwar die Unterhaare) der zahmen Kaschmirziege, teils die der wilden ZiegenTibets den Stoff liefern (s. Shawl).
Die Arbeit ist fabrikmäßig verteilt; an einem gewöhnlichen Shawl arbeiten dreiWeber drei Monate, an einem kostbarern 1½
Jahr. Diese weltberühmte Fabrikation hat zwar in den letzten Jahren, infolge des zuerst durch die Belagerung
von Paris
[* 25] beschränkten Absatzes, dann durch Veränderung der Geschmacksrichtung, große Rückschritte gemacht; gleichwohl beträgt
der Export noch immer 130,000 Pfd. Sterl., wovon Europa
[* 26] für 90,000 Pfd. Sterl. empfängt. AndreFabrikate sind Teppiche, Rosenöl,
Wollzeuge, Seidenwaren (eine Fabrik besteht in Srinagar), Papier, Papiermaché, Silber-, Gold- und Steinwaren;
dagegen hat die früher berühmte Fabrikation von Flinten- und Pistolenläufen und Schwertern bedeutend abgenommen.
Seit 1871 wird auf Anregung des Landesfürsten eine Jahresmesse in Dschamuab gehalten, wobei von demselben gestiftete Preise
zur Verteilung kommen. Das umlaufende Silbergeld ist teils ältern Datums und infolge vielfacher Verfälschung
nur 8 Annas wert, teils unter dem jetzigen Herrscher geprägt = 10 Annas (1 Schilling). Der Fürst, mit dem TitelMaharadscha,
ist unumschränkter Herrscher, hat aber einen Tribut an die britische Regierung zu zahlen (s. unten). Früher stand in
politischer Verbindung mit dem Pandschab, jetzt ist es dem Generalgouverneur von Indien unterstellt.
Politische Verbrecher und zu lebenslänglichem Gefängnis Verurteilte werden nach der Grenzfestung Bhundschi verbannt;
die übrigen Verbrecher verbüßen ihre Strafe in Hatbak am Dalsee. Das wenig brauchbare Heer zählt 1393 Mann
Kavallerie, 18,436 Mann Infanterie und 96 Geschütze.
[* 30] Volksschulen sind seit alter Zeit in den Dörfern vorhanden und leisten
gute Dienste;
[* 31] auch für höhere Schulen ist in den letzten Jahren etwas geschehen, und eine Summe von 3000 Pfd. Sterl. ist ausgesetzt
zur Übersetzung und Veröffentlichung von europäischen wissenschaftlichen Werken sowie von solchen
in der arabischen und Sanskritsprache. In neuester Zeit wurden auch Krankenhäuser und Apotheken errichtet. Der erste Verwaltungsbericht
nach englischem Muster erschien 1873 in Srinagar. Die Hauptorte sind: Dschamu, die Hauptstadt, Srinagar, die Sommerresidenz,
Islamabad, der Endpunkt der Schiffbarkeit des obern Dschelam, und Leh, Handelsentrepot zwischen Indien und
Jarkand. S. Karte »Ostindien«.
[* 32]
Geschichte. Vor Erforschung der Sanskritlitteratur der alten Inder hatte man in Kaschmir das Paradies, später die Wiege des Menschengeschlechts
gesucht; seither wissen wir, daß dieses schöne Gebirgsland von den Ariern (s. d.) bald nach ihrer Einwanderung in das Pandschab
in Besitz und Kultur genommen wurde. Die historischen Überlieferungen gehen weiter zurück als in andern
Teilen Indiens, reichen aber über den großen Kampf (s. Mahâbhârata) nicht hinaus; es hat sich zwar eine dunkle Erinnerung
an 52 ältere Könige erhalten, chronologisch können wir aber die Landesgeschichte nur bis 1182 v. Chr. zurück verfolgen.
In der ältesten Zeit treten uns die Bewohner als Naturkinder entgegen, die Verehrung der Schlangen
[* 33] wird
uns als wichtigste Eigentümlichkeit überliefert. Mitte des 7. Jahrh. bemächtigten sich
Brahmanen von Gandhara (aus den Umgebungen von
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