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zu, daher er nach Paris [* 2] zurückging. Daß er von hier bei der verspäteten Expedition der Engländer nach Walcheren nach Antwerpen [* 3] eilte und die Gegenwehr mit glücklichem Erfolg leitete, war dem Kaiser wieder verdrießlich, und so war Bernadotte weit entfernt, in dessen Gunst zu stehen, als die damals in Schweden [* 4] herrschende französisch gesinnte Partei, um sich die Gunst des französischen Kaisers zu sichern und mit dessen Hilfe Finnland wiederzugewinnen, ihn zum Kronprinzen wählte.
Der Fürst von Pontecorvo trat 19. Okt. in Helsingör [* 5] zur lutherischen Kirche über, landete 20. Okt. zu Helsingborg, ward 5. Nov. von Karl XIII. adoptiert, nahm den Namen Karl Johann an, leistete den Eid als Kronprinz und Thronfolger und empfing die Huldigung der Stände. Er leitete von da ab die schwedische Politik und zwar anfangs im französischen Sinn, indem er sich auch der Kontinentalsperre unterwarf. Indes als Napoleon im Januar 1812 Schwedisch-Pommern besetzen ließ, weil die Einführung französischer Zollbeamten in Schweden abgelehnt wurde, schloß er mit Rußland zu Petersburg [* 6] ein Bündnis und ließ sich den Besitz Norwegens zusichern. In persönlicher Zusammenkunft Alexanders I. und Karl Johanns zu Abo ward das Bündnis befestigt.
Mit England schloß Schweden zu Örebro Frieden und öffnete seine Häfen den Handelsschiffen aller Völker. Im Sommer 1813 erschien der Kronprinz mit einem schwedischen Heer auf deutschem Boden und erhielt, weil die Verbündeten sein Feldherrntalent überschätzten, das Kommando der Nordarmee, benahm sich aber höchst zweideutig, wollte Berlin [* 7] preisgeben, das gegen seinen Willen durch die Schlacht bei Großbeeren gerettet wurde, verzögerte nach Möglichkeit den Vormarsch und nahm auch an der Schlacht bei Leipzig [* 8] 18. Okt. erst teil, als ihm Blücher durch seine freiwillige Unterordnung jeden Vorwand entzogen hatte.
Bernadotte wollte wohl Napoleon stürzen, aber nur, um selbst Beherrscher von Frankreich zu werden; daher suchte er sich durch Schonung der Franzosen deren Sympathien zu sichern. Nach den Tagen von Leipzig befreite der Kronprinz Lübeck, [* 9] rückte in Holstein ein und diktierte Dänemark [* 10] den Frieden von Kiel, [* 11] der ihm den Besitz Norwegens verschaffte. In Frankreich traf er erst nach der Einnahme von Paris ein. Seine Hoffnung auf die Herrschaft in Frankreich vereitelte jedoch die Rückkehr der Bourbonen, und außerdem rief ihn die Erhebung Norwegens in den Norden [* 12] zurück.
Machte ihn auch ein nur 14tägiger Krieg zum Sieger im Feld, so zog er doch eine Verständigung mit dem norwegischen Volk, das er durch Annahme der Verfassung gewann, einem Versuch der Unterwerfung vor und ward als Kronprinz von Norwegen anerkannt. Am nach Karls XIII. Tod, ward er auch dem Namen nach König. Gegen außen beobachtete er nun eine Politik des Friedens und pflegte namentlich auch ein gutes Einverständnis mit Rußland. Reformen in der Verfassung und Verwaltung begünstigte er nicht; wohl aber handhabte er die bestehenden Formen mit hoher Einsicht, Gewissenhaftigkeit und Humanität und traf viele ersprießliche Maßregeln.
Das tief zerrüttete Finanz-, Kriegs- und Kreditwesen ward geordnet, Landbau und Schiffahrt durch Anlegung von Straßen, Kanälen etc. gehoben. Bedeutendes geschah für Marine und Militär, aber auch für Schulen und wissenschaftliche Anstalten. War auch das ganze Regierungssystem nicht gerade geeignet, alle Mißstimmung zu beschwichtigen, und hinderte auch den König seine Unkenntnis der Landessprache sowie in spätern Jahren seine Zurückgezogenheit, sich eine recht warme Liebe des Volkes zu erwerben, so hat ihm dieses doch fast immer Achtung, Vertrauen und Dankbarkeit bewiesen.
Nachdem er schon im Januar 1844 die Regentschaft vorläufig dem Kronprinzen Oskar übertragen, starb er 8. März d. J. Seine Gemahlin, welche erst 1829 für immer nach Schweden übersiedelte, wo sie 21. Aug. d. J. gekrönt wurde, starb erst
Vgl. Geijer, Karl XIV. Johann, König von Schweden (schwed. u. deutsch, Stockh. 1844);
Sarrans, Histoire de Bernadotte, Charles XIV Jean (Par. 1845, 2 Bde.);
»Correspondance de Bernadotte avec Napoléon de 1810 à 1814« (das. 1819);
»Recueil des lettres, proclamations et discours du roi Charles« (Stockh. 1825).
63) Karl XV. Ludwig Eugen, Enkel des vorigen, Sohn des Königs Oskar I. und Josephinens von Leuchtenberg, geb. führte 1857-59 an Stelle seines erkrankten Vaters die Regentschaft und folgte demselben nach dessen Tod auf dem schwedischen Thron. [* 13] Von liberalen Grundsätzen durchdrungen, bemühte er sich, in diesem Sinn die altständische Verfassung Schwedens umzugestalten, und erreichte nach Überwindung des Widerstandes, den er im Volk selbst fand, 1866 seinen Zweck, indem eine moderne Repräsentativverfassung eingeführt wurde.
Dagegen gelang es ihm nicht, die Militärverfassung in seinem Sinn zu reorganisieren, obwohl er selbst in Zeitungen und Broschüren unter der Chiffer C. eifrig für diese Reform eintrat. Er hielt sie für notwendig, um sein Ziel, die skandinavische Union, zu erreichen. Er knüpfte deshalb mit Dänemark Verbindungen an, vermählte auch seine einzige Tochter, Luise, 1869 mit dem Kronprinzen von Dänemark und suchte bei Frankreich eine Stütze für seine Pläne, wie er denn schriftlich und mündlich seiner Vorliebe für das Stammland seines Hauses und seinem Haß gegen Preußen [* 14] Ausdruck gab.
Indes weder 1864 noch 1870 wagte er es, für sein Ziel das Schwert zu ziehen, und selbst die engere Union seiner beiden Königreiche, die er erstrebte, erfolgte nicht. Er starb auf der Rückkehr aus den Bädern von Aachen [* 15] in Malmö. [* 16] Schon als Kronprinz hatte er mehrere poetische Arbeiten veröffentlicht: »Fösterbröderna« (Stockh. 1848; auch deutsch: »Die Kampfgenossen«);
»Heidi, Gylfes datter« (1852);
»En Vikingasaga« (1855);
»Dikter« (1858).
Seine »Gesammelten Gedichte« erschienen in einer Übersetzung von Winterfeld (Berl. 1866). Auch in der Malerei zeigte er bedeutende künstlerische Begabung. Er war seit 1850 vermählt mit Luise von Oranien (gest. 1871), Tochter des Prinzen Friedrich der Niederlande. [* 17] Da er keinen Sohn hinterließ, folgte ihm sein Bruder Oskar II.
Vgl. Morin, König, Dichter und Maler (Leipz. 1875);
Junius, Karl XV. und die politischen Ereignisse von 1814-76 (schwed., Stockh. 1876-77, 2 Bde.).
[Spanien.]
64) Karl I., s. v. w. Karl V., deutscher Kaiser (s. 6).
65) Karl II., Sohn Philipps IV. und der Maria Anna von Österreich, [* 18] geb. folgte seinem Vater 1665 unter Vormundschaft, übernahm 1675 dem Namen nach selbständig die Regierung, stand aber, stets kränklich und schwächlich, unter dem Einfluß seiner Umgebung; starb als der letzte spanische Habsburger Seine beiden Ehen, mit Maria Luise von Orléans, [* 19] sodann mit Maria Anna von Pfalz-Neuburg, blieben kinderlos, daher er im letzten Testament Philipp V., den Enkel ¶
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Ludwigs XIV. von Frankreich, zum Nachfolger bestimmte, wodurch der Spanische [* 21] Erbfolgekrieg (s. d.) entstand.
66) Karl III., Sohn Philipps V. und der Elisabeth Farnese, geb. bekam 1730 durch die Bemühungen seiner Mutter von Kaiser Karl VI. das Herzogtum Parma, [* 22] fiel 1734 infolge des zwischen Österreich und Frankreich entbrannten Kriegs in Neapel [* 23] ein und erhielt 1738 im Wiener Frieden das Königreich beider Sizilien [* 24] vom Kaiser förmlich abgetreten, welches er als Karl IV., unterstützt von dem Minister Tanucci, gut regierte. Nach dem Tod seines Halbbruders Ferdinand VI. (1759) bestieg er den spanischen Thron, legte jedoch zuvor die neapolitanische Krone in die Hände seines Sohns Ferdinand nieder und trat sofort dem sogen. bourbonischen Familientraktat bei, welcher ihn in einen verlustreichen Krieg mit England und Portugal [* 25] verwickelte, in dem Spanien 1763 Florida verlor.
In dem zweiten Krieg, 1778-83, erhielt Karl dies wieder, aber erst nach großen Opfern. Im Innern dagegen bewies sich als thätigen, einsichtsvollen und für das Wohl seines Landes besorgten Regenten, hob den gesunkenen Staatskredit wieder, beförderte Handel und Ackerbau durch Anlegung von Brücken, [* 26] Kanälen, Kunststraßen, Manufakturen und Fabriken; außerdem kultivierte er die bisher öde Sierra Morena. Ihn unterstützten dabei die Minister Aranda, Campomanes und Floridablanca. Der Inquisition in Spanien setzte er heilsame Schranken, verringerte die Macht der Kirche, und den Jesuiten verschloß er, da sich dieselben in die politischen Angelegenheiten mischten, sein Land. 1771 stiftete er den Orden [* 27] Karls III. Er starb Karl war vermählt mit der Prinzessin Maria Amalie von Sachsen. [* 28]
Vgl. Ferrer del Rio, [* 29] Historia del reinado de Carlos III de España (Madr. 1856-58, 4 Bde.).
67) Karl IV., Sohn des vorigen, geb. zu Neapel, gelangte nach dem Tod seines Vaters (1788) zur Regierung und führte dieselbe anfangs ganz im Geist seines Vorgängers, besonders seitdem Aranda an die Spitze der Geschäfte getreten war. Derselbe ward jedoch bald durch Karls Günstling Manuel Godoy (s. d.), den Geliebten seiner sittenlosen Gemahlin Maria Luise von Parma, die ihn ganz beherrschte, verdrängt, der Karl 1793 zu einem höchst unklugen und unglücklichen Kriege gegen Frankreich und nach dem Baseler Frieden (1795) gegen Portugal und England verleitete, welch letzteres 1805 bei Trafalgar Spaniens Seemacht vernichtete.
Ein Spielball in der Hand [* 30] Napoleons, mußte er dessen Einmischung in die Verhältnisse seines Königreichs dulden, und als ihn sein Sohn Ferdinand durch den Aufstand von Aranjuez zur Thronentsagung gezwungen hatte, welche er aber Sofort widerrief, ließ er sich in Bayonne von Napoleon bewegen, zu dessen gunsten auf die Krone zu verzichten. Er begab sich darauf nach Fontainebleau, von da nach Compiègne und Marseille, [* 31] 1811 nach Rom und [* 32] von hier an den Hof [* 33] seines Bruders, des Königs Ferdinand IV. von Neapel, wo er starb. Sein zweiter Sohn war Don Carlos, der sich als Thronprätendent späterhin Karl V. nannte (s. unten 69).
68) (Don Carlos) Infant und Kronprinz von Spanien, Sohn König Philipps II. aus dessen erster Ehe mit Maria von Portugal, geb. zu Valladolid, wurde nach dem frühen Tod seiner Mutter von Johanna, der Schwester seines Vaters, erzogen, 1560 von den Ständen als Thronfolger anerkannt und bezog hierauf die Universität zu Alcalá de Henares. Seine Entwickelung erregte schon früh Bedenken und Besorgnisse bei dem Vater; seine Gesundheit war von früher Jugend an eine schlechte, sein geistiges Wesen zeigte Spuren von Geistesstörung und Gehirnkrankheit.
Die Hoffnung aber, daß eine Besserung eintreten könnte, wurde deshalb nicht sogleich aufgegeben; erst als sich diese als unwahrscheinlich herausstellte, ergab sich für den Vater der Gedanke, einer Thronfolge Karls vorbeugen zu müssen. Er ließ schon 1563 seine Neffen, die Erzherzöge Rudolf und Ernst von Österreich, nach Spanien kommen, um ihnen die Succession in diesem Reich zuzuwenden. Doch wurde noch mehrere Jahre hindurch äußerlich der Prinz als Thronerbe betrachtet; er wurde verlobt mit seiner deutschen Kousine Anna und auch in den Staatsrat aufgenommen.
Doch je länger, desto mehr häuften sich seine Exzesse und die Beweise seiner geistigen Verkehrtheit. Später entdeckte man, daß er aus Spanien zu entfliehen sich vorgesetzt. Ein heftiger Auftritt zwischen Juan d'Austria und in welchem letzterer den Degen zog, beschleunigte den Gang [* 34] der Ereignisse. In der Nacht des begab sich Philipp II. mit einer Bedeckung in Karls Gemächer, bemächtigte sich der Papiere desselben und übergab ihn selbst der strengsten Bewachung.
Von da ab war Karl dem Verkehr mit der Welt entrückt. Er blieb im Gefängnis. Erzählt wurde, daß der Vater die Absicht gehabt, ihn seiner Beschaffenheit wegen der Thronfolge für verlustig zu erklären; doch kam es dazu nicht, denn vorher erkrankte Karl und starb Die Feinde des spanischen Königs haben diesen Vorfall eifrig ausgebeutet, Philipp zu verleumden und als moralisches Ungeheuer zu malen, und da Philipp selbst die letzten Monate seines Sohns in geheimnisvolles Dunkel eingehüllt, hatte die Phantasie alle Freiheit, ihn zum Mörder des Sohns zu machen.
Über die Motive des Zerwürfnisses zwischen Vater und Sohn wurden die verschiedensten Ansichten geäußert. Einige haben die Hauptursache desselben darin finden wollen, daß sich jener mit Elisabeth, der Tochter Heinrichs II. von Frankreich, vermählt habe, welche dem Prinzen schon 1556 zugesagt und von demselben leidenschaftlich geliebt worden sei. Andre Schriftsteller stellen ihn auch als einen Freund der Niederländer und einen Feind der despotischen Regierungsgrundsätze seines Vaters, namentlich auch der Inquisition, dar.
Noch andre Berichterstatter hielten ihn eines selbständigen Urteils gar nicht für fähig. Am meisten Beifall fand die Version, welche Saint-Real (»Don Carlos; nouvelle historique«, 1672) vortrug; sie wurde allgemein geglaubt und diente auch Schiller als Stoffsammlung für sein ergreifendes Drama »Don Karlos«. Erschüttert wurde die Glaubwürdigkeit dieser Fabel 1817 durch den Spanier Llorente und 1829 durch Ranke (»Wiener Jahrbücher der Litteratur«, Bd. 46). Seitdem wurde viel über dies Problem geschrieben.
Das wichtigste archivalische Material verdankt man Gachard (»Don Carlos et Philippe II«, 2. Aufl., Par. 1867). Neue Aufschlüsse fügte Maurenbrecher hinzu (in Sybels »Historischer Zeitschrift« 1864 u. 1874 und in den »Grenzboten«, Oktober 1874). Eine abweichende Ansicht hat neuerdings A. Schmidt vertreten (»Epochen und Katastrophen«, Berl. 1874), ein geistreicher, aber unkritischer Versuch, der Maurenbrechers Ergebnisse, daß Karl körperlich und geistig unfähig, durch eigne Schuld zu Grunde gegangen sei, nicht in Frage stellen dürfte.
Vgl. Maurenbrecher, Don Carlos (2. Aufl., Berl. 1876). ¶