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zum König wählten. Diesen auf dem Thron [* 2] zu erhalten, mußte in Polen aufreibende Heereszüge unternehmen, während Peter d. Gr. Ingermanland eroberte und 1703 auf schwedischem Gebiet seine neue Hauptstadt gründete. Nach dem Sieg Renskiölds über Schulenburg bei Fraustadt [* 3] fiel Karl durch Schlesien [* 4] und die Lausitz, unbekümmert um die Drohungen des deutschen Reichstags, in Sachsen [* 5] ein. Er nahm sein Quartier zu Altranstädt, unweit Lützen, [* 6] brandschatzte von da aus ganz Sachsen, rekrutierte sein Heer und schaltete als Gebieter.
Endlich kam zwischen ihm und August der Friede zu Altranstädt zu stande, in welchem sich letzterer verpflichtete, der Krone von Polen für immer zu entsagen, Stanislaus als König anzuerkennen, alle Verbindung mit den Feinden Schwedens, zumal mit den Russen, aufzugeben, den Schweden [* 7] Winterquartiere in Sachsen zu verstatten und den Livländer Patkul (s. d.), damals russischen Gesandten in Dresden, [* 8] auszuliefern. Letztern ließ Karl zum qualvollsten Tod verurteilen.
Von den hart bedrängten Protestanten in Schlesien um Hilfe angegangen, zwang Karl den Kaiser, der, damals in den spanischen Erbfolgekrieg verwickelt, sich keinen neuen Feind machen wollte, jenen 125 Kirchen wieder herauszugeben und sechs neue bauen zu lassen. Auch wollte er damals im spanischen Erbfolgekrieg als Vermittler auftreten und beiden Parteien seine Entscheidung als Gesetz auferlegen. Indes wußte Marlborough, der Karl selbst aufsuchte, ihn davon abzubringen. Am brach er sodann mit 45,000 Mann gegen Rußland auf.
Karls Plan, die Russen zu einer entscheidenden Schlacht zu zwingen, gelang nicht. Die Zurückweichenden rastlos verfolgend, gelangte er an die Beresina und ließ sich hier von dem Kosakenhetman Mazeppa, der ihm den Anschluß der mit Rußlands Herrschaft unzufriedenen Kosaken in Aussicht stellte, zu einem Einfall in die Ukraine bewegen. Nachdem er die Gegend von Smolensk erreicht, wandte er sich südlich nach der Ukraine, um sich an der Desna mit Mazeppa zu vereinigen.
Nach zwölf Tagen des anstrengendsten Marsches und der drückendsten Not kam das schon bedeutend dezimierte Heer an den Ufern der Desna an; aber anstatt Mazeppas standen am jenseitigen Ufer die Russen, die sich jedoch nach kurzem Widerstand zurückzogen. Mazeppas Plan, die Ukraine zu revoltieren, war den Russen verraten worden, und der Zuzug von 6000 Kosaken, welche mit Mazeppa zu den Schweden übergingen, war für Karl der einzige Vorteil des so teuer erkauften Bundes. Obwohl in der traurigsten Lage, verschmähte Karl dennoch den Rat der Klugheit, den Rückzug nach Polen; er nahm seine Winterquartiere in der Ukraine. Peter beobachtete streng den Grundsatz, den Feind durch kleine Gefechte zu ermatten und ihn in die Wüsten des Landes zu locken, wo Hunger und Kälte ihn von selbst aufreiben mußten.
Mit dem Februar 1709 begannen die Feindseligkeiten von neuem. Karl belagerte die Festung [* 9] Poltawa, aber bei dem Mangel alles Belagerungsmaterials ohne Erfolg, und wurde endlich vom Zaren fast eingeschlossen. In der Schlacht bei Poltawa (8. Juli), welche die Russen durch ihren Angriff begannen und die der König, einer zehn Tage vorher erhaltenen Wunde wegen, nicht selbst leitete, sondern General Renskiöld, erlitten die erschöpften Schweden, die überdies an Munition Mangel litten, eine vollständige Niederlage. Karl entkam nur mit 1500 Mann über den Bug nach Bender in der Türkei. [* 10] Jetzt erhoben sich die Feinde Karls mit neuer Hoffnung. Der König von Dänemark [* 11] und der Kurfürst von Sachsen erneuerten ihre Allianz. Letzterer erklärte den Altranstädter Vertrag für ungültig und nahm Polen von neuem in Besitz. Der Dänenkönig Friedrich IV. landete in Schonen, der Zar Peter drang in Livland [* 12] vor. Karl selbst, von der Pforte gut aufgenommen, hatte bei Bender ein Lager [* 13] bezogen, wo er in königlichen Ehren lebte, und bewog die Pforte, Rußland den Krieg zu erklären. Schon hatte der Großwesir Mohammed Baltadschi mit 200,000 Türken den Zaren am Pruth eingeschlossen; aber die Gemahlin Peters, Katharina, bestach den überdies von Karl beleidigten Wesir, so daß er den schon gefangenen Feind entkommen ließ. Zu Husch wurde der Friede abgeschlossen, zu dessen Bedingungen gehörte, daß auf seiner Rückreise nach Schweden vom Zaren nicht beunruhigt werden sollte. Zwar bewirke noch zweimal bei der Pforte erneute Kriegserklärungen gegen Peter; allein schnelle Wiederversöhnung durch Vermittelung Englands und Hollands hemmte beide Male den wirklichen Ausbruch des Kriegs, und bald gab man ihm zu verstehen, er möge das türkische Gebiet verlassen. Karl erklärte sich dazu bereit, wenn man ihm 100,000 Mann gäbe. Statt deren erhielt er 1713: 600,000 Thlr. zur Reise, aber er reiste nicht. Der Sultan beschloß daher, Gewalt anzuwenden. Nun verschanzte Karl sein Haus, hielt mit 300 schwedischen Soldaten einen ganzen Tag lang die stürmenden Angriffe mehrerer Tausend Janitscharen aus, tötete selbst eine Menge derselben und ward nur mit Mühe gefangen, als er sich nach einem andern Haus durchschlagen wollte und dabei stürzte Er ward nach Demotika in der Nähe von Adrianopel gebracht, aber sein Starrsinn blieb unbesiegt.
Zehn Monate lang verließ er zu Demotika sein Zimmer nicht, um nicht dem Wesir eine Höflichkeit erzeigen zu müssen. Erst als er alle Versuche, die Pforte zu neuen Rüstungen [* 14] gegen den Zaren zu bewegen, erschöpft, ritt er im November 1714 in fremder Kleidung, nur vom Obersten Düring begleitet, in 16 Tagen durch Ungarn, [* 15] Österreich, [* 16] Bayern, [* 17] die Pfalz, Westfalen [* 18] und Mecklenburg [* 19] nach Stralsund, [* 20] wo er 27. Nov. anlangte. Er fand sein Reich in einer gefährlichen Lage. Die Dänen waren zwar aus Schweden verjagt worden, hatten aber im Verein mit Hannover [* 21] die Bistümer Bremen [* 22] und Verden [* 23] erobert. Stenbock hatte die verbündeten Feinde bei Gadebusch geschlagen, war jedoch dann von den Dänen umzingelt und zur Kapitulation gezwungen worden.
Livland, Esthland, Ingermanland und Kurland hatte der Zar an sich gebracht und sogar über Finnland seine Eroberungen ausgedehnt. Pommern [* 24] hatte der König von Preußen [* 25] besetzt und verlangte vor Herausgabe desselben Ersatz der an Rußland bezahlten Kriegskosten. Dazu lag das Land in äußerster Erschöpfung, der Handel war vernichtet, Geld, Kredit, ja selbst Menschen zur Arbeit mangelten, und dennoch belebte Hoffnung aller Herzen, als man die Kunde von Karls Ankunft vernahm.
Dieser benahm sich indes so halsstarrig und eigensinnig wie zuvor. Mutwillig reizte er den König Friedrich Wilhelm I. welcher Karl hochschätzte und ihm wohlwollte, zum Krieg und Angriff auf Stralsund 1715. Karl verteidigte sich einige Monate heldenmütig entfloh aber 20. Dez. nach Schweden. Am 24. kapitulierte Stralsund und in kurzem auch Wismar. [* 26] Karl ging nun nach Karlskrona [* 27] und leitete von hier aus die Anstalten zur Organisation des Heers wie der Flotte. Zur Bestreitung der Rüstungen ward eine schlechte Münze geschlagen, und die härtesten Naturallieferungen drückten nebenbei das Land. Während nun Karl im März 1716 ganz unerwarteterweise einen Einfall ¶
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in Norwegen machte, suchte Graf Görz, [* 29] bisher holsteinischer Minister, Karls neuer Vertrauter, das antischwedische Bündnis durch diplomatische Künste zu trennen. Karl und Peter sollten sich aufrichtig versöhnen, Rußland die ihm zunächst gelegenen Besitzungen am Finnischen Meerbusen behalten, dagegen Stanislaus in Polen restituiert werden. Sogar eine Heirat Karls mit Peters Tochter, der Großfürstin Anna, war in Aussicht gestellt. Bereits hatten Unterhandlungen mit Peter, der sich den Plänen Görz' geneigt geigte, auf der Alandsinsel Lafoe begonnen, als Karl 1718 den zweiten unbesonnenen und unnützen Zug zur Eroberung Norwegens unternahm, auf dem er 11. Dez. d. J. im Laufgraben vor der Festung Frederikshald erschossen wurde.
Ihm folgte in der Regierung seine jüngere Schwester, Ulrike Eleonore, die Gemahlin des Erbprinzen Friedrich von Hessen. [* 30] Durch die Friedensschlüsse von 1720 und 1721 verlor Schweden fast sämtliche Besitzungen auf der Südseite der Ostsee und damit seine durch Gustav Adolf erworbene Großmachtstellung. Dies Ergebnis hat Karl durch seine verblendete Halsstarrigkeit herbeigeführt, welche seine sonstigen guten Eigenschaften zurückdrängte oder verdarb. Karl war eine riesige Naturkraft, welche aber weder durch Selbstzucht noch durch die Schule des Lebens geregelt worden war.
Nüchternheit in Speise und Trank, Keuschheit, Einfachheit in der äußern Erscheinung zeichneten ihn stets aus; sie wurden nur mitunter übertrieben und arteten in Verachtung der Sitte aus. Seine Lücken in der Bildung ergänzte er nicht. Eingebungen der Laune und Aufwallungen des Augenblicks rissen ihn hin. Sein Zorn war unbändig. Seiner Gottesfurcht widersprach seine große Selbstvergötterung; seiner persönlichen Rachsucht und seinem Starrsinn opferte er rücksichtslos das Leben von Tausenden seiner Soldaten, das Wohl und die Macht seines Vaterlandes. Karls Geschichte schrieb sein Kaplan Norberg; Adlerberg gab militärische Denkwürdigkeiten über ihn heraus. Nicht immer historisch treu ist Voltaires »Histoire de Charles XII«.
Vgl. Lundblad, Geschichte Karls XII. (deutsch, Hamb. 1835-40, 2 Bde.);
Fryxell, Karl XII. (deutsch, Braunschw. 1861);
König Oskar, Karl XII. (deutsch, 3. Aufl., Berl. 1881);
v. Sarauw, Die Feldzüge Karls XII. (Leipz. 1881).
61) Karl XIII., zweiter Sohn des Königs Adolf Friedrich von Schweden und der Luise Ulrike, der Schwester Friedrichs d. Gr. von Preußen, geb. wurde 1772 nach der Thronbesteigung seines Bruders Gustav III. zum Herzog von Södermanland ernannt; 1788 erhielt er den Oberbefehl über die schwedische Flotte, die gegen Rußland geschickt wurde, und schlug die Russen im Finnischen Meerbusen, worauf er zum Generalgouverneur von Finnland ernannt wurde. Nach seines Bruders Ermordung 1792 trat er an die Spitze der Regentschaft.
Als sein Neffe Gustav IV. Adolf 1796 mündig geworden war, zog er sich auf sein Schloß Rosersberg zurück, von wo er als Reichsverweser zurückgerufen wurde, als Gustav IV. Adolf durch die Revolution von 1809 vom Thron gestürzt worden war. Am 20. Juni wurde Karl zum König ausgerufen, worauf er mit Rußland den Frieden zu Frederikshamn schloß, in welchem er Finnland abtrat. Da seine Ehe mit Hedwig Elisabeth Charlotte von Holstein-Gottorp kinderlos blieb, adoptierte er den Prinzen Christian August von Holstein-Sonderburg-Augustenburg (s. Karl 53), nach dessen Tod aber den von den Ständen im August 1810 als Nachfolger erwählten französischen Marschall Bernadotte. 1812 beteiligte er sich mit Rußland und England an der Allianz gegen Frankreich, trat dann der Allianz von 1813 bei und schickte den Kronprinzen mit 20,000 Mann den Alliierten gegen Napoleon I. zu Hilfe. Im Frieden erhielt er dafür Norwegen, während Dänemark mit Schwedisch-Pommern entschädigt wurde. Er starb ihm folgte Bernadotte als Karl XIV. Johann.
62) Karl XIV. Johann, ursprünglich Jean Baptiste Jules Bernadotte, geb. als der Sohn eines Advokaten zu Pau, [* 31] trat 1780 als Freiwilliger in das französische Heer und war 1789 beim Ausbruch der französischen Revolution Sergeant Major, wurde aber, weil er sich 1792 und 1793 sehr auszeichnete, bereits 1794 Divisionsgeneral, focht 1794 bei Fleurus, 1795 beim Rheinübergang unter Jourdan und 1796 in dem unglücklichen deutschen Feldzug, wo ihn der Erzherzog Karl 22. Aug. bei Teining schlug. 1797 mit Verstärkungen zur Armee von Italien [* 32] gesandt, eroberte er Gradisca und erwarb sich Bonapartes Vertrauen.
Nach Abschluß des Friedens von Campo Formio ging er als Gesandter der französischen Republik nach Wien, [* 33] wurde aber von da, als er bei der Feier eines französischen Nationalfestes eine dreifarbige Fahne vom Balkon seines Hauses wehen ließ, durch einen Volkstumult vertrieben. 1799 ernannte ihn das Direktorium zum Kriegsminister, da man von ihm die Wiederherstellung der erschlafften Ordnung und Kriegszucht erwartete. Damals richteten viele, welche in einer Diktatur die Rettung Frankreichs sahen, ihre Blicke auf ihn.
Bonaparte kam ihm mit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire zuvor. Er zeichnete zwar Bernadotte, welcher eine selbstbewußte Zurückhaltung bewahrte, äußerlich vielfach aus, zumal derselbe 1798 durch seine Verheiratung mit Eugenie Bernhardine Désirée Clary (geb. einer Kaufmannstochter aus Marseille, [* 34] der Schwager Joseph Bonapartes geworden war; aber beide Männer betrachteten sich fortan mit Argwohn und Eifersucht. In der Vendée, wo Milde und Klugheit mehr bewirkten als rücksichtslose Strenge, gelang es 1800 Bernadotte bald, einen neuen Aufstand der Chouans zu unterdrücken. 1804 warb er nach Hannover gesendet, um dort den Oberbefehl über das Okkupationsheer zu führen. Im Mai d. J. erhielt er die Marschallswürde und bald darauf auch die große Dekoration der Ehrenlegion. 1805 marschierte er durch das preußisch-fränkische Gebiet nach Süddeutschland, kam rechtzeitig zur Verstärkung [* 35] Napoleons I. nach Mähren [* 36] und nahm an der Schlacht von Austerlitz [* 37] rühmlichen Anteil, wofür er zum Fürsten von Pontecorvo, einer vormals päpstlichen Enklave im Neapolitanischen, ernannt wurde. Im Krieg von 1806 befehligte er das 1. Armeekorps. Er schnitt den General Tauenzien von der preußischen Hauptarmee ab, verdrängte ihn aus Schleiz, [* 38] drang auf Dornburg vor und ging von da dem Kaiser entgegen.
Nach der Schlacht bei Jena [* 39] verfolgte er die Preußen nach Halle [* 40] und schlug dort 17. Okt. die preußische Reserve unter dem Prinzen von Württemberg. [* 41] Dann folgte er Blücher bis Lübeck, [* 42] wo er denselben 7. Nov. zur Kapitulation zwang, und kämpfte ruhmvoll bei Mohrungen Nach dem Frieden befehligte er das in Norddeutschland bleibende Heer und erwarb sich in dieser Stellung allenthalben Popularität. 1809 kommandierte er die sächsischen Truppen, mit denen er Wagram [* 43] erstürmte und das brennende Dorf zwei Stunden behauptete. Sein nach der Schlacht den Sachsen in einem Tagesbefehl gespendetes Lob zog ihm die kaiserliche Ungnade ¶