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Vorbildern. Ähnlich ist es in Italien; [* 2] hier enthält nur die Chronik von Novalese (aus dem 11. Jahrh.) einheimische Sagen über Karl und zwar meist von feindseliger Tendenz; die französischen Dichtungen wurden schon im 12. Jahrh. bekannt und haben ein Heer von Nachahmungen hervorgerufen, deren bedeutendste Ariosts »Rasender Roland« ist. Auch bei den übrigen oben genannten Nationen sind die zahlreichen Dichtungen über auf französische Vorbilder zurückzuführen, selbst die »Karlamagnus-Saga«, welche im 13. Jahrh. in Island [* 3] entstand (weiteres s. Karlssage).
Den historischen Karl haben neuere Dramatiker auf die Bühne zu bringen gesucht, wie die Tragödien von Märcker ( Karl der Große«, 1861),
Kösting (»Zwei Könige«, 1863) u. a. erweisen.
Vgl. Einhard (s. d.),
Vita Caroli Magni, in den »Monumenta hist. germ.«, II, 55 (deutsch von O. Abel, 2. Aufl., Leipz. 1880);
S. Abel, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter Karl d. Gr. (fortgesetzt von B. Simson, Berl. 1866-84, 2 Bde.);
Dippoldt, Leben Kaiser Karls d. Gr. (Tübing. 1810);
Vétault, Charlemagne (Tours [* 4] 1876);
Brosien, Karl d. Gr. (Leipz. u. Prag, [* 5] 1885);
v. Döllinger, Das Kaisertum Karls d. Gr. und seiner Nachfolger (Münch. 1864);
v. Wyß, Karl d. Gr. als Gesetzgeber (Zürich [* 6] 1869);
Paris, [* 7] Histoire poétique de Charlemagne (Par. 1865);
Lorentz, Karls d. Gr. Privat- und Hofleben (in Raumers »Historischem Taschenbuch« 1832).
3) Karl II., der Kahle, einziger Sohn Ludwigs I., des Frommen, aus dessen zweiter Ehe mit Judith, der Tochter des bayrischen Grafen Welf, geb. 13. Juni 823 zu Frankfurt [* 8] a. M., erhielt 829 Alemannien, was den Zwist Kaiser Ludwigs mit seinen ältern Söhnen zur Folge hatte, dann auf dem Reichstag zu Aachen [* 9] 837 das mittlere Francien zwischen Weser und Loire und wurde auf der Reichsversammlung zu Kiersy sur Oise 838 zum König gekrönt. 839 zu Worms [* 10] gab ihm der leicht bestimmbare Vater sogar ganz Westfrancien mit Ausnahme von Südburgund.
Als jedoch nach Ludwigs des Frommen Tod (840) dessen ältester Sohn, Kaiser Lothar, das ganze Reich in Anspruch nahm, vereinigte sich Karl 841 mit dem andern Stiefbruder, Ludwig dem Deutschen. Beide lieferten 25. Juni d. J. bei Fontenoy, unfern Auxerre, dem Lothar eine entscheidende Schlacht und erneuerten in Straßburg [* 11] 14. Febr. 842 den Schwur gegenseitiger Treue, der in romanischer und deutscher Sprache [* 12] noch erhalten ist. Dann zwangen sie Lothar zum Teilungsvertrag von Verdun [* 13] 10. Aug. 843, welcher das Reich in drei fortan selbständige Teile trennte.
Durch diesen Vertrag erhielt Karl Westfrancien, d. h. Aquitanien, Septimanien nebst der spanischen Mark, das westliche Burgund, Neustrien, die Bretagne und Flandern. Damals begannen die Raubzüge der Normannen (aus Norwegen [* 14] und Dänemark), [* 15] welche mit kleinen Schiffen die Mündungen der Seine, Loire, des Rhône hinauffuhren und 845 sogar Paris plünderten. Karl, dem kriegerische Tüchtigkeit ganz fehlte, hat ihren Rückzug wiederholt durch schimpflichen Tribut erkaufen müssen.
Dagegen trieb ihn die Ländergier oft zum Kampf gegen seinen tapfern Bruder, Ludwig den Deutschen. 861 fiel Karl mitten im Frieden in die Provence, das Land seines Neffen Karl, ein, mußte aber unverrichteter Sache umkehren. Als dieser dann 863 starb, hat Karl die Teilung des Landes durch Ludwig den Deutschen und Lothar II. ruhig geschehen lassen. Mit letzterm lebte er seit 860 fortwährend in Zwietracht, zu einem Krieg ist es jedoch nicht gekommen. Kaum war Lothar II. aber ohne legitime Erben gestorben (869), so fiel in sein Land ein und ließ sich 9. Sept. 869 in Metz [* 16] zum König von Lothringen krönen.
Doch schon eine Gesandtschaft Ludwigs des Deutschen genügte, ihn zur Räumung des angemaßten Landes zu bewegen. Darauf verabredeten die Brüder eine Teilung, die dann auch 8. Aug. 870 zu Mersen vollzogen wurde. Damals erhielt Karl außer Südfriesland das Land westlich von der Maas, Ourthe, Mosel und dem Rhône. Die weltlichen Großen bemühte sich Karl vergeblich unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Er stützte sich in seinem Land auf die Geistlichkeit, der er als Mann von gelehrter, selbst theologischer Bildung sehr nahe stand.
Dieselbe gewann damals durch Reichtum und die persönliche Bedeutung ihrer meisten Vertreter (Hinkmar von Reims) [* 17] den größten Einfluß auf die Verwaltung des Landes. Karl nahm auch ihre Partei gegen Rom, [* 18] so 872 gegen die Anmaßungen Papst Hadrians II. Dieser suchte einen Bruch mit Karl zu vermeiden; noch mehr schloß sich sein Nachfolger Johann VIII. an den König an. Als Kaiser Ludwig II. 875 starb, rief der Papst, von Mißtrauen gegen den energischen Ludwig den Deutschen erfüllt, Karl nach Italien und setzte ihm 25. Dez. 875 in Rom die Kaiserkrone aufs Haupt. Die lombardischen Großen erkannten ihn (Februar 876) zu Pavia als König von Italien an, und auch die westfränkische Geistlichkeit erklärte sich auf der Synode zu Ponthion (Juni 876) mit dieser Rangerhöhung Karls einverstanden. Als dieser aber nach Ludwigs des Deutschen Tod in dessen Land einfiel, wurde er von dem jüngern Ludwig bei Andernach (8. Okt. 876) geschlagen.
Karlmann, Ludwigs des Deutschen andrer Sohn, wollte ihn sogar aus Oberitalien [* 19] vertreiben, wohin er sich, vom bedrängten Papst gerufen, 877 begeben hatte. Die bloße Nachricht von Karlmanns Herannahen bewog den unkriegerischen Kaiser zum schleunigen Rückzug über die Alpen; [* 20] aber kaum hatte er den Mont Cenis überschritten, so ergriff ihn ein Fieber, dem er 6. Okt. 877 in einem Weiler im Thal [* 21] des Arc erlag. Karl war zweimal verheiratet: zuerst mit Irmintrud, der Nichte des Grafen Adalhard;
nach deren Tod mit Richilda, der Witwe eines Grafen Buwin. In seiner ersten Ehe waren ihm acht Kinder geboren.
Von seinen vier Söhnen hatte er Ludwig zum König von Neustrien, Karl zum König von Aquitanien krönen lassen; jedoch beide empörten sich gegen den Vater 862. Dieser unterwarf sie aber bald und ließ nur dem ältern sein Reich. Gegen seine Kinder war Karl lieblos, ja grausam, am meisten gegen Karlmann, den er wider dessen Willen zum Geistlichen bestimmte und, als er sich empörte, blenden ließ. Da der jüngere Karl 866 starb, ging das Reich bei des Vaters Tod auf Ludwig über.
Vgl. Voß, De Carolo Calvo (Halle [* 22] 1844);
Gfrörer, Geschichte der ost- und westfränkischen Karolinger von 840 bis 918 (Freiburg [* 23] 1848, 2 Bde.).
4) Karl III., seit dem 12. Jahrh. der Dicke genannt, Ludwigs des Deutschen und der Welfin Hemma dritter Sohn, geb. 839, erhielt 876 in der Teilung mit seinen beiden Brüdern Karlmann und Ludwig Alemannien und das Elsaß, erbte aber nach dem Tode dieser beiden (880 und 882) auch deren Länder, mit Inbegriff Lothringens, welches Ludwig der jüngere gewonnen, sowie er endlich 885 auch die Herrschaft über Westfrancien durch die Wahl der dortigen Großen erhielt. Vom Papst gegen die Sarazenen zu Hilfe gerufen, hatte er 879 das Königreich Italien erworben und war im Februar 881 in Rom zum Kaiser gekrönt worden. Dann war er heimgekehrt, ohne den Kampf gegen die Sarazenen überhaupt zu beginnen. Die Normannen, die damals die Gegenden am Niederrhein verwüsteten, umzingelte er 882 in ihrem Lager [* 24] bei Elsloo an ¶
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der Maas, schloß dann aber, als ob er besiegt worden wäre, einen schimpflichen Vergleich mit dem Normannenkönig Gotfried, dem er 2412 Pfd. Gold [* 26] und Silber zahlte. Als die Normannen 886 Paris belagerten, erschien Karl wiederum nur, um den Frieden für 700 Pfd. Silber von ihnen zu erkaufen. Der Neid der Großen zwang in die Entlassung seines vornehmsten Ratgebers, des Erzkanzlers Liutward von Vercelli, zu willigen (887), und als die Verleumdung die Kaiserin Richarda sträflichen Umgangs mit diesem Günstling zieh, trennte sich die tief gekränkte Frau von dem indolenten Gemahl.
Die Schwäche des Kaisers, die durch sein Siechtum (Epilepsie) noch vermehrt wurde, rief in allen Gauen Unzufriedenheit hervor. Als daher Herzog Arnulf von Kärnten, Karlmanns illegitimer Sohn, gegen den Oheim mit einem Heer heranzog, fielen die gerade in Tribur versammelten Großen von Karl ab (November 887) und huldigten Arnulf zu Frankfurt a. M. Karl zog sich auf einige Güter in Schwaben zurück, die ihm der Neffe gelassen hatte, starb aber, von dem jähen Unglücksfall gebrochen, schon 13. Jan. 888 in Neidingen (bei Fürstenberg) an der Donau und wurde in der Klosterkirche auf dem Eiland Reichenau bestattet. Seine Ehe war kinderlos gewesen, er hinterließ bloß einen Bastard, Bernhard.
Vgl. Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reichs, Bd. 2 (Berl. 1865).
[Deutsche Kaiser und Könige.]
5) Karl IV., Sohn des Königs Johann von Böhmen, [* 27] Enkel Kaiser Heinrichs VII. von Luxemburg, [* 28] geb. zu Prag, hieß ursprünglich Wenzel und erhielt erst bei seiner Firmung den Namen Karl Von der Natur mit trefflichen Anlagen, namentlich einem hellen Verstand, ausgestattet, hatte er in seiner Jugend am französischen Hof [* 29] eine gute Erziehung erhalten und sich eine Fülle von Kenntnissen erworben: er sprach und schrieb fünf Sprachen. Er übernahm 1331 an seines Vaters Statt das diesem vom Kaiser Ludwig dem Bayern [* 30] übertragene Reichsvikariat von Italien, sodann das Markgrafentum Mähren und die Verwaltung von Böhmen.
Diese Erblande seines Hauses regierte er vortrefflich und stellte die Macht des Königtums in denselben wieder her. Bei seiner Wahl als Gegenkaiser Ludwigs des Bayern zu Rhense) gestand er dem Papst alles zu, was dieser von ihm verlangte, namentlich sich nie in die italienischen Angelegenheiten mischen zu wollen, wie er denn überhaupt stets die bereitwilligste Unterordnung unter die Kirche zur Schau trug, um dafür auf des Papstes Gegendienste rechnen zu können, namentlich in der Besetzung der deutschen Erzbistümer und Bistümer mit Männern, die ihn bei seinen Entwürfen unterstützten.
Schon war er in Bonn [* 31] gekrönt worden, ließ aber zu Aachen die Krönung wiederholen, als er den nach Ludwigs Tod von der wittelsbachischen Partei aufgestellten Gegenkaiser Günther von Schwarzburg [* 32] zur Verzichtleistung vermocht hatte. Durch die Unterstützung des falschen Waldemar, von dem er sich 1348 die Niederlausitz abtreten ließ, bewog er die Wittelsbacher zur Nachgiebigkeit und Huldigung (1350). Hierauf unternahm er 1354 einen Zug nach Italien und ließ sich in Mailand [* 33] zum König von Italien und in Rom (5. April) zum Kaiser krönen. Seinen Aufenthalt in Italien benutzte er dazu, einen Waffenstillstand zwischen der lombardischen Liga und den Visconti von Mailand herzustellen, war aber nicht geneigt, der Herrschsucht des Papstes förderlich zu sein. Der Gedanke, die kaiserliche Herrschaft in Italien wiederherzustellen, lag dem nüchtern urteilenden Monarchen fern; deshalb kehrte er nach der Krönung unverzüglich nach Deutschland [* 34] zurück. Hier erließ er 1356 die Goldene Bulle (s. d.), eine Verfassung für das Deutsche Reich, [* 35] welche ihrem Zweck zuwider die Zerstückelung desselben noch vermehrt hat.
Denn Karl, bestrebt, in den Kurfürsten sich eine ergebene Macht zu schaffen, verlieh ihren Territorien so umfangreiche Rechte, daß sie zu Sonderstaaten im Reich wurden. Auf einer Zusammenkunft mit Urban V. zu Avignon (1365) verabredete Karl einen zweiten Römerzug, um den Papst nach Rom zurückzuführen, und unternahm ihn auch 1367, ließ sich jedoch sogleich zu einem Frieden mit den dem Papst feindlichen Visconti herbei, der dann aber so wenig beachtet wurde, daß der Papst es wiederum für geraten hielt, nach Avignon zurückzukehren.
Die Goldene Bulle war den Städten nicht günstig; besonders verabscheute Karl deren Bündnisse, als dem Königtum gefährlich, und suchte an deren Stelle kaiserliche Landfriedensbündnisse zu stellen, die er wiederholt beschwören ließ. Er unterschätzte aber die Macht der Städte; er konnte 1376, als er die Partei der Ritter in Schwaben ergriff, den Widerstand des schwäbischen Städtebundes nicht brechen, belagerte vergeblich Ulm [* 36] und schloß für sich einen Waffenstillstand, indem er die Fortsetzung des Kampfes dem Adel überließ.
Dagegen stellte er in seinem Erbland, welches ihm sein Vater in völliger Zerrüttung hinterlassen hatte, einen Zustand her, welcher allen deutschen Ländern jener Zeit als Muster gelten konnte. Er sorgte dort für Sicherheit der Straßen und des Verkehrs, förderte den Handel und Gewerbfleiß, den Acker- und Bergbau, [* 37] machte die Moldau schiffbar, baute die Moldaubrücke in Prag, brachte das Gerichtsverfahren in geordneten Gang, [* 38] gründete zu Prag ein Erzbistum und 1348 die erste deutsche Universität und zog eine Menge deutscher Künstler und Handwerker an seinen Hof.
Als Gegengewicht gegen die Fürstenmacht hielt er eine umfangreiche Vergrößerung seiner Hausmacht für dringend notwendig. Seine Erfolge hierin hatte er einem ungewöhnlichen diplomatischen Talent, seiner Sparsamkeit, endlich einer bei Fürsten wenig löblichen Dreistigkeit, Geld herbeizuschaffen, woher es auch sei, zu verdanken. 1353 erwarb er zu Böhmen und Mähren noch die nördliche Hälfte der Oberpfalz, 1368 den Rest von Schlesien [* 39] und der Lausitz, worüber ihm schon früher die Oberherrlichkeit zustand, und 1373 die Mark Brandenburg. [* 40]
Auch mit dem Haus Habsburg schloß er eine Erbverbrüderung (1364 zu Brünn), [* 41] welche sich damals sogar zu gunsten der Luxemburger bald zu erfüllen schien. In allen Gegenden Deutschlands [* 42] kaufte er sich an, und viele schwäbische, fränkische und bayrische Edelleute mußten in das Vasallenverhältnis zur Krone Böhmen treten. Die Wahl seines Erstgebornen, Wenzel, zum Nachfolger (1376) kostete ihm hohe Geldsummen für die Kurfürsten; ja, Karl wurde sogar der bei der Goldenen Bulle befolgten Politik ungetreu, indem er die Zustimmung des Papstes dazu einholte, um den Widerspruch der Kurfürsten zu beseitigen.
Nachdem er 1377 diesem seinem ältesten Sohn außer der Kaiserwürde Böhmen, Schlesien und den größten Teil der Lausitz, dem zweiten, Siegmund, die Mark Brandenburg, dem dritten, Johann, das Herzogtum Görlitz [* 43] und die Neumark als Erbe bestimmt hatte (Mähren war an Karls Neffen Jobst und Prokop übergegangen), starb er in Prag, wo ihm 1848 ein Denkmal (von Hähnel) errichtet wurde.
Vgl. seine treffliche Selbstbiographie »Vita Caroli IV. ab ipso conscripta« (bis 1346) in Bohmers »Fontes ¶