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werdenden Objekt (dem Ding an sich) entstammt, die Materie aller Erfahrung. Erstere, weil dem Subjekt angehörig, macht das idealistische, letztere, weil auf ein (von diesem verschiedenes) Objekt bezogen, das realistische Element von Kants Philosophie aus, an welche beiden nachher die entgegengesetzten Richtungen seiner (idealistischen: Fichte, [* 2] Schelling, Hegel, und realistischen: Herbart, Schopenhauer) Nachfolger angeknüpft haben. Das idealistische wird in der 1. Auflage seiner Kritik, wo es ihm vornehmlich darum zu thun ist, gegen Hume die Theorie einer allgemeingültigen und notwendigen Erfahrung durchzusetzen, das realistische dagegen in der 2. Auflage betont, wo es ihm darum zu thun ist, sich von dem Verdacht eines das Sein überhaupt aufhebenden Idealismus (wie der Berkeleys) zu reinigen.
Die positive Seite der Kritik der reinen Vernunft ist nur der Aufdeckung der apriorischen Elemente des Erkenntnisvermögens gewidmet, welcher er später in der Kritik der praktischen Vernunft und in der Kritik der Urteilskraft die Aufdeckung des im Begehrungs- und (nach Wolfscher Terminologie) Gefühlsvermögen enthaltenen a priori folgen ließ. Seine Absicht war dabei, ein »Inventarium« dessen zu liefern, was (jederzeit und von jedermann) mit Allgemeinheit und Notwendigkeit (theoretisch) erkannt, (praktisch) gewollt und (ästhetisch) wohlgefällig und mißfällig empfunden wird. Zu diesem Zweck werden in der Kritik der reinen Vernunft die drei Teile des Erkenntnisvermögens (nach Wolfscher Terminologie): niederes und höheres oder: Sinn, Verstand, Vernunft, nacheinander vorgenommen und auf die apriorischen Bestandteile, welche in denselben enthalten sein mögen, geprüft. Da zeigt es sich nun, daß beide letztern zwar durchaus apriorisch sind, aber (mit Ausnahme des Daseins des Dinges an sich) von außerhalb des Kreises der sinnlichen Erscheinung gelegenen Dingen keine Erkenntnis gewähren; ferner, daß der Sinn zwar allgemeine und notwendige Erkenntnis gewährt, aber nur, weil und soweit auch in ihm »apriorische« (also nicht aus der Erfahrung, sondern aus dem transzendentalen Subjekt stammende) Elemente enthalten sind.
Als solche wurden von Kant die sogen. reinen Anschauungsformen des Raums (das Neben-) und der Zeit (das Nacheinander) bezeichnet. Mittels derselben werden vom wahrnehmenden Subjekt räumliche und zeitliche Anordnung in das Chaos sinnlicher Empfindungen (des Auges, des Ohres etc., welche zusammen die »Materie« unsrer Erfahrung ausmachen) »hineingeschaut« und dieses dadurch in eine Welt räumlich und zeitlich verbundener und geschiedener Erscheinungen verwandelt.
Letztere machen daher das eigentliche Objekt des Sinnes, den Gegenstand des sinnlichen Anschauungsvermögens, aus, und durch die auf diesem Wege gewonnenen sinnlichen Anschauungen wird dem sonst ganz leeren Verstand Stoff zu weiterer Verarbeitung geliefert. Dieses sinnliche Anschauen als Funktion des Sinnes ist zugleich auch diejenige, welche sinnliche Erkenntnis durch synthetisch-aposteriorische Urteile möglich macht, indem sie die zur Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt nötige sinnliche Anschauung liefert.
Das reine Anschauen, diejenige Funktion des Sinnes, durch welche das »Hineinschauen« der Räumlichkeit und Zeitlichkeit in die Empfindungswelt vollzogen wird, dagegen ist diejenige, welche mathematische Erkenntnis durch synthetisch-apriorische Urteile möglich macht, indem sie die zur Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt nötige Anschauung, welche hier, wo es sich um nichtsinnenfällige Objekte handelt, keine sinnliche sein darf, liefert. Eine solche ist die sogen. reine Anschauung des Raumes, welche die Evidenz der geometrischen, und jene der Zeit, welche die Evidenz der arithmetischen Erkenntnisse vermittelt.
Demjenigen Abschnitt der Kritik, in welchem es sich um die Entdeckung der apriorischen Elemente der Sinnlichkeit (Raum und Zeit) handelt, hat Kant deshalb den Namen: »transzendentale Ästhetik« gegeben. Die nächste Folge aus dieser von Kant behaupteten »Idealität« von Raum und Zeit ist nun die, daß beide, als bloße Anschauungsformen des (transzendentalen) Subjekts, auf das, was unabhängig von diesem ist, das Ding an sich, keine Anwendung finden können und sich daher nichts, was auf Räumlichkeit und Zeitlichkeit bezüglich ist (z. B. Grenzen [* 3] im Raum, Anfang in der Zeit), von diesem behaupten oder leugnen läßt.
Unsre gesamte Erkenntnis bleibt auf die Erscheinungswelt (phaenomenon im Gegensatz zur »intelligibeln«, noumenon, unter welcher das Ding an sich verstanden wird) beschränkt, deren räumliche sowohl als zeitliche Ausdehnung [* 4] und Gestaltung eben erst durch die Thätigkeit des räumlichen und zeitlichen Anschauens zu stande kommt. Wie letztere beiden die apriorischen Funktionen des Sinnes, so stellen zwölf ursprüngliche Urteilsformen die ebensolchen des Verstandes und drei ursprüngliche Schlußformen diejenigen der (theoretischen) Vernunft dar.
Wie durch die erstgenannten die unverbundenen Sinnesempfindungen räumlich und zeitlich zu Anschauungen, so werden durch die verschiedenen Verstandesfunktionen die unverbundenen Sinnesvorstellungen in ebenso vielfacher Weise zu Begriffen und durch die verschiedenen Schlußfunktionen die unverbundenen Verstandesbegriffe in ebenso vielfacher Weise zur Einheit, zu Ideen zusammengefaßt. Jeder der beiden apriorischen Sinnesfunktionen entspricht daher eine reine Anschauungsform, jeder der zwölf apriorischen Verstandesfunktionen ein reiner Verstandesbegriff (Stammbegriff, Kategorie), jeder der drei apriorischen Vernunftfunktionen eine reine Vernunftidee.
Als erstere zählt Kant Raum und Zeit auf; als Kategorien: Allheit, Vielheit, Einheit, welche der Quantität, Position, Negation, Limitation, welche der Qualität, Substanz und Inhärenz, Kausalität, Wechselwirkung, welche der Relation, Wirklichkeit, Möglichkeit, Notwendigkeit, welche der Modalität unterstehen;
als Ideen: die der Seele, welche der kategorischen, der Welt, welche der hypothetischen, der Gottheit, welche der disjunktiven Schlußform entsprechen.
Die Deduktion der Kategorien als apriorischer Verstandes- und die der Ideen als apriorischer Vernunftfunktionen bildet zusammen die transzendentale Logik, die wieder in die transzendentale Analytik (Verstandes-) und transzendentale Dialektik (Vernunftlehre) zerfällt. Die Ideen der letztern (»transzendentale Vernunftideen«) haben nur regulative, nicht konstitutive Bedeutung, da jeder Versuch, ihnen eine solche beizulegen, auf unlösbare Schwierigkeiten stößt.
Der Schluß von der Idee der Seele auf deren Existenz ist ein »zwar unvermeidlicher«, aber nichtsdestoweniger ein Fehlschluß (»Paralogismus der reinen Vernunft«). Der Versuch, der Idee der Welt Realität beizulegen, führt unter jedem der vier möglichen Hauptgesichtspunkte auf eine Antinomie, d. h. auf ein Paar einander ausschließender Gegensätze, von denen jeder sich mit gleich guten Gründen bejahen und verneinen läßt, z. B.: die Welt hat einen Anfang in der Zeit und Grenzen im Raum, und: sie hat beides nicht. Die für die Realität der Gottesidee möglichen oder doch wenigstens bisher versuchten Beweise: der ontologische, kosmologische und ¶
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physiko-teleologische, sind sämtlich irrig, da sich weder aus dem »Gedanken« des allerrealsten Wesens dessen »Sein herausklauben«, noch aus der unendlichen Reihe von Ursachen auf eine erste Ursache oder von der Zweckmäßigkeit des kleinen überschaubaren Teils des Weltgebäudes auf dessen Zweckmäßigkeit im Ganzen mit Sicherheit schließen läßt. Dieses Ergebnis der Kritik der reinen Vernunft, welches von der gesamten Welt der sinnlichen und übersinnlichen Dinge als der Erkenntnis zugängliches Objekt nur das raum- und zeitlose Ding an sich und auch dieses nur nach seiner (durch den, wie Fichte zeigte, inkonsequenten Schluß von der Wirkung auf die Ursache verbürgten) Existenz, nicht nach seiner (uns gänzlich unbekannt bleibenden) Qualität übrigläßt, ist es, welches Kant bei seinen Zeitgenossen den Beinamen des »Alleszermalmers« verschafft hat. In seinen spätern Schriften (schon in der »Kritik der praktischen Vernunft«) hat er dies, besonders was die Gegenstände der sogen. natürlichen Religion betrifft, teilweise durch die von ihm erfundene »Postulierungsmethode« wieder gutzumachen gesucht.
Wie die Kritik der reinen Vernunft auf die Entdeckung des a priori im Erkenntnis-, so geht die der praktischen auf die Auffindung des a priori im Begehrungsvermögen aus. Wie ohne Allgemeinheit und Notwendigkeit kein wirkliches Wissen, so ist ohne Allgemeingültigkeit kein wirklich tugendhaft zu nennendes Wollen möglich. Das Wollen, welches als gut allgemein anerkannt werden soll, muß daher von der Beschaffenheit sein, daß seine Maxime fähig ist, ohne Widerspruch als allgemeines Gesetz aufgestellt zu werden.
Daraus erhellt, daß die Lust oder der eigne Vorteil niemals als Prinzip einer Sittenlehre gelten kann, weil sowohl jene als dieser nur individuelle Geltung besitzen. Kant verwirft praktisch den Eudämonismus aus demselben Gesichtspunkt, aus welchem er theoretisch den Skeptizismus bestreitet. Wie nicht der Inhalt, sondern die Form der Erfahrung (ihre Allgemeinheit und Notwendigkeit) entscheidet, ob sie als solche wahr sei, so entscheidet nicht der Inhalt, sondern die Form (die Allgemeingültigkeit der Maxime) des Wollens, ob es als solches gut sei. Das sittliche Wollen schließt jedes andre Motiv als die erkannte Pflichtmäßigkeit aus; der kategorische Imperativ, wie Kant die Forderung des Sittengesetzes bezeichnete, ist unbedingt, ein Sollen, das von jeder Rücksicht auf Sein oder Seinkönnen unabhängig ist.
Durch diese Reinheit der sittlichen Triebfedern, dem von Frankreich aus eingedrungenen Eudämonismus und Hedonismus gegenüber, hat Kant reinigend und erhebend auf seine Zeitgenossen und Nachkommen gewirkt. Seine Abneigung gegen die Glückseligkeit als Beweggrund der Sittlichkeit war so groß, daß selbst Schiller fand, Kants Rigorismus »schrecke die Grazien zurück«. Geschieht eine Handlung zwar dem Gesetz gemäß, aber nicht rein um des Gesetzes willen, so ist bloße Legalität, nicht Moralität vorhanden.
Als höchstes Gut, nach welchem der Mensch strebt oder streben soll, ist Tugend und Glückseligkeit, in höchster Potenz und innigster Kausalverbindung gefaßt, zu betrachten. Da nun die sinnliche Welt weder die Tugend in ihrer Vollendung, noch die Glückseligkeit in ihrer höchsten Potenz gewährt, noch auch beide hier immer verbunden vorkommen, so macht die praktische Vernunft folgende Postulate: Zur Erreichung der höchsten Tugend wird die Unsterblichkeit gefordert, zur Verwirklichung der Verbindung der höchsten Glückseligkeit mit der vollendetsten Tugend, d. h. zur Realisierung des höchsten Gutes, aber ist das Dasein Gottes notwendige Bedingung.
Wenn also das höchste Gut verwirklicht werden soll, so muß die Unsterblichkeit der Seele und mit ihr ein unendliches Fortschreiten zu höherer Vollendung und Heiligkeit vorausgesetzt werden; es muß ferner ein Wesen geben, das die gemeinsame Ursache der natürlichen und sittlichen Welt ist und Tugend und Glückseligkeit in ein entsprechendes Verhältnis zu setzen vermag, das demnach auch unsre Gesinnungen kennt, absolute Intelligenz besitzt und nach dieser Intelligenz uns die Glückseligkeit zuteilt.
Ein solches Wesen ist aber Gott. So entwickeln sich aus der praktischen Vernunft nicht nur die Idee der Unsterblichkeit und die Idee Gottes, sondern auch die Idee der Freiheit. Diese leitet ihre Realität ab aus der Möglichkeit des moralischen Gesetzes überhaupt; die Idee der Unsterblichkeit entlehnt ihre Realität aus der Möglichkeit der vollendeten Tugend, die Idee Gottes aus der notwendigen Forderung vollendeter Glückseligkeit. Diese drei Ideen, unlösbare Aufgaben für die theoretische, gewinnen Boden im Gebiet der praktischen Vernunft.
Auch jetzt aber sind sie nicht theoretische Dogmen, sondern praktische Postulate, notwendige Voraussetzungen des sittlichen Handelns. Diesen Ansichten entsprechen auch die Grundsätze über Religion, welche in der Schrift »Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft« niedergelegt hat. Der Grundgedanke ist hier die Zurückführung der Religion auf Moral. Je reifer die Vernunft wird, je mehr sie den moralischen Sinn für sich festhalten kann, um so entbehrlicher werden die statutarischen Satzungen des Kirchenglaubens.
Wie die beiden vorangegangenen Kritiken die apriorischen Elemente des Erkenntnis- und Begehrungsvermögens, so deckte die dritte, die Kritik der Urteilskraft, jene des Mittelglieds zwischen beiden, des Gefühlsvermögens oder, wie Kant es nennt, der Urteilskraft, auf. Gegenstand dieser letztern ist der Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur und zwar sowohl der ästhetischen als der teleologischen Zweckmäßigkeit. Die ästhetische Zweckmäßigkeit, welche die Dinge subjektiv für uns haben, entfaltet sich in den Begriffen des Schönen und des Erhabenen; die teleologische Zweckmäßigkeit bezieht sich auf das Verhältnis der Dinge unter sich und ist entweder eine äußere und zufällige oder eine innere, in dem Organismus des Dinges bedingte und notwendige.
Ob der Natur an und für sich innere Zweckmäßigkeit zukomme oder nicht, können wir nicht bestimmen; wir behaupten nur, daß unsre Urteilskraft die Natur als zweckmäßig ansehen müsse. Wir schauen den Zweckbegriff in die Natur hinein, indem wir gänzlich dahingestellt sein lassen, ob nicht vielleicht ein andrer Verstand, der nicht denkt wie der unsrige, zum Verständnis der Natur den Zweckbegriff gar nicht nötig hat. Gäbe es einen Verstand, welcher im Allgemeinen das Besondere, im Ganzen die Teile mit Bestimmtheit erkennen könnte, so würde ein solcher die ganze Natur aus einem Prinzip begreifen, den Begriff des Zweckes nicht brauchen.
Kants Hauptwerk blieb einige Jahre hindurch ziemlich unbeachtet, bis die ebenso klar wie anziehend geschriebenen »Briefe über die Kantsche Philosophie« von Reinhold (s. d.),
welche zuerst (seit 1786) in Wielands »Deutschem Merkur« [* 6] erschienen, die Denker- und Leserwelt für den Verfasser gewannen. Als Gegner Kants traten auf die Popularphilosophen Feder, Garve, Tiedemann, der Wolfianer Eberhard, Herder, dessen »Metakritik« (Leipz. 1799) und »Kalligone« (Berl. 1800) weniger Beachtung fanden, als sie verdienten, der »Glaubensphilosoph« Jacobi und der Skeptiker G. E. Schulze (»Änesidemus«, Helmst. 1792),