mehr
um diese Zeit zu trennen. Der Begattungstrieb des Kaninchens ist sehr heftig und erlischt bei dem Weibchen nur in den letzten Tagen vor der Geburt. Obgleich die eigentliche Zuchtzeit nur von Anfang März bis Ende November dauert, so kann man doch, besonders in geheizten Räumen, das ganze Jahre hindurch züchten. Eine kräftige Nachkommenschaft wird dadurch befördert, daß man die Tiere nicht vor dem achten Monat und nicht länger als 3-4 Jahre zur Zucht gebraucht. Zur Paarung bringe man die Häsin in den Käfig des Rammlers und wiederhole dies Experiment den nächsten Tag.
Die Tragezeit des Kaninchens dauert 28-31 Tage, und es setzt je nach Rasse und Fruchtbarkeit 4-8-12 blinde Junge, welche am neunten Tag sehend werden. Hat die Häsin mehr als 8 Junge, so tötet man die übrigen, da sonst oft der ganze Satz in Gefahr ist, wegen Mangels an Nahrung zu verkümmern. Die Jungen saugen ca. 4 Wochen und können nach Ablauf [* 2] dieser Zeit ohne Schaden entwöhnt werden. Wilde Züchtereien findet man in einigen Dünenstrichen der schottischen und dänischen Küsten.
Die ausgesetzten Kaninchen
[* 3] graben sich hier ihre
Baue, sind in jeder Beziehung auf sich selbst angewiesen und allen Einflüssen der
umgebenden Naturverhältnisse ausgesetzt, und es können daher auch nur vollkommen akklimatisierte
Tiere
einigermaßen günstige
Resultate liefern. Ähnlich verhält es sich mit den Gehegekaninchen.
Dieselben leben aber insofern
unter günstigern Verhältnissen, als durch praktische
Anlagen für ihr
Wohl gesorgt ist. Die Kaninchen
gehege bestehen aus
größern, mit
Mauern und
Gräben umzogenen
Flächen, welche mit verschiedenen
Nahrungspflanzen
[* 4] bestellt, mit
Bäumen, Gesträuch
und Gestrüpp bepflanzt und mit
Schuppen,
Ställen etc. versehen sind.
Dergleichen Einrichtungen findet man namentlich in England in großartigem Maßstab. [* 5] Die eigentliche zahme Zucht wird in Kasten oder Ställchen und zwar derartig betrieben, daß jedes einzelne Zuchttier seinen eignen Kasten bewohnt. Man versieht einen solchen Zuchtkasten von 1 m im Quadrat und 75 cm Höhe vorn mit einer aus Latten oder Drahtnetz gebildeten Thür und durchbohrt den Boden an verschiedenen Stellen, um dem Urin Abfluß zu schaffen. Die Kasten sind, namentlich kurz vor dem Setzen der Jungen, mit reinlicher weicher Streu, aus der das Muttertier für die Jungen ein höhlenartiges Nest baut, zu versehen.
Errichtet man im Hintergrund solcher Kasten einen Schlupfwinkel von 32 cm Höhe und Breite [* 6] mit einer ca. 16 cm im Quadrat haltenden Öffnung nach vorn oder einer Seite, so wird die Häsin stets hier ihr Nest bauen. In jedem Kasten sind noch ein Futtertrog, eine kleine Raufe und ein Wassernapf anzubringen. Diese Zuchtkasten arrangiert man reihen- und etagenweise neben- und übereinander; doch muß man letzternfalls unter jedem Kasten ein Abflußbrett anbringen, welches den Urin in eine hinter demselben befindliche Rinne leitet.
Vom Frühjahr bis zum
Herbst kann man diese
Kasten im
Freien aufstellen; im
Winter muß man sie aber in eine
gut verschließbare, zugfreie
Scheuer oder in eine ebensolche
Kammer bringen. Bei guter, reichlicher
Streu ertragen die
Tiere
selbst eine ganz bedeutende
Kälte. Man füttert das Kaninchen
dreimal täglich mit
Gras,
Heu,
Körnern, namentlich
Hafer,
[* 7]
Brot,
[* 8]
Kleie,
Klee,
Esparsette,
Luzerne,
Wicken, Kleeheu,
Erbs- und Bohnenstroh,
Erbsen,
Bohnen,
Kartoffeln,
Runkeln,
Möhren,
Topinambur,
Laub von
Bäumen etc. und gibt zur Anregung des
Appetits und
Förderung der
Verdauung dann und wann einige bittere
und aromatische
Pflanzen und etwas
Salz.
[* 9]
Ob man den Kaninchen
Wasser zum Saufen geben
soll oder nicht, ist noch streitig; doch dürfte es am zweckmäßigsten sein, den
Tieren Wasservorrat zum beliebigen
Genuß hinzusetzen. Man hüte sich, die tragende Häsin bei den
Löffeln frei in die
Luft
zu heben, sie zu stoßen oder zu drücken; am besten ist es, sie so wenig wie möglich zu berühren, da sonst
Fehlgeburten
etc. veranlaßt werden. Der
Rammler muß stets in möglichst kräftigem Zustand erhalten werden. Die
Jungen
verlassen mit 14
Tagen bis 3
Wochen den Nistkasten und versuchen von da an, selbständig
Nahrung zu sich zu nehmen. Man lege
ihnen daher junges, zartes Grünfutter vor und stelle ihnen
Milch-,
Mehl- oder Kleientränke zum Saufen hin. Um die
Tiere möglichst
frühzeitig an feste
Nahrungsmittel
[* 10] zu gewöhnen, legt man ihnen kräftige und leichtverdauliche
Stoffe
vor. Wegen des raschen
Stoffwechsels bedarf das junge
Tier einer größern
Menge frischer
Luft, man gebe ihm daher einen möglichst
großen
Stall. - Kaninchen
fleisch wird in
England,
Frankreich,
Belgien
[* 11] und
Holland täglich in fast sämtlichen
Restaurationen
serviert und findet sich auch auf den Tafeln der reichern und vornehmern
Klassen.
Der
Konsum wurde in
England 1872 auf
ca. 4½ Mill. Kaninchen
geschätzt.
Frankreich züchtet jährlich
ca. 85 Mill., von welchen 3 Mill.
allein in
Paris
[* 12] verspeist werden. In
England gibt es Kaninchen
gehege, die monatlich 800-1200 Kaninchen liefern, und der
Bischof
von
Derby soll jährlich 10-12,000 Kaninchen aus seinen
Gehegen verkaufen. Die Kaninchenzucht empfiehlt sich besonders dadurch, daß
das
Tier wenig
Raum beansprucht, keiner kostbaren, umständlichen
Fütterung bedarf, fast alle
Abfälle aus der Haushaltung frißt,
sehr fruchtbar und schon im
Alter von 4-6
Monaten schlachtbar ist.
Auch der Balg und die Haarnutzung gewähren erheblichen Vorteil; in England wie in Frankreich bilden diese Artikel ein nicht unwesentliches Handelsobjekt. In Japan [* 13] sind die Kaninchen neuerdings Modesache und, wie einst die Tulpenzwiebeln in Holland, Objekt für ein leidenschaftliches, immer mehr um sich greifendes Börsenspiel geworden. Um diesen Ausschreitungen Schranken zu setzen, hat die japanische Regierung eine hohe Steuer für Kaninchen eingeführt.
Vgl. Duncker, Die rationelle Kaninchenzucht (Bernau 1874);
Derselbe, Deutsche [* 14] Kaninchen (Berl. 1875);
Redares, Die Kaninchenzucht (6. Aufl., Weim. 1885);
Schiffmann, Das französische Kaninchen (3. Aufl., Nürnb. 1873);
Hochstetter, Das Kaninchen (4. Aufl., Stuttg. 1874);
Rennecke, Das zahme Kaninchen (2. Aufl., Dessau [* 15] 1873);
Eckardt, Anleitung zur rationellen Kaninchenzucht (Münch. 1874);
Espanet, Kaninchenzucht (deutsch Wien [* 16] 1883);
Lincke, Die rationelle Kaninchenzucht (Leipz. 1887);
Ravageaux, La vraie manière d'élever les lapins à la ville et à la campagne (neue Ausg., Par. 1882);
H. v. Nathusius, Über die sogen. Leporiden (Berl. 1867);
Zürn, Zum Streit über die Leporiden (Weim. 1877);
Brandt, Untersuchungen über das Kaninchen (Petersb. 1875);
Rasch, Blätter für Kaninchenzucht (Hildesh. 1874-76);
Pröpper, Kaninchenkochbuch (Berl. 1875).