die
Weine der
Kanarischen Inseln, welche aber selten unter diesem
Namen, sondern meist
als
Madeira
[* 2] und jetzt als
Sherry auf den
Markt kommen. Die größte Weinkultur besitzt
Teneriffa, wo besonders
Sekt
(Malvasier)
und
Vidogna gebaut werden. Die Vidognaweine sind trockne Weißweine, dem
Madeira ähnlich, aber mit weniger
Körper und Parfüm.
Der
Sekt ist ein süßer Likörwein, dem Madeirasekt nicht gleichkommend und in kalten Klimaten leicht
umschlagend. Früher trank man als
Kanariensekt die gewöhnlichen trocknen (sec) Weißweine und würzte sie noch mit
Zucker,
[* 3] Zimt, Muskatnuß, gebratenen Äpfeln,
Eiern
(Falstaffs Lieblingsgetränk). Durch die
Traubenkrankheit ist die Weinproduktion
der
Kanarischen Inseln auf den zehnten Teil des frühern
Betrugs reduziert.
Konstantin, berühmter Seeheld im griechischen Freiheitskampf, geb. 1790 auf der
Insel Ipsara, war
vor derErhebung
seines Vaterlandes
Kapitän eines kleinen griechischen Kauffahrteischiffs. Als 1822
Chios der Übermacht der
Türken unterlegen
war, zerstreute Kanaris mit zwei
Brandern in der
Nacht vom 18.-19. Juni die noch
vor derInsel liegende türkische
Flotte und sprengte das Admiralschiff in die
Luft. Ebenso steckte er bei
Tenedos das türkische Admiralsschiff in
Brand.
Später ernannte ihn König
Otto zum Marinekapitän erster
Klasse und 1847 zum
Senator; auch war Kanaris mehrmals, zuletzt 1854-1855,
Marineminister. Im
Januar 1862 übernahm er das
Präsidium des
Ministeriums und legte dem König ein liberales
Programm vor,
dessen
Ablehnung ihn bewog, sich imOktober dem
Aufstand gegen
Otto anzuschließen und in die provisorische
Regierung einzutreten. Er war einer der
Deputierten, welche König
Georg I. 1863 die
Krone antrugen, und stand 1864-65 zweimal
noch an der
Spitze von Ministerien, die aber nur von kurzer Dauer waren. Als nach
Ausbruch des russisch-türkischen
Kriegs sich
dieParteien im
Juni 1877 zu einem gemeinsamen patriotischen
Handeln vereinigten, stellten
sie den alten
Seehelden an die
Spitze des Koalitionsministeriums, in
dem er auch die
Marine übernahm; doch starb Kanaris schon
Ihre gesamte Oberfläche beträgt 7372 qkm (132 QM.). Die
Inseln sind sämtlich gebirgig und vulkanischen Ursprungs. Aus sehr
tiefem
Meer erheben sich die steilen vulkanischen
Massen und bilden ein zusammenhängendes Ganze, das von gemeinsamen Erhebungsrichtungen
abhängig ist. Die westlichen
Inseln tragen hohe, schneebedeckte
Berge
(Pico de Teyde auf
Teneriffa, 3711 m
hoch), sind bewaldet und bergen in ihren wasserreichen Schluchten die ganze
Fülle der kanarischen
Vegetation; die östlichen
sind ein fast baumloses, dürres Steppenland.
Die Gesteinsart ist meist basaltisch;
Teneriffa und
Gran Canaria haben einentrachytischenKern. Den
Basalt
durchziehen überall Tuffschichten (Toscalos), welche außerordentlich reich an Höhlenbildungen sind.
Groß ist auch die
Zahl der erloschenen Aschenkegel mit weiten Kratermündungen und der Lavafelder (Malpais oder
Volcanos), die, wie die
Caldera
auf
Palma, oft reich bewässert und von unvergleichlicher
Fruchtbarkeit sind, wenn starke
Schichten vulkanischer
Asche sich
darüberlagern.
Die
Landschaft dieser »glücklichen
Inseln« (sie hießen bei den Alten
Insulae fortunatae) ist überreich an
Schönheiten. Der
Charakter derselben beruht auf einer wunderbar gezackten Form der Bergkämme, auf dem
Kontrast pflanzenloser
roter und schwarzer Felsenmassen mit der schwellenden Üppigkeit einer subtropischen
Vegetation sowie endlich auf dem feuchten
Schmelz der immergrünen Lorbeerforsten, wozu noch die
Durchsichtigkeit der
Atmosphäre, die Umschau auf das
Meer und eine fast
überall zerstreut auftretende ländliche
Kultur kommen.
Das
Klima
[* 9] ist höchst angenehm und gesund, namentlich für
Brust- und Nervenleidende sehr wohlthuend.
Seewinde
kühlen die
Hitze, und
Schnee
[* 10] und
Eis
[* 11] sind in den bewohnten
Thälern unbekannt, da das
Thermometer
[* 12] nicht unter 15-18° R. sinkt.
Vom
November bis März fällt gelinder
Regen; im März steht der herrlichste
Frühling in vollem
Flor; im
April wird in den Küstengegenden das
Korn geerntet. Den
Sommer und
Herbst charakterisieren eine große Trockenheit und eine
unwandelbare Heiterkeit des
Himmels.
September und
Oktober sind die heißesten
Monate, in denen das
Thermometer 26-31° R. erreicht.
Bevor
¶
mehr
darauf unter dem Einfluß der Nordwinde die Winterregen beginnen, bietet die Landschaft ein trauriges Bild: alles erdgrau,
fahl und staubig, wo nicht künstliche Bewässerung vorhanden ist. Auch erscheinen dann, von der Wüste her wehend, die drückend
schwülen und dicke Nebel bringenden Levante- oder Südostwinde, in deren Gefolge auch oft Heuschrecken
[* 14] auftreten.
Die Trockenheit endet in der Regel Anfang November. Unter den vierfüßigen Tieren der Inseln zeichnen sich nur die Hunde
[* 15] durch
ihre Größe und die überall verbreiteten Ziegen durch ihre Schönheit aus.
Als Lasttiere bedient man sich meist der Maultiere, doch gibt es auf mehreren Inseln auch viele Kamele.
[* 16] Die
Zahl der Vogelarten ist groß; der berühmteste, der Kanarienvogel mit gelblichgrünem Gefieder, lebt in großen Flügen auf
allen baumreichern Inseln. Schlangen
[* 17] und giftige Amphibien fehlen ganz. Bienenzucht
[* 18] wird mit Eifer betrieben. Die Flora ist eine
höchst merkwürdige und enthält viele den Inseln eigentümliche Pflanzen; sie ist hauptsächlich eine Felsenflora und
zerfällt in drei Zonen.
Zur ersten oder untersten (warmen) Zone gehören die baumartigen Euphorbien, die gesellig wachsenden Plokamen (Plocama pendula)
und Kleinien, welche die Küsten entlang zwischen dem Gestein hervorschimmern; ferner der Drachenbaum, die Dattelpalme, Olive,
Pistazie, Sabinacypresse, Aloe, Jasmine, die Meerzwiebel etc. Auch an Schlingpflanzen fehlt es nicht, und
die Steppe schmücken Frankonien, Mesembryanthemen und Chenopodiaceen. Bananen, Guayaven, Anonen und Zuckerrohr, sogar Kokosnüsse
reifen neben blühenden Erythrineen und Rosen.
Die zweite Zone ist die der immergrünen Forsten, der Lorbeer- und Stechpalmen sowie der Erica arborea, die 20-22 m Höhe erreicht;
Farne
[* 19] und Lianen gedeihen in ihrem Schatten.
[* 20] Auf den Südabhängen ersetzt der Pinol- oder Fichtenhochwald
diesen Lorbeerwald, dessen Lichtungen von Zistengebüschen überzogen sind. Durch die Kultur sind auch Haine echter Kastanien
hinzugekommen. Die dritte Zone umfaßt die Hochregion, wo Spartium, Pteris, Genista etc. die Bimssteinfelder überziehen.
Anbaufähig ist etwa nur ein Fünftel des Bodens. Man gewinnt Weizen, Gerste,
[* 21] Roggen, reichlichen Mais sowie
Kartoffeln, welche (namentlich in der Höhe) Volksnahrung sind. Der Weinbau, welcher den berühmten Malvasier oder Kanariensekt
lieferte, war, wie auf Madeira, seit 1852 infolge der Traubenkrankheit in Verfall, beginnt sich aber seit 1870 wieder zu heben.
Man baut auch die Soda liefernde Barillo (Mesembryanthemum
[* 22] crystallinum), ferner Maulbeerbäume und gewinnt
Seide;
[* 23] die früher einträgliche Kochenillezucht ist durch die Anilinfarbenindustrie schwer geschädigt worden, doch
entfielen von der 1880-84 sich auf 93,7 Mill. Pesetas belaufenden Gesamtausfuhr immer noch 32 Mill. Pesetas auf Kochenille.
Der Tabaksbau gewinnt von Jahr zu Jahr an Bedeutung, ebenso die Kultur von Zwiebeln, Kaffee, Bataten u. a.
Metalle finden sich nicht.
Die Bewohner (1883: 300,874) sind ein Mischvolk von Spaniern und den eingebornen Guanchen, versetzt mit normännischem, flandrischem
und maurischem Blute. Die weiße Farbe herrscht durchweg, nur auf Gran Canaria finden sich einige Negerdörfer. Die ausgestorbenen
Ureinwohner, Guanchen genannt, waren ein tapferes, friedliches Hirtenvolk von großer Milde und Reinheit
der Sitten; in Grabhöhlen finden sich noch ihre einbalsamierten Mumien. Gegenüber der allgemein herrschenden Ansicht, wonach
dieselben zu den Berbern gehört haben sollen, hat neuerdings F. v. Löher den Beweis zu führen gesucht, daß die Guanchen germanischer
Abkunft seien. Er stützt sich auf Wohnung, Kleidung, Lebensweise, auf die Körperbildung, den Schädelbau,
namentlich auf das Eigentümliche im Staats- und Rechtswesen.
Die anlandenden Germanen vermischten sich nach ihm mit einer bereits vorhandenen Berberbevölkerung oder machten dieselbe
zu Sklaven, verharrten fortan bis zur spanischen Eroberung in völliger Abgeschlossenheit und gingen in der Kultur zurück,
indem sie denGebrauch der Metalle, das Bauen von Schiffen etc. verlernten. IhreSprache
[* 24] verknöcherte, und
das Christentum, soviel sie davon besaßen, wurde verunstaltet. Auch einige germanisch klingende Sprachreste führt v.
Löher zur Unterstützung seiner Ansicht an; den NamenGuanchen selbst deutet er als Wandschen, d. h. Vandalen, und von diesen,
die nach Zerstörung ihres Reichs bis nach Südmarokko getrieben wurden, sollen die jetzigen Bewohner
der Kanarischen Inseln abstammen.
Die Industrie produziert seidene und wollene Stoffe sowie grobes Leinen, im übrigen ist sie äußerst gering.
Der Handel hat sich, seit 1852 die Inseln (Ferro ausgenommen) zu Freihäfen erklärt wurden, sehr gehoben, ist aber meist allein
in den Händen der Engländer. Im 13. Jahrh. sollen genuesische Seefahrer nach den Kanarischen Inseln gelangt
sein; im 14. Jahrh. nahmen sie die Portugiesen, 1478 die Spanier in Besitz. Die Inseln werden von der spanischen
Regierung als ein zu Spanien
[* 26] gehörendes Königreich betrachtet, also zu Europa
[* 27] gerechnet und bilden zwei Zivilprovinzen: eine
östliche mit LasPalmas als Sitz der Regierung und eine westliche mit Santa Cruz de Teneriffa als Hauptstadt. Beide Orte sind
zugleich Festungen. Die Zahl der spanischen Soldaten ist übrigens gering, doch besteht eine Landmiliz.
Die Kanarischen Inseln waren wahrscheinlich schon den Phönikern und Karthagern bekannt. König Juba von Mauretanien (um 40 v. Chr.)
beschrieb sie zuerst genauer u. nannte sie die Glücklichen Inseln. Plinius kennt bereits den NamenCanaria und leitet ihn von der
Menge großer Hunde her. Im 13. Jahrh. (1292) sollen genuesische Seefahrer hierher gekommen sein; 1341 rüstete
König Dom Luiz von Portugal eine Expedition nach den Inseln aus. Luiz de la Cerda, ein Urenkel König Alfons' von Kastilien, wurde 1344 vom
PapstClemensVI. in Avignon zum König der Kanarischen Inseln gekrönt, ohne jedoch je sein Königreich einzunehmen.