mehr
oder hilft sich durch Schleusen, welchen man ein Gefälle von höchstens 2 pro Mille gibt. Die Neigung der Böschungen hängt von der Beschaffenheit des Bodens ab und ist eine ein- bis zweifache, gewöhnlich eine anderthalbfache. Den Leinpfad legt man 0,5-1 m über den höchsten Wasserstand und gibt ihm eine Breite von 3-4 m. Die Speisung der Kanäle erfolgt, wenn es Seitenkanäle sind, durch den benachbarten Fluß selbst oder durch Seitenzuflüsse desselben, wenn es Verbindungskanäle sind, durch besondere Speisebassins, worin Regen-, Quell- oder Flutwasser angesammelt wird, oder durch Speisegräben. Zur Ableitung von überflüssigem Wasser, wie es sich bei starken Regengüssen ansammelt, dienen die mit den Kanälen in Verbindung stehenden Flutgerinne oder Leerläufe. Die bei Anlage von Kanälen auf mehr oder minder geneigtem Terrain erforderlichen Kanalschleusen sind je nach der Lebhaftigkeit des Verkehrs entweder einfache, d. h. solche, welche nur ein Schiff, oder Doppelschleusen und Parallelschleusen, welche zwei Schiffe auf einmal aufnehmen können. Kanäle von annähernd horizontaler Lage werden nur an ihren Endpunkten mit Schleusen (s. d.) versehen, um den Wasserstand des Kanals unabhängig von dem der anstoßenden Gewässer zu erhalten. Bei Kanälen sowohl mit gleichartiger als auch mit entgegengesetzter Neigung sind die Schleusen ein Haupterfordernis, um, wo zwei Abteilungen der Kanäle von verschiedenem Niveau aneinander stoßen, die Schiffe beliebig heben und senken zu können. Diese Kanäle sind um so kostspieliger, je mehr Schleusen sie erfordern, wodurch zugleich der Schiffsverkehr verzögert und der Transportpreis erhöht wird. Die Wassermenge, welche zu einem Kanal erforderlich ist, richtet sich nach dem Bedarf der anzulegenden Schleusen. Bei deren Bestimmung, besonders für Kanäle mit horizontaler Lage, ist die Wassermasse in Anrechnung zu bringen, welche versickert, an der Oberfläche verdunstet oder durch die Schleusenthore dringt. Für Kanäle mit gleichartiger Neigung kommt zu derselben Wassermenge die Füllung einer Schleuse aus dem Oberwasser für jedes durchgehende Schiff hinzu, welche ungefähr sechsmal so groß ist als das beladene Kanalboot, und für Kanäle mit entgegengesetzter Neigung die für Kanäle mit horizontaler Lage nötige Wassermasse und die doppelte Wassermasse für die zu füllende Schleuse, da das Schiff auf der einen Seite hinaufgehoben und auf der andern Seite hinabgelassen werden muß. Diese Wassermenge muß dem Kanal auf dem Verteilungspunkt, dem höchsten Punkte desselben, von andern Orten her durch sogen. Speisekanäle zugeführt werden. Um aber stets über das nötige Quantum von Wasser verfügen zu können, legt man auf dem höchsten Punkte der Wasserscheide ein Reservoir an, welches geräumig genug sein muß, um die Schleusen zu beiden Seiten mit dem nötigen Wasser zu versehen. Bei Kanälen, welche eine Verbindung mit dem Meer vermitteln, werden Flutschleusen und Flutthore angelegt.
Wo Kanäle über andre Wasserläufe oder über Verkehrswege zu führen sind, erhalten dieselben steinerne, eiserne oder hölzerne Kanalbetten, von welchen die erstern auf Gewölben ruhen, die letztern bez. durch Eisen- oder Holzkonstruktion unterstützt werden. Bei der Kanalbrücke über den Calder bei Stanley hat man das aus Eisenblech konstruierte Kanalbett an Scharnierbogenträgern, bei dem Aquädukt des Pennsylvaniakanals über den Alleghany ein hölzernes, sorgfältig gedichtetes Kanalbett an Drahtseilen aufgehangen. Meist werden, wie bei der Kanalbrücke über die Garonne bei Agen, die Betten der Kanalbrücken für den Durchgang nur eines Schiffs bemessen, während an deren Enden eine solche Erweiterung angebracht ist, daß sich zwei Schiffe bequem ausweichen können. Die Überführung von Straßen oder Eisenbahnen über Kanäle wird teils durch feste, teils durch bewegliche Brücken entweder mit Einschränkung oder besser mit Beibehaltung ihres vollen Profils bewirkt. Kanalhäfen werden an den Stellen von Schiffahrtskanälen angelegt, wo häufig Güter ein- oder auszuladen sind. Die Größe der Häfen richtet sich nach dem Umfang des Verkehrs. Die kleinsten Häfen erhalten die Länge und Breite eines Schiffs, die größern eine Länge von fünf bis zehn Schiffen und mindestens eine Schiffslänge zur Breite, damit die Schiffe wenden können. Zwischen dem Mauerwerk von Kanalbrücken und Kanalhäfen und dem Erdkörper muß eine sorgfältige Dichtung durch Thonschlag oder Sandbeton hergestellt werden, damit der Wasserverlust auf ein Minimum eingeschränkt wird. Aus demselben Grund werden die Böschungen von Kanälen, welche durch wasserdurchlässiges Terrain, wie Sand- und Kiesboden, führen, gewöhnlich mit einem 40-80 cm starken Thonschlag bekleidet, worauf wieder Deckschichten von urbarer Erde zu liegen kommen. In Frankreich ersetzt man den Thonschlag nicht selten durch eine Lage sandigen Bodens, welchen man mit Kalkmilch tränkt.
Vgl. Hagen, Wasserbaukunst, Teil 2, Bd. 3 (3. Aufl., Berl. 1874); Gräff, Construction des canaux et des chemins de fer (Par. 1861); Stevenson, Principles and practice of canal and river engineering (Edinb. 1858); Malézieux, Travaux publics des États d'Amérique en 1870 (Par. 1873); »Handbuch der Ingenieurwissenschaften«, Bd. 3: »Der Wasserbau« (hrsg. von Frantzius und Sonne, 2. Aufl., Leipz. 1882).
Volkswirtschaftliche Bedeutung.
Vor der Zeit der Eisenbahnen war der Antrieb zum Kanalbau sehr stark, und Kanäle erschienen auch da noch zweckmäßig, wo sie mit vielen Krümmungen, mit geringer Fahrtiefe und vielen Schleusen angelegt werden mußten, und unter solchen für die heutigen Anforderungen der Binnenschiffahrt ungünstigen Bedingungen der Nutzbarkeit sind fast alle gegenwärtig bestehenden Kanäle ursprünglich angelegt worden. Nachdem der Bau der Eisenbahnen begonnen hatte, mußte sich deren Überlegenheit gegenüber den bestehenden Kanälen bald herausstellen. Die Eisenbahn bringt die Ladungsgegenstände in vier- bis sechsmal kürzerer Zeit ans Ziel, als es durch Kanäle möglich ist. Sie befördert die Güter zu jeder Zeit, während die Kanäle durch Wintereis, Wassermangel, Reparaturen etc. einen Teil des Jahrs unbenutzbar sind. Für den Osten Deutschlands ist beispielsweise die Fahrzeit auf den Kanälen mit Sicherheit nur auf etwa 250 Tage im Jahr anzunehmen. Die Eisenbahn vermag auch kleinere Warenmengen leichter zu verladen und abzufertigen und trifft in der Spedition einzelner Stückgüter Einrichtungen, welche jedermann bequem zugänglich sind. Sie kann ihre Stationen in die nächste Nähe der Bezugs- und Absatzorte legen, während die an das Terrain, Wasserversorgung und andre Hindernisse gebunden sind. Dagegen können bei dem Kanal die Frachten an jeder Stelle ein- und ausgeladen werden; die Verladung von Massenfrachten auf Flußschiffe (ein einziges Schiff von 4000 Ztr. faßt soviel wie ein ziemlich schwerer Eisenbahnzug) bietet größere Einfachheit, und manche Güter, welche feuergefährlich sind oder das Schütteln der Eisenbahnwagen nicht vertragen können, eignen sich
mehr
vorzugsweise für den Wassertransport. Gleichwohl kann ein Kanal im allgemeinen für gewöhnliche Verkehrsverhältnisse nur dann mit einer Eisenbahn konkurrieren, wenn die Gesamtkosten der Kanalfracht sich niedriger stellen als die Fracht für den bequemern und schnellern Eisenbahntransport und etwa nicht über drei Viertel der niedrigsten Bahnfracht hinausgehen. Anderseits gibt es bei Versendung eigentlicher Massenfrachten bald eine Grenze, über welche hinaus die Eisenbahn die Konkurrenz mit dem Kanal nicht mehr aufnehmen kann, und wo der Kanal volkswirtschaftliche Vorteile vor der Eisenbahn bietet. Bei Bewältigung einer mehrere Millionen Tonnen jährlich betragenden Kohlenfracht zwischen Dortmund und Hamburg würde eine Eisenbahn über 30 schwere Kohlenzüge täglich und ebensoviel Trains mit leer zurückgehenden Wagen zu befördern haben und einen ungeheuern Betriebsaufwand erfordern, während der Kanal leicht die dreifache Warenmenge ohne unverhältnismäßige Erhöhung der laufenden Betriebskosten bewältigt. Berechnungen über die Rentabilität eines Kanals gehen von der Erfahrung aus, daß der Satz von 2 Pf. für Tonne und Kilometer den äußersten Satz bildet, für welchen auch eine nur für Gütertransport gebaute Bahn die Fracht noch zu befördern vermag, und daß die Kanalfracht sich daher, um mit den Eisenbahnen zu konkurrieren, auf höchstens drei Viertel der Eisenbahnfracht = 1,5 Pfennig für die Tonne und das Kilometer zu stellen hat. Dem gegenüber stellen sich die Bedingungen für Rentabilität der Kanäle wie folgt:
Kanalbaukosten für das Kilometer 225,000 Mk
Verzinsung und Unterhaltung zu 6. Proz. ergibt ein zu erforderndes Erträgnis für das Kilometer jährlich von 13,500 Mk.
Die Selbstkosten der Kanalfracht (Schiffe, Bemannung, Traktionskosten etc.) sind nach genauen Berechnungen für neue ausgiebige Kanalanlagen mit 0,8 Pf. für die Tonne und das Kilometer in Anschlag zu bringen.
Zur Erreichung des zulässigen Frachtsatzes von 1,5 Pf. für Tonne und Kilometer können daher noch 1,5-0,8 = 0,7 Pf. für Tonne und Kilometer an Kanalabgabe erlegt werden, ohne die Konkurrenzfähigkeit gegen die Eisenbahn zu gefährden.
Rentabilität wird also möglich, wenn die oben berechneten 13,500 Mk. für das Kilometer aus der Kanalabgabe von 0,7 Pf. für das Kilometer eingehen. Dies geschieht, sofern 1,928,501 oder rund 2 Mill. Ton. jährlich jedes Kilometer durchlaufen.
Diese vorausgesetzte Frachtmenge von 2 Mill. Ton. bezeichnet auch die äußerste Grenze, bei der die Verwendung von Eisenbahnen noch wirtschaftlich erscheinen kann. Da aber solche Verkehrsmengen im Massenverkehr in Deutschland schon jetzt nach einigen Verkehrsrichtungen vorkommen, so erscheint das Bestreben einiger Staaten, wie Preußen und Frankreich, den Ausbau eines den heutigen Anforderungen entsprechenden Kanalnetzes zu befördern, durchaus berechtigt. Man nimmt wohl nicht mit Unrecht an, daß damit eine neue Zeitepoche eingeleitet wird, in welcher die Kanäle die Eisenbahnen in der Massenverfrachtung geringwertiger Güter abzulösen beginnen. Da allerorts noch viele Artikel ihrer Hebung und Bewegung durch billigern Transport harren, so dürfte ein gutes Kanalnetz auch einen erheblichen Verkehr neu hervorrufen.
Statistisches. Kanalprojekte.
Deutschland. Die letzten umfassenden statistischen Erhebungen über die deutschen Binnenwasserstraßen liegen aus dem Jahr 1881 vor und sind im »Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich« veröffentlicht worden. Da ein weiterer belangreicher Ausbau der Wasserstraßen inzwischen nicht stattgefunden hat, so sind die bezüglichen Veröffentlichungen auch für den jetzigen Stand im wesentlichen noch zutreffend. Danach betrug 1881 die Gesamtlänge der schiffbaren deutschen Binnenwasserstraßen, d. h. der schiffbaren Flüsse und Kanäle, zusammen 12,441 km. Weiteres ist aus nachfolgender Tabelle I. ersichtlich.
I. Verteilung der deutschen Wasserstraßen auf die einzelnen Stromgebiete.
Bezeichnung der Wasserstraßen und der Stromgebiete | Gesamtlänge der schiffbaren Strecken | Davon können befahren werden mit einem Tiefgang von | |||
---|---|---|---|---|---|
1,50 m | 1,00 m | 0,75 m | unter 0,75 m | ||
Kilometer | |||||
Memelgebiet | 247,3 | 83,6 | 156,5 | - | 7,2 |
Dange | 11,3 | 1,9 | 9,4 | - | - |
Küstenflüsse des Kurischen Haffs | 64,0 | 58,3 | - | - | 5,7 |
Pregelgebiet | 397,2 | 29,8 | 139,1 | 152,0 | 76,3 |
Küstenflüsse des Frischen Haffs | 32,1 | 11,3 | 8,8 | 12,0 | - |
Elbing-Oberländischer Kanal | 195,8 | - | 195,8 | - | - |
Weichselgebiet | 438,1 | 16,1 | 283,9 | - | 138,1 |
Bromberger Kanal (Verbindung zwischen Weichsel- und Odergebiet) | 26,5 | - | 26,5 | - | - |
Odergebiet | 1802,5 | 222,2 | 765,7 | 550,6 | 264,0 |
Küstengewässer der Ostsee westlich der Oder | 445,4 | 184,6 | 28,3 | - | 232,5 |
Verbindungskanäle zwischen Oder- und Elbegebiet | 80,6 | - | 57,9 | 22,7 | - |
Elbegebiet | 2606,6 | 527,7 | 813,4 | 354,7 | 910,8 |
Küstenflüsse nördlich der Elbe | 313,3 | 199,8 | 110,5 | - | 3,0 |
Oste-Hammekanal (Verbindung zwischen Elbe- und Wesergebiet) | 16,4 | - | - | 16,4 | - |
Wesergebiet | 1175,4 | 146,3 | 365,6 | 249,3 | 414,2 |
Küstengewässer zwischen Weser und Ems | 7,7 | - | 7,7 | - | - |
Emsgebiet | 466,4 | 99,9 | 196,1 | 11,0 | 159,4 |
Ostfriesische Kanäle | 441,5 | 23,4 | 389,4 | 12,8 | 15,9 |
Rheingebiet | 2789,8 | 534,3 | 1069,0 | 474,7 | 711,8 |
Main-Donaukanal (Verbindung zwischen Rhein und Donau) | 136,4 | - | - | 136,4 | - |
Donaugebiet | 746,8 | - | - | 332,8 | 414,0 |
Im Deutschen Reich: | 12441,1 | 2139,2 | 4623,6 | 2325,4 | 3352,9 |
Da Deutschland 1887 rund 40,000 km Eisenbahnen besitzt, so beträgt die Länge der schiffbaren Wasserstraßen nur etwa 3/10 der Eisenbahnen. Die in der Länge der schiffbaren Wasserstraßen inbegriffene Länge der schiffbaren Kanäle belief sich 1887 auf rund 2420 km. Nach Ausführung der vorliegenden Kanalprojekte (s. S. 446) würden hierzu ca. 900 km hinzukommen.
Von den natürlichen Gewässern sind wegen teilweise starken Gefälles und der an einzelnen Stellen sich ablagernden Barren und Sandbänke nur wenige