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Daß diese Niederschlagsmengen den Waldwuchs begünstigen, liegt auf der Hand, [* 2] und so kann man denn ganz Kanada, mit Ausnahme der jenseit der Baumgrenze gelegenen arktischen Gebiete und der etwa 310,000 qkm großen echten Prärieregion im W., als ein Waldland bezeichnen. Die Wälder erstrecken sich von Meer zu Meer und reichen längs der großen Ebene bis dicht an das Eismeer. Eine Linie, welche die Hudsonbai bei Fort Churchill unter 60° nördl. Br. verläßt und von dort über den Großen Bärensee zur Mackenziemündung (68° 30' nördl. Br.) hinansteigt, bezeichnet die Nordgrenze derselben.
Der nördlichste Baum ist die Schimmelfichte (Abies alba, white spruce), hinter welcher die Kanoebirke (Betula papyracea) nur wenig zurückbleibt. Reizend sind namentlich die gemischten Waldungen im S. Unterholz und Sträucher mit eßbaren Beeren, wie die Serviceberry (Aronia ovalis), Stachelbeeren, Preißelbeeren und Erdbeeren, sind reichlich vertreten, und in sumpfigen Stellen, fern im N., wächst Wasserreis (Zizania aquatica). Von den 95 Waldbäumen, welche in den kanadischen Wäldern vorkommen, nennen wir die Weißkiefer (Pinus Strobus, white pine, Weimutskiefer), die Rotkiefer (Pinus resinosa), die Schimmelfichte (Abies alba, White spruce), die Schwarzfichte (Abies nigra, black spruce), die Balsamtanne (Abies balsamea), die Hemlocktanne (Abies canadensis), die amerikanische Lärche (Larix laricina, tamarac), den abendländischen Lebensbaum (Thuja occidentalis), den virginischen Wacholder (Juniperus virginiana, red cedar) und von Laubholzbäumen die Silberlinde (basswood), verschiedene Ahornarten, Eschen, Ulmen, Platanen, Walnußbäume mit Einschluß von Butterwort (Juglans cinerea) und Hickory (Carya alba), Eichen, Buchen, Hopfenbuchen, Espen, Zitter- und Balsampappeln und Birken. Britisch-Columbia besitzt eine ihm eigentümliche Waldflora, und von 34 Spezies kommen nur 7 in andern Teilen Kanadas vor. Eigentümlich sind ihm namentlich die Douglastanne, die Riesenzeder (Thuja gigantea), der kurzblätterige Eibenbaum und der Cottonwoodbaum (Populus trichocarpa).
Aus der Tierwelt sind namentlich die pelztragenden Tiere von Bedeutung. Der Biber nimmt unter ihnen die vornehmste Stellung ein, hat aber infolge der übergroßen Verfolgung bedeutend an Zahl abgenommen. Ferner gibt es Füchse, Wölfe, Wiesel, [* 3] Luchse, Marder, [* 4] Wolverene, Bären, Ottern, Bisamratten, Stinktiere, Vielfraße und Wildkatzen. Namentlich ihres Fleisches halber werden gejagt das Renntier (caribou), welches in zwei Varietäten von Neuschottland bis ans Eismeer vorkommt;
der immer seltener werdende Büffel, aus dessen Fleisch die Jäger und Fallensteller (trappers) ihr Pemmikan (s. d.) herstellen;
das Moose [* 5] oder der Elch, von der Fundybai bis in den äußersten Norden; [* 6]
das Wapiti (Cervus strongyloceros) und andre Hirscharten, der Bisamstier am Eismeer, eine Antilope (A. furcifera), das Bergschaf (bighorn sheep) und die wolltragende Ziege im Felsengebirge.
Endlich verdienen noch der Präriehund, der Waschbär, der Dachs und der Hase [* 7] (Kaninchen) [* 8] genannt zu werden. Die Vogelwelt ist namentlich durch Wald- und Schneehühner und im Frühjahr und Herbst durch nach N. oder S. wandernde Zugvögel vertreten. Unter den Fluß- und Seefischen ist der Weißfisch (Coregonus albus) der häufigste. Außerdem kommen Forellen, Hechte und Karpfen und namentlich auch Lachse vor. Die Reptilien sind zwar durch die Klapperschlange und Eidechsen [* 9] vertreten, aber nur Frösche [* 10] und Kröten und (im NW.) Blutegel [* 11] sind häufig. Von den Insekten [* 12] sind Bremsen [* 13] und Moskitos im Sommer ungemein lästig. Heuschrecken, [* 14] die sich in der jenseit der Grenze gelegenen amerikanischen Wüste entwickeln, suchen gelegentlich den Westen heim.
[Areal und Bevölkerung.]
Eingeteilt wird die Dominion in sieben Provinzen und in das noch unter der Bundesregierung stehende Nordwestgebiet nebst den arktischen Inseln. Areal und Bevölkerung [* 15] der einzelnen Gebiete stellen sich, wie folgt:
Provinzen etc. | QKilometer | QMeilen | Gesamtbevölkerung 1871 | 1881 | Indianer 1881 | Zunahme der Gesamtbevölkerung 1871-81 in Proz | Einw. auf das QKilom. 1881 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Prinz Edward-Insel | 5524 | 100.3 | 94021 | 108891 | 281 | 15.8 | 19.7 |
Neuschottland | 56281 | 1022.1 | 387800 | 440572 | 1401 | 13.6 | 7.8 |
Neubraunschweig | 70761 | 1285.2 | 285594 | 321233 | 2125 | 12.4 | 4.5 |
Quebec | 500769 | 9094.5 | 1191516 | 1359027 | 7515 | 14.6 | 2.7 |
Ontario | 374499 | 6801.3 | 1620851 | 1923228 | 15325 | 18.6 | 5.1 |
Manitoba | 190927 | 3467.4 | 18995 | 65954 | 6767 | 247.0 | 0.34 |
Britisch-Columbia | 1010949 | 18359.9 | 36247 | 49459 | 25661 | 36.3 | 0.05 |
Nordwestgebiet, Festland | 5741973 | 104334.8 | 50000 | 56446 | 39472 | 13.0 | 0.01 |
Arktische Inseln | 867900 | 15762.0 | - | - | - | - | - |
Zusammen: | 8822583 | 160227.4 | 3685024 | 4324810 | 108547 | 17.4 | 0.49 |
Die Bevölkerung der Dominion ist 1861-81 von 3,323,292 auf 4,324,810 Seelen gestiegen (d. h. um 30,1 Proz.) und ward 1886 auf 4,776,000 Seelen geschätzt. Die Zunahme ist daher viel geringer als in den benachbarten Vereinigten Staaten. [* 16] Die Einwanderung hat in jüngerer Zeit, namentlich infolge der Erschließung des Nordwestgebiets, bedeutend zugenommen. In den 15 Jahren 1871-85 kamen 1,360,620 Einwanderer in an, von denen sich indes nur 819,741 in der Dominion niederließen (1871-75: 181,156; 1876-80: 161,519; 1881-85: 477,066). Dieser Zuwanderung steht allerdings ein Überschuß von Auswanderern nach den Vereinigten Staaten gegenüber, der aber bei weitem nicht so bedeutend ist, wie nach unzuverlässigen Erhebungen früher angenommen wurde. Ungemein dünn gesäet ist die Bevölkerung, denn es kommen auf 100 qkm erst 49 Bewohner (s. die Tabelle), und nur in den Provinzen Quebec und Ontario liegen Städte von mehr als 50,000 Einw., nämlich Quebec (62,446), Montreal [* 17] (140,747) und Toronto (86,415). Auf 100 Bewohner männlichen kommen 97,6 Bewohner weiblichen Geschlechts.
Die Bevölkerung ist aus den verschiedensten Elementen zusammengesetzt. Im J. 1881 zählte man dem Lande der Geburt nach 3,715,492 Eingeborne des britischen Nordamerika [* 18] (84,9 Proz.), 185,526 Iren, 169,504 Engländer, 115,062 Schotten, 77,753 Amerikaner aus den Vereinigten Staaten, 25,328 Deutsche, [* 19] 6376 Russen, 4389 Franzosen etc. Dem Ursprung nach zählte man dagegen 1,298,928 Franzosen (30 Proz.), 957,403 Iren (22,1 Proz.), 881,301 Engländer (20,3 ¶
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Proz.), 669,863 Schotten (15,4 Proz.), 254,319 Deutsche (5,9 Proz.), 108,547 Indianer (2,5 Proz.), 30,412 Holländer, 21,394 Afrikaner, 4388 Chinesen, 4214 Skandinavier, 1849 Italiener etc. Vergleichen wir diese Zahlen mit denen für das Jahr 1871, so finden wir, daß die Franzosen und Engländer um ein Geringes an Boden gewonnen haben, während die Zahl der Iren, Schotten und Deutschen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung abgenommen hat. Die Nachkommen der namentlich aus der Normandie eingewanderten Franzosen, die sogen. Habitants, bilden demnach noch immer den relativ stärksten Bruchteil der Bevölkerung.
Sie sitzen fast ausschließlich im untern auf beiden Seiten des St. Lorenz bis Montreal hinauf (in den sogen. Seigneurien), und haben trotz der langen Zeit und vielfacher Berührungen mit fremden Elementen in Charakter und Gewohnheiten ihre ganze Eigentümlichkeit bewahrt. Sie werden noch heute als anspruchslos, frugal, ehrlich, durchaus höflich, gefällig und sehr gastfrei geschildert. Dabei aber sind sie wenig unternehmend, halten fest am Althergebrachten und verstehen es, fremde Elemente von sich fern zu halten. Im W., wo sie als Voyageurs und Coureurs des bois weite Gebiete erschlossen haben, haben sie sich vielfach mit Indianern vermischt, als sogen. Métis oder Bois brûlés.
Das wirklich fortschrittliche Element in Kanada wird durch die Engländer und namentlich die Schotten repräsentiert, denn wenn auch die Iren an Zahl überwiegen, so besteht doch die Hälfte derselben aus aus Ulster eingewanderten Protestanten, die sich naturgemäß den Schotten anschließen. Der aus der Mischung dieser angelsächsischen Elemente hervorgegangene Kanadier ist kräftig gebaut, mit breiten Schultern und hoch gewachsen. Er ist besonnen, ausdauernd und zuverlässig, und es fehlt ihm keineswegs an Unternehmungsgeist. Nationalspiel der Kanadier ist ein von den Indianern gelerntes Ballspiel, la Crosse genannt; Schlittschuh- und Schneeschuhlaufen sowie Bergabfahrten in indischen Schlitten (toboggans) sind beliebte Winterbelustigungen.
Die eingeborne ursprüngliche Bevölkerung ist im Vergleich mit den Eingewanderten und deren Nachkommen verschwindend klein, scheint aber nicht abzunehmen wie in den Vereinigten Staaten. Die arktischen Gestade bewohnen etwa 4000 Innuit oder Eskimo, den Rest des Gebiets verschiedene Indianerstämme. Die Tinneh oder Athabasken sitzen südlich von den Innuit, namentlich im Becken des Athabasca, und erstrecken sich bis jenseit des Felsengebirges an den Stillen Ozean.
Die Algonkin hausen von Labrador bis zum Obern See und dem südlichen Teil des Nordwestgebiets, wo die Saulteaux, Kri, Blackfeet, Piegan und Blutindianer ihre Stammgenossen sind. Die Irokesen mit dem Reste der Huronen wohnen vom Atlantischen Ozean bis zum Obern See und haben die größten Fortschritte in der Kultur gemacht. Seit 1818 haben die Indianer weite Länderstrecken gegen eine Jahresrente und andre Vorteile an die Regierung abgetreten. Die Regierung zahlt pro Kopf jährlich 5 Doll., aber Häuptlinge erhalten 25 Doll., Älteste 15 Doll. Außerdem hat jede Familie von fünf Personen ein Anrecht auf 259 Hektar Land. Im J. 1885 lebten von 131,957 Indianern bereits 85,329 auf solchen Reservationen.
Sie hatten 34,780 Hektar Land angebaut und besaßen 19,623 Pferde, [* 21] 14,162 Rinder, [* 22] 1984 Schafe [* 23] und 8504 Schweine. [* 24] Die Indianerschulen werden von etwa 4000 Kindern besucht. Die für indianische Zwecke verausgabte Summe belief sich 1885 auf 1,109,604 Doll. Seit 1885 haben Indianer auch das Stimmrecht unter den gleichen Bedingungen wie der Rest der Bevölkerung. Dem religiösen Bekenntnis nach zählte man 1881: 2,436,555 Protestanten (davon 676,165 Presbyterianer, 574,818 Anglikaner, 742,981 Methodisten), 1,791,982 Römisch-Katholische, 2392 Juden, 4478 Heiden, 2634 Personen »ohne Religion«;
in 86,769 Fällen war die Religion nicht angegeben.
Von den Katholiken lebten 1,170,718 (70 Proz.) in der Provinz Quebec. Die Anglikaner haben 14 Bischöfe, die Katholiken 4 Erzbischöfe und 16 Bischöfe. Staat und Kirche sind vollständig getrennt.
Die Volksbildung ist eine Provinzialangelegenheit oder dem Gemeinsinn der Bürger überlassen. Es gab 1885 etwa 750 höhere Schulen (mit Einschluß von 14 Universitäten mit 24 Colleges, welche Grade erteilen) und 15,000 Elementarschulen, die insgesamt von 968,103 Schülern besucht wurden. Der Durchschnittsbesuch erreichte jedoch nur 555,406 Schüler. Aus öffentlichen Mitteln werden 9,310,745 Doll. diesen Anstalten zugewendet. Unter den Universitäten sind die bedeutendsten in Montreal (seit 1821), Quebec (seit 1678), Toronto (1859), Halifax [* 25] und Fredericton (Neubraunschweig). Von gelehrten Gesellschaften sind zu nennen: die Royal Society, eine Akademie der Wissenschaften (1882 gegründet), die Litterarhistorische Gesellschaft in Quebec und der Verein für Naturgeschichte in Montreal. Ihnen schließt sich an die 1882 gegründete Akademie der schönen Künste. Zeitungen und Zeitschriften erschienen 1885: 646, davon 71 täglich, 51 in französischer und 7 in deutscher Sprache. [* 26]
[Erwerbszweige.]
Im Zensus vom Jahr 1881 sind nur 1,390,606 Personen (37,8 Proz. der gesamten Bevölkerung) nach ihrer Beschäftigung klassifiziert. Von ihnen kamen auf Landwirtschaft 47,6 Proz., auf Gewerbe 20,7 Proz., auf Handel 7,7 Proz., auf häusliche Beschäftigungen (Dienstboten) 5,4 Proz., auf gelehrte Professionen und Künste 3,8 Proz. und auf andre 14,8 Proz. Die Landwirtschaft ist somit der wichtigste Erwerbszweig, und wenn wir bedenken, daß 1881 erst 61,155 qkm angebaut und 27,465 qkm Grasland vorhanden waren, so ist der fernern Entwickelung derselben noch ein weiter Spielraum gegeben.
Abgesehen von den arktischen Inseln, waren von der gesamten Oberfläche (7,954,700 qkm) 2,9 Proz. in Privatbesitz übergegangen, und 1,1 Proz. waren landwirtschaftlich verwertet. Überhaupt gab es 403,491 Grundbesitzer, und in sämtlichen Provinzen, namentlich aber im NW., ist noch Land guter Qualität billig oder unter dem Homested-Gesetz umsonst zu haben. Abgesehen von der kleinen Prinz Edward-Insel, sind die südlichen Teile von Ontario und Quebec die eigentlichen Kulturbezirke der Dominion, denn hier liegen 72 Proz. des gesamten angebauten Landes. Es gedeihen unsre sämtlichen Getreidearten, und Weizen reift am Mackenziefluß bis 62° nördl. Br. Ontario ist namentlich seines vorzüglichen Obstes wegen berühmt und erzeugt neben Äpfeln und Pflaumen auch Pfirsiche und Aprikosen. Die Weinrebe ist mit Erfolg am Eriesee angepflanzt worden, und die Trauben reifen im Innern bis 52° nördl. Br. Außerdem gedeihen dort Sorghum, Bataten, spanischer Pfeffer und Tomaten. An Vieh zählte man 1881: 1,059,358 Pferde, 3,514,989 Rinder, 3,048,678 Schafe und 1,207,619 Schweine.
Von großer Wichtigkeit ist die Fischerei, [* 27] sowohl in den Flüssen und den Seen als an den ¶