Dieselbe wurde aus besonders errichteten kameralistischen Lehrstühlen an den
Universitäten, zuerst in
Preußen und zwar in
Halle
[* 5] und
Frankfurt
[* 6] a. O. seit 1727, gelehrt und von Seckendorf,
Schröder,
Horneck,
Justi,
Sonnenfels u. a. wissenschaftlich dargestellt.
Sie zerfiel in zwei Teile:
1) dieÖkonomie, welche nicht nur die allgemeinen Haushaltungsregeln, sondern auch die
Lehre von der Stadtwirtschaft
(Handel,
Gewerbe) und der
Landwirtschaft umfaßte;
2) die
Lehre von der
Verwaltung des
Staats, deren einer Teil, die
Polizei, von den Maßregeln zur
Pflege und Mehrung des allgemeinen
Volkswohlstandes handelt, während das Gebiet der andern, der eigentlichen Kameralwissenschaft, mit
dem unsrer heutigen
Finanzwissenschaft identisch ist. Einseitigere
Kameralisten betrachteten die Mehrung der Einkünfte des
Fürsten als
Ziel der Kameralwissenschaft und der Kameralbeamten. Der
Ausdruck Kameralwissenschaft ist heute mehr in den
Hintergrund getreten und durch die Bezeichnungen
Volkswirtschaftslehre,
Staatswissenschaften etc. ersetzt worden.
Gebräuchlich ist noch vielfach die
Zusammensetzung
»Staats- und Kameralwissenschaften«.
»Stud. jur. et
cam.« nennt sich derjenige Studierende, welcher sich nicht allein auf den
Justiz-, sondern auch auf den Verwaltungsdienst
vorbereitet.
Vgl.
Rau, Über die Kameralwissenschaft (Heidelb. 1825);
(Chamille,MatricariaL.),
Gattung aus der
Familie der
Kompositen,
[* 9] einjährige
Kräuter mit
doldentraubig verästeltem
Stengel,
[* 10] zerstreut stehenden, zwei- bis dreifach fiederteiligen Blättern, kegelförmigem, nacktem,
innen hohlem Blütenboden und kantigen, ungeflügelten
Achenen. Echte Kamille (Feldkamille, Helmerchen, M. chamomillaL.,Chrysanthemumchamomilla Bernh.),
15-20
cm hoch, mit doppelt fiederteiligen Blättern, weißen
Strahlen- und gelben Scheibenblüten, findet sich durch ganz
Europa
[* 11] und in
Vorderasien, auch in
Australien
[* 12] eingebürgert; sie schmeckt bitterlich, riecht aromatisch und enthält
in den frischen
Blüten (auf trockne berechnet) 0,25 Proz. dunkelblaues ätherisches
Öl
(Kamillenöl, s. d.). Die Kamille bildet eins der beliebtesten
Hausmittel und besitzt den großen Vorzug, in den meisten
Fällen
unschädlich zu sein.
ätherisches
Öl, welches aus den
Blüten der
Kamille
(Matricaria chamomilla) durch
Destillation
[* 13] mit
Wasser
gewonnen wird
(Ausbeute 0,15 Proz.), ist dunkelblau, ziemlich dickflüssig,
von intensivemGeruch, schmeckt bitter aromatisch, spez. Gew. 0,92,
löst sich
schwer inWasser, in 8-10 Teilen
Spiritus,
[* 14] leicht in
Äther, wird durch
Luft und
Licht
[* 15] grünlich und braun. Es ist ein
Gemenge verschiedener
Öle
[* 16] und wird medizinisch wie Kamillenblüten, auch zu
Likören benutzt. Mit dem ätherischen Kamillenöl ist nicht
ein pharmazeutisches
Präparat zu verwechseln, welches durch
Digerieren von Kamillenblüten mit
Spiritus
und
Olivenöl bis zur Verflüchtigung des
Spiritus erhalten und als äußerliches
Arzneimittel benutzt wird. Das ätherische
Öl der römischen
Kamille
(Anthemis nobilis) ist ebenfalls blau oder grünlich.
(v. lat. caminus,
»Ofen«, franz. Cheminée, engl. Fire-place, Chimney),
Vorrichtung zur Zimmerheizung, besteht aus einem von
Mauerwerk oder Eisenplatten umschlossenen, vollständig
in der Wand liegenden oder teilweise aus derselben hervorspringenden
Raum, in welchem man das Brennmaterial auf einem
Rost
verbrennt, während die Verbrennungsgase direkt in den
Schornstein entweichen.
In dem Kamin wirkt das
Feuer nur durch
Ausstrahlung,
die Kaminheizung ist daher äußerst unvorteilhaft.
Sie ist aber in milden Klimaten
(England,
Frankreich) sehr beliebt, weil der Anblick des
Feuers den
Eindruck
der Wohnlichkeit macht, und weil der hervorstehende Teil des Kamins zu einem vorzüglichen Zimmerschmuck hergerichtet werden
kann. Der Kaminsims dient überdies zur
Aufstellung von
Uhren,
[* 17]
Spiegeln,
Bronzen etc. Man unterscheidet lombardische Kamine mit
weit hervorragendem, pyramidenförmigem
Mantel, der auf
Konsolen oder sonstigen Vorkragungen steht;
französische
Kamine, die ganz außerhalb der
Mauer stehen;
deutsche, welche noch weiter hervorragen und einen hohen
Mantel haben, und holländische,
ganz in der
Mauer liegende. Um die
Wirkung des Kamins zu vermehren, benutzt man Kaminöfen aus
Eisenblech, welche in die
Kaminöffnung hineingesetzt werden
oder an der Kaminwand stehen;
mittels Luftzüge wird die untere kalte
Luft im
Zimmer eingesogen,
am
Feuer erwärmt und strömt oberhalb in diesem Zustand wieder aus (s.
Heizung,
[* 18] S. 338 f.).
Kamin heißt auch der Teil des
Schornsteins,
der außerhalb eines heizbaren
Zimmers, gleich vor demOfen angebracht ist und zum Heizen des letztern
durch eine in der
Mauer vorhandene Öffnung dient.
(Kamionka strumilowa), Stadt in
Galizien, am
Bug, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines
Bezirksgerichts, mit Dampfmühle und Brettsäge, Bierbrauerei,
[* 21]
Töpferei,
Viehhandel und (1880) 6107 Einw.
bedeutet eigentlich Blusenmänner, von camise, s. v. w. chemise, Hemd, Bluse (daher auch camisade, nächtlicher Überfall).
Als Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes
[* 23] zurückgenommen hatte (vgl. Hugenotten, S. 770 f.), erhoben sich die Kamisarden zur Verteidigung
ihres Glaubens. Die Aussendung von Soldaten und Mönchen zu ihrer gewaltsamen Bekehrung entzündete nur um
so mehr ihren Glaubenseifer, der sich bis zum Fanatismus steigerte. Propheten und Verzückte standen unter ihnen auf, welche
die Menge in schwärmerische Begeisterung versetzten, so daß sie allen Angriffen eine rücksichtslose Todesverachtung, allen
Peinigungen die größte Standhaftigkeit entgegensetzten.
Die Wut des Volkes richtete sich zuerst gegen die Steuereinnehmer, viele wurden ermordet und ihre Häuser
niedergerissen. Nachdem schon 1689 eine Empörung der Kamisarden mit den Waffen
[* 24] unterdrückt worden war, kam es zum allgemeinen Aufstand
durch die Grausamkeit des Abbé du Chaila, der die Zufluchtsörter der Kamisarden aufspürte, sie daselbst beim Gottesdienst überfallen
und zum Teil hängen, zum Teil einkerkern ließ. Wegen dieser Gewaltthaten wurde 1702 der Abbé mit den
Seinigen erschlagen.
Bald schwoll die begeisterte Schar der Aufständischen zu Tausenden an, und die gebirgige Beschaffenheit des Landes mit seinen
Höhen und Schlupfwinkeln erleichterte ihnen den Kampf. Ihre Bekriegung war um so schwieriger, als Ludwig XIV. zugleich durch
den spanischen Erbfolgekrieg in Anspruch genommen war und seine Gegner alles thaten, um die in ihrem Widerstand
zu bestärken. Bereits hatten dieselben mehrere königliche Heere geschlagen und zum Teil vernichtet, als der König endlich 1703 den
Marschall Montrevel mit 60,000 Mann gegen sie sandte.
Dieser, ein ehemaliger Hugenotte, verfuhr auf das empörendste gegen seine frühern Glaubensgenossen.
Massenweise wurden sie niedergemetzelt oder hingerichtet und das Land in eine Wüste verwandelt; 436 Dörfer waren zerstört
worden. Die Kamisarden vergalten Gleiches mit Gleichem, in der DiözeseNîmes allein erwürgten sie 84 Priester und brannten gegen 200 Kirchen
nieder. An ihrer Spitze stand ein 20jähriger Bäckerbursche aus Ribaute bei Anduze, JeanCavalier. Die Kühnheit
und Geistesgegenwart dieses Führers, die Schwierigkeit des Kampfes, die immer weitere Verbreitung des Aufstandes und CavaliersPlan, sich in der Dauphiné mit dem Herzog von Savoyen zu vereinigen, drohten die höchste Gefahr.
Die Einwohner von Nîmes, Montpellier,
[* 25] Orange, Uzes etc. standen mit den in Verbindung und unterstützten
sie mit allem Notwendigen; alle Glocken der zerstörten Kirchen waren zu Kanonen etc. umgegossen worden. Da ersetzte Ludwig XIV.
im April 1704 den unfähigen Montrevel durch den MarschallVillars. Dieser versuchte den Weg der Güte. Er verkündigte für
alle, welche die Waffen niederlegen würden, Amnestie und ließ Gefangene, welche Treue gelobten, frei.
Dagegen ließ er jeden, welcher mit den Waffen in der Hand
[* 26] gefangen ward, sofort töten und organisierte bewegliche Kolonnen,
die nach allen Seiten hin operierten.
Infolge davon ging eine Gemeinde nach der andern auf seine Anträge ein, und Cavalier selbst schloß endlich zu
Nîmes einen Vergleich mit Villars; er trat als Oberst in die Dienste
[* 27] des Königs. Die Fanatischen unter den Kamisarden setzten den Kampf
allerdings fort, wurden aber wiederholt besiegt und bis Ende 1704 unterworfen. Die Gewaltthaten Berwicks, der 1705 als Nachfolger
Villars' den Oberbefehl erhielt, riefen einen neuen Aufstand hervor, zumal die Kamisarden von den
Engländern und
Holländern mit Geld und Waffen unterstützt wurden.