Kalisch (Gouvernement und Stadt) - Kalisch (Personenname)
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verwendet oder nach verschiedenen patentierten
Methoden auf schwefelsaure Kalimagnesia mit 50 Proz. schwefelsaurem
Kali und 3 Proz.
Chlor sowohl für die
Landwirtschaft als auch für die
Industrie (Pottasche-Fabrikation etc.) verarbeitet. Die Erzeugung von
reinem schwefelsauren
Kali aus diesem
Doppelsalz ist bis jetzt auf einfache
Weise noch nicht recht gelungen. Precht
hat
Kainit zur Alaunfabrikation benutzt. Die vollständige Verwertung der in großer
Menge bei der Chlorkaliumfabrikation erfolgenden
Chlormagnesiumlauge ist noch nicht gelungen; dieselbe fließt noch größtenteils in die
Bode.
[* 7] (poln. Kalisz), russisch-poln.
Gouvernement, erst 1866 gebildet, grenzt im W. u. N. an
Preußen,
[* 8] im
NO. an das
GouvernementWarschau
[* 9] und im
S. und SO. an
Petrokow, 11,373,5 qkm (206,6 QM.);
es ist ein vollständiges, nur hier und da von unbedeutenden
Hügeln unterbrochenes
Flachland. An
Flüssen
besitzt es zwei größere: die
Warthe mit den Nebenflüssen Widawka und Ner, dann die
Prosna, welche die
Grenze gegen
Preußen
bildet und bei Pysdry in die
Warthe fällt.
Sumpf- und Bruchland findet sich, obwohl in nicht ausgedehnten
Flächen, längs der
Warthe und des Ner.
Das
Klima
[* 10] ist mild und gesund, der
Boden im allgemeinen gut kultiviert, sandig oder lehmig, im N. stellenweise humusreich.
Die Ausrodung der
Wälder soll ihm Abbruch gethan haben; in der That sind einige
Kreise
[* 11] fast waldlos, und nur der
Kreis
[* 12]
Wielun hat noch schöne
Forsten. Die
Bevölkerung,
[* 13] (1882) 765,403
Personen, 67 pro QKilometer, ist seit den letzten
zehn
Jahren in rascher Zunahme begriffen.
Der natürliche
Zuwachs der
Bevölkerung beträgt 2,3 Proz. jährlich. Nach dem
Glaubensbekenntnis überwiegen die Katholiken
(80 Proz.); außerdem gibt es
Protestanten,
Juden und Mohammedaner. Der
Ackerbau bildet die Hauptbeschäftigung
der Bewohner und befindet sich in verhältnismäßig sehr entwickeltem Zustand. Der
Boden ist größtenteils sehr fruchtbar
und ernährt selbst in wenig günstigen
Jahren die
Bevölkerung durchaus. Durch die
Emanzipation von 1864 hat sich die
Lage der
Bauern sehr verbessert; trotzdem schätzt man die besitzlose Landbevölkerung noch immer auf 120,000 Individuen,
die sich als
Dienstboten und
Tagelöhner bei Gutsbesitzern verdingen.
Die
Viehzucht
[* 14] ist aus Mangel an
Weiden nicht sehr entwickelt. Man rechnet
ca. 70,000
Pferde
[* 15] und 127,000
Stück Hornvieh, doch
zeichnet sich der einheimische
Pferde- und Viehstand durch nichts aus. Dagegen blüht die Schafzucht; an gewöhnlichen
Schafen
werden 165,877
Stück, an feinwolligen 44,808
Stück gerechnet. Gewinnbringend ist auch die
Zucht von Borstenvieh,
von dem es 130,000
Stück geben soll. Der größte Teil dieser
Produktion wird nach
Deutschland
[* 16] verkauft. An
Fabriken und industriellen
Etablissements existierten 1884: 544 mit 6591 Arbeitern und einer
Produktion im Wert von 14,564,000
Rubel.
Die Fabrikerzeugnisse werden in größern
Partien aus erster
Hand
[* 19] verkauft. Den Detailhandel vermitteln 260
Jahrmärkte. An
Eisenbahnverbindungen leidet Kalisch Mangel. Die schon seit
Jahren projektierte
LinieBreslau-Lodz vermag die
Konzession nicht zu
erhalten. Die Zahl der Unterrichtsanstalten beläuft sich (1883) auf 438, darunter 2 Gymnasien
und 1
Lehrerseminar. 22,370
Schüler, 13,900
Knaben und 8470 Mädchen, besuchten die
Schulen. Kalisch wird in
acht
Kreise geteilt: Kalisch,
Kolo,
Konin,
Lentschiza,
Sjeradz, Slupzy,
Turek und
Wielun.
Kalisch ist eine der ältesten
StädtePolens; es gilt für das von
Ptolemäos genannte Kalisia im
Lande der Suaven. In der Umgebung
wurden zahlreiche alteMünzen
[* 22] und andre
Antiquitäten (darunter eine kleine bronzene Athletenfigur griechischen
Ursprungs von hohem Kunstwert) gefunden, und die vielen alten Grabhügel am
Ufer der
Prosna bergen in ihrem Innern wohl noch
manche wertvolle Gegenstände. Geschichtlich denkwürdig ist Kalisch durch den
SiegAugusts des
Starken von
Polen über den schwedischen
General Mardefeld infolge dessen der König
Herr von ganz
Polen ward, sowie in neuerer Zeit
durch einen
Sieg derRussen über ein französisch-sächsisches
Korps Auch das
Schutz- und Trutzbündnis (der Allianztraktat)
zwischen Rußland und
Preußen vom ward hier abgeschlossen, wie auch der russisch-preußische Aufruf
an die
Deutschen unterm von Kalisch ausging. Zur
Erinnerung an das 1835 dort gehaltene Lustlager russischer und preußischer
Truppen ist ein Denkmal errichtet. Bei der administrativen Umgestaltung
Polens 1866 wurde Kalisch von einer Kreisstadt des
WarschauerGouvernements zur Hauptstadt des gleichnamigen
Gouvernements erhoben.
[* 7] 1)
Ludwig, Schriftsteller, geb. zu
Polnisch-Lissa von jüdischen Eltern, verließ
als zwölfjähriger
Knabe seine Vaterstadt und bereitete sich nach langen Irrfahrten ziemlich spät für den Besuch der
Hochschule
vor. Diese besuchte er in
Heidelberg
[* 23] und
München;
[* 24] zuerst
Medizin studierend, dann sich der vergleichenden
Sprach- u. Litteraturforschung
zuwendend. Nachdem er 1843 seinen Aufenthalt in
Mainz
[* 25] genommen, trat er zuerst als humoristisch-satirischer
Schriftsteller hervor und gab 1843-46 die Karnevalszeitung »Narrhalla«
heraus, deren
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ausschließlicher Verfasser er war. Daneben veröffentlichte er: »Das Buch der Narrheit« (Mainz 1845);
An der revolutionären Bewegung des Jahrs 1849 beteiligt, sah er sich genötigt, Deutschland zu verlassen.
Er ging nach Paris,
[* 27] dann nach London,
[* 28] wo er ein Bild von den Eindrücken beider Städte in dem Buch »Paris und
London« (Frankf. a. M. 1851, 2 Bde.)
entwarf, und ließ sich darauf in Paris nieder, wo er starb. Neben zahlreichen Journalartikeln schrieb er noch:
»HeitereStunden«, Novellen (Berl. 1872, 2 Bde.);
Auf dem Gebiet der humoristischen Ballade und Romanze hat Kalisch Mustergültiges geleistet.
2) David, bekannter Possendichter und Schöpfer des modernen Kouplets, geb. zu Breslau
[* 29] von jüdischen Eltern, widmete
sich dem Kaufmannsstand, ging nach Paris, wo er mit Herwegh, H. Heine, den Sozialisten Marx und Wolf u. a.
verkehrte, und trat 1846 in ein Handlungshaus zu Berlin.
[* 30] Zwischen seinen Geschäftsstunden Kouplets dichtend und französische
Vaudevilles für die deutsche Bühne bearbeitend, errang er mit dem Schwank »Ein Billet von JennyLind« auf dem Sommertheater zu
Schöneberg bei Berlin den ersten Erfolg, und infolgedessen wurden ihm auch die Pforten des alten Königsstädter
Theaters geöffnet.
Seitdem beherrschte Kalisch mit seinen Stücken die komische Bühne in Berlin (Wallner-Theater) und in ganz Norddeutschland fast
ausschließlich. Unter seinen Possen, von denen einzelne Hunderte von Vorstellungen erlebten, sind hervorzuheben: »Einmalhunderttausend
Thaler«, »Münchhausen«, »Berlin bei Nacht«, »Peschke«, »Ein
gebildeter Hausknecht«, »Der Aktienbudiker«,
»Berlin, wie es weint und lacht«, »Einer von unsre Leut«, »Berlin wird Weltstadt«, »Die Berliner
[* 31] in Wien«,
[* 32] »Der Goldonkel«, »Musikalische
Abendunterhaltung«, »Namenlos« (gemeinsam mit E.Pohl) etc. Eine Sammlung seiner kecken, meist durch politische Anspielungen
drastisch wirkenden Kouplets gab er unter dem Titel: »BerlinerLeierkasten« (Berl. 1857-1866, 3 Bde.)
heraus;
eine Anzahl seiner Possen erschien gesammelt unter dem Titel: »Lustige Werke« (das. 1870, 3 Hefte).
Kalisch war zugleich der Begründer des Witzblattes »Kladderadatsch« (1848), dessen Redaktion er später mit ErnstDohm (s. d.) teilte,
und in welchem er den spezifischen BerlinerWitz, volkstümlichen Humor und höhern Blödsinn vertrat, wie
denn auch die typischen Gestalten: Zwückauör, Müller und Schulze, Karlchen Mießnick etc. seine Erfindungen sind. Kalisch starb in
Berlin.