bei den polnisch-russischen Juden, wie bei den deutschen K'hilla, eine Gemeinde,
die, zu rein religiösen Zwecken verbunden, ein geordnetes Gemeindewesen, Kultusbeamte, Schule, Synagoge, Friedhof, Frauenbad
und ähnliche Institutionen besitzt. Diesem Kahal wurde von der russischen Regierung ein gewisses Selbstverwaltungsrecht eingeräumt,
und er hat derselben solidarisch für seine Verpflichtungen zu haften. Seine Machtbefugnis hat der Kahal, wie
nicht zu zweifeln, manchmal mißbraucht und im zelotischen Eifer hin und wieder die ihm gesetzten Grenzen überschritten. Die
ihm von Braphmann (»Der Kahal«, Wilna 1870, und »Die hebräischen Lokal- und allgemeinen Vereine«, Petersb. 1872) untergeschobenen
national-religiösen Tendenzen beruhen indessen auf Mangel an genauer Kenntnis der den Juden der slawischen
Länder noch anhaftenden Eigentümlichkeiten.
Westkreis, an der Saale und an der Linie Großheringen-Saalfeld der Saalbahn, hat ein
Amtsgericht, Wollspinnerei, Maschinen-, Pappe- und bedeutende Porzellanfabrikation und (1885) 3323 evang.
Einwohner.
In der Nähe der Berg Dohlenstein, welcher 1780 teilweise einstürzte, 1828 und 1880 merklich vorwärts rückte,
und die Bergfeste Leuchtenburg, ehemals eine Strafanstalt, jetzt ein vielbesuchter Vergnügungsort.
Dorf im preuß. Regierungsbezirk und Landkreis Danzig, auf der Frischen Nehrung, hat ein besuchtes Seebad,
im Sommer täglich Dampfschiffsverbindung mit Elbing und (1885) 432 evang. Einwohner.
Vgl. Fleischer, Das
Ostseebad, mit besonderer Rücksicht auf Kahlberg (3. Aufl., Elbing 1873).
Richard, Schauspieler, geb. zu Berlin, besuchte die Universität daselbst, wo er vorzugsweise ästhetische
und philosophische Kollegien hörte, und wurde Vorleser bei dem Prinzen Friedrich von Preußen, welche Stellung
er bis zum Tode desselben (1863) bekleidete. Von den Meistern der Bühne zog ihn vornehmlich Dessoir an, während er sich selbst
auf dem Liebhabertheater Urania praktisch versuchte, bis er 1865 als Sprecher in der »Braut von Messina« zuerst in Pest öffentlich
auftrat.
Von Laube 1869 für das Leipziger Stadttheater engagiert, übte sich Kahle hier in den größten Aufgaben
des Charakterfachs und spielte z. B. den Lear mit solchem Erfolg, daß er in Berlin nach seinem ersten Auftreten (1871) in
dieser Rolle sofort engagiert wurde. Klein von Gestalt, weiß Kahle dieselbe durch sein ehernes Organ, hauptsächlich aber durch
das klare Erfassen und die durchgeistigte Wiedergabe eines Charakters bald vergessen zu machen. Seine
Vorzüge kommen am meisten in rhetorischen Rollen zur Geltung.
der nordöstlichste, bis an die Donau reichende Ausläufer der Ostalpen in Niederösterreich, ein Teil
des Wienerwaldes (s. d.). Die höchste Erhebung bildet der aussichtsreiche Hermannskogel, 542 m. Die äußersten Grenzpfeiler,
zwischen Wien und Klosterneuburg an die Donau tretend, sind durch herrliche Waldszenerie und Aussichten berühmt; der eine heißt
Josephs- oder Kahlenberg (mit der Kirche zum heil. Joseph und dem Örtchen Josephsdorf mit großem Hotel), 438 m hoch, der andre
Leopoldsberg; letzterer steigt unmittelbar an der Donau 423 m hoch empor und trägt auf dem Grundgemäuer
einer alten Burg eine Kirche, worin Johann Sobieski, Ludwig von Baden, Karl von Lothringen und andre Führer des verbündeten Heers
vor der
Türkenschlacht den Sieg erflehten.
Gegenwärtig führt von S. her eine Zahnradbahn auf die Höhe des Kahlengebirges, dessen südliche Abhänge von
Weingärten bedeckt sind. Am Fuß desselben, 6 km oberhalb Wien, liegt an der Franz-Josephsbahn das Kahlenberger Dorf mit Kinderasyl
und 548 Einw., wo um 1340 der durch seine lustigen Späße bekannte Pfarrer Wiegand von Theben, der sogen. Pfaffe vom Kahlenberg,
Günstling Herzog Ottos des Erlauchten, lebte. Die Schwankdichtung vom »Pfaffen vom Kalenberg« ist von einem
sonst unbekannten Verfasser, Namens Philipp Frankfurter, der gegen Ende des 14. Jahrh. in Wien lebte, und in mehreren alten Drucken
des 15. und 16. Jahrh. vorhanden, auch in v. d. Hagens »Narrenbuch« (Halle 1811) abgedruckt. Das gleichnamige Gedicht von Anastasius Grün
lehnt sich an die Volkssage an.
Martin, protest. Theolog, geb. zu Neuhausen bei Königsberg i. Pr., studierte hier Rechtswissenschaft
und seit 1854 daselbst, in Heidelberg, Halle und Tübingen Theologie, habilitierte sich 1860 in der theologischen Fakultät zu
Halle, wurde 1864 außerordentlicher Professor der Theologie in Bonn, 1867 zu Halle und daselbst 1879 ordentlicher
Professor. Unter seinen Schriften sind hervorzuheben: »Das Gewissen. Ethische Untersuchung« (Halle 1878, Bd. 1);
»Die Wissenschaft
der christlichen Lehre« (Erlang. 1881, 2 Hefte);
»Neutestamentliche Schriften in genauer Wiedergabe ihres Gedankenganges dargestellt«
(Halle 1884 ff.).
Astenberg, der höchste Gipfel der Provinz Westfalen am Nordostende des Rothaargebirges, zwischen Lenne- und
Ruhrquelle, neuerdings mit einem Aussichtsturm versehen, ist 830 m hoch.
(Calvities) wurde von Celsus mit dem Namen der Alopecia (griech., »Fuchskrankheit«)
belegt und hat diese Bezeichnung in der Wissenschaft beibehalten, obgleich man darunter nicht allein die Kahlköpfigkeit, sondern das reichliche
Ausfallen der Haare bei unvollständigem Ersatz überhaupt begreift. Man unterscheidet Phalacrosis (Kahlheit
des Vorderkopfes), Ophiasis (quer über den Scheitel verlaufender kahler Strich), Opistophalacrosis (Kahlheit des Hinterkopfes),
Hemiphalacrosis (halbseitige Kahlköpfigkeit), Anaphalantiasis (Verlust der Augenbrauen), Alopecia areata (rundliche kahle Platte, fälschlich
als Area Celsi bezeichnet).
Die Ursachen der Kahlköpfigkeit sind entweder erbliche Anlage, oder allgemeine Ernährungsstörungen, oder örtliche Erkrankungen der behaarten
Haut. Unter den allgemeinen Störungen steht obenan das Alter mit seiner Kahlköpfigkeit (Alopecia senilis), dann schwere Krankheiten, besonders
Typhus, Blattern, Wochenbettfieber, dann Gemütseindrücke, heftiger Schrecken, Angst, endlich die Abzehrung infolge von Ausschweifungen,
Tuberkulose und Syphilis. Als örtliche Ursachen sind zu nennen der Kopfgrind (s. d.), Bartfinne (s. d.), schwere Fälle von Kopfrose,
überreichliche Talgbildung und schließlich Ernährungsstörungen, welche man in Ermangelung eines verständlichen Grundleidens
als »trophisch« (d. h. Ernährungsstörung
im besondern) bezeichnet hat. Die Kahlköpfigkeit ist nur dann heilbar, wenn sie auf zeitweise mangelhaftem Nachwuchs
beruht, wie bei Typhuskranken und Wöchnerinnen, bei leichtern Formen der Flechtenkrankheit (Herpes tonsurans) und des Kopfgrindes,
kurz, sofern die Haarwurzel selbst noch erhalten ist; sobald diese zerstört oder abgestorben ist, wie
im höhern Alter, so ist keins der vielen Reklamemittel im stande, einen einzigen Sproß hervorzubringen. Sorgfältige Pflege
mehr
des Haars und der Haut beugen den örtlichen Ursachen in meist völlig ausreichender Art vor; eine kräftige allgemeine Ernährung
nach schweren Krankheiten stellt auch ohne besondere Mittel den Haarwuchs langsam wieder her.
Vgl. Pincus, Krankheiten des menschlichen
Haars (2. Aufl., Berl. 1879).