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philosophischen Fakultät in Wien [* 2] (später Direktor der orientalischen Akademie), und selbst Bartenstein [* 3] (s. d.) anschlossen, welcher durch sein ungeheuerliches Geschichtskompendium in mehreren Foliobänden die Wißbegierde des Prinzen ebensowenig fesseln konnte, als dies dem schablonenmäßigen Unterricht so manches der andern Lehrer gelang. Es waren namentlich die doktrinären und unfruchtbar schematisierenden Vorträge, welche den jungen Prinzen langweilten und zu einer ungeordneten, oberflächlichen und wenig verstandenen Lektüre, besonders der neuen französischen Litteratur, haltlos forttrieben.
Bei aufgewecktem
Geist, rascher Fassungsgabe und dem lobenswerten Bestreben, sich durch eigne
Anschauung über alles ein selbständiges
Urteil zu bilden, wurde J. bald von dem
Gefühl der Vereinzelung und Vereinsamung erfaßt, welchem die
flüchtigen Berührungen mit hervorragenden und von ihm selbst aufgesuchten bedeutenden Männern kein beruhigendes Gegengewicht
gaben. Die Meinung, in allem selbst handeln
und entscheiden zu müssen, und die durchgreifende, rein persönliche Regierungsweise
des großen Monarchen mochten in diesen Umständen ihren Ursprung gefunden haben. 1764 wurde J. zum römischen
König gewählt und gekrönt, und da schon im folgenden Jahr sein
Vater starb, so schien sich seiner Thätigkeit ein weites
Feld zu eröffnen; aber der
Wille der
Kaiserin wie die feste und der monarchischen
Willkür widerstrebende ständische
Verfassung
des
Reichs setzten derselben die engsten
Grenzen.
[* 4]
Obwohl J. in den Erbländern von der Kaiserin zum Mitregenten erklärt war, beschränkte sich sein Einfluß auf das Militärwesen, an welchem er bei aller Bewunderung Friedrichs II., mit dem er im August 1769 in Neiße [* 5] und im September 1770 zu Neustadt [* 6] in Mähren [* 7] Zusammenkünfte hatte, doch kein großes innerliches Interesse fand, und die äußere Politik. Hier trieb Josephs Ehrgeiz Österreich [* 8] zum Anteil an der Teilung Polens und durch das Projekt der Erwerbung Bayerns zum bayrischen Erbfolgekrieg.
Sein Geist beschäftigte sich fast ausschließlich mit den volkswirtschaftlichen und kirchlichen Angelegenheiten, in welchen er seine liebsten Reformgedanken mit Ungeduld bis zur Zeit seiner Alleinregierung zurückgedrängt sah. Mit der Kaiserin stand er auch persönlich nicht auf gutem Fuß, obwohl er sich gern als »gehorsamer Sohn« bezeichnete, als solcher angesehen sein wollte und bei ihrem Tod auch das stürmische Gefühl des Schmerzes nicht verleugnete. Aber je größer die Kluft zwischen ihm und der frommen, von weiblicher Beängstigung erfüllten Mutter wurde, desto weniger war ein Umgang möglich, der die Gegensätze persönlich zu mildern vermocht hätte. Dem unaufhörlichen Drängen Maria Theresias, J. möge zur Beichte gehen und die Kirche besuchen, vermochte der Kaiser auch durch zeitweilige Erfüllung des Wunsches nicht zu genügen.
Als nun Maria Theresia 1780 starb, sollte sich das Wort Friedrichs II.: »Voilà nouvelle ordre des choses!« in unglaublicher Eile bewahrheiten;
denn sofort ließ J. nichts an seiner Stelle, und eine Flut von Gesetzen und Verordnungen, welche meistens jeder verfassungsmäßigen, häufig auch jeder büreaukratischen Grundlage entbehrten und der umfassendsten, auch im 18. Jahrh. nicht ganz gewöhnlichen Geltendmachung des absoluten Systems entsprangen, ergoß sich über alle ungleichartigen Völker und Staaten der alten habsburgischen Hausmacht, welche, mit Beseitigung des verschiedenen Verfassungswesens und der ständischen Vertretung, als vollkommen gleichgestellte Glieder [* 9] vom Kabinett des Kaisers aus, als »Verwalters« des Staats, nach den gleichen Gesetzen regiert werden und einen uhrwerkartig geregelten Organismus mit deutscher Amtssprache ausmachen sollten.
Von der richtigen und klaren Einsicht geleitet, daß die Herrschaft des römischen Stuhls und der katholischen Hierarchie beseitigt werden müsse, wenn die österreichische Verwaltung zur Selbständigkeit des modernen Staatsbegriffs erhoben werden solle, begann er mit entschlossenem Sinn alle die Bande vorerst zu lösen, welche österreichische Unterthanen von der päpstlichen Gewalt abhängig machten. Wie durch die Verordnung vom die anspruchsvollsten Bullen der römischen Kirche aus allen Ritualbüchern und kirchlichen Sammlungen gestrichen wurden, so verfügte J. auch die Aufhebung der päpstlichen Dispense, der Rekurse, des Bischofseides und der Litterae apostolicae, die Einführung des Placet, das Verbot der Annahme päpstlicher Ämter und Titel und des Besuchs der in Rom [* 10] befindlichen theologischen Anstalten.
Diesen wichtigen Reformen folgten zahlreiche Aufhebungen von Klöstern, Einziehung des Vermögens derselben und die Gründung des Religionsfonds sowie die Dotation von trefflichen Unterrichts- und Humanitätsanstalten aus dem konfiszierten Klostergut. Aber schon die Durchführung dieser Maßregeln zeigte erhebliche Mißstände und Willkürlichkeiten. Bald griff die Regierung Josephs auch in die internen Angelegenheiten der Kirche und des Gottesdienstes ein.
»Andachtsordnungen«, Gesetze gegen den »kirchlichen Flitterstaat«, Verordnungen über Prozessionen, Wallfahrten, Ablässe und das unglückliche Gebot des Begrabens der Toten in Säcken, ohne Kleider und in Kalkgruben, alle diese Dinge, welche bestimmt waren, »Aufklärung« zu bewirken, erregten Haß und Verdruß, selbst tiefer gehenden Widerstand seitens des Volkes. Dabei hielt J. doch sehr bestimmt den Begriff der Staatskirche als einer katholischen aufrecht.
Wie in der politischen Verwaltung, so hielt er auch in kirchlichen Dingen Einheit und Gleichheit für die wesentlichste Grundlage des Staatslebens. Das Verhältnis der nichtkatholischen Konfessionen [* 11] vermochte er daher nicht anders als unter dem Gesichtspunkt einer möglichst weit gehenden Toleranz zu fassen. Obwohl sich nun in Ländern, wo die religiösen Fragen längst durch gesetzliche Bestimmungen geregelt waren, wie in Ungarn, [* 12] eine berechtigte Opposition gegen das »Toleranzpatent« gerade von seiten der Protestanten erhob, so wirkten doch die damit zusammenhängenden Verordnungen segensreich auf die Zustände in den andern Ländern, wo endlich ein anderthalbhundertjähriger Druck von vielen protestantischen Gemeinden hinweggenommen wurde. Um übrigens den Übertritt von der katholischen Religion zu andern Konfessionen zu verhindern, schrak J. selbst vor manchen Zwangsmaßregeln nicht zurück, und wie er die Sekte der Deisten durch »Karbatschenstreiche« ausrotten wollte, so fehlt es auch nicht an Beispielen harter Kabinettsjustiz gegenüber von Mönchen, welche aus eignem Entschluß ihren Orden [* 13] verlassen wollten, oder gegen Protestanten, welche wegen Proselytenmacherei Verdacht erregten.
Um den Neuerungen Josephs in Österreich ein Ziel zu setzen, begab sich der Papst Pius VI. 1782 persönlich nach Wien, ohne jedoch etwas zu erreichen. Mit großer Absichtlichkeit wurde jede geschäftliche Verhandlung vermieden, und Fürst Kaunitz empfing den Papst in seinem Palast lediglich als Privatperson. Keinen Augenblick wurde die Reform unterbrochen, vielmehr auch auf das Gebiet der Diözesaneinteilung ausgedehnt, wobei dem Kaiser ernstlichere ¶
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Schwierigkeiten den deutschen Kirchenfürsten gegenüber entstanden, deren Rechte in den österreichischen Erbländern aufgehoben worden waren. Insbesondere wurden auf diese Weise die Bischöfe von Passau, [* 15] Salzburg [* 16] und Bamberg [* 17] zu entschiedener Opposition gegen J. gedrängt, welche sich schließlich in dem Fürstenbund Ausdruck verschaffte. Den letztern hatten die kleinern Reichsfürsten zuerst gegen die Verfassungsverletzungen Josephs geschlossen; als aber J. das Projekt der Gewinnung Bayerns durch Austausch gegen Belgien [* 18] 1785 wieder aufnahm, trat Friedrich II. dem Fürstenbund bei und versetzte dadurch der österreichischen Politik in Deutschland [* 19] eine unheilbare Wunde.
Das kirchliche Territorialsystem aber, welches J. gegründet hatte, vermochten die deutschen Bischöfe nicht zu erschüttern. Zu den neuen Diözesaneinteilungen in Österreich gewann J. schließlich die Einwilligung der römischen Kurie, indem er den Besuch des Papstes schon 1783 unerwartet in Rom erwidert hatte und nun dafür sorgte, daß der Bruch mit Rom nicht allzu tief und nachhaltig werde. Die vornehmste Sorge Josephs richtete sich nunmehr auf die Heranbildung eines staatstreuen Klerus, wie denn das Unterrichtswesen überhaupt eine den Staatszwecken ausschließlich dienende Richtung erhielt. Die Reformen auf diesem Gebiet wurden durch Gottfried van Swieten ins Leben geführt, welcher sich für Verbreitung des Wissens und Könnens große Verdienste erwarb, aber auch in Bezug auf die höhern Aufgaben des Unterrichts und der Wissenschaft einem trocknen Utilitarismus huldigte.
Am wohlthätigsten wirkten ohne Zweifel die Maßnahmen Josephs auf dem Gebiet der sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Verhältnisse, und man hat die treffende Bemerkung gemacht, daß J. den österreichischen Erbländern eine Revolution erspart habe. Er legte den Grund zu einem bessern und gerechtern Steuersystem, das nur deshalb Widerspruch erregte, weil es den Adelsvorrechten entgegentrat und alle ständischen Privilegien beseitigte. Die gänzliche Aufhebung der Leibeigenschaft war aber das dauerndste Resultat der Josephinischen Gesetzgebung. In Bezug auf Josephs Reformen im Justizwesen zeigte sich der unruhige Geist und der stets wachsende Widerspruch der Verordnungen besonders nachteilig. So wurde die Todesstrafe erst aufgehoben und in solche Strafen verwandelt, welche, wie Schiffziehen und Gassenkehren, die öffentliche Meinung gegen sich hatten; bald aber führte eine neue Ordonnanz die Todesstrafe wieder ein. Ganz ähnliche Schwankungen zeigten Josephs Verordnungen über die Bücherzensur und Preßfreiheit. Mangel an jeglicher Voraussicht bei Erteilung solcher Gesetze und zufälliger Verdruß bei Aufhebung oder Modifikation derselben charakterisieren auch hier die Thätigkeit des absolut schaltenden Monarchen.
Trotz des Widerstandes, welchen J. in den Erbländern fand, würden indes seine Gesetze nachhaltiger gewirkt haben, wenn das Ansehen seiner Regierung nicht durch seine äußere Politik völlig erschüttert worden wäre. Bei persönlicher Bewunderung Friedrichs II. war er doch zu sehr in den österreichischen Traditionen befangen, als daß er nicht die lebhafteste Eifersucht gegen das wachsende Ansehen Preußens [* 20] empfunden hätte, und diese Eifersucht ward erwidert, indem der Preußenkönig dem Lieblingsplan Josephs II., Bayern [* 21] zu erwerben, entgegentrat und so dieses für Österreichs Stellung in Deutschland epochemachende Projekt durchkreuzte.
Indem J. Anlehnung an fremde Staaten, bald an Frankreich, bald an Rußland, suchte, mißglückten ihm die nächsten Unternehmungen. Als er die alten Verträge über die Scheldeschiffahrt mit den Holländern lösen wollte, mußte er als römischer Kaiser die Beleidigung seiner Flagge durch das stolze kleine Nachbarvolk hinnehmen und froh sein, daß Frankreich einen Ausgleich vermittelte. Der abenteuerliche Plan, das griechische Reich wiederherzustellen, und die russische Allianz führten zu dem Türkenkrieg von 1788, dessen unglücklicher Verlauf alle schlummernden Kräfte des Widerstandes in den Erbländern entfesselte. In Belgien war es schon 1787 zu blutigen Auftritten gekommen.
Während der Kaiser mit Katharina II. von Rußland im Chersones die weitreichendsten Pläne entwarf, zeigte sich sein Regiment in den Erbländern von seiner schwächsten Seite. Nachdem er die Statthalter der Niederlande, [* 22] den Herzog Albert von Sachsen-Teschen und dessen Gemahlin, die Erzherzogin Marie Christine, wegen der Nachgiebigkeit, die sie den niederländischen Ständen gegenüber bewiesen, abberufen, wollte er durch Kabinettsaufträge über die Köpfe seiner Minister hinweg sein verlornes Ansehen militärisch wiederherstellen und befahl seinem General Murray den rücksichtslosesten Gebrauch der Waffen [* 23] und Einführung des Martialgesetzes.
Aber auch hier fand J. nur wenig Gehorsam, und nachdem er endlich einen fügsamen General zu diesem Zwecke gefunden, hatte er nicht die hinreichende militärische Macht, um die Revolution zu ersticken. Ganz ähnlich hatten sich die Dinge in Ungarn entwickelt. Die einfache Negation des historischen Rechts in diesem Land hatte erst einen passiven, bald in den Komitaten einen faktischen Widerstand erzeugt, der seit 1789 durch die französischen Revolutionsvorgänge sichtlich beeinflußt und befördert wurde.
Als gegen Ende desselben Jahrs J. neue Forderungen in betreff der Rekrutenstellung und Getreidelieferung stellte, wurde er
von den Komitatsbehörden barsch an den Reichstag verwiesen, der freilich seinerseits schwerlich geneigt gewesen wäre, mit
dem ungekrönten König zu verhandeln.
Am unterzeichnete J. jenes merkwürdige Dokument, durch
welches er für Ungarn mit wenigen Ausnahmen alle Neuerungen widerrief und den Verfassungsstand vom Jahr 1780 wiederherstellte.
Um Belgien zu pazifizieren, mußte er sich zu dem noch demütigendern Schritt bequemen, die Hilfe und Vermittelung des Papstes
Pius VI. anzurufen. Gleichzeitig hatten auch die böhmischen und tirolischen Stände sich zu regen begonnen
und preßten dem todkranken Kaiser das Geständnis ab: »Ich will ihnen ja alles geben, was sie verlangen; nur mögen sie mich
ruhig ins Grab steigen lassen«. J. starb 49 Jahre alt, an einem Lungenleiden, welches infolge der Strapazen der
beiden Türkenfeldzüge rasch zugenommen hatte.
Man sagte (wohl mehr eine nachträgliche Erfindung),
er habe sich als Grabschrift setzen wollen: »Hier liegt ein Fürst, dessen Absichten rein waren, der aber alle seine Entwürfe scheitern sah«. Indessen darf man die Wirksamkeit Josephs auch bei der kühlsten Beurteilung und schärfsten Kritik nicht unterschätzen, da aus dem Zusammenbruch seines Regierungssystems die wesentlichsten Prinzipien lebensfähig sich behaupteten. Im großen und ganzen hat er den österreichischen Regierungen und selbst dem österreichischen Volkscharakter in jeder politischen Beziehung seinen Stempel aufgedrückt, der »Josephinische Geist« ist noch heute im Mittelstand Deutsch-Österreichs lebendig. Wenn auch seine kirchlichen Ansichten von seinen Nachfolgern nicht geteilt wurden, ¶